Savigny

[646] Savigny (spr. ßawinji), 1) Marie Jules César Lelorgne de, Naturforscher, geb. 1778 in Provins, gest. 5. Okt. 1851 in Paris, ging 1798 mit der Napoleonischen Expedition nach Ägypten, machte Sammlungen im Mittel- und Roten Meer und veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in den »Mémoires sur les animaux sans vertèbres« (Par. 1816), er gab auch Mittel an zum Verständnis des Formenreichtums der Mundteile der Insekten und arbeitete über die Anatomie und Systematik der Würmer. Für die »Description de l'Egypte« bearbeitete er die Vögel und die niedern Tiere.

2) Friedrich Karl von, ausgezeichneter Rechtslehrer, geb. 21. Febr. 1779 in Frankfurt a. M., gest. 25. Okt. 1861 in Berlin, studierte von 1795 ab in Marburg, wo besonders Ph. Fr. Weis sein Lehrer war, und promovierte 1800, nachdem er 1796–97 auch Hugo in Göttingen gehört, in Marburg mit der Dissertation »De concursu delictorum formali«, habilitierte sich da selbst und ward 1803 zum außerordentlichen Professor ernannt. In demselben Jahre erschien sein Werk »Das Recht des Besitzes« (Gießen; 7. Aufl. von Rudorff, Wien 1865), in dem er ein Muster für die wissenschaftliche Behandlung des römischen Rechts gab, und das ihm sofort bedeutenden Ruf verschaffte. Nachdem er 1804–06 eine Studienreise[646] durch Frankreich und Deutschland unternommen, um Material für seine später erschienene »Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter« zu sammeln, folgte er 1808 nach Ablehnung mehrerer andrer Berufungen einem Ruf an die Universität Landshut, verließ dieselbe jedoch bereits 1810, um sich als Mitglied der Kommission zur Einrichtung der Universität Berlin und erster Professor des römischen Rechts dorthin zu begeben. 1811 ward er hier zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1816 zum Geheimen Justizrat, 1817 zum Mitglied der Justizabteilung in dem neugeschaffenen preußischen Staatsrat, 1819 zum Rat am Revisionshof für die rheinischen Provinzen, 1826 zum Mitglied der Gesetzrevisionskommission ernannt. 1842 wurde ihm bei Abtrennung eines besondern Ministeriums für Gesetzgebungsrevision von dem der Justizverwaltung das erstere übertragen, womit seine akademische Lehrtätigkeit ihr Ende erreichte. Er hat dies Amt bis zum Beginn der Revolution von 1848 verwaltet, doch ist infolge vorhandener, ihm ungünstiger Gegenströmungen von den unter seiner Leitung unternommenen Gesetzgebungsarbeiten mit Ausnahme der 1844 publizierten Verordnung über den Eheprozeß keine zur Annahme gelangt. Den Rest seines Lebens widmete er lediglich seinen wissenschaftlichen Arbeiten. S. war nicht im eigentlichen Sinne der Stifter der historischen Rechtsschule (als welcher vielmehr Gustav Hugo zu betrachten ist), wohl aber ihr anerkanntes Haupt. Er hat zuerst ihr wissenschaftliches Programm entwickelt in der gegen Thibauts Abhandlung »Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland« (Heidelb. 1814) erschienenen Gegenschrift »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft« (Heidelb. 1814, 3. Aufl. 1840; Neudruck, Freiburg i. Br. 1892), in der er im Gegensatz zu der rationalistischen, durch die naturrechtliche Doktrin bestimmten Rechtsauffassung des 18. Jahrh. das Recht als ein gleich Sitte und Sprache mit dem Volke von selbst gegebenes, in ihm wachsendes und seine Eigenart bildendes Element nachwies. Savignys Hauptwerke sind einerseits die »Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter« (Heidelb. 1815–31, 6 Bde.; 2. Aufl. 1834–51, 7 Bde.), zum größern Teil eine Geschichte der juristischen Literatur, und anderseits das leider unvollendet gebliebene »System des heutigen römischen Rechts« (Berl. 1840–49, 8 Bde., nebst Sachen- und Quellenregister von Heuser, 1851). Das gleichfalls unvollendete »Obligationenrecht« (Berl. 1851–53, 2 Bde.) bildet eine Fortsetzung des zweiten Werkes. Seit 1815 gab S. mit Eichhorn u.a. die »Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft« (bis 1850, 15 Bde.) heraus. Seine kleinern Arbeiten erschienen gesammelt als »Vermischte Schriften« (Berl. 1850, 5 Bde.). Vgl. die Gedächtnisreden von Arndts (Wien 1861), Rudorff (Weim. 1862), Stintzing (Berl. 1862), Bethmann-Hollweg (Weim 1867), den Aufsatz von Landsberg in Bd. 30 der »Allgemeinen deutschen Biographie« (Leipz. 1890); Enneccerus, Friedrich Karl v. S. und die Richtung der neuen Rechtswissenschaft (Marb. 1879); Ed. Müller, Friedrich Karl v. S. (Leipz. 1907).

3) Karl Friedrich von, Sohn des vorigen, geb. 19. Sept. 1814 in Berlin, gest. 11. Febr. 1875 in Frankfurt a. M., von seiner katholischen Mutter, gebornen Brentano (Schwester des Dichters), streng katholisch erzogen, studierte 1831–35 in Paris, Berlin und München die Rechte, trat 1836 in den Justizdienst, ging 1838 zur Diplomatie über und wurde bei der Pariser, dann bei der Londoner Gesandtschaft beschäftigt. 1840–42 Legationssekretär in Dresden, hierauf in Lissabon, 1844 Geschäftsträger in Kassel, dann Legationsrat im Haag, ward er 1849 vortragender Rat im Ministerium des Auswärtigen, 1850 außerordentlicher Gesandter in Karlsruhe, zugleich aber diplomatischer Beirat des Prinzen von Preußen, damals Gouverneur der Rheinprovinz. 1859 ging S. als Gesandter nach Dresden, 1862 nach Brüssel, 1864 nach Frankfurt. Hier erklärte er mit dem Protest gegen den Bundesbeschluß vom 14. Juni 1866, daß sich Preußen von dem frühern Bund lossage. In Gemeinschaft mit Bismarck leitete er hierauf die Friedensverhandlungen mit den deutschen Staaten und die Verhandlungen über die Verfassung des Norddeutschen Bundes. In seinen Hoffnungen auf das Amt eines Bundeskanzlers getäuscht, schied S. 1868 aus dem Staatsdienst und gehörte bis zu seinem Tode dem Reichstag und dem preußischen Abgeordnetenhaus als Mitglied des Zentrums an. – Sein Sohn Leo, geb. 19. Juni 1863 in Brüssel, 1891 Professor der Rechtswissenschaft in Freiburg (Schweiz), 1898 in Göttingen, 1902 in Münster, schrieb: »Die französischen Rechtsfakultäten« (Berl. 1891), »Das parlamentarische Wahlrecht im Reiche und in Preußen« (das. 1907), »Des Zentrums Wandlung und Ende« (das. 1907) u.a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 646-647.
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