Sayn und Wittgenstein

[654] Sayn und Wittgenstein, ehemals deutsche reichsunmittelbare Grafschaft im westfälischen Kreis, umfaßte 1376 qkm (25 QM.) und bestand aus zwei Teilen: Hachenburg, jetzt zu Hessen-Nassau, und Altenkirchen, jetzt zur preußischen Rheinprovinz gehörig. Das alte Geschlecht der Grafen von Sayn, deren Stammburg Sayn bei dem gleichnamigen Flecken (s. oben) liegt, seit 1145 nachweisbar, erlosch im Mannesstamm 1246, worauf die Grafschaft an des letzten Grafen Schwester Adelheid fiel, die mit dem Grafen Gottfried II. von Sponheim vermählt war. Von den aus dieser Ehe hervorgegangenen Söhnen erhielt Heinrich die Grafschaft Sponheim-Starkenburg, Gottfried die Grafschaft Sayn. Letzterer vermählte sich mit der Erbgräfin Jutta von Homburg (östlich von Köln), und seine Söhne Johann und Engelbert wurden 1294 die Stifter zweier Linien, einer ältern, der fast die ganze Grafschaft Sayn, und einer jüngern, der die Herrschaften Homburg und Vallendar zufielen. Engelberts Enkel Valentin vermählte sich mit der Erbgräfin Adelheid von Wittgenstein und nahm nun für sich und seine Nachkommen 1361 den Namen S. u. W. an. Als 1606 die ältere Linie ausstarb, fiel die Grafschaft Sayn an die jüngere. Durch eine neue Teilung von 1607 entstanden drei Linien.

Die erste Hauptlinie, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, vom ältesten der drei Bruder, Georg, gestiftet, teilte sich 1694 wieder in drei Speziallinien. Die Speziallinie Sayn-Wittgenstein-Berleburg, vom Grafen Kasimir (gest. 1741) gegründet, besaß das Amt Berleburg, die Herrschaft Homburg und bis 1803 die Herrschaft Neumagen, hatte wegen Berleburg (s. d.) teil an der reichsgräflich wetterauischen Kuriatstimme und erhielt 1792 die Reichsfürstenwürde. Seit 1815 zu den preußischen Standesherren gehörend, traten die Fürsten 1821 ihre standesherrlichen Rechte gegen 100,000 Tlr. an Preußen ab. Residenz ist Berleburg. Ihr gehört an Prinz August, geb. 6. März 1788, gest. 6. Jan. 1874, herzoglich nassauischer Generalleutnant, der 16. Mai bis 20. Dez. 1849 Reichskriegsminister war und 7. Febr. 1852 als Staatsminister die Leitung des Herzogtums Nassau übernahm. Sein Haß gegen Preußen und sein reaktionärer Eifer führten im Sommer 1866 zur preußischen Okkupation Nassaus. Sein Sohn, Prinz Emil, geb. 21. April 1824, gest. 16. Sept. 1878, russ. General und Generaladjutant des Zaren, hinterließ französisch geschriebene MemoirenSouvenirs et correspondance«, Par. 1889, 2 Bde.). Gegenwärtiger Chef des Hauses ist Fürst Richard (geb. 27. Mai 1882). – Die Speziallinie Sayn-Wittgenstein-Karlsburg, nach ihrem Stifter Karl (gest. 1749) benannt, hatte nur gräflichen Rang und wurde durch Vertrag 1851 mit der Ludwigsburger Linie verschmolzen. – Die dritte Speziallinie, Sayn-Wittgenstein-Ludwigsburg, vom Grafen Ludwig Franz (gest. 1750) gegründet, wurde 1834 vom König von Preußen gefürstet. Chef dieser Linie ist Fürst Stanislaus (geb. 23. Sept. 1872), der 1883 durch Verzicht seines Vaters Alexander (jetzt Graf von Hachenburg) Haupt einer Seitenlinie geworden war; letztere hatte 1861 ein aus der Herrschaft Sayn bestehendes Familiensideikommiß und vom König von Preuf;en das Recht, sich Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Sayn zu nennen, erhalten. Die großen Besitzungen des 1887 verstorbenen Fürsten Peter in Rußland fielen an den Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst.

Die zweite Hauptlinie, Sayn-Wittgenstein-Sayn, vom Grafen Wilhelm (gest. 1623) gegründet, erlosch im männlichen Stamme mit dessen Sohn Ernst 1632; durch dessen beide Töchter Ernestine und Johannetta entstanden zwei Speziallinien, nämlich Sayn-Wittgenstein-Hachenburg, deren Besitzungen durch Vermählung von Ernestinens Tochter Magdalene 1678 an das burggräflich Kirschbergsche und 1799 an das Nassau-Weilburger Haus übergingen, und Sayn-Wittgenstein-Altenkirchen, deren Besitzungen auf Grund des mit dem Gemahl der Stifterin, dem Herzog Johann Georg von Sachsen. Weimar-Eisenach, geschlossenen Vertrags nach dem Erlöschen dieses Stammes 1741 an Brandenburg-Ansbach, 1791 an Preußen und 1803 an Nassau-Usingen übergingen, wiewohl der Mannesstamm derselben erst mit dem Grafen Gustav 1846 erlosch.

Die dritte Hauptlinie, Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, von Ludwig dem jüngern (gest. 1634) gestiftet, erhielt den Beinamen Hohenstein von den Hohensteinschen Herrschaften Lohra und Klettenberg (s. Hohnstein), mit denen 1649 der Sohn des Stifters dieser Linie, Johann, von Kurbrandenburg belehnt ward; sie wurden jedoch 1699 von Brandenburg wieder eingezogen. Auch diese Linie hatte teil an der wetterauischen Kuriatstimme und wurde 1804 reichsfürstlich. Chef ist gegenwärtig Fürst Ludwig,[654] geb. 20. Nov. 1831, Mitglied des preußischen Herrenhauses. Vgl. Dahlhoff, Geschichte der Grafschaft S. (Dillenb. 1874).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 654-655.
Lizenz:
Faksimiles:
654 | 655
Kategorien: