Schweflige Säure

[168] Schweflige Säure (Schwefligsäureanhydrid, Schwefeldioxyd) SO2 entströmt manchen Vulkanen und entsteht bei der Verbrennung von Schwefel, beim Erhitzen von Schwefelmetallen an der Luft und bei der Zersetzung von Schwefelsäure bei hoher Temperatur oder durch reduzierende Substanzen. Sie entweicht daher in großer Menge beim Rösten schwefel hat tiger Erze (im Hütten rauch), bei der Darstellung von Schwefelsäure, Ultramarin und Glaubersalzglas und findet sich auch in den Verbrennungsgasen der Braun- und Steinkohlen, die in der Regel Schwefelkies führen. Zur Darstellung der Schwefligen Säure erwärmt man konzentrierte Schwefelsäure mit Kupfer oder Kohle. Im letztern Fall erhält man ein Gemisch von Schwefliger Säure und Kohlensäure. Am bequemsten ist die Zersetzung konzentrierter Natriumdisulfitlösung durch zutröpfelnde Schwefelsäure. In der Technik gewinnt man S. S. durch Verbrennen von Schwefel an der Luft, viel häufiger durch Rösten von Pyrit (Schwefelkies), auch verwertet man die S. S., die bei hüttenmännischen Röstprozessen als bisher lästiges Nebenprodukt entweicht. Ebenso röstet man die schwefelreiche, wiederholt zum Reinigen von Leuchtgas benutzte Gasreinigungsmasse; auch hat man empfohlen, schwefelsaures Zink so stark zu erhitzen, daß es in S. S., Sauerstoff und Zinkoxyd zerfällt, oder man läßt konzentrierte Schwefelsäure auf glühende[168] poröse Substanzen fließen, wobei sie in S. S., Sauerstoff und Wasser zerfällt, während bei Einwirkung von Schwefelsäure auf Schwefel bei 400° nur S. S. und Wasser entstehen. Häufig wird auch als Nebenprodukt erhaltener Schwefelwasserstoff zu Schwefliger Säure und Wasser verbrannt. Löst man die entwickelte S. S. in einem Koksturm in Wasser, erhitzt die entstandene Lösung und trocknet das entweichende Gas mit konzentrierter Schwefelsäure, so erhält man reine S. S. Diese bildet ein farbloses Gas vom spez. Gew. 2,264, riecht sauer, stechend, erstickend, verdichtet sich bei -10° oder durch Druck von 3 Atmosphären zu einer farblosen Flüssigkeit vom spez. Gew. 1,435 bei 0°, die bei -8° siedet, an der Luft sehr schnell unter Erniedrigung der Temperatur auf -50° verdampft und bei -73° erstarrt.

Tabelle

Bei gewöhnlicher Temperatur nimmt flüssige S. S. 1 Proz. Wasser auf, sie mischt sich aber mit den meisten organischen Flüssigkeiten und löst viele an organische und organische Körper. Das trockene Gas reagiert nicht sauer. Wasser löst von dem Gas bei 0°79,789, bei 20°39,374, bei 40'' 18,766 Volumen. 1 Volumen der gesättigten Lösung enthält Volumen S. S. bei

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Die Losung riecht und schmeckt wie das Gas, reagiert sauer und ist als eine Lösung von H2SO3 zu betrachten. In Alkohol löst sich S. S. noch reichlicher als in Wasser, und auch in Glyzerin ist sie leicht löslich. In der Kälte gibt die gesättigte wässerige Lösung Kristalle von H2SO3+14H2O, die bei 2° schmelzen. Reine S. S. ist nicht bekannt, da die Lösung sehr leicht in Wasser und Schwefeldioxyd zerfällt. Schwefeldioxyd erträgt hohe Temperaturen, ist nicht brennbar, unterhält nicht die Verbrennung, zersetzt sich beim Erhitzen mit Wasserstoff, Kalium und Kohle, verbindet sich direkt mit Sauerstoff nur bei Gegenwart von Platinschwamm, Kupferoxyd und Eisenoxyd zu Schwefel säureanhydrid und gibt mit Bleisuperoxyd unter Erglühen schwefelsaures Bleioxyd. Die wässerige Lösung absorbiert an der Luft begierig Sauerstoff und bildet Schwefelsäure. S. S. wirkt daher sehr kräftig desoxydierend; sie reduziert viele Metalloxydsalze zu Oxydulsalzen, bildet mit Mangandioxyd Dithionsäure, verwandelt alle höhern Oxydationsstufen des Stickstoffs in Stickstoffoxyd, gibt mit Chlor unter Zersetzung von Wasser Chlorwasserstoff und Schwefelsäure, mit Schwefelwasserstoff Schwefel und Wasser; sie bleicht bei Gegenwart von Wasser viele organische Farbstoffe (nicht die gelben und Chlorophyll); einige zerstört sie dabei, aus andern erzeugt sie nur farblose Verbindungen, die beim Erwärmen, Trocknen oder durch stärkere Säuren unter Wiederhervortreten der Farbe zerfallen. Eine durch S. S. gebleichte Rose wird z. B. beim Ein tauchen in verdünnte Schwefelsäure wieder rot. S. S. wirkt auch stark antiseptisch, hindert und hemmt gewisse Gärungserscheinungen und die Fäulnis und wirkt auf lebende Pflanzen sehr schädlich, woraus sich die durch Hüttenrauch verursachten Zerstörungen der Vegetation erklären. Sie greift auch die Atmungsorgane an, reizt heftig zum Husten und kann Erstickungszufälle herbeiführen. S. S. ist zweibasisch und bildet zwei Reihen Salze. Man benutzt S. S. und die Lösung in Wasser (auch in Glyzerin unter dem Namen Askolin) zur Darstellung von Schwefelsäure und Schwefelsäureanhydrid, in der Papierfabrikation als Antichlor, unterschwefligsaurem und schwefelsaurem Natron, zum Aufschließen von Alaunschiefer, zum Extrahieren von Kupfererzen, zur Darstellung des Scottschen Zements, zum Ausziehen von phosphorsaurem Kalk aus Eisenerzen, zum Konservieren (Schwefeln) von eingemachten Früchten, von Bier und Wein (Luft mit 1/4 Volumprozent Schwefliger Säure hebt sehr schnell die Lebensfähigkeit der Hefenpilze auf), Hopfen, komprimierten Gemüsen, Fleisch, in der Zuckerfabrikation bei der Saturation des Rübensaftes, zum Maischen der Kartoffeln und des Maises bei der Spiritusbereitung, als Desinfektionsmittel, zum Bleichen von Seide, Wolle, Badeschwämmen, Federn, Leim, Darmsaiten, Korb- und Strohgeflechten, Stärke, Rohzucker, Malz, als Feuerlöschmittel, gegen Hautkrankheiten etc. Flüssige S. S. dient zum Betrieb von Eismaschinen, zum Vertilgen von Ratten, Mäusen, Kaninchen etc. Sie wird in Behältern von Schweißeisen, Flußeisen oder Gußstahl, die auf eine Widerstandsfähigkeit von 30 Atmosphären geprüft sind, verschickt (vgl. Piktolin). Das Behandeln eines Körpers mit gasförmiger Schwefliger Säure, von dem schon Homer spricht, nennt man speziell Schwefeln. Plinius kannte das Reinigen der Gewebe mit Schwefliger Säure. Lange Zeit glaubte man, daß sich beim Verbrennen von Schwefel Schwefelsäure bilde, und erst Stahl zeigte, daß S. S. weniger Sauerstoff enthält als Schwefelsäure. Priestley stellte 1775 reine S. S. dar. Die größte Bedeutung gewann die S. S. durch ihre Benutzung zur Schwefelsäurefabrikation. Vgl. Pfeiffer, Die S. S. und ihre Verwendung bei Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln (Münch. 1889); Harpf, Flüssiges Schwefeldioxyd (Stuttg. 1900); Wieler, Untersuchungen über die Einwirkung schwefliger Säure auf die Pflanzen (Berl. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 168-169.
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