[255] Ölbaum (Olea europaea L., O. oleaster Link., als Wilder Ö., O. sativa Link.), sehr alt werdender Baum, strauchartig auf Bergen wachsend u. gibt besseres Öl, mit lanzettförmigen, dunkelgrünen, unten weißgrauen, lederartigen, immer grünen Blättern. Der cultivirte Ölbaum erhält u.a. in der Umgegend von Nizza eine Höhe von 3035 Fuß u. eine Stammdicke von mehr als vier Fuß, die Rinde ist graubräunlich, die Äste sind glatt u. grauweißlich; durch seine so weit verbreitete Cultur sind übrigens über 40 Varietäten entstanden. Er variirt z.B. mit warzigen Ästen, lanzettförmigen, flachen, unten weißen Blättern (O. verucosa, als eigne Art betrachtet); mit linienlanzettförmigen, langen, unten silberfarbenen Blättern (O. longifolia); mit breiten, flachen, unten graugrünen Blättern (O. latifolia), beide zu O. sativa gehörig; mit lanzettförmigen, unten rostfarbenen Blättern (O. chrysophylla), eigne Art; mit länglichen, schiefen, gebogenen, unten blassen Blättern (O. obliqua), zu O. sativa gehörig; mit länglich ovalen Blättern, abstehenden, ausgesperrten Zweigen (O. buxifolia) zu O. oleaster gehörig, u. in mehren Abarten. Der Ö. ist unansehnlich u. gleicht unserer Weide, hat aber festes, sehr dauerhaftes, eine gute Politur annehmendes u. deshalb zu mancherlei Drechslerarbeiten benutztes Holz, fordert eine warme Lage u. ein warmes Klima, wird im Frühjahr nach dem Frost in den verschiedensten Formen, fächerförmig, pyramidalisch u. kesselförmig, aller zwei Jahre beschnitten; erreicht mit 20 Jahren seine größte Vollkommenheit u. setzt zuweilen, bes. beschnitten, mit seiner Tragfähigkeit aus. Der Ö. scheint von den Küstenländern des Mittelmeeres zu stammen, wo er jetzt noch, bes. auf der afrikanischen Küste, gefunden wird. Jetzt findet man ihm auch am Litorale, ja in fast ganz Südeuropa. Im Jahre 680 v. Chr. soll er durch die Phönicier nach Marseille gebracht worden sein. Auch Spanien u. Portugal hat gute Ölbäume. In Deutschland findet man ihn auch hier u. da im Freien, doch nur als Seltenheit angepflanzt, da er nur selten hier Früchte bringt. Man vermehrt ihn durch Stecklinge u. Ableger; am besten wächst er in fruchtbarem u. nassem Boden, aber die Früchte sollen auf dürrem Boden viel wohlschmeckender werden; diese Früchte sind die bekannten Oliven (s.d.), welche das Baum- od. Provenceröl liefern. Der Ö. bringt im Durchschnitt 10 Pfd., in guten Jahren 20 Pfd. Öl, u. ein mit Ölbäumen bepflanzter Boden lohnt wenigstens achtfach so viel als guter. Weizenboden. Reise Oliven geben fettes u. mehr Öl, halbreife feineres, wohlriechenderes.[255] Die Olive wird im Sommer erst gelb, dann roth u. endlich, ganz reif, purpurn; bes. Frühjahrsnebel ist dem Ö. gefährlich u. erzeugt eine Krankheit, wo die Säfte stocken, die Blätter gelb werden, die Blüthen abfallen u. die wenigen sich zeigenden Früchte runzlich u. grau sind; auch der Kermeswurm ist sehr schädlich. Von den Blättern erzählt Gellius (IX, 7), daß sich dieselben an den Tagen der Sonnenwenden u. am kürzesten Tage wendeten, so daß der untere Theil nach oben zu stehen käme. Man gewinnt das Öl, indem man die Früchte abnimmt, auf Mühlen grob zermahlt u. dann unter eine Presse bringt. Das Öl wird in großen irdenen Krügen, fest verschlossen, in Kellern aufbewahrt. In jedem Gefäß liegt unten ein Schwamm, welcher die schlechtesten Theile einsaugt. Officinell sind von dem Ö. außer den Oliven, dem Olivenöl u. dem Olivengummi, noch die Olivenblätter (Folia oleae), bitter u. adstringirend schmeckend, ein saures bitteres Princip, ein schwarzes Harz, Gerbstoff u. eine eigne krystallinische Substanz, Vauqueline, enthaltend; ferner Olivenrinde (Cortex oleae), von bitterm Geschmack, ohne Geruch, rauh u. rissig anzufühlen, od. von den jüngsten Zweigen glatt u. grau von Farbe. Der O. fand sich häufig in Palästina, bes. berühmt ist der Ölberg (s.d.) bei Jerusalem in der christlichen Geschichte. Den Griechen galt Sais in Ägypten als dessen Vaterland, woher ihn Kekrops mitgebracht haben sollte. Der Ö. war bes. für Attika wichtig, dessen steiniger Boden dem gewinnreichen Anbau desselben sehr günstig war. Der Mythus erzählt, daß Athene mit Poseidon um den Besitz des Landes kämpfend, den O., jener aber das Roß erschaffen habe, worauf, nach schiedsrichterlicher Entscheidung, der Schöpfung des Ö-s der Preis wegen größerer Nutzbarkeit zuerkannt wurde. Der angeblich von Athene selbst auf der Akropolis gepflanzte erste O. blieb fortwährend Gegenstand heiliger Verehrung u. der Anban des Ö-s stand unter dem Schutze der Gesetze. Wie in den Panathenäen, so war auch in den Olympischen Spielen ein Olivenkranz der Siegerpreis. Hieraus ergibt sich die symbolische Beziehung, welche der Ölzweig auf Sieg, Frieden, Glück, Überfluß u., zumal mit wollenen Binden umwunden, auf friedliche, demüthige Bitte erhält. Numa trägt darum einen Ölzweig, wie auch einige römische Kaiser auf den Kaisermünzen.