[889] Athmen (Respiration), nebst dem Herz- u. Arterienpulsschlag, erste Bedingung des thierischen Lebens, indem das Blut eines steten Empfanges von Stoffen bedarf, die nur die atmosphärische Luft ihm bietet, u. dagegen Stoffe zurückgibt, die ohnedies dem Leben verderblich sein würden. Es gelangt daher bei warmblütigen Thieren alles Blut, nachdem es von der linken Herzkammer aus in dem ganzen Körper herumgetrieben worden, u. nur eines Theils seiner belebenden u. ernährenden Eigenschaft beraubt, u. mit verbrauchten Stoffen überladen zurückgekommen ist, in die rechte Herzkammer, u. von dieser aus in die Lunge, um hier mit der, in Folge des A-holens in die Lungenbläschen verbreiteten Luft in Gemeinschaft zu treten, indem die hier höchst zarten häutigen Gebilde, welche Blut u. Luft scheiden, nicht hindern, daß der zur Erneuerung der Vitalität des Blutes nöthige Stoffwechsel zwischen beiden Statt habe (vgl. Blut u. Herz). Es verbindet sich nämlich der Sauerstoff der atmosphärischen Luft mit dem Kohlenstoff, der in dem venösen Blute, das aus dem rechten Herzventrikel zuströmt, reichlich enthalten ist, zu Kohlensäure u. wird in dieser Verbindung, welche nicht mehr zum A. tauglich ist, zugleich mit vielem Wasserdunst größtentheils wieder ausgeathmet, wobei das Blut seiner für den Lebensproceß unbrauchbaren Beimischungen entledigt wird. Statt des hierbei ausgeschiedenen Kohlenstoffes nimmt das Blut den Stickstoff der atmosphärischen Luft auf, welcher assimilirt wird u. als wirkliches Nahrungsmittel in die organische Masse übergeht. Daher findet sich in der ausgeathmeten Luft nur ein kleiner Theil des eingeathmeten Stickstoffes wieder. Das Einathmen reinen Sauerstoffgases bringt zwar Anfangs eine lebhafte Anregung der Lebensthätigkeiten zu Wege, weil dasselbe den die Nerventhätigkeit deprimirenden Kohlenstoff schnell u. in Menge entfernt, allein diese Anregung muß das Leben überaus schnell consumiren, da der in dem Stickstoff gegebene Ersatz für den materiellen Verlust fehlt. Das Einathmen wird zunächst durch Erweiterung der Brusthöhle bewirkt, welche selbst zum größten Theil durch die Lunge ausgefüllt wird, u. dies sowohl durch Seitenerweiterung, indem die beweglichen [889] Rippen nebst dem Brustbein etwas gehoben werden, als auch durch Senkung des Zwerchfelles. Die atmosphärische Luft strömt nun durch eigene Elasticität durch Nase u. Mund in die Luftröhre u. deren Verzweigungen durch die ganze Lungensubstanz. Das Ausathmen geschieht durch Auspressen der Luft auf demselben Wege, indem die Brusthöhle durch Nachlassen der Muskelthätigkeit, welche deren Erweiterung bewirkte, wieder auf ihren früheren Raum sich verengert. Das Ein- u. Ausathmen ist in Bezug auf Rhythmus, Frequenz, Tiefe der Athemzüge, auf vollständigeres od. unvollkommneres Anfüllen u. Entleeren der Lungen mit u. von Luft allerdings dem Willen unterworfen, aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Gänzliches Unterlassen des instinctmäßig aus Naturdrang erfolgenden A-s, durch bloße Willenskraft, ohne daß, wie beim Erdrosseln od. Ersäufen, dem Einströmen der Luft mechanische Hindernisse entgegengestellt werden, ist unmöglich. Der auf letztere Weise bewirkten Hemmung des A-s folgt in kurzer Zeit ein Gefühl von Bänglichkeit, das bald einen höchsten, das Bewußtsein selbst vernichtenden Grad erlangt, indem die Herzbewegung zugleich stockt u. ein Zustand von Scheintod u. gar bald wirklicher Tod eintritt. Noch schneller, ja noch vor gänzlichem Aufhören des Herzschlages, ja erfolgt dieser Zustand von Scheintod, wenn zum Athemholen ganz untaugliche Luftarten, denen durch das A. od. durch das Verbrennen brennbarer Körper aller Sauerstoff entzogen ist, in denen die Flamme eines Lichtes erlöscht, od. die zugleich reizend u. giftig wirken, einathmet werden, indem der Eindruck derselben auf die höchst empfindliche innere Haut der Luftröhre u. ihrer Verzweigungen unmittelbar auf das Gehirn übergetragen wird. Die Athemzüge stehen mit der Herzbewegung in so unmittelbarem Bezug, daß Alles, was den Herzschlag anregt (Körperbewegungen Leidenschaften etc.), auch das A. beschleunigt. Gewöhnlich kann man auf fast 4 Pulsschläge 1 Athemzug rechnen. In Krankheiten wird das A. durch alles gestört, was auf die Lunge u. überhaupt die Organe des A-s, od. auf die Herzbewegungen einwirkt, daher auch Beängstigungen (Gefühle dieser Störungen) in Krankheiten eines der gewöhnlichsten Symptome sind. Ein freies A. ist gegenseitig selbst in gefährlichen Krankheiten eins der Zeichen, auf welche man vor anderen einige Hoffnung gründen darf. Das A. deutet blos bei warmblütigen Thieren sich in seinem offenstliegenden Lebenscharakter an; es ist aber so sehr Grundbedingung alles Lebens, daß kein Thier, ja keine Pflanze ohne A. u. ohne Stoffwechsel mit der umgebenden Atmosphäre bestehen, od. wenigstens zu einer vollen Lebensentwickelung gelangen kann. Amphibien athmen ebenfalls durch Lungen; aber bei einem einfachen Herzbau (nur einer Herzkammer), ohne daß die sämmtliche Blutmasse nach Wiederzurückkehr zum Herzen vorher in die Lunge treten muß, können sie des A-s auf weit längere Zeit entrathen. Diesen steht bei Säugethieren der Embryo gleich, wo der Mutterkuchen, bis zur Geburt, die Stelle der Lungen vertritt, der selbst aber das lebenskräftige Princip aus dem Körper der Mutter bezieht; beim Vogelembryo aber findet während der Bebrütung der Sauerstoff der Luft durch die poröse Eierschaale Zutritt. Fische athmen durch Kiemen zwar Wasser, welches aber mit atmosphärischer Luft angeschwängert sein muß; Fische in Wasser in fest verschlossenem Gefäße, od. unter dem Eis in einem nicht sehr weit verbreiteten Raume, od. in, mit Öl übergossenem Wasser sterben daher aus Mangel der Lufterneuerung. Insecten u. Würmer athmen durch eigene Luftwege (Tracheen), die sich in ihrem ganzen Körper verbreiten. Thiere noch niedrigerer Ordnung aber durch ihre Hautoberfläche; mit Öl überstrichen, sterben sie daher auch. Aber auch in den Thieren der höchsten Ordnung, deren Haut der Luft zugänglich ist, bes. auch bei Menschen, nimmt die Haut an dem chemischen Vorgange beim A. Theil, indem durch sie ein gleicher Stoffwechsel Statt hat. Thieren der allertiefsten Stufe ist zum Theil der Sauerstoff weniger Bedürfniß, immer aber die Gemeinschaft mit der Luft. Bei Pflanzen sind bes. die Spaltöffnungen der Blätter die eigentlichen A-organe; hier ist aber der Stoffwechsel ein verschiedener, je nachdem sie dem Lichte ausgesetzt sind, od. im Schatten stehen. Gewöhnlich hauchen des Tages u. im Sonnenschein Pflanzen Sauerstoffgas aus u. ziehen Kohlensäure an; des Nachts u. im Schatten aber wird jenes aufgenommen, diese zurückgegeben. Es ist aber hier das A. so mit ihrer Eigennatur verflochten, daß es wenigstens in der Wahrnehmung sich nicht als ein eigener Vorgang darstellt.