Bagdad

[173] Bagdad, 1) türkisches Ejalet im SO. von Kleinasien, grenzt an Persien, Mossul, Haleb u. die große Arabische Wüste; die südöstliche Spitze berührt den Persischen Meerbusen; gegen 35,000 QM. groß; im W. flach, wird das Land nach O. gebirgig: im N. der Dschawur-Dagh (Tura, Dschelln-Gebirge, zwischen 13 u. 14,000 F. hoch), nach S. der Kelischin-D., Kendilan-D. u. Banna-Knh (mit Erhebungen über 10,000 F.); nach SW. der Schurkili-D., Tawiler-D., Asmir-D., Kurkur-D., Basijan-D., Kara-D., Karadschuk-D., Dschebbel-Ali, Machul, Hamrim; nahe an der persischen Grenze der Amarisch-D., Milagawan-D. u. Puschti-Kuh; Ebenen: außer der großen Wüste, östlich vom Euphrat, die Wüste El-Dschesireh (Tscholl), östlich vom Tigris die Lurische Wüste u.a., im NO. die Ebene Tapespi, u. weiter südöstlich die Ebene Schemiram, der ganze Landstrich Bataja, zwischen dem Euphrat u. Tigris die Ebene Abladam; Flüsse: außer den beiden Hauptströmen Euphrat u. Tigris, mehrere Nebenarme u. Kanäle, die theils deren Lauf abkürzen, theils dieselben schon in der Gegend von B., bes. aber weiter südlich, verbinden; so am Tigris z.B. der Nahrawan-Kanal in der Nähe von B., 20 Ml. lang. Nebenflüsse des Tigris sind außerdem Sab-Assal, Adhem, Dijala, Mendeli u. Kercha (von Persien kommend). Seen: Rumahijeh (mit sumpfigen Ufern), Hindijah, der Salzsee el Milh etc. Das Klima ist heiß u. im Sommer wegen des oft herrschenden Samum fast unerträglich. Das Land ist in den bewässerten Theilen äußerst ergiebig, doch mangelhaft bebaut; übrigens in vielen Gegenden unbekannt; Horden räuberischer Araber machen den Zutritt ins Innere fast unmöglich. Die Einwohner, meist Araber, sind zum großen Theile Nomaden; außerdem Kurden, Turkomanen u. Türken. Hauptstadt B.; demnächst Basra (s.d.); B. wird getheilt in 4 Liwa: B., Ssuleimanije, Köi-Sandschak u. Gergök. 2) Liwa daselbst, nimmt etwa den mittleren u. westlichen Theil des Ejalets ein; hier die Ruinen von Babylon am Euphrat. 3) Hauptstadt des Ejalet u. Sitz eines Pascha; auf der Ostseite des Tigris, mit Schiffbrücke (620 Fuß), während die Trümmer des alten B. auf der Westseite des Flusses liegen; hält eine deutsche Meile im Umfange; die Mauern (u. Häuser) sind aus Ziegeln gebaut, haben einen Wassergraben vor sich, der Wall ist mit Kanonen besetzt u. eine Garnison schützt die Stadt; an der NSeite ein altes Castell; sie enthält 5 prächtige u. mehr als 90 kleinere Moscheen, mehrere Seminarien für Derwische u. große Bazars (1200 Hallen), 30 Karavanserais, 50 Bäder, Grabmäler muhammedanischer Heiligen aus allen Secten, die Straßen sind eng; Fabriken u. Handel mit Saffian-, Seiden-, Gold-, Silber-, Woll- u. Apothekerwaaren; Hauptniederlage für die indischen Waaren, obgleich diese jetzt auch häufig durch Persien nach Trapezunt gehen. Nachdem die Stadt 1831 durch die Pest den größten Theil der Bevölkerung (bis auf 20,000) verloren hatte, ist sie seitdem wieder bis zu 70 bis 80,000 Ew. angewachsen, die meist Türken u. Araber sind; auch zahlreiche Perser, Armenier u. Juden, letztere in einem besonderen Stadtviertel. 4) (Gesch.). B. (d.i. geschenkter Garten), nach Einigen genannt nach einem Derwisch, dessen Zelle hier stand, nach Anderen nach dem Gott Bag, welchem die Gemahlin des Kyros hier einen Tempel baute, nach Anderen nach dem fruchtbaren Gartenland um die Stadt, heißt auch Dar-us-Selam (d.i. Haus des Heils) u. Dar-ul-Khilafet (d.i. Haus des Khalifats), weil es die alte Residenz des Abassidischen Khalssen war, auch Burdsch-ul-Ewlia (d.i. Bollwerk od. Burg der Heiligen), von den Grabmälern vieler dort begrabener heiliger Männer. B. wurde von dem 2. Abassidischen Khalifen Almansur 762–66 erbaut u. von dessen Enkel Hadi zur Residenz des Khalifats erhoben. Zwar wurde die Residenz unter Motassem II. um 840 nach Samareth verlegt, allein 873 wurde B. unter Mohamed Billah wieder Sitz der Khalifen. Das damalige B. soll 12,000 Mühlen, eben so viel Karavanserais, 100,000 Moscheen, 60,000 Bäder, 80,000 Bazarhallen u. 2 Mill. Menschen gehabt haben. Hier herrschten unter den Abassiden 933–1055 die Buiden, dann seit Togrul-Beg bis 1258 die Seldschuken mit Khalifengewalt. Einer der letzteren, Alp Arslan, gründete 1065 die berühmte Akademie (Nisamije); 1225 wurde B. von Dschelal Eddin verheert, wobei auch der alte Palast der Khalifen abbrannte. Das alte B. ging mit der Einnahme durch die Mongolen unter Holaku 1253 zu Grunde, erstand aber unter den Ilkhanen u. den Fürsten vom Schwarzen u. Weißen Hammel, die in Irak auf einander folgten, wieder aus seinen Ruinen. Im Juli 1404 wurde B. von Timur eingenommen u.[173] gänzlich zerstört, nur Moscheen, Schulen, Klöster u. Spitäler wurden verschont, so wie die Imams, Richter u. Lehrer; von den Köpfen der 90,000 erwürgten Ew. wurden Schädelpyramiden aufgerichtet. Die Statthalterschaft von B. erhielt Abubekr mit dem Auftrag, die Stadt wieder aufzubauen. Im Anfang des 16. Jahrh. riß Schah Ismael von Persien B. an sich; 1534 eroberten es die Osmanen. Unter Soliman I., 1623, ward B. wieder von den Persern genommen, welche der Rebell Bedir zu Hülfe gegen die Osmanen gerufen hatte, u. die Osmanen eroberten die Stadt, nachdem sie dieselbe 1625 u. 1630 vergebens belagert hatten, erst 1638 nach 40tägiger Belagerung wieder; 20,000 Perser wurden niedergehauen, die Bewohner u. ihr Eigenthum aber geschont. Seitdem ist B. unter türkischer Herrschaft geblieben. 1763 machten die Jamaken von B. einen Aufstand, erschlugen den Statthalter Ali Pascha u. wollten die Stadt den Persern übergeben; doch die Gewährung ihrer Bitte um Omer als Statthalter besänftigte die Empörer. B. ist auch der Schauplatz der meisten Mährchen der 1001 Nacht. Vgl. Wellsted, Travels to the City of Caliphs, Lond. 1840, deutsch von Künzel, Pforzh. 1841, 2 Bde. 5) Stadt u. 6) russisches Fort am Obern Rion in Imerethien.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 173-174.
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