[602] Ziegel, 1) ein künstlicher Stein, welcher aus Thon, Thonmergel od. Lehm geformt, an der Luft getrocknet u. dann meist gebrannt ist. An der Luft getrocknete, übrigens wie andere Z. aus Lehm geformte u. wegen der größeren Festigkeit mit Flachsschaben u. Spreu gemischte Z. heißen Luftziegel (Lehmbacksteine, Lehmpatzen, Pisésteine). Über Schlackenziegel s.u. Ziegelfabrikation S. 604. I. Arten der Z.: A) Mauerziegel (Backsteine, Mauersteine), zum Aufführen aller Arten Mauern, zum Belegen von Fußböden etc., sind gewöhnlich 12 Zoll lang, 6 Zoll breit u. 3 Zoll dick, bisweilen auch größer od. kleiner. Scharf gebrannte, meist halbglasirte Z. heißen Klinker (Glasziegel) u. werden bes. zum Wasserbau, Pflastern von Fußböden u. in Holland, auf die hohe Kante gestellt, zum Belegen von Chausseen angewendet. Die holländischen Klinker sind die vorzüglichsten; sie haben eine grünlich- od. schwärzlich braune Farbe, sind in großen, oben offenen Öfen sehr scharf gebrannt u. fast verglast, saugen durchaus kein Wasser ein, haben glasigen Bruch u. sind kaum halb so groß als unsere Mauerziegel. Die am schärfsten gebrannten Z. sind die Mundsteine, welche am Mundloch des Brennofens lagen; die weniger scharf, aber noch besser als die gewöhnlichen gebrannten heißen Kranzziegel. Die Hohlziegel haben im Innern der Länge nach bald einen, bald mehre durch Zungen von einander getrennte, im Querschnitte meist rechteckige, röhrenförmige Kanäle u. sind nicht minder fest als massive Steine, dagegen viel leichter u. poröser u. haben ein weit geringeres Wärmeleitungsvermögen; sie werden daher bes. zu Stallungsdecken gebraucht. Die Falzziegel haben an der einen Ecke einen Ausschnitt u. werden zu Thür- u. Fenstergewänden gebraucht; Ziegelplatten od. plattirte Z. (Pflasterziegel, Fließen, Flurbacken, Bodensteine, Fußsteine), dienen in Form quadratischer sechs- od. achteckigen Platten zum Pflastern der Fußböden u. sind deshalb aus fetterer Masse gestrichen u. scharf gebrannt; die Deckziegel zum Bedecken der Flur- u. Befriedigungsmauern sind 2024 Z. lang, 12 Z. breit, 221/2 Z. dick. Brunnen- (Kessel-) steine haben zwei bogenförmige u. zwei keilförmig zusammenlaufende Seitenflächen u. dienen zum Brunnen- u. Säulenbau. Die Simsziegel, zu Simsen dienend, sind gewöhnlich 1820 Z. lang, 68 Z. hoch, 441/2 Z. dick u. werden nach vorgeschriebenen Formen od. Schablonen gefertigt. Schmiegziegel (Klamp-, Spitz-, Kreuzziegel, Stromlagen) sind abgeschrägte Z., deren Seitenflächen schräg auf die Mauerflächen treffen, um durch den mannigfaltigeren Fugenwechsel einem Ziegelmauerkörper mehr Halt zu geben; Kaminsteine, bes. für Schornsteinröhren bestimmt, wo die Mauerziegel liegend zu breit u. stehend zu dünn sind; Keilziegel (geschnäbelte Steine, Wölbziegel), in Form eines abgestutzten Keils, dienen zu Gewölben, vgl. Gewölbesteine; Barnsteine, zum Aufmauern der Futtertröge (Barn) bestimmt u. darnach geformt; Rinnziegel, haben rinnenförmige Vertiefungen, so daß, wenn man deren zwei auf einander legt, Wasserröhren von 3 Zoll Durchmesser entstehen. Blendsteine sind dünne Ziegelplatten zum Verblenden der Holzwände an den äußeren Seiten, um das Holz den Einwirkungen der Witterung zu entziehen u. den Gebäuden ein massives Ansehen zu geben. Ausschuß sind Z., welche, weil sie beim Brennen an den Wänden des Ofens lagen od. aus sonst einem Grunde schlecht u. ungleich gebrannt sind; sie werden oft zu Ziegelmehl zerstoßen. Über die feuerfesten od. Chamotteziegel (Porzellanziegel, Ofenziegel) u. über die Kalkziegel s.u. Ziegelfabrikation S. 604. Die von Ehrenberg vorgeschlagenen schwimmenden od. Infusorienziegel (vgl. Ziegelfabrikation S. 605) können benutzt werden zum Poliren, Formen, Ausfüttern der Feuerstellen, Brandmauern, zum Bauen steinerner Behälter od. Unterlagen auf Schiffen u. zum Wölben. Schwimmende Z. ließ auch Fournet aus Kieselerde mit Zusatz von etwas Thon brennen. Über Façonziegel od. verzierte Z. s.u. [602] Ziegelfabrikation S. 605. B) Die Dachziegel (Dachsteine) sind zur Dachdeckung bestimmt; die gewöhnlichen (Biberschwänze, Hakenziegel, Flachziegel, Breitziegel) sind 15 Zoll lang, 6 Z. breit, 1/23/4 Z. dick u. zum Aufhängen derselben an den Dachlatten an ihrer Unterseite mit einer Nase versehen; die unterste Schicht auf einem Dache heißt Dachtraufenziegel. Man fertigt auch halbe Biberschwänze, da man zur Herstellung des nöthigen Verbandes beim Eindecken halbe braucht. Zu den Dachziegeln gehören die mit zwei Nasen versehenen Kapp- (Kaff-) ziegel, welche so lang wie die Biberschwänze, aber dreimal breiter u. in der Mitte trichterartig in die Höhe gebogen sind, so daß sie beim Aufdecken unter sich einen kleinen Kanal lassen, durch welchen der Raum unter dem Dache Licht u. Luftzug bekommt; ferner die Gehrenziegel, schräge Z. auf Thurmdächer; die Ortziegel, womit die Seitenenden der Dachflächen an geraden Giebeln eingedeckt werden; die einfachen Hohl- od. Forstziegel bilden schwach kegelförmige, 1618 Z. lange Rinnen; am dickeren Ende ist der innere Halbmesser 31/2 Z.; sie dienen zum Abdecken der Dachfirsten, wie die etwas kleineren, gleichgestalteten Walmziegel zum Eindecken der Walmkanten; erstere haben am weiteren Ende, letztere auch in einiger Entfernung vom obern schmälern Ende, womit sie sich beim Eindecken einander stützen, Nasen; man kann auch das ganze Dach mit solchen Z-n decken, indem man abwechselnd eine Schicht mit der hohlen u. mit der gewölbten Seite nach oben legt, so daß sich die Schichten übergreifen u. Rinnen vom First bis zur Traufe entstehen; auch verwendet man dann die nach Form eines ∾ gebogenen Schlußziegel (doppelte Schlußziegel, doppelte Hohlziegel, Dachpfannen, Fittigziegel); sind sie in der Mitte ganz flach, nicht wie ein ∾ gebogen, so heißen sie auch Kramp- (Pfannen-, Paß-) ziegel. Sie sind bes. zum Decken der Dächer altdeutscher Städte benutzt. Zu den Hohlziegeln gehören auch die 20 Z. langen Kehlziegel, welche am weiten Ende 16 Z. breit sind u. zum Eindecken der Kehlen bei Wiederkehren benutzt werden, wozu man jetzt oft auch blos Biberschwänze anwendet. Die Dachziegel sind bei Ziergebäuden, bes. Kirchen u. Schlössern, von verschiedener Art u. in verschiedenen Farben, schwarz, grün, gelb, glasirt, s.u. Ziegelfabrikation. Dachfensterziegel sind bes. stark u. aus gutem Material gebrannte große Dachziegel von 11/22 Fuß Länge u. Breite, welche die Form eines halbrunden Dachfensters haben, glasirt u. an zwei od. drei Nasen an die Dachlatten, wie andere Z., gehängt werden u. als wirkliche Dachfenster dienen; die Öffnung wird durch eine Glasscheibe in Rahmen verschlossen. Bordziegel sind größere Dachziegel zur Deckung des äußersten Randes der Dächer. Gläserne Dachziegel, erfunden von Sydow im Brandenburgischen, bestehen aus grünem Glase, sind 1/4 Z. dick u. haben statt der Nase ein Loch, womit sie auf einen auf die Dachlatte eingeschlagenen Nagel ohne Kopf aufgehängt werden. Solche Z. erhellen die Räume unter den Ziegeldächern u. machen die Dachlucken entbehrlich.
II. Die Güte der Z. erkennt man a) aus ihrem Klange beim Anschlagen mit dem Hammer; ist der Klang rein, hell u. glockenartig nachhallend, so besitzen die Z. die erforderliche Festigkeit; ist der Klang dagegen dumpf klirrend od. klappernd, so fehlt die Festigkeit. Klangreiche Z. können nur aus feinkörnigem, zur Verglasung geneigtem Thon od. Lehm gebrannt werden. b) Aus dem Behalten des Klangs, wenn sie so lange im Wasser gelegen haben, daß sie damit gesättigt sind, wobei sie nicht mehr als 812 Procent ihres Gewichts an Wasser aufnehmen sollen; je weniger sie Wasser einsaugen u. je leichter sie unter übrigens gleichen Umständen sind, desto besser sind sie gebrannt. c) In dem leichten Fahrenlassen des aufgenommenen Wassers bei gewöhnlicher Stubenwärme. d) Daran, daß sie glühend ins Wasser geworfen, od. auch mit Wasser gesättigt u. dem Frost ausgesetzt, weder abschiefern u. abbröckeln, noch zerspringen, sondern von unveränderter Beschaffenheit bleiben. e) Daß die Flächen vollkommen eben u. dicht, frei von Rissen u. Steingallen sind u. daß die Ecken u. Kanten der Steine, selbst wenn sie eine Zeitlang in Wasser gelegen haben, od. der Witterung ausgesetzt gewesen sind, sich hart u. scharf anfühlen u. nicht leicht abstoßen od. abreiben lassen. f) Daß sie in ihrer ganzen Masse gleichartig sind, damit sie sich in beliebige Stücken mit der Schärfe des Hammers zertheilen lassen, ohne dabei in anderer, als der durch den Schlag gegebenen Richtung zu zerspringen. g) Daß sie keine Steine, am wenigsten Kalknieren enthalten, wodurch der Stein zerspringt od. abblättert, wenn sich der Kalk durch die Feuchtigkeit löscht. h) Der Bruch muß glatt u. nicht grobkörnig sein, fast glänzen, aber nicht vielfarbig erscheinen. Es ist nicht gut frischgebrannte Z. sogleich zu verbrauchen.
III. In Babylon u. in Ägypten wurden die Z. von Lehm od. Erde, worunter Stroh gemischt war, bereitet u. entweder an der Luft getrocknet, od. in bes. dazu eingerichteten Feuerstätten gebrannt. Luftziegel wurden bes. in Ägypten angewendet, in Palästina waren die Z. dagegen meist gebrannt. Auch Troja soll von Z-n erbaut gewesen sein, u. Hermes u. Apollon werden in der Mythe bei der Erbauung als Z. streichend geschildert. Die babylonischen Z. waren 1 Fuß im Quadrat u. 5 Zoll dick. In Ägypten sind noch mehre Pyramiden, in Babylon Ruinen von Thürmen u. Mauern von Z-n gebaut übrig. Die Griechen hatten zweierlei Z. (Plinthos): Pentadoron, welcher fünf Querhände im Quadrat, u. Tetradoron, welcher deren vier hielt; diese brauchte man zu Privat-, jene zu öffentlichen Gebäuden; die Dicke war unbedeutend, kaum stärker als bei unseren Dachziegeln. Diese Z. verfertigte man aus Lehm, welchen man mit Sand vermischt hatte, u. je länger sie getrocknet hatten (wenigstens 2 Jahr), für desto besser galten sie. Neben diesen gedörrten Z-n brauchte man auch gebrannte, bei welchen man den Lehm mit gestoßenem Tufstein vermischte. Bei den Römern kam der Gebrauch der Z. (Lateres) zur Zeit der Republik auf u. sie wurden unter den Kaisern das hauptsächlichste Baumaterial, bes. zu Wohnhäusern u. bei öffentlichen Bauten zum Wölben u. zum Ausbau. Sie waren gleich den griechischen; außer denselben hatten die Römer aber noch eine kleinere Art, Lydia, 11/2 F. lang u. 1 F. breit. Bei beiden Völkern finden sich auch Halbziegel, welche die Hälfte des Maßes der gewöhnlichen hatten u. in den Mauern an den Ecken od. bei den Anfängen der Schichten abwechselnd mit ganzen Z-n gelegt wurden, so daß die Fugen der Steine nicht über einander kamen. Außer diesen Halbziegeln hatten die Römer noch kleine Z. (Laterculi bessales), welche 8 Z. lang waren u. zur[603] Unterstützung des schwebenden Fußbodens in Bädern u. in den kleinen Kanälen gebraucht wurden. Statt der Dachziegel (Tegulae) hatten die älteren Griechen dünne marmorne Platten, deren Erfinder der Bildhauer Byzes aus Naxos (um die Mitte des 6. Jahrh. v. Chr.) gewesen sein soll; später nahmen sie auch Lehmziegel dazu, welche bald 2 F. im Quadrat (Tegulae bipedales), theils nur 11/2 Fuß (Tegulae sesquipedales) waren; andere hatten auf beiden Seiten einen erhabenen Rand (Tegulae hamatae); auch Hohlziegel (Imbrices), theils um die Fugen der Tegulae zu schließen, theils zu ganzen Dächern, wie sie jetzt noch gebräuchlich sind, hatte man in der alten Zeit. Außer den marmornen u. aus Thon gebrannten Z-n gab es auch bronzene, welche mitunter vergoldet waren. Auch bei den Alten kommen schon in Hispanien u. an anderen Orten schwimmende Z. vor. Im Mittelalter waren die Z. nur zu Privatgebäuden gewöhnlich, zu größeren Bauten brauchte man Bruch-, zu Kirchen Quadersteine, u. nur in Ländern, wo letztre seltener waren, wie in Niederdeutschland, wurden auch Kirchen von Z-n gebaut. Doch finden sich auch Thürme aus der Zeit des Romanischen Styles von Z-n gebaut, wo kein Mangel an Bruchsteinen ist. Die Z. damaliger Zeit haben eine besondere Festigkeit, größere, als die neueren Z. meist besitzen. 2) Aus Kohlenklein (dann Kohlenziegel, Brignettes), erdiger Braunkohle od. Torf hergestellte Stücke in Form der Mauerziegel, nur von geringerer Größe; die Torfziegel werden gleich in dieser Form gestochen; die Z. aus erdiger Braunkohle werden meist aus freier Hand, doch auch auf Maschinen, welche den Formziegelpreßmaschinen (vgl. Ziegelsfabrikation II. B) a) gleichen, gestrichen u. zu diesem Zwecke wird die klare Kohle blos mit Wasser angemacht; die Z. aus Steinkohlenklein werden in ähnlicher Weise hergestellt, nur erfordern sie ein Bindemittel, welches weder eine zu große Schlackenbildung veranlassen, noch zu schnell verbrennen darf. Die Kohlenziegel haben auch zur Feuerung der Locomotiven Anwendung gefunden. Auf der Grube Karl bei Förderstedt wird die Braunkohle bei 6080° R. getrocknet, durch ein Walzenpaar zu Staub gequetscht, geht dann in einem Schraubengange durch eine Trommel, in welche die gebrauchten Dämpfe der Dampfmaschine geleitet werden u. gelangt so vorbereitet in die pyramidalzulaufende, stellbare Preßform, in welcher der von einer 30pferdigen Maschine getriebene Preßstempel horizontal hin u. her geht; mit jedem Stoße erfolgt ein Z. von 6 Z. Länge, 3 Z. Breite u. 11/22 Z. Stärke, von denen 1000 Stück etwa 41/2 Tonnen Kohlen enthalten. Vgl. J. Franquoy, Die Fabrikation der künstlichen Brennstoffe, insbesondere der gepreßten Kohlenziegel od. Briquettes, aus dem Französischen von Th. Oppler, Berlin 1864; Ernst Wangenheim, Die Fabrikation der künstlichen u. geformten Brennmaterialien etc. in u. um Paris, Belgien etc., Weimar 1862; C. Hartmann, Die Brenn- u. Feuerungsmaterialien, ebd. 1863.
Buchempfehlung
Die Geschwister Amrei und Dami, Kinder eines armen Holzfällers, wachsen nach dem Tode der Eltern in getrennten Häusern eines Schwarzwalddorfes auf. Amrei wächst zu einem lebensfrohen und tüchtigen Mädchen heran, während Dami in Selbstmitleid vergeht und schließlich nach Amerika auswandert. Auf einer Hochzeit lernt Amrei einen reichen Bauernsohn kennen, dessen Frau sie schließlich wird und so ihren Bruder aus Amerika zurück auf den Hof holen kann. Die idyllische Dorfgeschichte ist sofort mit Erscheinen 1857 ein großer Erfolg. Der Roman erlebt über 40 Auflagen und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro