Liebig [2]

[362] Liebig, Justus Freiherr von L., geb. 8. Mai 1803 in Darmstadt, besuchte das dortige Gymnasium u. trat 1818 bei einem Apotheker zu Heppenheim in die Lehre, kehrte aber nach kurzem Aufenthalte in seine Vaterstadt zurück, um sich zum Besuch der Universität vorzubereiten; 1819 ging er nach Bonn u. von da nach Erlangen, wo er Chemie studirte. Um diese Zeit veröffentlichte er auch seine Arbeit über Knallquecksilber, durch welche er schon die Aufmerksamkeit der Chemiker auf sich lenkte; 1822 bezog er die Universität in Paris u. wurde 1824 Professor der Chemie in Gießen, wo das unter seiner Leitung stehende Laboratorium durch ihn eine gänzliche Reform u. bedeutende Erweiterung erfuhr. 1845 wurde er vom Großherzog Ludwig II. in den erblichen Freiherrnstand erhoben u. folgte 1851 einem Rufe nach München, wo ihm ein großartiges Laboratorium errichtet u. noch in demselben Jahre vom König das Indigenat des Königreichs verliehen wurde. L-s Verdienste um die Chemie, namentlich den organischen Theil derselben, sind bedeutend; seit 1823 beschäftigte er sich mit den Methoden zur organischen Analyse, die er mit Gay-Lussac verbesserte; 1830 stellte er seinen Apparat zur Elementaranalyse her. Die Resultate seiner Untersuchungen u. Entdeckungen im Bereiche der organischen Säuren hat er in der Schrift: Über die Constitution der organischen Säuren (in den Annalen der Pharmacie, 26. Bd.), Heidelb. 1838, niedergelegt; 1831–35 beschäftigte er sich mit der Untersuchung der Verbindungen, die sich aus dem Alkohol ableiten lassen, der Ätherbildung u. der Zuckerarten. Auch entwickelte er eine von der bisherigen ganz verschiedene Theorie der organischen Radicale. 1840 erschien seine organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur u. Physiologie, Braunschw. 1840, 6. A. 1846, welche zum Gegenstand eines ausgedehnten Streites wurde. 1842 gab Hlubeck eine Beleuchtung der organischen Chemie L-s, u. eine Beantwortung der wichtigsten Fragen des Ackerbaues als Nachtrag, nachdem L. eine Erwiderung auf erstere Schrift in den Annalen der Chemie u. Pharmacie veröffentlicht hatte. Ihr folgte eine Kritik von Schleiden: L. u. die Pflanzenphysiologie, Lpz. 1842, welche K. Winkelblech beantwortete: Über L-s Theorie der Pflanzenernährung u. Schleidens Einwendungen gegen dieselbe, Kassel 1842. Von den zahlreichen anderen gegen L-s Theorien gerichteten Abhandlungen sind bes. hervorzuheben: H. Mohl, L-s Verhältniß zur Pflanzenphysiologie, Tüb. 1843; u.: L. analysirt von Meißner, Frankf. 1844. Als Entgegnung seiner Schrift: Grundsätze der Agriculturchemie, mit Rücksicht auf die in England angestellten Untersuchungen, Braunschw. 1855, erschien: Laves u. Gilbert, Entgegnung auf L-s Grundsätze der Agriculturchemie, mit Rücksicht auf die in England angestellten Untersuchungen, Lpz. 1856. Auch seine Organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie u. Pathologie, Braunschw. 1842, 3. A. 1846, gab Veranlassung zu heftigen Angriffen von Seiten der Physiologen, namentlich zu der Kritik von O. Kohlrausch: Physiologie u. Chemie in ihrer gegenseitigen Stellung, Gött. 1844. Als Vertheidigung seiner Ansichten schrieb L.: Bemerkungen über das Verhältniß der Thierchemie zur Thierphysiologie, Heidelb. 1842, 3. Aufl. 1847. Zu seinen neueren physiologisch-chemischen Arbeiten gehören die Untersuchungen des Harns, der Bestandtheile des Fleisches (Chemische Untersuchung über das Fleisch u. seine Zubereitung zum Nahrungsmittel, Lpz. u. Heidelb. 1850, 2. Aufl.) u. der Ursachen mehrerer Erscheinungen im thierischen Organismus (Untersuchungeu über einige Ursachen der Säftebewegung im thierischen Organismus, Braunschw. 1848 u. Zur Beurtheilung der Selbstverbrennung[362] des menschlichen Körpers, Heidelb. 1850, 2. A.). Auch hat L. viel zur Kenntniß der Verbindungen des Cyans beigetragen, wie er überhaupt sich um die organische sowohl, wie um die physiologische Chemie große Verdienste erworben hat. Außer den erwähnten Schriften veröffentlichte L. noch Anleitung zur Analyse organischer Körper, Braunschw. 1837, 2. A. 1853; Organische Chemie, Heidelb. 1839 ff.; Handbuch der Pharmacie von Geiger, neu bearbeitet, ebd. 1839; Studium der Naturwissenschaften u. über den Zustand der Chemie in Preußen, Braunschw. 1840; Handbuch der Chemie mit Rücksicht auf Pharmacie, Heidelb. 1843, 2 Bde.; Chemische Briefe, ebd. 1844, 1851 u. 1855; Der neu erfundene Patentdünger, aus dem Englischen übersetzt von Petzold, Dresd. 1846; mit Wöhler: Über einige neue organische Verbindungen, Gött. 1847; Chemische Untersuchung der Schwefelquellen Aachens, Aachen 1851; Über das Studium der Naturwissenschaften, München 1852 (als Eröffnungsrede zu seinen Vorlesungen); Über eine neue Methode zur Bestimmung von Kochsalz u. Harnstoff in Harn, Heidelb. 1853; Über Theorie u. Praxis der Landwirthschaft, Braunschw. 1858; Naturwissenschaftliche Briefe über die moderne Landwirthschaft, Lpz. u. Heidelb. 1859; Über das Verhalten der Ackerkrume zu den in Wasser löslichen Nahrungsstoffen der Pflanzen, München 1858; mit H. Kopp schreibt er: Jahresbericht über die Fortschritte der reinen u. technischen Chemie für 1847 ff., Gießen; u. Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, Physik, Mineralogie u. Geologie für 1853 ff., Gießen; mit Brandes u. Geiger: Annalen der Pharmacie, Heidelb. 1832 ff.; mit Poggendorff u. Wöhler: Handwörterbuch der reinen u. angewandten Chemie, Braunschweig, 1836 ff.; mit Wöhler: Annalen der Chemie u. Pharmacie, Heidelb. u. Lpz. 1840 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 362-363.
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