[38] Pharmacie (v. gr. Pharmakon), 1) das Geben od. Brauchen von Arzeneien, Giften, Zaubermitteln etc.; 2) (Apothekerkunst), die auf die Naturwissenschaften sich gründende Kunst, Arzneimittel in erforderlicher Masse zu sammeln, od. zu bereiten, aufzubewahren u. nach ärztlichen Vorschriften auszutheilen (dispensiren). Der sie übende Kunstverständige heißt Pharmaceut. Nach einem natürlichen Eintheilungsgrund zerfällt die P. in: a) Pharmaceutische Raturgeschichte (Pharmakognosie), die Kenntniß der Naturkörper, welche bes. Stoffe darbieten, welche als Heilmittel von den Pharmaceuten aufgenommen u. zubereitet werden; b) Pharmaceutische Chemie, die Chemie in ihrer Beziehung auf Bereitung der Medicamente; c) Pharmaceutische Mechanik (Pharmaceutik), die Kenntniß der mechanischen Handgriffe u. Fertigkeiten, u. d) Pharmaceutische Arzneimittellehre (Pharmakologie), die Kenntniß der Arzneikörper, insofern sie Waaren zur Benutzung für Heilzwecke sind, ihrer allgemeinen Wirkungen, womit die Kenntniß der gewöhnlichen Dosen derselben zusammenhängt, ihrer Bezeichnung auf Recepten, der Synonymik. Aus den Schriften der Griechen erhellt, daß die Ärzte bald nach Hippokrates eigene Arzneibuden (Ἰατρεῖα) hatten, wo sie Operationen verrichteten u. Arzneien verkauften, u. daß Wurzelgräber (Rhizotomoi) sich auf den Arzneihandel legten. Seit Aristoteles fing man an, die Arzneihändler mit dem Namen Pharmakopōlai zu bezeichnen. Nachdem die Medicin immer mehr erweitert worden war, so daß man einen diätetischen, chirurgischen u. pharmaceutischen Theil derselben unterschied, wurde auch das Studium der Arzneimittel u. deren Bereitung mit größerem Eifer betrieben. So verfaßten nach Galenos der Herophileer Mantias, 200 v. Chr., u. dessen Schüler Heraklides von Tarent u. m. a. Schriften über die Heilmittel, welche sie oft nach dem Kästchen od. Büchschen, worin die Arzneien aufbewahrt wurden, Narthekes betitelten. Bei den Römern wurde nicht nur die Lehre von den Heilmitteln bald der wichtigste Gegenstand der Medicin, sondern die römischen Ärzte suchten auch ihren höchsten Ruhm in Erfindung neuer zusammengesetzter Mittel, u. darneben erfüllte ein Schwarm von Quacksalbern unter den Namen Aromatopolae, Seplasiarii, Unguentarii, Pigmentarii, Pharmacopolae, Medicamentarii den Römischen Staat. Als im 7. Jahrh. die Araber Griechenland u. Ägypten eroberten, war unter den Bemühungen der Khalifen um Förderung höherer Cultur auch die Sorgfalt für Hebung der Heilkunst eine der hauptsächlichsten u. nebst der Chemie überhaupt wurde insbesondere P. mit Vorliebe cultivirt. Die Arzneimittel mußten von eigenen Pharmaceuten unter obrigkeitlicher Aufsicht bereitet werden, um den Verfälschungen Schranken zu setzen. Obgleich nun auch hierbei Alchemie wie Theosophie nicht ohne nachtheiligen Einfluß blieb, so wurden doch von nun an mehre wirksame chemische Präparate eingeführt, manche Vortheile in der Arzneibereitung bekannt u. die P. unter öffentlicher Aufsicht gestellt. Zu Abwendung von Willkür in der Arzneibereitung erschienen Sammlungen gesetzlicher Vorschriften unter dem Namen Pharmakopöen od. Dispensatorien. Die erste arabische Pharmakopöe lieferte im 9. Jahrh. Sabon Ebn Sabel, Lehrer an der Schule in Dschondisabur; bes. berühmt wurde aber im 12. Jahrh. die Krabadin des Abul Hassan Hebatollah Ebn Talmid, eines christlichen Bischofs u. Leibarztes des Khalifen in Bagdad, welches in der Folge allen arabischen Apotheken zur Norm diente. In Folge der Eroberung Spaniens im 8. Jahrh. u. der Kreuzzüge im 11. bis 13. Jahrh. wurde die arabische P. nach Europa, namentlich nach Italien gebracht, in welcher Beziehung sich bes. Constantin (s.d. 48) von Afrika verdient machte. Die Schule von Salerno erhielt im 12. Jahrh. vom König Roger von Neapel nach der arabischen Medicinalordnung eine medicinalisch-polizeiliche Gesetzgebung, welche nicht nur in Italien als Muster galt, sondern auch in den meisten übrigen europäischen Staaten Nachahmung fand. Sie gab ein Antidotarium (Pharmakopöe) als Anweisung zur Verfertigung der Arzneien heraus u. verordnete geschworene Aufseher über die Apotheken (Stationes), u. die Apotheker (Confectionarii) mußten sich von den medicinischen Behörden ein Zeugniß ihrer Geschicklichkeit geben lassen u. schwören, Arzneimittel nur nach dem Antidotarium von Salerno, zu verfertigen. Ihr Vortheil beim Verkauf (etwa 1020 vom Hundert) war gesetzlich beschränkt. Nach u. nach entstanden nun in allen europäischen Städten Apotheken u. wurden zahlreiche Apothekerbücher (Dispensatorien) abgefaßt. Eben so erschienen auch Apothekerordnungen; die Pariser von 1484 verlangte von den Apothekern wissenschaftliche Bildung, unterwarf sie strengen Prüfungen, schrieb Apothekenvisitationen vor, räumte dagegen aber auch den Apothekern bedeutende Immunitäten ein. Je mehr Naturkenntnisse sich verbreiteten, desto größer wurde auch der Hang neue Arzneimittel u. neue Arzneibereitungen einzuführen u. die älteren Vorschriften abzuändern; in den späteren Ausgaben des Arzneischatzes von I. Schröter im 17. Jahrh. belief sich die Zahl der einfachen u. zusammengesetzten Mittel auf beinahe 6000. Die wissenschaftliche, wie die technische P., wurde in neuester Zeit durch die an mehren Orten von Apothekern selbst, nach Wieglebs, Tromsdorfs u. Schraders Vorgang eröffneten Pharmaceutischen Schulen, auch dadurch, daß auf den meisten deutschen Universitäten mit dem ärztlichen Unterricht ein Lehrcursus für Pharmaceuten verbunden ist, wesentlich gefördert. Als praktische Pharmaceuten haben sich in neuerer Zeit bes. Dörffurt, Döbereiner, Grindel, Giese, Piepenpring, Hermbstädt, Westrumb, Schaub, Juch, Hagen, Ebermeier, Stolze, Geiger, Hänle, Tromsdorf, Schrader, Bucholz, Brandes, Buchner, Göbel, Wackenroder, Liebig (s.d. a.) u. A. Ruhm erworben. Handbücher der P.: Hagen, Lehrbuch der Apothekerkunst, Königsb. 1778, 8. Aufl., Grimma[38] 1829, 2 Bde.; Buchner, Inbegriff der P., Nürnb. 182230, 7 Bde.; Hänle, Lehrbuch der Apothekerkunst, fortgesetzt u. beendigt von J. B. Tromsdorf, Lpz. 182226, 2 Bde. in 6 Abtheilungen; Geiger, Handbuch der P., Heidelb. 1824, 5. Aufl. (bearb. von Liebig), ebd. 1837 ff., 2 Bde.; Ziureck, Elementarhandbuch der P., Erl. 1859; Döbereiner, Chemische Schule der P., Lpz. 1860; Zeitschriften in Frankreich das Bulletin de pharmacie, seit 1818 Journal de pharmacie, in Deutschland die von Tromsdorf, Brandes, Geiger, Buchner, Wackenroder, Bley, Walz u. m. And.