Montānus

[410] Montānus 1) Curtius Mart. M., römischer Dichter, wegen seines gefälligen Umgangs Günstling des Tiberius; er schr. ein Gedicht: De ortu solis (verloren). 2) M. aus Ardahan in Mysien, war wahrscheinlich erst Priester der Kybele, wurde dann Christ u. trat von zwei prophetischen Frauen, Maximilla u. Priscilla, umgeben um die Mitte des 2. Jahrh. in Pepuza in Phrygien mit der Verkündigung auf, er sei der, in welchem der von Christus verhießene Paraklet sich vollkommen offenbart habe; er lehrte Fortdauer der Gnadengaben, bes. der neuen christlichen Prophetie als sich selbst fortsetzende Selbstoffenbarung Gottes od. Christi in erwählten Organen, in welchen der Geist das Bewußtsein gänzlich zurückdrängt u. sie in einen Zustand der Verzückung versetzt als Erfüllung der Verheißung, daß in der letzten Zeit der Geist über alles Fleisch ausgegossen werden solle. Dieser Paraklet bringt die Christen zum vollkommnen Mannesalter, während das Alte Testament die Menschen nur zum Kindesalter u. das Evangelium in Christo sie zum Jünglingsalter gebracht hat. Die Wirkung des Geistes in allen Gläubigen führt die Christen zu dem allgemeinen Priesterthum u. macht hierarchische Gliederung unnöthig. Die Aufgabe der Lehre, welche in der Periode des Paraklet dieselbe ist, wie die von Christus gegebne, ist: die kirchliche Disciplin u. das christliche Leben zu reformiren u. seiner Vollendung zuzuführen. Diese Reformation besteht in der möglichsten Lösung aller Bande, welche noch durchs Fleisch an die gegenwärtige Welt fesseln, u. in dem völligen Bruch mit der ihrem Ende entgegeneilenden Welt; denn die Parusie Christi u. die Vollendung der Kirche im Tausendjährigen Reiche, dessen himmlisches Jerusalem nach Pepuza herniedersteigen wird, steht unmittelbar bevor; daher die Forderung der strengsten Askese u. einer harten Bußdisciplin, die Verwerfung der zweiten Ehe, obgleich die erste eigentlich auch nur geduldet ist; daher die feindselige Stimmung gegen die Kunst, gegen weltliche Bildung u. jede[410] heitere Form des Lebens, das Leben des wahren Christen ist Entsagung, sein Gastmahl Fasten, nur an Gott u. auf den Märtyrertod soll er sich freuen. Die Kirche ist der Heilige Geist, die Gemeinschaft der von ihm durchdrungenen heiligen Glieder, wer sich durch Mord, Unzucht od. Abfall dieser Kirche unwürdig macht, wird aus ihr auf immer ausgeschlossen u. kann nur der Gnade Gottes anheimgegeben werden. Über der großen Katholischen Kirche, der fleischlichen od. psychischen, steht die Montanistische als Kirche des Geistes, als pneumatische. Der Montanismus theilte zwar mit der Katholischen Kirche dieselbe dogmatische u. ethische Richtung, aber er suchte sein Ideal in dem alttestamentlichen Prophetenthume, während dies der Katholicismus in dem alttestamentlichen Priesterthume fand; u. indem er die Wirksamkeit des Heiligen Geistes an keine sichtbare Kirche band u. daher die Sacramente geringschätzte u. die Kindertaufe u. kirchliche Absolution verwarf, wurde er zur Ketzerei. M. fand in Kleinasien viele Anhänger (Montanisten, Phrygier, Kataphrygier, Pepuzianer), im Abendlande herrschte in den Gemeinden zu Lugdunum u. Vienne ein gemilderter Montanismus, der römische Bischof Eleutherus fällte ein gemäßigtes Urtheil über ihn, sonst aber wurde er verworfen; nur in Afrika vertrat ihn Tertullian u. verschaffte mit seiner gebildeten Weltanschauung den montanistischen Lehren ohne die phrygische, schwärmerische Beimischung großen Einfluß. Die Montanisten, um 170 aus der kleinasiatischen Kirchengemeinschaft gestoßen, erhielten sich bis ins 6. Jahrh. in Asien mit eigner Kirchenverfassung. Vgl. die Schriften des Tertullian; Wernsdorf, De Mont anistis, Danzig 1751; Münter, Effata et oracula Montanistarum, Kopenh. 1829; Schwegler, Der Montanismus u. die Kirche des 2. Jahrh., Tüb. 1841; Baur, Das Wesen des Montanismus nach den neuesten Forschungen (Theol. Jahrbücher 1851, 4. Hft.). 3) Giamb., so v.w. Monti 1). 4) Bened., so v.w. Arias.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 410-411.
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