Schwabenspiegel

[495] Schwabenspiegel (Schwäbisches Recht, Kaiserrecht, Landrecht für die Schwäbische Nation), ein wahrscheinlich zwischen den Jahren 1273–1282 in Oberdeutschland, vermuthlich in Augsburg, verfaßtes Rechtsbuch, welches sich die Aufgabe stellte, ähnlich wie der Sachsen- u. Deutschenspiegel (s.u. Sachsenspiegel), eine Aufzeichnung der gemeinen deutschen Rechtsgewohnheiten, mit besonderer Rücksicht auf das in Schwaben geltende Recht, zu liefern. Im Gegensatz zu dem Sachsenspiegel stellt sich aber der S. als eine mehr gelehrte Arbeit dar, weshalb neben den deutschen Rechtsgewohnheiten sich eine vielfache, oft aber auch mißverständliche Entlehnung von Sätzen aus dem Mosaischen, Römischen u. Canonischen Recht, aus dem alten süddeutschen Volksrecht u. den altfränkischen Capitularien findet. Hauptquelle war dem Verfasser indessen doch der Sachsenspiegel od. vielmehr dessen Umarbeitung in den Deutschenspiegel, obschon auch das umgekehrte Verhältniß, wonach vielmehr der Sachsenspiegel erst aus dem S. entstanden sein soll, neuerdings behauptet worden ist (früher schon von Lambeccius u. Schilder, jetzt bes. von v. Daniels, De saxonici speculi origine ex juris commun. libro, speculo suevico perperam nominato. Berl. 1852, u. Alter u. Ursprung des Sachsenspiegels, ebd. 1853; dagegen bes. Homeyer, Die Stellung des Sachsenspiegels zum S., ebd. 1853; Gaupp, Germanistische Abhandlungen, 1853, S. 110–125; Pfeiffer, Untersuchungen über die Repgowische Chronik, 1854). Der Eintheilung nach zerfällt der S., wie der Deutschenspiegel, nur in Artikel od. Capitel, die Eintheilung in vier Bücher ist erst später erfolgt. Der ersten Anlage scheinen nur die Capitel 1–313 anzugehören; die späteren Capitel erweisen sich als Zusätze. Der Verfasser ist nicht bekannt, nach Goldast wäre es Berthold Freiherr von Grimmenstein gewesen; Andere vermuthen als solchen den Augsburger Prediger Bruder David (gest. 1271), von dessen Schriften die eine im Anfang mit dem Anfang des S-s übereinstimmt. Eine gewisse Vorliebe für die Geistlichkeit, sowie die genauere Bekanntschaft mit den Quellen des Canonischen Rechtes scheint allerdings darauf hinzudeuten, daß der Verfasser dem geistlichen Stande angehörte. Mehre Chroniken deuten übrigens darauf hin, daß das Rechtsbuch, welches ursprünglich nur Privatarbeit war, auf dem Reichstage in Nürnberg 1298 die kaiserliche Bestätigung erhielt. Die Überlieferungen des S-s sind sehr zahlreich; die Handschriften (nach Homeyer sind deren 222 bekannt) sind in sehr verschiedenen Mundarten geschrieben meist jedoch mittel- u. oberdeutsch, nur 12 niederdeutsch. Auch im Inhalt weichen die Handschriften vielfach von einander ab. In den meisten Handschriften folgt auf das Landrecht das Schwäbische Lehnrecht, eine weitere Bearbeitung des Sächsischen Lehnrechts, wie es in dem Deutschenspiegel bereits umgearbeitet worden war. Als eine Einleitung kommt in vielen Handschriften eine alte prosaische Chronik, der Könige Buch alter E., bisweilen auch der Könige Buch neuer E, vor, welche letztere bis auf Kaiser Konrad III. reicht. Ausgaben: die ältesten s. I. et a. von A. Sorgen; dann Augsb. 1480, Strasb. 1505, 1507, Frankf. 1566, 1576; von Goldast, in den Reichssatzungen, 1609; von Burgermeister, im Corpus juris germanici, Ulm 1717; von Schilter, Codex jur. alamanh. feud., Argent. 1897 (nur das Lehnrecht) u. im Thesaurus antiquitatis teutonic., Ulm 1727; von Berger, Collatio codicis jur. alamann., Lpz. 1726; von Schannat, Sammlung alter historischer Schriften u. Documente, I., Frkf. 1727; von Freyberg, in den Sammlungen historischer Schriften u. Urkunden IV.: v. Laßberg, Der S. od. Schwäbisches Land- u. Lehnrechtsbuch, nach einer Handschrift vom Jahre 1287, Tüb. 1840; Wackernagel, Der S. in der ältesten Gestalt mit den Abweichungen der gemeinen Texte, 1. Tb., Landrecht, Zürich u. Frauenfeld 1840 (2. Th. nicht erschienen). Handausgabe: Des S-s Landrechtbuch, herausgeg. von Gengler, Erlang. 1851.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 495.
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