Seeräuberei

[755] Seeräuberei, die von Seeräubern (Piraten, Corsaren) eigenmächtig unternommene Beraubung von Schiffen jeder Nation, unterscheidet sich von Caperei dadurch, daß diese im Falle eines Seekrieges von eigenen, von irgend einer kriegführenden Macht mittelst eines besonderen Caperbriefs autorisirten Schiffern u. nur gegen die Schiffe der mit dem Staat, welcher den Caperbrief ausgestellt hat, in offenem Kriege begriffenen Nation betrieben wird. S. (griech. Peirateia) galt in alter Zeit, bes. bei den Griechen, nicht als unehrlich. Schon zu Homers Zeiten waren die Teleboer u. Taphier als Seeräuber (Peiratä) gefürchtet; zu der Römerzeit waren die cilicischen u. karischen Seeräuber berüchtigt; in Italien die Einwohner von Pyrgi u. die Illyrier vom jenseitigen Küstenlande im Adriatischen Meere; ja es gab ganze Seeräubervereine (Peiratika), welche Versammlungen zu ihren Unternehmungen (Peirateria) hielten. Im Mittelalter unternahmen die Normänner Seeraubzüge in die fernsten Gegenden, nach den Griechischen Inseln, Spanien, Italien, Frankreich bis tief in das Land hinein. Nur wenig später seit den Kreuzzügen u. bes. seit dem 16. Jahrh. entwickelten die kleinen muhammedanischen Staaten an der Südküste des Mittelmeeres eine bedeutende Seemacht u. brachten die S. in ein völliges System. Algier, Tripolis u. Tunis erhielten den Namen der Afrikanischen Raubstaaten u. machten mit ihren Raubschiffen das ganze Mittelmeer u. alle Küsten an demselben unsicher. Vergebens versuchten mehrmals Spanien (Kaiser Karl V.) u. Frankreich diese Seeräuber zu bezwingen, bis endlich die seefahrenden Nationen sich die Ruhe durch einen Tribut erkauften, welchen sie den Raubstaaten an Geld, Waffen u. Kriegsbedarf u. Waaren zahlten. Dennoch fanden bes. die kleineren Staaten, wie Neapel, Toscana etc. nicht immer hierin einen Schutz, indem die Corsaren oft den nichtigsten Vorwand, Nichtpassen des Abschnitts der Pässe u. dgl. brauchten, um ein Schiff, welches sie durchsuchten, aufzubringen u. die Mannschaft in den Kerker zu werfen. 1816 veranlaßten zwar ähnliche Beleidigungen England u. die Niederlande ihre Flotten gegen Algier zu schicken, u. Lord Exmouth beschoß die Stadt u. gewährte den Frieden nur unter der Bedingung der Herausgabe aller Christensklaven u. nach dem Versprechen ferner keine Sklaven mehr zu halten; allein bald fand das alte Verfahren wieder Statt, u. man nannte das, was man vorher Sklaven genannt hatte, nur Kriegsgefangene. Erst Frankreich hat 1830 durch die Eroberung von Algier diesem Unwesen ein Ende gemacht. Doch finden sich noch immer an der Südküste des Mittelmeeres Gegenden, welche wegen S. berüchtigt sind, wie z.B. Melilla (s.d.), wo 1852 eine preußische Brigg geplündert wurde u. 1856 darauf unter dem Prinzen Adalbert von Preußen die Corvette Danzig ein Gefecht zu bestehen hatte. Der früher sehr verbreiteten S. in den Gewässern des Griechischen Archipelagus ist neuerdings durch die Bemühungen der griechischen, österreichischen u. französischen Regierung Einhalt gethan worden. Unsicher wegen S. sind auch mehrfach bis auf dir neueste Zeit die Westindischen Gewässer u. der Golf von Mexico gewesen. Über die unter dem Namen Flibustier im 17. u. Anfang des 18. Jahrh. an den Küsten Amerikas hausenden Seeräuber s.u. Flibustier. Heutzutage wird jeder Seeräuber schon nach dem Völkerrecht als rechtlos betrachtet, u. es ist jedem Schiffe verstattet mittelst Selbsthülfe den Seeräuber bis zur Vernichtung zu verfolgen. Die über der That betroffenen Seeräuber können mit dem Tode bestraft werden, s.u. Seerecht S. 758. Prisen, welche von Seeräubern genommen sind, aber wiedererlangt werden, sind den frühern Eigenthümern wiederzuerstatten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 755.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika