Toscana

[711] Toscana (Gesch.). T. ist das alte Etrurien (s.d.) od. Tuscia. Nach dem Sturz des Römerreiches, 476 v. Chr., herrschten in dem Lande erst die Ostgothen, dann kam es an die Byzantinischen Kaiser. Als es im 7. Jahrh. die Longobarden den Byzantinern entrissen, getheilt: das römische, zunächst dem Tiber, welches zum Herzogthum Rom gehörte; das königliche, welches die Städte u. Gebiete Lucca, Pisa, Siena u. Florenz begriff; das herzogliche, zwischen den beiden andern vom Bolsener See bis zum Meer. Während der Longobardenherrschaft stand T. unter ihren Sitz hatten u. gewöhnlich zur königlichen Familie gehörten, die mächtigsten waren. Nach der Zerstörung des Longobardenreichs durch Karl d. Gr., 774, kam es unter die Herrschaft der Franken u. Karl setzte den Markgrafen Gundebrand ein, unter welchem mehre Grafen, namentlich auch der von Florenz, standen. Wahrscheinlich war Graf Wicram sein Nachfolger, welchem 815 Bonifacius I. folgte, welcher die sarazenischen Seeräuber aus Corsica u. Sardinien vertrieb. Als Bonifacius 836 starb, wurde Agano, Graf von Lucca, vom Kaiser Lothar als Markgraf von T. eingesetzt; ihm folgte 847–890 Adalbert I., Bonifacius' Sohn, welcher sich auch zugleich Herzog von Lucca nannte. Unter ihm wurde T. 860 u. 866 von den Normannen überfallen u. Pisa geplündert. Er hing treu den Karolingern an u. behauptete selbst gegen den Papst deren Rechte auf Italien, weshalb er auch 887 mit dem Banne belegt wurde. Sein Sohn Adalbert II. der Reiche verließ die Sache des Kaisers Arnulf u. trat 897 auf die Seite seines Vetters Lambert, welcher sich zum König aufgeworfen hatte. Als er aber nachher auf Antrieb seiner ehrgeizigen Gemahlin Bertha, Tochter des Kaisers Lothar, Lambert[711] stürzen wollte, wurde er von diesem gefangen u. erst 899 durch Lamberts Tod wieder frei u. hielt es nun mit Berengar. Nicht lange darauf verließ er auch diesen, um Ludwig 905 zum König zu erheben, doch nahm er bald wieder für Berengar Partei. Als er 917 starb, folgte ihm sein ältester Sohn Guido, welchen seine Mutter Bertha in der Regierung unterstützte. Nach ihrem Tode 924 ver. mählte sich Guido mit der Marozzia, mit welcher er beinahe unumschränkt in Rom gebot. Ihm folgte 929 sein Bruder Lambert. Als sich Hugo von Burgund mit Marozzia vermählte u. König von Italien wurde, ließ er Lambert blenden u. setzte dann erst 930 seinen Bruder Boso u. 936 seinen eigenen Sohn Hubert zum Markgrafen von T. ein. Diesem folgte 961 sein Sohn Hugo, welcher als Erbe seiner Mutter die Markgrafschaften Spoleto u. Camerino besaß; er bewies sich den Sächsischen Kaisern treu u. rettete dem Kaiser Otto III. bei einem Aufruhr in Rom das Leben. Bald darauf starb er sohnlos, Spoleto u. Camerino nebst alle: Erbgü tern fielen an seine beiden Töchter, die Markgrafschaft aber erhielt sein Verwandter Adalbert III., unter welchem die Städte, begünstigt durch kaiserliche Privilegien, zu Macht gelangten u. bereits Kriege unter einander führten. Er st. vor 1016, u. ihm folgte Rainer, welchen der Kaiser Konrad II., weil er sich nicht unterwerfen wollte, 1027 absetzte u. die Markgrafschaft an Bonifacius II. verlieh, welcher bereits Graf von Modena, Reggio, Mantua u. Ferrara u. durch die Heirath mit Beatrix, Tochter des Herzogs Friedrich von Oberlothringen, sehr mächtig war. Er wurde 1052 ermordet. Da sein Sohn Friedrich noch minderjährig war, so führte seine Mutter Beatrix für ihn die Regierung, u. als er 1055 st., folgte ihm sein Stiefvater Gottfried der Bärtige von Niederlothringen, welchem der Kaiser Heinrich III., weil er sich gegen ihn empört hatte, sein Herzogthum genommen hatte. Um ihn in der Treue gegen sich zu erhalten, nahm der Kaiser 1055 die Markgräfin Beatrix u. deren Tochter Mathilde als Geißeln mit nach Deutschland. Nach Heinrichs III. Tode entließ die Kaiserin Agnes die Markgräfinnen, wofür Gottfried die kaiserlichen Angelegenheiten eifrig verfocht; aber Mathilde blieb Zeitlebens Feindin des Kaiserhauses. Sie vermählte sich 1063 mit dem Sohne ihres Stiefvaters, dem Herzog Gottfried dem Höckerigen von Lothringen, um durch ihn die Markgrafschaft T., welche als Reichslehn eine Frau nicht besitzen konnte, ihrem Hause zu erhal ten. Nach dem Tode Gottfrieds des Bärtigen, 1069, regierte sie mit ihrer Mutter gemeinschaftlich u. nach dem Tode ihrer Mutter, 1076, allein; ihr Gemahl hielt sich in Lothringen auf, wo er des Kaisers Sache verfocht, während Mathilde in Italien insgeheim auf Seite der päpstlichen Partei stand. Gottfried der Höckerige wurde 1076 ermordet, u. von nun an trat Mathilde, unter der Leitung des Bischofs Anselm von Lucca, öffentlich auf die Seite des Papstes. 1084 siegte sie bei Sorbara über die Kaiserlichen u. eroberte alle Städte u. Gebiete zurück, welche von ihr abgefallen waren. Nach Gregors VII. Tode beförderte sie die Wahl u. Einsetzung des Papsts Victor III. u. heirathete 1089, als dieser Anstalt zum Frieden mit dem Kaiser machte, als. 43jährige Frau den 17jährigen Welf V., Sohn des Herzogs Welf IV. von Baiern. 1090 wurden ihre Staaten von den Kaiserlichen angegriffen u. Welf, welcher ihre Heere befehligte, geschlagen. Sie verlor Mantua u. Ferrara, auch beinahe alle Besitzungen jenseit des Po; dennoch blieb sie dem Papste treu, u. als sie, von ihren Vasallen bedrängt, 1092 nach der verlornen Schlacht bei Tricontai Friedensunterhandlungen mit dem Kaiser anknüpfen mußte, so hielt sie doch so standhaft bei dem Papste, daß kein Vertrag zu Stande kam, u. beredete Konrad, Sohn des Kaisers Heinrich IV., zur Empörung wider seinen Vater, wodurch sie den Kaiser von Italien abzog. Schon 1077 hatte Mathilde den Päpstlichen Stuhl zum Erben aller ihrer Länder eingesetzt, u. als Welf V. davon Kenntniß erhielt, trennte er sich 1295 von ihr u. trat nebst seinem Vater zur Partei des Kaisers über. Wie hart sie auch öfters von den Kaiserlichen bedrängt wurde u. wie oft sich auch die Städte gegen sie empörten, so wußte sie sich doch stets durch ihre Staatsklugheit aus den verwickeltsten Lagen zu ziehen u. ihr Übergewicht in Italien zu behaupten. Als endlich Kaiser Heinrich V. nach Italien kam, benahm sie sich mit solcher Klugheit, daß er sie 1110 zur Generalstatthat terin von Italien ernannte. Sie st. 1115, u. nun begann der Streit über ihre Erbgüter, welche sie., ms Neue durch eine Schenkung von 1102 dem Päpstl ichen Stuhle zugewiesen hatte.

Kaiser Heinrich V. erschien 1116 in T., unterwarf die widerspenstigen Städte, vermehrte die Freiheiten der übrigen u. bemühte sich das durch die Kriege verödete Land mit neuen Ansiedlern zu bevölkern. Er setzte 1117 den Ratbod zum Statthhalter, 1119 aber seinen Neffen Konrad zum Markgrafen von T. u. Herzog von Ravenna ein. Konrad, welcher sich nach seines Oheims Tode, 1125, zum König von Italien krönen ließ, behauptete sich auch in T. bis 1133, wo Kaiser Lothar II. das Markgrafthum T. an Engelbert gab, da dieser aber sein Ansehen nicht zu behaupten vermochte, ertheilte der Kaiser 1136 seine Eidam, dem Herzog Heinrich dem Stolzen von Baiern u. Sachsen, welcher als nächster Verwandter Welfs das nächste Anrecht auf die Erbschaft hatte, das Markgrafthum u. wies ihm auch die Mathildeschen Erbgüter zu, welche er vom Papste zu Lehn erhalten hatte. Kaiser Konrad III. sprach aber 1139 die Acht gegen Heinrich den Stolzen aus u. entzog ihm auch die Markgrafschaft T. Bei diesem öftern Wechsel u. dem schwankenden Zustande der Markgrafen gerieth deren Ansehen immer mehr in Verfall u. die Städte wurden mächtig, vor allen Pisa durch den Seehandel, Lucca durch den Landhandel u. Florenz, in letzter saß ein kaiserlicher Pfalzgraf, welcher die Macht der Markgrafen lähmte. Während des Mathildeschen Erbschaftsstreites von 1115–36 waren den obigen Städten viele Güter entrissen worden, Vieles wurde zu Lehn gegeben u. der Kaiser ertheilte den Städten viele Rechte, welche sie beinahe unabhängig von den Laut esherren machten. Nach Heinrichs des Stolzen Tode 1139 übernahm Welf VI. die Mathildeschen Erbgüter u. der Kaiser machte ihn zum Reichsstatthalter über T. Sein Nachfolger Welf III., seit 1152, verkaufte, da er kinderlos war, seinem Neffen, dem Kaiser Friedrich Barbarossa, 1169 die Mathildeschen Erbgüter nebst der Reichsstatthalterschaft über T. Die Besitzverhältnisse vieler adeliger Lehnsleute veränderten sich nun, ihre Afterlehen waren unmittelbare Reichslehn u. die mächtigern unter ihnen unabhängige Landesherrn geworden. In den Städten hatten sich viele Landadelige niedergelassen, welche[712] sich der Regierung bemächtigten. Von jetzt begannen die Kämpfe zwischen den Städten, z.B. Genuas u. Luccas gegen Pisa (s. b.), welche der Kaiser aus Politik nicht stillte. Unter allen Städten überragte Florenz (s.d.) die Schwesterstädte, es stand auf der Seite der Guelfen, während Pisa ghibellinisch war. Kaiser Friedrich setzte, nachdem er T. erworben hatte, den Erzbischof Christian von Mainz als Statthalter ein, welcher durch seine Härte viele Städte u. Adelige dem Kaiser abgeneigt machte, die sich nun den Guelfen zuwandten u. so der kaiserlichen Partei entgegen wirkten. Um den Abfall der großen Städte zu verhindern, wurden ihnen immer größere Freiheiten zugestanden, so daß sie in Verfassung u. innerer Verwaltung völlig unabhängig wurden. Kaiser Heinrich VI., welcher von seinem Vater Friedrich das Mathildesche Erbgut u. die Rechte auf T. geerbt hatte, übergab beides seinem Bruder Philipp. Aber Papst Innocenz III. erneuerte die Forderung auf die Mathildesche Erbschaft u. brachte, während Philipp in Deutschland mit Otto von Braunschweig um die Krone focht, 1198 den Toscanischen Städtebund gegen Philipp zu Stande, an dessen Spitze Florenz stand (Pisa nahm keinen Theil). Da keiner der beiden deutschen Kaiser während ihres Kampfes nach Italien kam, so geriethen die kaiserlichen Rechte über T. immer mehr in Verfall, u. als endlich nach Philipps Ermordung, 1208, Otto IV. in Italien erschien, durfte er seine Kaiserrechte nicht mit Strenge geltend machen, um seine Anhänger nicht zu verlieren. Die Verhältnisse änderten sich aber schnell, als Otto IV. sich 1211 mit dem Papste entzweite u. derselbe ihm in dem jungen Friedrich von Hohenstaufen (nachmals Kaiser Friedrich II.) einen Gegenkönig aufstellte. Die bisherigen Gegner der Hohenstaufen mußten nun auf deren Seite treten, wenn sie nicht auch Feinde des Papstes sein wollten, u. Otto IV. fand nur noch bei den Ghibellinen einige Anhänger. Als aber Friedrich II. sich mit dem Papste entzweite, rief Letzter den Lombardischen Städtebund gegen den Kaiser ins Leben. Auch in T. begann nun der Kampf zwischen den Guelfen u. Ghibellinen, welcher sich bes. heftig 1206 entzündete. Lucca, Pisa u. Siena waren ghibellinisch, Florenz dagegen guelfisch. Der Kaiser Friedrich setzte seinen Sohn Enzio zum Statthalter von T. ein, dann ging er selbst nach T. u. gab durch seine Siege seiner Partei das Übergewicht. Mehr u. mehr schieden sich in den Städten selbst die Parteien; dem größern Theile nach war der Adel ghibellinisch, die Bürger dagegen guelfisch. So lange Friedrich II. lebte, hatten die Ghibellinen beinahe überall das Übergewicht, nach seinem Tode dagegen wurden in sämmtlichen Städten die ghibellinischen Magistrate vertrieben u. die Bürger bewächtigten sich des Stadtregiments, u. selbst das ghibellinische Pisa trat zur Guelfenpartei. Nachdem Pisa mit Florenz 1256 hatte Frieden schließen müssen, nahm Siena wieder den Kampf für die Ghibellinen gegen Florenz auf u. gewann am 4. September 1260 die Schlacht bei Montaperti. Darauf verließ der guelfische Adel Florenz u. die Ghibellinen kehrten dahin zurück. Die Ghibellinen erkannten den König Manfred als ihren Schutzherrn an, u. Pisa, Siena, Arezzo u. Florenz kämpften 1261 mit Erfolg gegen Lucca, jetzt das Haupt der Guelfenpartei. Diese erhielt neuen Muth durch den Sieg Karls von Anjou über Manfred, 1265, u. nun traten mehre Städte, bes. die kleinern, zu den Guelfen über, u. als König Karl von Anjou vom Papste zum Statthalter von T. ernannt wurde, erhielten die Guelfen beinahe überall das Übergewicht. Doch war Karls Regiment für alle Parteien so drückend, daß er bald allen Einfluß verlor u. seiner Statthalterschaft entsagen mu ßte. Nun war T. sich wieder selbst überlassen, u. die Kämpfe der Städte u. der Parteien in den Städten nahmen überhand, in Pisa u. Florenz fanden die Ghibellinen wieder Aufnahme u. die Guelfen wurden kleinmüthig, als der deutsche Kaiser Rudolf von Habsburg auf Pisas Bitte einen Reichsvicar nach Italien sandte. Dieser richtete zwar wenig aus u. ließ sich, von Florenz bestochen, bald zur Heimkehr bewegen, allein seine Anwesenheit hatte dazu beigetragen alle Verhältnisse mit Karl von Anjou zu lösen u. den Bürgern in den Städten das Übergewicht über den Adel zu sichern. Dies war bes. der Fall in Florenz, wo 1282 eine Revolution ausbrach (s. Florenz S. 365). Die Kämpfe u. Zerrüttungen währten fort. Kaiser Heinrich VII. kam 1310 nach T. u. suchte Ruhe zu stiften, aber wegen der Schwäche seines Heeres gelang ihm dies nicht, u. er belegte 1311 Florenz mit der Reichsacht, der Papst aber mit dem Interdicte. Auch von den Ghibellinen, bes. von dem streitbaren Castruccio von Lucca hart bedrängt, übertrug Florenz 1313 dem König Robert von Neapel die Schutzherrschaft, u. diesem Beispiele folgten Lucca, Pistoja u. Prato. Robert ließ sein Amt durch Vicarien versehen, zuerst durch seine Brüder Philipp u. Peter, da der Letztre aber gegen die Ghibellinen 1315 die Schlacht bei Montecatini verlor, so baten jene Städte um einen andern Statthalter, welcher zwar Anfangs auch wenig leistete, da die Gherardesca u. Castrucci in Lucca u. Pisa das Übergewicht hatten, auch eine Partei in Florenz die Schutzherrschaft des deutschen Kaisers verlangte. Als es aber der neapolitanischen Partei in Florenz gelang von Neuem aus Ruder zu kommen, so bekam König Robert seinen Einfluß in T. wieder, welchen er benutzte, um zwischen den Ghibellinenstädten Lucca, Pisa u. Florenz 1317 einen Frieden zu schließen. Einige Jahre war es nun ziemlich ruhig in T., dann aber griff 1322 Castruccio Pistoja u., nachdem er dieses abhängig von sich gemacht hatte, auch Prato an. Nun begannen die Fehden mit erneuter Heftigkeit, u. in den Städten wütheten die Parteien gegen einander; Castruccio verwüstete das Gebiet der Florentiner u. schlug deren Heer am 23. September 1325. Da ernannte Florenz 1326 den Herzog Karl von Calabrien, Sohn des Königs Robert, auf 10 Jahre zu ihrem Schutzherren, u. ihrem Beispiele folgten andere Städte. Karl that aber nichts zur Besiegung od. Schwächung der Feinde. Ein Jahrhundert lang befehdeten sich unausgesetzt die einzelnen Städte, bes. Florenz, Lucca, Pisa, Siena, Arezzo, Perugia, unter einander, denen sich die nächsten Landherren, die Castrucci, Spinola, Scala, Tarlati (s.d.), anschlossen od. sich auf kurze Zeit als Gebieter aufwarfen. Zuweilen kam zwar ein deutscher Kaiser, wie Ludwig der Baier 1327, Karl IV. 1355 u. 1369, nach Italien, um Ruhe zu stiften, od. sie schickten einen Großen als Reichsvicar, wie jener 1331 den König Johann von Böhmen, dieser 1355 den Patriarchen von Aquileja, allein die Ruhe wurde nur kurze Zeit erhalten. Zuweilen strebten einzelne Städte, so 1370 Florenz, die Oberherrschaft über die andern zu erhalten, u. auch der [713] Papst beabsichtigte 1374–98, Herzog Johann Galeazzo von Mailand 1392 u. König Ladislaw von Ungarn u. Neapel 1409–11 Ähnliches, aber immer verbanden sich die toscanischen Städte fest unter einander, u. dies wendete ostdiedrohendste Gefahr ab.

Während dem hatte die Familie Medici (s.d.) durch Handel großen Reichthum erworben u. durch ihre Begünstigung der niedrigen Volksstände großen Einfluß in Florenz gewonnen u. riß bald die Herrschaft dieses Staates an sich (s. Florenz S. 370). Durch die Medici wurde Florenz Sitz der Künste u. Wissenschaften u. war nebst Mailand u. Venedig bei allen Ereignissen Oberitaliens betheiligt (s. ebd. S. 371). Zwar wurden die Medici 1494 vertrieben, aber schon 1512 kehrten sie zurück, u. nach einer nochmaligen Verbannung wurden sie vom Kaiser mit Gewalt zurückgeführt u. Alessandro dei Medici 1531 zum erblichen Herzog von Florenz ernannt (s. Florenz S. 370 f.). Allmälig war auch der größere Theil der toscanischen Städte mit Florenz vereint worden (s. Pisa S. 156 u. Arezzo 2); nur Lucca blieb unabhängig u. Perugia wurde päpstlich. Herzog Cosmo I. eroberte auch 1555 Siena (s.d. S. 69) u. verband es mit seinem Staate; 1562 bekam er die Herrschaften Pitigliano u. Sorana von den Orsini. Er lebte mit dem Papst Pius IV., welcher, selbst ein Mediceer, die Tiara 1559 nur durch seinen Einfluß erlangt hatte, im besten Einverständnisse. Gebeugt durch Familienunglück u. Krankheit trat Cosmo I. 1564 die Regierung seinem Sohne Franz Maria ab, behielt sich aber den Titel u. die höchste Gewalt, die Verwaltung u. Einkünfte der Herrschaft Pistoja, die Einkünfte von Siena u. Pietrasanta, alle Allodialgüter u. Capitalien u. die Ernennung aller hohen Beamten vor. Um die Rangstreitigkeiten mit den italienischen Herzögen, bes. mit Ferrara, zu endigen, erhob der Papst Paul V. 1569 den Herzog Cosmo zum Großherzog von T. u. krönte ihn 1570 in Rom. Die italienischen Fürsten u. auch der Kaiser protestirten Anfangs hiergegen, doch ertheilte der Kaiser 1575 dem Herzoge Franz selbst diesen Titel. Cosmo I. st. am 21. April 1574, u. Franz Maria war nun alleiniger Fürst. Mit seinen Brüdern, dem Cardinal Ferdinand u. dem Prinzen Peter, lebte Franz in fortwährenden Zwistigkeiten, u. durch seinen Stolz u. Leichtsinn nahm die Sicherheit u. Ruhe des Staates u. so auch der Einfluß, welchen Cosmo I. auf die Angelegenheiten Italiens ausgeübt hatte, immer mehrab. Dagegen trieb der Großherzog wieder Handelsgeschäfte u. erwarb durch glückliche Umstände Lusola, Rico u. Lisana. Er vermählte sich 1579 mit der Venetianerin Bianco Capello (s.d. 1) u. st. mit ihr am 9. October 1587. Sein Bruder Ferdinand I. trat nun aus dem geistlichen Stande, um die Regierung zu übernehmen, u. vermählte sich mit der Prinzessin Christine von Lothringen. Er führte die Regierung mit Einsicht u. Glück, setzte auch den Großhandel u. die Banquiergeschäfte seines Bruders fort. Sein jüngerer Bruder Peter verlangte, von Spanien unterstützt, eine Landestheilung u. machte auf Siena Anspruch Ferdinand näherte sich deshalb Frankreich u. unterstützte zugleich den Kaiser 1595 mit Geld u. einem Heer von 13.000 M. u. 1000 Reiter gegen die Türken Peter starb schon 1604 u. Ferdinand I. 1609. Sein Sohn Cosmo II. hielt sich zu Frankreich, näherte sich aber auch Spanien wieder u. st. 1621. Ferdinand II., sein ältester Sohn, war bei des Vaters Tode erst 10 Jahr alt u. seine Mutter Maria Magdalena von Österreich u. seine Großmutter Christine führten die Vormundschaft über ihn, welche Beide für Österreich u. Spanien gestimmt waren. 1628 übernahm der Großherzog selbst die Regierung. Er wollte sich mit Parma der Vergrößerung Spaniens u. Savoyens in Italien widersetzen, mußte sich aber auf eine bewaffnete Neutralität beschränken, auch gerieth er mit Spanien 1632 wegen der Lehnsbesitzungen auf Elba in Streit; dennoch hatte er nicht Kraft genug sich dem spanischen Einflusse zu entziehen. Mit dem Papste gerieth er, verbündet mit Modena u. Venedig, 1637 wegen der Mahlsteuer, welche in T. auch die Geistlichen zahlen mußten, u. wegen Beleidigungen gegen den Herzog von Parma 1643–44 in Krieg. Ferdinand II. vergrößerte 1650 den Staat durch Ankauf von Santa Flora u. Pontremoli u. st. 1670. Cosmo III., Sohn des Vor., stürzte den schon durch die vorige Regierung sehr geschwächten Staat durch schlechte Wirthschaft in tiefe Schulden. Als er sich 1675 von seiner ausschweifenden Gemahlin Margarethe Louise von Orleans trennte, gerieth er darüber mit Frankreich in Zwist, dessen Folgen Demüthigungen u. eine Abhängigkeit von Ludwig XIV. waren, welche erst 1706 mit der Vertreibung der Franzosen aus Italien endigte. Das Land war durch Kriegssteuern, welche an das Reich gezahlt werden mußten, so erschöpft, daß der Großherzog zur Bestreitung nothwendiger Ausgaben seine Juwelen verpfänden mußte. Dazu kam, daß das Haus Medici dem Erlöschen nahe war (zwei Söhne von ihm hatten keine Aussicht auf Kinder u. sein Bruder war kinderlos gestorben), u. so kam die Frage wegen der Erbfolge in Anregung. Spanien u. Parma machten als Verwandte von weiblicher Seite darauf Auspruch, der Kaiser erklärte das Großherzogthum für Reichslehen, der Großherzog selbst wollte, daß nach dem Erlöschen seines Stammes die Republik hergestellt werde; durch die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, Spanien u. dem Kaiser 1717 wurde endlich festgesetzt, daß T., im Fall das Haus Medici ausstürbe, an den Infanten Karl von Spanien fallen sollte. Der Großherzog protestirte zwar dagegen u. wollte die Erbfolge seiner Tochter, der Kurfürstin Anna Maria Louise von der Pfalz, zuwenden, doch wurde er nicht gehört. Er st. 1723 u. wurde von seinem Sohne Johann Gaston beerbt. Dieser, obwohl durch eine zügellose Lebensweise geschwächt, strebte doch dem Staate wieder aufzuhelfen, er entfernte die Mönche, welche seinen Vater beherrscht hatten, u. schränkte die Ausgaben ein, doch fehlte es ihm an Kraft die Übel gründlich zu heilen; da er sah, daß es vergebenswar sich den Bestimmungen der Alliirten wegen der Erbfolge zu widersetzen, so schloß er selbst am 25. Juli 1731 einen Vertrag mit Spanien, worin er die Erbfolge des Infanten Karl anerkannte u. eine spanische Besatzung von 6000 M. in seine Staaten aufnahm, wogegen er seinen Schwestern das Allodialvermögen sicherte. Durch einen neuen Vertrag zwischen Österreich, Frankreich u. Spanien vom 3. October 1735 wurde gegen die frühern Bestimmungen der Herzog Franz Stephan von Lothringen zum Erben von T. ernannt, der Infant Karl aber dafür mit beiden Sicilien entschädigt. Johann Gaston st. 1737; mit ihm erlosch das Haus Medici, u. Franz Stephan, der Gemahl der Maria Theresia von Österreich, nahm von T. Besitz.

[714] Franz Stephan, aus dem Hause Lothringen-Habsburg, als Gemahl der Königin von Ungarn u. später als deutscher Kaiser in Wien lebend, konnte wenig thun, um die unglückliche Lage T-s zu verbessern. Als er 1765 st., erbte sein zweiter Sohn, Erzherzog Peter Leopold, T., welches zu einer Secundogenitur erklärt war. Er schaffte die Generalverpachtungen der Steuern, die Monopole u. Mauthen im Innern ab, hob die Feudalrechte der Grundherren auf, verlieh dem Landmann Eigenthumsrechte, löste die Gewerbe von dem Innungszwange, ließ Sümpfe austrocknen, Kanäle graben, Heerstraßen bauen, die Häfen verbessern, die Unterrichtsanstalten vervollkommnen u. vermehren, veranstaltete eine Revision der Rechtspflege u. gab dem Lande ein neues Strafgesetzbuch. Dazu berief er 1787, unterstützt von Scipio Ricci (s.d. 6), Bischof von Pistoja, eine Synode der toscanischen Geistlichkeit u. legte ihr 57 Artikel vor, wodurch die Inquisition abgeschafft, die Klöster beschränkt, die Pfarrstellen besser dotirt, die Bischöfe unabhängiger vom Papste gemacht u. für die Toscanische Kirche der Rechte der Gallicanischen in Anspruch genommen wurden, Der Päpstliche Stuhl protestirte dagegen, aber dennoch wurden die wesentlichsten Verbesserungen durchgesetzt. Als Franz Stephan 1790 Florenz verließ, um als Nachfolger seines Bruders von den österreichischen Erblanden Besitz zu nehmen u. Kaiser zu werden, folgte ihm sein zweiter Sohn, Erzherzog Ferdinand III., welcher in dem Sinne seines Vaters regierte. Er wollte Anfangs keinen Theil an dem Kriege gegen Frankreich nehmen, u. erst als im October 1793 die Engländer mit dem Bombardement von Livorno drohten, trat er der Coalition gegen Frankreich bei, schloß aber 1795, unter allen Fürsten zuerst, Frieden mit Frankreich, zahlte 1 Mill. Franken an dieses u. erklärte sich für neutral. Dies half ihm jedoch wenig, denn 1796 besetzte Bonaparte Livorno mit 5000 M. u. hielt sich, da er sich der englischen Schiffe u. Güter nicht bemächtigen konnte, an die livornischen Handelshäuser, welche ihm 1 Mill. Scudi zahlen mußten. Die Engländer nahmen im Juli 1796 Porto Ferrajo, blockirten den Hafen von Livorno u. bemächtigten sich aller toscanischen Schiffe. Endlich 1797 erkaufte Ferdinand III. wieder für 1 Mill. den Abzug der Franzosen, wogegen auch die Engländer Porto Ferrajo verlassen mußten., Aber schon im März 1799 rückten die Franzosen, nachdem sie nochmals 2 Mill. Franken vom Großherzog erpreßt hatten, wieder in T. ein, besetzten Florenz u. nöthigten den Großherzog das Land zu verlassen. Er begab sich nach Wien, u. die Franzosen behandelten T. wie ein erobertes Land, richteten eine provisorische Regierung ein, verkauften die Allodien des Großherzogs u. der Malteserritter, bemächtigten sich der englischen u. portugiesischen Waaren u. sandten Kunstwerke aus dem Palast Pitti nach Frankreich. Bald brachen Empörungen gegen die Franzosen in Pistoja u. Florenz aus, welche zwar von den Franzosen schnell unterdrückt wurden, aber endlich vertrieb ein Aufstand in Arezzo die französische Besatzung. Die Toscaner vereinigten sich mit einem österreichischen Corps u. nahmen Cortona u. Siena. Bald darauf capitulirten die Franzosen in Livorno, u. nun wurde die Regierung Ferdinands III. hergestellt. 1800 drangen die Franzosen wieder in T. ein u. besetzten im Herbste Florenz, Livorno u. das ganze Land. Im Frieden von Lüneville mußte der Großherzog T. gegen eine Entschädigung in Deutschland (Salzburg) abtreten Parma, welches das spanische Königshaus durch Tertiogenitur besaß, wurde nun gegen T. vertauscht; dies wurde durch einen Theil des Stato degli Presidj vergrößert, dagegen Elba an Frankreich abgetreten, u. der Erbprinz von Parma, Ludwig, nahm unter dem Titel eines Königs von Hetrurien am 2 August 1801 von T. Besitz, u. durch einen Vertrag wurde Hetrurien für ein ewiges Erbe des spanischen Königshauses erklärt. Der neue König begab sich mit seiner Gemahlin Marie Luise, Tochter Karls IV. von Spanien, von Madrid nach T., machte sich aber durch Herstellung der alten kirchlichen Verhältnisse u. durch spanische Hoffahrt die Herzen der Toscaner bald abgeneigt, war auch ein schwächlicher, ganz von seiner Gemnahlin abhängiger Fürst. Als er 1803 starb, übernahm seine Wittwe die Regierung für ihren minderjährigen Sohn Ludwig. Auf ihre Bitten wurde T. von französischen Truppen geräumt u. durch 6000 Spanier besetzt, welche Napoleon aber 1806 nach den Küsten der Ost- u. Nordsee sendete. Durch den Vertrag von Fontainebleau vom 27. October 1807 zwischen Frankreich u. Spanien wurde Hetrurien gegen das nördliche Portugal an Frankreich abgetreten u. durch das Decret vom 30. Mai 1808 mit demselben unter seinem alten Nanen T. vereinigt, die Königin wurde aber von ihrem Vater nach Spanien berufen. Napoleon theilte T. in drei Departements, das vom Arno, vom Mittelmeere u. vom Ombrone, errichtete in Florenz ein Generalgouvernement u. gab es seiner Schwester Elise, welche nun den Titel einer Großherzogin führte.

Nach dem Sturze Napoleons 1814 erhielt Ferdinand III. (seit 1803 Kurfürst von Salzburg, dann Kurfürst, seit 1806 Großherzog von Würzburg) T. in den Grenzen zurück, wie er es vor 1800 besessen hatte, dazu den, ehedem zu Neapel gehörigen Stato degli Presidj, die ehemaligen Reichslehen Vernio, Montanto, Santa Maria, die Insel Elba, die Anwartschaft auf die Erbfolge in dem größten Theil von Lucca, indem nach dem Absterben der Herzogin Maria Luise von Parma der Herzog von Lucca deren Besitz erhalten sollte. Ferdinand III. st. am 18. Juni 1824; ihm folgte sein Sohn Leopold II., welcher im Sinne seines Großvaters u. Vaters zu regieren fortfuhr; er setzte die bereits seit 1818 begonnenen Verbesserungen des Volksschulwesens fort u. begünstigte die Wissenschaften; die Protestanten wurden nicht nur geduldet, sondern erhielten selbst in Florenz eine eigene Kirche. 1829 begann die Austrocknung u. die Cultivirung der Maremmen (s.d.) wieder. Gegen politische Verirrungen fand ein System von großer Nachsicht statt, so wie denn namentlich die Verfolgung der Carbonari hier nicht mit so blutiger Strenge betrieben wurde, wie in den übrigen italienischen Staaten; daher 1830 u. 31 die Ruhe in T. nicht gestört wurde, u. wenn auch 1833 die Regierung sich genöthigt sah Verhaftungen vornehmen u. zum Theil angesehene Männer auf die Citadelle von Livorno setzen zu lassen, so gab doch hierzu mehr ihre Beziehungen zu den übrigen italienischen Staaten u. die Rücksicht auf den allgemeinen Zustand Anlaß. Aller öffentlichen Unternehmungen nahm sich der Großherzog an, so der in der Nähe von Seravezza entdeckten Quecksilberminen,[715] zu deren Untersuchung er 1842 aus Sachsen sachverständige Männer kommen ließ; so begünstigte er eine 1844 in Livorno zusammengetretene Actiengesellschaft, welche die Bearbeitung eines in den Maremmen bei Montebamboli aufgefundenen Steinkohlenlagers zu unternehmen beabsichtigte. Eine Revision des Strandrechts u. der Sanitätsgesetze erfolgte schon 1842; ein Grenzberichtigungsvertrag zwischen T., Modena u. Lucca 1844. Auch für Anlegung von Eisenbahnen wurde Sorge getragen u. die erste Strecke von Livorno nach Pisa am 13. März 1844 eröffnet. 1844 wurden die Universitäten Siena u. Pisa neu organisirt. 1845 flüchteten sich ein Theil derer, welche bei den in Ancona u. Bologna ausgebrochenen Unruhen betheiligt waren, nach T.; sie wurden nicht ausgeliefert, sondern nach Frankreich übergeschifft. In den toscanischen Staaten selbst ließ sich von den Unruhen des Jungen Italiens nichts bemerken. Nach dem Rücktritte Fossombronis u. dem Tode des Fürsten Corsini, 1845, welche als erste Minister an der Spitze der Regierung gestanden hatten, wurde die Stimmung des in politischer Hinsicht stets glücklich gepriesenen Landes allmälig eine minder günstige u. am Ende 1845 u. im Laufe d. J. 1846 traten mehrfache Umstände ein, welche das gute Verhältniß zwischen Regierung u. Volk trübten, so mehrfache Verhaftungen aus politischen Gründen, die Austreibung italienischer Ausländer (d'Azeglio); die auf die Trockenlegung der Maremmen verwendeten Summen wurden als Veranlassung zur Unzufriedenheit genommen, dazu kam, daß am 14. August 1846 ein Erdbeben die Ortschaften von Luciana, Lorenzana u. Orciano verwüstete, welches auch in Pisa, Livorno etc. vielfache Zerstörungen anrichtete u. viele Menschenleben kostete, u. daß in Folge der geringen Ernte eine Theuerung entstand. Dies machte die künstlich erregte u. genährte Mißstimmung im Lande noch gereizter. Erst der durch die Reformen des neuen Papstes Pius IX. herbeigeführte Umschwung in den politischen Verhältnissen Italiens ließ T. wieder einen anderen Weg in der inneren Politik einschlagen. Hatte sich die von Rom ausgehende Bewegung bereits allgemein im Volke kundgethan u. selbst zu einigen gewaltthätigen Auftritten geführt, wie Anfang 1847 in Florenz das Verbot der Feier des päpstlichen Namenstages einen blutigen Zusammenstoß zwischen Volk u. Militär veranlaßte: so folgte nun auch die Regierung, als die erste unter den übrigen Italiens, dem Vorgange des Papstes in liberalen Concessionen. Am 7. Mai 1847 erschien ein neues milderes Preßgesetz u. 30. Mai ward eine Versammlung von Notabeln des Landes einberufen, welche namentlich bei der beabsichtigten Gemeindeverwaltungsreform ihren Rath abgeben sollte. Für die bei den neulichen Tumulten Betheiligten wurde eine Amnestie erlassen. Dennoch beschwichtigte sich die allgemeine Aufregung nicht, sondern gab sich in zahllosen Demonstrationen kund; die Regierung ließ sich zu mehren Zugeständnissen bestimmen, so wurde die erst kürzlich wieder eingeführte Todesstrafe abgeschafft, durch Decret vom 24. August eine Staatsconsulta eingesetzt, welche bei allen neuen Gesetzen, bei Veränderung schon bestehender Anordnungen, bei Verkauf u. Verpachtung von Staatsgütern u. Einkünften zu Rathe gezogen werden sollte; am 24. Aug. ein neues Ministerium der Justiz u. der Gnaden errichtet u. an seine Spitze der populäre Bartolini gestellt, durch Decret vom 4. Septbr. die Errichtung einer Bürgergarde gewährt, unter dem 13. Septbr. noch weiter die Umarbeitung der Landesgesetze, des Unterrichtswesens u. der Municipalverfassung zugesagt. Noch erschien ein zweckmäßigeres Preßgesetz, in den höheren Staatsstellen fanden mehrfache Veränderungen im Sinne der Volkswünsche statt, auch wurden die Sbirren u. die geheime Polizei abgeschafft. Das Land erfreute sich im Ganzen der Ruhe.

Dagegen entstanden nun neue Schwierigkeiten für die Regierung durch die Thronentsagung des Herzogs von Lucca. Nach der Wiener Congreßacte vom 9. Juni 1815 u. dem Pariser Tractat vom 10. Juni 1817 sollte Lucca an den Großherzog von T. fallen, wenn einst Parma, Piacenze u. Guastalla an die Infantin Marie Luise od. an deren Sohn Karl Ludwig gelangten; dann sollte T. wieder die toscanischen Bezirke Fivizzano, Pietrasanta, Borga u. die lucchesischen Bezirke Castiglione u. Gallicano, sowie die an Massa grenzenden Minucciano u. Monte-Ignose an Modena abtreten. Modisicirt war diese Feststellung durch den Florentinischen Vertrag vom 28. Nov. 1844, wonach T. Pietrasanta u. Borga mit Seravezza behalten, dagegen Fivizzano an Modena u. Pontremoli an den künftigen Besitzer von Parma abtreten sollte. Jetzt nun trat der vorgesehene Fall ein; der Herzog von Lucca legte am 7. Oct. noch vor dem, erst am 18. Dec. erfolgenden Ableben der Herzogin von Parma, die Regierung nieder (s. Lucca S. 564). Am 11. Oct. fand hierauf die Besitzergreifung von Lucca durch den Großherzog statt, während dasselbe durch den Herzog von Modena 5. Nov. mit Fivizzano geschah. Aber Fivizzano weigerte sich entschieden von T. getrennt zu werden. Auch die Regierung von T. protestirte gegen die gewaltsame Unterbrechung der schwebenden Verhandlungen, ließ gegen die Grenze marschiren u. forderte die Räumung des Landes von den eingedrungenen modenesischen Truppen, bis endlich, nachdem alle unter römisch. sardinischer Vermittlung gepflogenen Unterhandlungen hinsichtlich einer Abänderung der Verträge sich zerschlagen hatten, das Gebiet zwar, der verletzten Form wegen, von den Truppen geräumt, dann aber auch sofort am 4. Dec. von T. an Modena übergeben wurde. Ebenso wenig hatte Pentrem olis Widerstand gefruchtet; nur bis zum Tode Marien Luisens konnte es nach dem nun abgeschlossenen Vertrage bei T. erhalten werden; Anfang 1848 wurde es sammt Baguano, Filatierra, Groppoli u. Lusuolo an Parma abgetreten. Am 3. Nov. hatte T. inzwischen mit Sardinien u. dem Kirchenstaate einen Vertrag wegen Gründung eines Zollvereins abgeschlossen.

So brach nun das auch für T. verhängnißvolle Jahr 1848 an, in welchem Italien von der Reform zur Revolution überging. Schon der Anfang des Jahres kündigte sich durch ernste Unruhen in Livorno an, wo Guerazzi, ein thätiges Mitglied des Jungen Italien, zum Gouverneur verlangt u. zugleich durch eine revolutionäre Proclamation große Aufregung verursacht worden war; aber durch die Energie des Ministerpräsident Ridolfi wurde das Volk beschwichtigt u. Guerazzi nebst mehren Genossen verhaftet (10. Januar). Nun wurde auch eine Commission zur Entwerfung einer Constitution niedergesetzt u. dieselbe am 17. Febr. proclamirt. Die Grundzüge derselben waren: Zwei [716] Kammern, ein Senat aus lebenslänglich vom Fürsten ernannten u. ein Generalconseil aus 86 vom Volke gewählten Mitgliedern bestehend; Verantwortlichkeit des Ministeriums; persönliche Freiheit, Freiheit der Presse, neben der als Staatsreligion anerkannten Katholischen Religion Duldung der übrigen Glaubensbekenntnisse; Gleichheit vor dem Gesetz; keine Rücksicht auf das Glaubensbekenntniß bei Besetzung der Ämter u. der Wahl zur Volksvertretung, allgemeine Militärpflicht etc. Jetzt ergriffen auch die abgetretenen Bezirke die Gelegenheit sich wieder an T. anzuschließen, so im März Fivizzano u. im Mai Massa Carrara, die Lunigiana u. Garfagnana, wogegen aber Modena unter dem 27. Mai protestirte. Am 21. Mai erschien ein neues Preßgesetz; am 5. Juni wurden zwei neue Ministerien für öffentlichen Unterricht u. Wohlthätigkeit u. für die kirchlichen Angelegenheiten errichtet. Am 26. Juni wurden die Kammern eröffnet. Indeß schon nach den ersten Unfällen der italienischen Truppen in der Lomdardel, wohin auch T. Truppen, zum Theil von Neapel entliehen, u. Freiwilligencorps gegen Österreich gesandt hatte, gerieth das Land in Verwirrung. Das Ministerium Ridolfi fiel Ende Juli einem Aufruhr des nach Krieg gegen Österreich schreienden Pöbels zum Opfer, an seine Stelle trat ein Ministerium Capponi, welchem von den Kammern discretionäre Gewalt betreffs der Presse, der Vereine u. Versammlungen eingeräumt wurde, worauf die Schließung der politischen Clubs u. eine strenge Überwachung der Presse erfolgte. Dennoch gelang es nicht die revolutionäre Partei zu bändigen. Am 25. Aug. erhob sich, auf die Kunde von der Verhaftung eines politischen Agitators in Florenz, unter Guerazzi in Livorno ein Aufstand. Die von der Regierung gegen Livorno aufgebotenen Bürgergarden von Pisa u. Lucca verweigerten den Gehorsam u. auch das dahin gesendete Militär versagte nach heftigem Straßenkampf den Dienst u. machte gemeinschaftliche Sache mit den Empörern. Hierauf trat eine livornesische Commission, Guerazzi an der Spitze, mit dem Großherzog über die Bedingungen einer Aussöhnung in Unterhandlung; der Großherzog gab nach Vom 8. Sept, an wurde Guerazzi mit zwei Anderen dem Magistrat von Livorno als Regierungscommission beigegeben u. somit eine Art Sicherheitsausschuß gebildet. Die Ruhe kehrte zurück, die Anarchie griff um sich. Die Ernennung eines unbeliebten Gouverneurs für Livorno bewirkte neue Differenzen zwischen der Regierung u. der Stadt, worauf Montanelli als interimistischer Gouverneur eingesetzt wurde, welcher sich aber alsbald ganz an Guerazzi anschloß. Im Sept. sah sich das Ministerium zur Ausschreibung einer Zwangsanleihe von vier Mill. Lire genöthigt. Inzwischen hatte sich der revolutionäre Geist auch mehr u. mehr der Hauptstadt bemächtigt, u. eine Volksdemonstration für Livorno veranlaßte endlich auch das Ministerium Capponi seine Entlassung zu geben (13. Oct.), worauf sich der Großherzog entschloß sich der demokratischen Partei anzuvertrauen. In dem neuen Ministerium übernahm Montanelli die Präsidentschaft u. das Auswärtige, Guerazzi das Innere, Mazzoni die Justiz, d'Ayala den Krieg, Adami die Finanzen, Franchini den Unterricht. Dieses Ministerium schloß durch Verordnung vom 3. Nov. die Sitzung des Senats, löste die gemäßigte Deputirtenkammer auf u. setzte die Wahl neuer Abgeordneten auf den 20. Nov. fest; erließ unter dem 7. Nov. eine Circularnote an die toscanischen Repräsentanten in Rom, Neapel u. Palermo wegen der beabsichtigten constituirenden italienischen Nationalversammlung u. ein Umschreiben an die Präfecten wegen der für Venedig zu sammelnden Gelder; da es dem sicilianischen Bevollmächtigten die Aufpflanzung seines Wappens gestattete, so brach Neapel den diplomatischen Verkehr mit T. ab.

Am 10. Jan. 1849 fand die Eröffnung der neuen Kammern, in welchen die demokratische Partei ein entschiedenes Übergewicht hatte, durch den Großherzog statt. Dem alsbald von den Kammern berathenen Gesetze über die Wahlen der Deputirten gab der Großherzog am 22. Jan., trotz der Abmahnung des englischen Gesandten, seine vorläufige Zustimmung, die hinsichtlich der Constituante vom Papste angedrohte Excomm unication verursachte ihm jedoch so bedeutende Gewissensscrupel, daß er, unter Widerrufung seiner Bestätigung, am 1. Febr. Florenz verließ u. über Siena am 22. nach Gaeta reiste. Unter dem Einflusse des republikanischen Volksclubs u. seines Anhanges bestellte hierauf am 8. Febr. die Deputirtenkammer eine provisorische Regierung, bestehend aus Guerazzi, Montanelli u. Mazzini (später Zannetti), welche nun ein neues Ministerium bildete, am 9. Febr. Truppen u. Bürgerwehr ihres Eides entband, durch Decret vom 10. Febr. Generalconseil u. Senat aufhob u. statt derselben eine einzige Repräsentantenversammlung von 120 Mitgliedern auf den 15. März berief. Am 12. Februar protestirte der Großherzog von Gaeta aus gegen die provisorische Regierung. Dagegen wurde am 18. Februar in Florenz durch den Volksclub die Republik proclamirt u. alsbald über eine Vereinigung mit der Römischen Republik unterhandelt. Am 25. März wurde die Nationalversämmlung für T. eröffnet, u. diese übertrug am 27. an Guerazzi die executive Gewalt in dictatorischer Form. Die Macht Guerazzis begann jedoch sehr bald zu wanken, u. nur nach langem Weigern wurde ihm von der Nationalversammlung eine Anleihe von zwei Mill. Lire u. die Vertagung der Kammer bis zum 15. April bewilligt. Am 11. April aber entstand zwischen den, von Guerazzi zu seinem Schutze herangezogenen Livornesischen Freiwilligen u. Florentiner Bürgern ein Streit, welcher damit endete, daß das Volk jene vertrieb. Am 12. April wurden die Freiheitsbäume umgestürzt, die großherzoglichen Wappen wieder aufgerichtet, der Widerstand der Municipalgarde gebrochen; die Truppen u. Nationalgarden erklärten sich für den Großherzog; die Regierung übernahmen in dessen Namen außer dem Magistrat fünf angesehene Bürger, unter ihnen Capponi; Guerazzi sammt Ministerium u. Anhängern wurde gefangen gesetzt. Die Republik war ohne alles Blutvergießen gestürzt. Die Nationalversammlung wurde aufgehoben, die Clubs verboten, die Municipalgarde aufgelöst u. ein neues Ministerium gebildet. Eben so schnell u. unblutig verbreitete sich die Gegenrevolution über das Land, nur Livorno beharrte im Widerstande wider die neue Ordnung der Dinge, u. dorthin wandten sich deshalb auch alle Gegner derselben. Am 1. Mai ernannte der Großherzog von Gaeta aus den Generalmajor Serristori zu seinem außerordentlichen Commissär u. setzte am 24. Mai ein neues Ministerium zusammen, an dessen Spitze Baldasseroni stand. Am 25.[717] Mai zog ein österreichisches Corps in Florenz ein; in Livorno wurden 6000 Mann als Besatzung zurückgelassen, Pisa wurde entwaffnet Die gesammte Lunigiana war schon im April von österreichischen Truppen im Namen des neuen Herzogs von Parma besetzt worden. Die Ordnung wurde nun rasch wieder herg. stellt u. der Großherzog bei seiner Rückkehr mit Enthusiasmus empfangen. Zu den im Laufe d. I. noch ergriffenen Maßregeln gehörten vornehmlich die Auflösung der akademischen Legionen von Pisa, Siena u. Lucca, die Ertheilung einer umfassenden Amnestie, von welcher nur 81 schwer Gravirte ausgeschlossen blieben, die Errichtung eines neuen Gensdarmeriecorps, der Erlaß einer provisorischen Gemeindeordnung. Die liberale Partei war befriedigt, nur gegen die österreichische Besetzung herrschte Mißstimmung. Dagegen schloß sich die Regierung immer fester an Österreich an, dessen Truppen im Lande blieben, während das toscanische Heer durch Auflösung von drei Infanterieregimentern bedeutend vermindert worden war. Am 22. April 1850 kam eine Militärconvention mit Österreich zu Stande, wonach vor der Hand 10,000 Mann Österreicher das Land besetzt halten sollten, denen Österreich Sold u. Montirung, T. aber die Naturalverpflegung zu beschaffen haben würde. Länger andauernde Differenzen mit England entstanden für die Regierung in jener Zeit durch die von England erhobenen Forderungen von Entschädigung für die von englischen Kauflenten während der Livornesischen Wirren erlittenen Verluste, deren Summe sich auf 160,000 Lire beliefen. Im Frühjahr verließ der Großherzog auf längere Zeit sein Land u. ging nach Wien; die Regterung begaun seit dieser Zeit entschiedener rückwärts zu gehen, bes. wurde jede Äußerung hinsichtlich der gewünschten Wiederherstellung der constitutionellen Staatsform unterdrückt. Dagegen hoben sich Handel u. Gewerbe sichtlich, die Zollerträge stiegen fast über die Hälfte der vorjährigen Einnahme. Zugleich konnte das Ministerium anzeigen, daß die in den beiden vergangenen Jahren gemachte Schuld von 9 Mill. Lire theils durch effective Rückzahlungen, theils durch die zur Einlösung der Bons bereit liegenden Depositen getilgt sei. Die inzwischen mehr u. mehr erregten Besorgnisse der gemäßigt liberalen Partei fanden bald ihre Bestätigung; ein Decret vom 21. Sept. erklärte das Generalconseil der Deputirten vorläufig, bis zum Eintritt günstigerer Zeitverhältnisse, für aufgelöst, wonach bis zur Einberufung einer neuen gesetzgebenden Versammlung alle Gewalt von dem Großherzog allein ausgeübt werden würde Gleichzeitig erschien ein strenges Preßgesetz, außerdem wurde die Universität Siena geschlossen, da von den dortigen Studirenden bei Gelegenheit der angeordneten religiösen Conferenzen Unruhen erregt worden waren. Am 20. Dec. kam der Zollvertrag mit dem Kirchenstaate zu Stande. Noch mehr machte sich im Jahre 1851 die gereizte Volksstimmung bemerkbar; so namentlich in Florenz durch Demonstrationen gegen das Tabakrauchen, in deren Folge es zu blutigen Händeln kam, u. später (29. Mai) in Unruhen gelegentlich der von der Gensdarmerie verhinderten Todtenfeier für die bei Curtatone u. Montanara Gebliebenen. Um so mehr steigerten sich aber auch die Maßregeln der Regierung: mehre politische Verdächtige wurden verhaftet, Haussuchungen u. Ausweisungen waren an der Tagesordnung; die oppositionellen Blätter waren schon bis zur Mitte des Jahres sämmtlich unterdrückt. Die Nationalgarde erhielt zwar ein neues Reglement, wurde aber durch die Auflösung in einzelnen Städten mehr u. mehr beseitigt. Die Universität Siena wurde wieder eröffnet, doch erschien im Oct. ein Decret wegen Umgestaltung der Universitäten Pisa u. Siena. Inzwischen zeigte sich die Regierung sehr thätig hinsichtlich des Zustandekommens einer italienischen Centraleisenbahn; am 1. Mai wurde der hierauf bezügliche Contract mit der römischen Regierung u. am 3. October mit den weiter betheiligten Mächten, Österreich u. Modena, abgeschlossen. Ebenso wurde ein Schifffahrtsconcordat mit Rom (5. April) u. ein Postvertrag mit Frankreich abggeschlossen. Endlich einigte sich die Regierung auch mit dem päpstlichen Stuhle über ein Concordat (s. Concordat S. 333), wonach die bisherige Kirchenfreiheit bedeutend beschränkt u. die Befugniß der Bischöfe sehr erweitert wurden; da jedoch ein Rundschreiben des Ministeriums dasselbe, namentlich bezüglich der ohne Placet der Regierung zu veröffentlichenden päpstlichen Breven, wesentlich beschränkte, so entstand hierdurch ein längerer Conflict mit Rom, welcher erst durch Österreichs Vermittelung ausgeglichen wurde. Laut Befehl vom 13. Octbr. wurde die Generalinspection über die Linientruppen u. der Generalstab des Kriegsministeriums aufgehoben, an deren Stelle das im Oct. 1848 aufgehobene Generalcommando wieder eingeführt werden sollte, so daß ein Generalarmeecommandant dem Großherzog die geeigneten Maßregeln im Heerwesen zu seiner Sanction vorzuschlagen haben würde. Das Generalcommando wurde dem österreichischen Oberstlieutenant Ferrari de Grado übertragen. Ein Decret vom 7. November hob die toscanischen Gesandtschaften zu Constantinopel, Neapel u. Turin auf. Inzwischen waren im Laufe des Jahres von dem österreichischen Kriegsgericht, welches zur Aburtelung von Preßvergehen u. Aufreizung zum Aufstande in Livorno niedergesetzt worden war, von 47 Angeklagten 40 zum Tode verurtheilt worden, darunter die beiden älteren Söhne des Lord Stratford, doch wurden sämmtliche Strafen in Gefängniß umgewandelt.

Erst dem Jahre 1852 war eine völlige Wiederkehr zu den früheren Zuständen vorbehalten. Durch Decret vom 8. Mai wurde die Constitution vom 15. Febr. 1848 definitiv aufgehoben; völlige Herstellung der souveränen Autorität, Verantwortlichkeit des Ministeriums nur dem Großherzog gegenüber, Trennung des Staatsrathes vom Ministerrathe, Revision des Preßgesetzes, allgemeine Aufhebung der Bürgergarden, Reorganisation der Justiz nach den Grundsätzen des Jahres 1847, Modificirung des provisorischen Gemeindegesetzes von 1849 sollten die Hauptpunkte in der neuen Ordnung der Dinge sein. Gegen Mitte des Jahres erschien ein neues Unterrichtsgesetz. Am 6. Nov. zeigte die Polizei sämmtlichen politischen Flüchtlingen an, daß sie binnen acht Tagen das Land zu verlassen hätten. Kurz darauf wurde auch die Wiedereinführung der Todesstrafe angeordnet. Auch im Jahre 1853 währten die politischen Verfolgungen fort u. dehnten sich nun auch auf die einer evangelischen Propaganda Verdächtigen aus, welche eine harte Strafe traf. Besonderes Aufsehen machten bes. der Guerazzische Proceß u. die Angelegenheit der Madiaischen Eyeleute[718] (s.b.); über beide Parteien wurden von dem Gericht schwere Freiheitsstrafen verhängt, welche der Großherzog aber im Gnadenwege in Landesverweisung umwandelte. Handel- u. Schifffahrtsverträge wurden 1853 mit Frankreich, Neapel u. Mecklenburg-Schwerin geschlossen; ferner erschien in diesem Jahre das neue Gemeindeverfassungsgesetz u. das neue Strafgesetzbuch, beide im Sinne einer strengeren Ausübung der Regierungsgewalt. In die Strafgesetzgebung wurde das Verbrechen der Majestätsbeleidigung wieder aufgenommen, harte Strafe auf Angriffe gegen die Römisch-Katholische Religion gesetzt, Todesstrafe gegen Anschläge auf das Leben des Großherzogs, seiner Gemahlin u. des Erbgroßherzogs ausgesprochen u. bes. strenge Bestimmungen gegen Theilnehmer an geheimen Gesellschaften getroffen... Die großen, durch Besetzung des Landes durch die Österreicher verursachten Kosten veranlaßten die Regierung an die Kräftigung ihrer eigenen bewaffneten Macht zu denken, in Folge dessen am 18. Febr. 1853 auch ein neues Recrutirungsgesetz erschien. Die österreichische Besatzung wurde um 2000 Mann vermindert. Bei dem eingetretenen Mißwachs erließ die Regierung den 6. Theil der Abgaben vom ländlichen Grundbesitz fürs Jahr 1853. Sowohl dies als mehre außerordentliche Ausgaben, die Trockenlegung des Sees u. der Sümpfe von Bientina u. der Bau des Hafens von Livorno verschlangen große Summen, u. nur mit Mühe gelang es die Ausgaben u. Einnahmen des ordentlichen Budgets im Gleichgewichte zu erhalten, während die außerordentlichen Ausgaben durch Anleihen unter ungünstigen Bedingungen gedeckt wurden. Beim Ausbruche des Krieges gegen Rußland im Jahre 1854 zauderte die Regierung den von Frankreich u. England bekannt gemachten Grundsätzen über das Recht der Neutralen zur See beizutreten, weil bisher bei Seekriegen im Hafen von Livorno der Sammelplatz von Caperschiffen gewesen war, welche daselbst mit dem Nöthigen sich versehen u. ihre Beute verkauft hatten; es geschah noch im Juni 1854. Ein schwacher Versuch von 19–20 in Bocca di Magra gelandeten Flüchtlingen, die öffentliche Ruhe zu stören, scheiterte vollständig. Im December 1854 schloß T. mit England u. Sardinien Verträge über Rhederei an den Küsten, welche die vollständigste Gegenseitigkeit der Begünstigungen u. Rechte in dieser Beziehung zur Regel machen, was auch Frankreich zu Gute kam, weil es nach dem Handelsvertrage vom 2. Febr. 1853 am Genusse einer jeden Vergünstigung theilnehmen sollte, welche von T. einem andern europäischen Staate zugestanden würde. Die Spannung des Verhältnisses zum Papste, schon seit längerer Zeit bestehend, wurde durch gegenseitige Nachgiebigkeit gehoben, die Regierung verzichtete auf das Recht der Bestätigung der kanonischen Einsetzungsbullen, man kam auch überein, daß die Verwaltung der Kirchengüter in T. einem aus weltlichen u. vorherrschend aus geistlichen Mitgliedern zusammengesetzten Verwaltungsrath übergeben werden sollte. Im Frühjahre 1855 verließen endlich die österreichischen Truppen T. Die Cholera hatte bis zum Oct. 1855 von 35,831 Kranken 17,817 getödtet. Nach dem Pariser Friedensschlusse von 1856 beschloß die Regierung die Errichtung von Consulaten im südlichen Rußland u. gab einer Gesellschaft die Berechtigung zum Bau einer Eisenbahn von Florenz über Perugia nach Rom mit Verbürgung von fünf Proc. Zinsen für die Actionäre. Schon im April 1857 hatte die toscanische Polizei Kenntniß, daß in Genua zwei Schiffe zu einem geheimen Unternehmen gegen die niederitalienische Küste gemiethet worden seien, u. im Mai Gelegenheit verbotene Waffen u. Schießbedarf, welche heimlich eingeführt worden waren, wegzunehmen. Es er folgten Verhaftungen, aber erst am 30. Juni kam eine neue mazzinistische Verschwörung in Genua, Livorno u. an der neapolitanischen Küste zugleich zum Ausbruch. In Livorno sammelten sich die Aufrührer u. verwundeten u. tödteten an drei Orten mehre Gensdarmen, wurden jedoch von der bewaffneten Macht schnell besiegt; die mit den Waffen in der Hand Gefangenen wurden sofort von den Soldaten erschossen, die übrigen Verhafteten zur gerichtlichen Untersuchung nach Lucca abgeführt. Am 18. August erwiderte der Papst in F lorenz einen Besuch, welchen ihm der Großherzog kurz vorher in Bologna abgestattet hatte. Die an diesen Besuch geknüpfte Hoffnung der clericalen Partei, die völlige Abschaffung der Leopoldinischen Gesetze zu erreichen, ging aber nicht in Erfüllung. Aus Anlaß des Aufruhrs in Livorno wurden nach u. nach 252 Personen verhaftet; die Mehrzahl derselben wurde von den Administrativbehörden mit längeren od. kürzeren Freiheitsstrafen belegt; nur 25 wurden vor den Gerichtshof von Lucca gestellt u. von diesem fünf, darunter der entflohene Leiter der Bewegung Pacini, zum Tode verurtheilt (März 1858).

Obwohl die Regierung sich von gewaltthätigen Maßregeln fern hielt u. sich vielfach um eine geordnete Verwaltung bemühte, konnte es doch nicht fehlen, daß die Aufregung, welche seit 1858 durch ganz Italien ging, auch in T. einen fruchtbaren Boden fand. Die Unzufriedenen fanden in dem Hause des Vertreters Sardiniens Buoncompagni einen Mittelpunkt; friedliche Demonstrationen gegen die Regierung von Rom u. Neapel u. gegen die weltliche Herrschaft des Papstes zeugten von der allgemeinen Stimmung, u. die Unterdrückung einiger Journale regte zu weiterem Widerstand an. Als gegen das Ende des Jahres 1858 die steigende Spannung zwischen Österreich u. Piemont einen Krieg voraussehen ließ, verlangte Ersteres, wie man wenigstens allgemein annahm, auf Grund der Verträge die Stellung von 12,000 Mann u. 12 Mill. Lire, u. die Regierung setzte diesem Ansinnen nur getheilten Widerspruch entgegen. Als durch die Anrede des Kaisers Napoleon an den österreichischen Gesandten beim Neujahrsempfang 1859 die Aufregung zum Äußersten gesteigert wurde, unternahm der Großherzog am 27 Januar 1859 eine Reise nach Rom u. Neapel, deren Zweck jedesfalls eine Verständigung mit dem Papste u. König Ferdinand vor. Während seiner Abwesenheit führten die Minister die Regierungsgeschäfte in liberalem Sinne u. gestatteten öffentliche Kundgebungen des radicalen Geistes; die Rückkehr des Großherzogs brachte aber wieder strengere Maßregeln. Am 23. März wurde für jede politische Schrift Präventivcensur eingeführt. Aber die allgemeine Unzufriedenheit u. Aufregung war nicht mehr zu unterdrücken. In Florenz wurden in wenigen Tagen für die Freiwilligen, welche sich in das piemontesische Heer einreihen ließen, 100,000 Lire gezeichnet, u. Tausende begleiteten diese Freiwilligen bei ihrer Einschiffung[719] in Livorno. Am 24. April überreichte der sardinische Bevollmächtigte Buoncompagni dem Minister des Auswärtsgen eine Note, welche T. einlud sich mit Sardinien u. Frankreich zu verbünden. Der Großherzog antwortete ablehnend u. erklärte, er werde von seiner Neutralität nicht abgehen, er bringe schon hiermit ein Opfer, da die Verträge ihn eigentlich verpflichteten sich Österreich anzuschließen. Schon aber verweigerten die Truppen den Maßregeln zu gehorchen, welche gegen das Volk ergriffen werden sollten, u. Soldaten u. Volk verlangten in einer großen Straßendemonstration zu Florenz die Allianz mit Piemont. Jetzt erst entschloß sich der Großherzog nachzugeben, ließ die dreifarbige Fahne aufpflanzen u. verkünden, daß er, weil man es wünsche, sich an Piemont anschließen wolle. Zur Ausführung dieses Entschlusses bedurfte es eines neuen Ministeriums, zu dessen Bildung der Großherzog den Marquis von Lajatico berufen ließ. Dieser aber erklärte ihm, nachdem er sich mit dem sardinischen Bevollmächtigten verständigt hatte, das einzige Mittel, um seine Dynastie zu retten, sei sofort abzudanken. Dies verweigerte der Großherzog; er versammelte das diplomatische Corps um sich, u. nachdem Buoncompagni erklärt hatte, er glaube versprechen zu können, daß ihm bei seiner Abreise keine Gefahr drohe, verließ er von einer Ehrengarde bis zur Grenze begleitet das Land u. begab sich nach Wien. Die Municipalität, als einzige in Florenz übrig gebliebene Behörde, erwählte sofort eine Provisorische Regierung, deren Mitglieder der frühere Gonfaloniere von Florenz Peruzzi, der Advocat Malenchini u. der Major Danzini waren. Ihre erste Regierungshandlung war den König Victor Emanuel zu ersuchen die Dictatur über Toscana zu übernehmen u. den General Ulloa als Oberbefehlshaber der Armee zu schicken. Victor Emanuel lehnte es zwar ab die Dictatur zu übernehmen, willigte aber darein, während der Dauer des Kriegs Protector des Großherzogthums zu bleiben, beauftragte Buoncompagni, als königlicher Commissar in seinem Namen zu regieren u. ernannte den General Ulloa zum Oberbefehlshaber der Truppen. Am 8. Mai trat Buoncompagni die Regierung an, doch sollte die Verwaltung T-s vorläufig ganz unabhängig von der Piemonts bleiben. Das von ihm gebildete Ministerium bestand aus Ricasoli für das Innere, Ridolfi für den öffentlichen Unterricht u. interimistisch das Auswärtige, Paggi für die Justiz, u. interimistisch die kirchlichen Angelegenheiten, Busacca für die Finanzen, Malenchini (später Niccolini) für den Krieg. Als Beirath für die Regierung berief Buoncompagni einen provisorischen Staatsrath, welcher aus den hervorragendsten Bürgern gebildet wurde. Die dreifarbige Fahne wurde zur Nationalfahne erklärt u. ein in Livorno bestehendes Bureau zur Anwerbung für Kriegsdienste in Rom od. Neapel aufgehoben. Unterdessen beschäftigte sich General Ulloa eifrig mit der Reorganisation der Armee, wachte über die Sicherheit der Grenzen u. schickte Truppen nach den Provinzen Massa u. Carrara, während der Prinz Napoleon mit dem 5. Armeecorps des französischen Heers in Livorno landete, jedoch ausdrücklich erklärte, daß seine Aufgabe nur eine rein militärische sei u. daß er sich in die Regierung des Landes nicht mischen werde. Durch ein Decret Buoncompagni's vom 25 Mai trat nun T. förmlich dem Kriege bei; dagegen protestirte der Großherzog von Wien aus unterm 21. Mai, sowie unterm 28. Mai gegen die Usurpation Victors Emanuels in T., worauf am 10. Juni verfügt wurde, daß alle Beamte dem König Victor Emanuel als Protector der nationalen Regierung von T. den Eid der Treue leisten sollten. Mittlerweile hatte sich das Ministerium durch den Advocaten Salvagnoli für die kirchlichen Angelegenheiten vervollständigt; der Kriegsminister Niccolini wurde durch den sardinischen Generalmajor Decavero ersetzt. An den Grenzen der Romagna bildeten sich zahlreiche Corps von Freiwilligen, welche unter dem General Mezzacapo in 3 Regimenter formirt wurden. Die toscanische Armee in der Stärke von 11,000 Mann unter dem General Ulloa bildete eine Division des 5. französischen Armeecorps, mit welchem sie am 18. Juni abmarschirte, worauf T. fast ganz von Truppen entblößt war.

Am 6. Juli trat der Staatsrath in Florenz zusammen; die hauptsächlichsten Vorlagen bildeten Gesetzentwürfe über Bildung einer Nationalgarde, über die Gemeindeverfassung u. die Reform des Strafgesetzbuchs, endlich Finanzfragen. Die Versammlung war noch mit Berathung dieser Vorlagen beschäftigt, als in Florenz die Nachricht von dem am 11. Juli 1859 zwischen den Kaisern von Frankreich u. Österreich abgeschlossenen Frieden von Villafranca eintraf, nach welchem der Großherzog von T. ebenso wie der Herzog von Modena in seine Staaten zurückkehren sollte. Das Erstaunen über diese Wendung der Dinge war bei der Bevölkerung T-s ein so leidenschaftliches, daß Buoncompagni die Menge beruhigen u. erklären mußte, es sei für T. noch nichts entschieden u. man werde das Land nicht gegen seinen Willen von Neuem dem österreichischen Einfluß unterwerfen. Die Bürger bildeten alsbald eine Legion Nationalgarde von 2250 Mann, u. zugleich wurden nach dem Wahlgesetz vom 3. Mai 1848 Wahlen für den 7. August zur Bildung einer Versammlung ausgeschrieben, welche die Wünsche T-s aussprechen sollte. Der Staatsrath aber beschloß immittelst die Thronentsetzung des Hauses Lothringen, u. die städtischen Behörden in Florenz u. vielen anderen Städten erklärten sich in gleichem Sinne. Die Regierung rief die Armee zurück u. rüstete nach Kräften. Der Großherzog Leopold II. hatte durch Abdicationsurkunde d. d. Vöslau den 21. Juli 1859 dem Throne zu Gunften seines ältesten Sohnes, des Erzherzogs Ferdinand entsagt, welcher als Großherzog Ferdinand IV., eine Proclamation an die Toscaner erließ, worin er sich bereit erklärte die nationalen Farben anzunehmen, die Verfassung aufrecht zu erhalten u. die Rechte der Nation anzuerkennen. Aber diese Proclamation verhallte wirkungslos; die Regierung berief alle Gemeinden T-s zur Abstimmung: 225 sprachen sich für die Thronentsetzung, nur eine gegen dieselbe aus, 20 enthielten sich der Abstimmung. Um den nun folgenden Wahlen für die Landesversammlung den Schein voller Freiheit zu geben, wurde Buoncompagni von der sardinischen Regierung zurückgerufen u. die Regierungsgewalt von dem Staatsrath dem Ministerrath übertragen, zu dessen Präsident Ricasoli ernannt wurde. Die Landesversammlung, welche am 11. August zusammentrat, wählte mit geringer Mehrheit den Candidaten der unbedingten Annexionisten Loggi zum Präsidenten, beschloß die Thronentsetzung des Hauses Lothringen u. die Annexation an das [720] Königreich Sardinien. Ricasoli zeigte diese Beschlüsse in einem Memorandum den auswärtigen Cabinetten an u. er war es vorzugsweise, welcher die Annexation durchsetzte u. jeden Gedanken an ein aus den mittelitalienischen Staaten zu bildendes Königreich Etrurien zurückwies. Jedoch schloß er sich der militärischen Ligue der Staaten Mittelitaliens an; der Vertrag, durch welchen sich diese Staaten verpflichteten die Romagna gegen jeden päpstlichen Restaurationsversuch zu vertheidigen, ward am 17. Aug. zu Florenz unterzeichnet. General Danti verließ die Dienste Sardiniens u. wurde Oberbefehlshaber der Armee der Ligue; Garibaldi, welchen man als Ersatz für Ulloa berufen hatte, begnügte sich, obwohl er die Seele des Ganzen war, mit dem Titel eines Commandanten der 11. Division, d.h. der toscanischen Armee. Am 3. Septbr. hatte eine toscanische Deputation, bestehend aus Gherondescar, Borghesi, Ruschi, Giorgini u. Adami, Audienz bei dem König Victor Emanuel, um ihm officiell die Beschlüsse der Landesversammlung mitzutheilen; doch konnte die Antwort des Königs mit Rücksicht auf die schwebenden Verhandlungen nur eine unbestimmte sein u. auf die Zukunft vertrösten. Es wurde jedoch in T. der Vereinigung mit Sardinien immer mehr vorgearbeitet. Ricasoli verfügte in Übereinstimmung mit seinen Collegen, daß vom 30. Sept. an alle Verfügungen der Behörden im Namen des Königs Victor Emanuel erlassen u. vom 1. Nov. an alle toscanischen Münzen durch sardinisches Geld ersetzt werden sollten. Für Decavero wurde Mitte October der Oberst Cadorea, piemontesischer Deputirter, Kriegsminister.

Die Stipulationen von Villafranca hatten die Partei des vertriebenen Großherzogs nicht wenig ermuthigt; sie begann ruhiger zu werden, als der Kaiser Napoleon den frühern bevollmächtigten Minister des Großherzogs Leopold zu Paris u. nunmehrigen französischen Senator Poniatowski nach T. schickte. Die Codini, d.h. die Anhänger des Großherzogs gingen sogar so weit, den Kaiser Napoleon in einer Adresse um eine Restauration durch die französischen Waffen zu bitten, u. sie fanden in der Geistlichkeit eine lebhafte Unterstützung Die Erzbischöfe von Pisa, Siena, Lucca u. Florenz verwahrten sich energisch gegen ein Circularschreiben, in welchem die Regierung die Behörden zur Überwachung des Clerus aufgefordert hatte, u. alle andern Bischöfe schlossen sich diesem Proteste an. Der Anspruch der Regierung über die weltlichen Angelegenheiten der Kirche zu verfügen fand keinen Gehorsam. Doch ward die öffentliche Ruhe nicht gestört Auf den Vorschlag Farini's, des Gouverneurs der Emilia, wurde von den beiden central-italienischen Regierungen der Vorschlag verabredet den Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan, Vetter Victor Emanuels, zum Regenten Mittelitaliens im Namen des Königs bis zur vollständigen Vereinigung mit dem Königreich Sardinien zu wählen. Am 7. Nov. erhob die wieder zusammengetretene Deputirtenversammlung den Antrag, welcher von der Mehrheit als ein Schritt weiter zur Vereinigung mit Sardinien angesehen wurde, einstimmig zum Beschluß. Aber in Folge des bestimmten Widerspruchs Frankreichs sah sich Sardinien genöthigt den Prinzen zur Ablehnung der Regentschaft zu veranlassen; derselbe beauftragte an seiner Stelle Buoncompagni mit der Führung der Regierung, aber nicht ohne lebhaften Widerderspruch von Seiten Ricasoli's, welcher in diesem Wechsel eher eine Begünstigung der Bildung eines Sonderstaats, als einen Schritt zur Vereinigung mit Sardinien erblickte, u. dieser setzte es durch, daß Buoncompagni's Gewalt nur eine nominelle sein sollte. Aus dem Regenten wurde ein Generalgouverneur der centralitalienischen Ligue; aber die beiden Regierungen blieben bestehen u. vollständig gesondert. sogarin ihrer Vertretung nach Außen, u. in die innere Verwaltung durfte sich der Generalgouverneur nicht mischen. Sein einziges Amt war die Verbindung der vier Provinzen unter einander u. mit Sardinien zu unterhalten. Am 21 Dec. landete Buoncompagni zu Livorno, seine Thätigkeit aber war kaum zu bemerken, Ricasoli blieb nach wie vor die Seele der Regierung T-s. Obgleich die Frage der Annexation nur noch als eine Frage der Zeit betrachtet werden konnte, erschienen doch eine große Anzahl von Verordnungen u. Gesetzen in allen Zweigen der Verwaltung, welche zwar einerseits die fortgesetzte allmälige Annäherung an die sardinischen Institutionen u. damit in Verbindung die Zurückdrängung der Kirche von dem staatlichen Gebiete, andererseits aber auch die Beförderung der materiellen Interessen auf der Basis des freien Verkehrs u. die Sicherung der geistigen Hegemonie T-s in Italien bezweckten. Solche Gesetze u. Verordnungen wurden namentlich erlassen über Einführung des metrischen u. Decimalsystems (11. Jan. 1860), über Militärangelegenheiten, über Errichtung von Kreis- u. Provinzialräthen (14. Febr.), Wiederherstellung der Preßfreiheit (6. März). Ein bes. wichtiger Schritt zur Vereinigung mit Oberitalien aber war die Proclamation der sardinischen Verfassung u. des Wahlgesetzes nebst Anordnung der Wahlen für das oberitalienische Parlament (20. u. 21. Jan. 1860). Doch wurde die thatsächliche Einführung einem besondern Decrete vorbehalten, auch wurde die Beibehaltung einiger eigenthümlicher Institutionen der Handels- u. Gewerbegesetzgebung reservirt. Gleichzeitig war im Kriegsdepartement der Übergang vom österreichischen zum sardinischen Heersysteme bewerkstelligt, die Armee auf die Stärke zweier vollständiger Divisionen gebracht u. der Bau mehrer kleiner Kriegsschiffe begonnen worden. Der Zwiespalt mit der Geistlichkeit. aber erhielt durch die Freiheit, welche Ricasoli den Bekennern aller Culte gewährte, neue Nahrung, ohne daß es jedoch der ersteren gelang ihrem Widerspruch Geltung zu verschaffen. Die Regierung, fest entschlossen im Staate keine Autorität neben der ihrigen zu dulden, erließ am 27. Jan. ein Decret, welches die Aufhebung des mit dem Päpstlichen Stuhl bestehenden Concordates verkündete; andere Maßregeln gegen den Ultramontanismus betrafen die Aufhebung des geistlichen Zehnten, dessen Betrag abgeschätzt u. von der Gemeindekasse ausgezahlt werden sollte, die Mobilisirung der im Besitz der Todten Hand befindlichen Güter, das Verbot der ultramontanen Zeitschriften. Zur Beförderung der materiellen Interessen wurden die Hafenbauten in Livorno weiter geführt, die Trockenlegung des Sees von Binatina durch einen unter dem Armbette durchgeführten Abzugskanal vollendet, die Arbeiten in den Maremmen u. verschiedene Eisenbahnbauten wieder aufgenommen. Auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts endlich wurden die beiden Universitäten Pisa u. Siena wiederhergestellt, erweitert u. reicher dotirt, ein Gesetz für den Elemntar- u.[721] mittlern Unterricht, welches eine nahezu vollständige Emancipation der Schule von der Kirche begründete, erlassen, die Errichtung von Seminarien u. Kunstinstituten angeordnet. Die nach der neuen Gemeindeordnung erwählten Communalbehörden begannen auf Antrag von fünf Bürgermeistern ihre Wirksamkeit mit einem Vertrauensvotum für die Regierung u. Victor Emanuel; nur in zwei Gemeinden wurde diese Zustimmungserklärung abgelehnt.

Die Verhandlungen zwischen den Großmächten über die Italienische Frage waren inzwischen wenig fortgeschritten. Das Project eines Congresses hatte sich zerschlagen, Sardinien erklärte, es werde sich dem gerechten Verlangen der mittelitalienischen Staaten nach der Annexation nicht lange mehr entziehen können. Frankreich machte in einer Depesche vom 24. Febr. dem König von Sardinien den Vorschlag Parma u. Modena zu annectiren u. in der Romagna Vicar des Papstes zu werden, während T. seine Selbständigkeit unter einem Fürsten bewahren sollte. Dagegen machte das sardinische Ministerium den Vorschlag, das toscanische Volk möge selbst noch einmal über seine Zukunft entscheiden. Dies sollte, nach schon vorher getroffenen Verabredungen, im Wege der allgemeinen Abstimmung geschehen. Frank. reich ließ seinen Widerspruch um den Preis der Abtretung von Nizza u. Savoyen fallen, u. am 11. u. 12. März fand in sämmtlichen Gemeindehauptorten die allgemeine Abstimmung Statt; von 386,445 Votanten hatten 366,571 für die Annexation, 14,925 für einen besonderen Staat gestimmt, die übrigen Stimmen waren als ungültig zu cassiren. Diesen Volksschluß theilte die Regierung der noch immer zu Recht bestehenden Abgeordnetenversammlung mit, worauf dieselbe (20. März) ihre eigene Auflösung beschloß. Noch an demselben Tage reiste Ricasoli nach Turin ab, um dem König das Resultat der Volksabstimmung officiell zu verkündigen, u. dieser empfing ihn am 22. März u. nahm die gebotene Gabe an. Mit Jubel wurde die Nachricht in allen Städten T-s begrüßt; auch die Geistlichkeit schloß sich zum größten Theil der neuen Ordnung der Dinge nun an. Da eine sofortige vollständige Verschmelzung T-s mit Sardinien unmöglich war, so ernannte der König den Prinzen Eugen von Carignan zum Statthalter von T. mit königlicher Machtvollkommenheit in Bezug auf Alles, was die Specialinteressen T-s betraf. Unter ihm sollte Ricasoli als Generalgouverneur stehen, welcher zugleich als Minister für T. Mitglied der Centralregierung war, während die bisherigen Ministerien in Ministerialdirectionen verwandelt wurden, die Ministerien des Auswärtigen u. des Kriegs gänzlich wegfielen u. das Heer dem sardinischen vollständig einverleibt wurde. Am 25. März fanden in ganz T. die Wahlen zum Nationalparlament Statt, welches Anfang April in Turin zusammentrat u. im Abgeordnetenhause am 13. April, im Senat am 14. April die Annexation T-s genehmigte. Unmittelbar hierauf besuchte der König T. u. zog am 16. April in Florenz ein. T. schied hiermit aus der Reihe der selbständigen Staaten aus; wiederholte Proteste, welche der Großherzog gegen die Vorschritte der sardinischen Regierung von Österreich aus erließ, konnten die vollendeten Thatsachen nicht ändern. Ein am 17. Febr. 1861 erschienenes Decret Victor Emanuels hob auch den letzten Rest der Autonomie T-s auf u. machte das bisherige Großherzogthum vollständig zu einem Theil des neuen Königreichs Italien.

Vgl. R. Galluzzi, Storia del Granducato di T. sotto il Governo dei Medici, Flor. 1781, 5 Bde, ebd. 1830, 18 Bde. (deutsch im Auszug von C. I. Jagemann, Dresd. 1784–85, 2 Bde.); L. Pignotti, Storia della T., herausgegeben von A. Paolini, Pisa 1813, 10 Bde., Flor. 1826, 6 Bde.; Reumont. Tavole cronologiche della storia fiorentina, ebd. 1841; Zobi, Storia civile della T. dal 1738 al 1848, ebd. 1853; Derselbe, Memorie econ omica-politiche, o sia dei danni arrecati dall'Austria alla T., ebd. 1860, 2 Bde.; Ricasoli u. Ridolfi, T. ed Austria, ebd. 1859.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 711-722.
Lizenz:
Faksimiles:
711 | 712 | 713 | 714 | 715 | 716 | 717 | 718 | 719 | 720 | 721 | 722
Kategorien:

Buchempfehlung

Platen, August von

Gedichte. Ausgabe 1834

Gedichte. Ausgabe 1834

Die letzte zu Lebzeiten des Autors, der 1835 starb, erschienene Lyriksammlung.

242 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon