[681] Tonsystem, das ganze Gebiet aller musikalischen Töne, welches entweder nach in der Natur begründeten (Sympathie der Töne) angenommenen od. von Alters her überlieferten Gesetzen bei der Musik zur Anwendung kommt. A) Das Alte T., wie es bei den Ägyptiern, Griechen, Römern u. im Mittelalter ausgeübt worden ist. Über die Zahl u. die Ordnung der Töne im Alterthume herrscht Dunkel; doch geht aus den Abbildungen alter Instrumente (namentlich der Lyra) hervor, daß man von nicht mehr als 34 Tönen Gebrauch machte; ob diese 3 od. 4 Töne nun stufenweise (in großen od. kleinen Secunden) od. in größern Zwischenräumen (Quarten od. Quinten) auf einander folgten, od. ob man sich in dieser Zeit schon mehrer Töne beim Gesang bediente, darüber sind die Meinungen sehr getheilt. Nur so viel ist gewiß, daß man die Zahl der Töne bald vermehrte u. dieselben in sogenannte Tetrachorde od. Tonleitern (Modus, Νόμος) von je 4 Tönen eintheilte. Terpander soll um 640 v. Chr. das Tongebiet auf 7 Töne gebracht, in 2 Tetrachorde verbunden u. jeden Ton nach seinem Stand einzeln benannt haben. Z.B.
Pythagoras soll die Lücke zwischen dem 4. u. 5. Ton ausgefüllt u. eine Reihe von 8 auf einander folgenden Tönen dargestellt u. der 6. Stufe den Namen Trite gegeben haben, z.B.
Dieses T. nannte man das Pythagoreische T. (Pythagoreische Lyra, Octachordum Pythagorae). Später wurde die Anzahl der Töne noch bis auf 18 vermehrt u. in 5 Tetrachorde eingetheilt. Diese Tetrachorde erhielten Beinamen, um sie von einander zu unterscheiden, u. das T. stellte sich ungefähr so dar:
[681] Noch waren diese Tetrachorde in Hinsicht auf die Aufeinanderfolge ihrer Tonstufen diatonische, chromatische u. enharmonische (s. Klanggeschlecht) unterschieden. Dieses System, welches man das große od. unabänderliche T. nannte, wurde bis auf Guido von Arezzo gebraucht, welcher es in der Tiefe mit dem Tone G u. in der Höhe mit den Tönen b, h, c, d, e bereicherte u. in Hexachorde (s.d.) eintheilte u. statt der frühern Mutation die Solmisation (s.d.) einführte. Später wurde auch die Eintheilung der Töne in Hexachorde mit der in Octaven vertauscht u. die sogenannten alten od. griechischen Tonarten (Kirchentonarten), welche sich noch in einigen alten Choralmelodien (s. Choral) vorfinden, scheinen sich in dieser Zeit ausgebildet zu haben. Dieselben werden nach altgriechischen Provinzen genannt, u. je nachdem sich der Umfang eines in einer solchen Tonart gesetzten Tonstücks nicht über die Octave hinaus erstreckte, in authentische, sonst aber, in plagalische unterschieden u. in diesem Falle auch dem Namen der Tonart das Wort hypo (unter) vorgesetzt, etwa folgendermaßen:
Wenn sich der Umfang eines Tonstücks von der Unterquinte bis zur Oberquarte des Haupttons erstreckte, so wurde dem Namen der Tonart das Wort hyper (ober) vorgesetzt. Auch von einer lokrischen Tonart ist oft die Rede u. nach Vogler heißt die Tonleiter von h h die Mixophrygische.
B) Das neue (moderne) T. nimmt alle erkennbaren u. bestimmbaren Töne (s. Ton) auf u. nimmt nur die dem Gehöre zu schwer zu fassenden, gar zu hohen u. tiefen Töne als Tongrenzen an. Alle diese Töne können in Hinsicht auf Höhe, Tiefe u. Zeitdauer mittelst der Noten bezeichnet u. in Octaven eingetheilt werden. Jede dieser Octaven enthält 12 sogenannte dem Ohre bemerkbare, aufsteigende halbe Stufen (s. Intervall). Um aber nicht zu viele Namen der Töne nöthig zu haben, nimmt man in der Tonschrift nur 7 Haupttöne an, welche sich in den höhern Octaven gleichsam im verjüngten Maßstab wiederholen, u. betrachtet die noch fehlenden Töne als abgeleitete der 7 Haupttöne u. schreibt u. nennt sie nach diesen; z.B.:
Die Folge der Töne, wie sie im Beispiel a) stattfindet, wird diatonisch genannt (s.u. Klanggeschlecht) u. zerfällt, je nachdem eine halbe Stufe vom 3. zum 4. od. vom 2. zum 3. Tone statt findet, in die Dur- u. Molltonleiter (s. Dur u. Moll). Die halbe Stufe vom 7.8. Ton haben beide Tonleitern gemein. Nach diesen würden sich also die diatonische Dur- u. Molltonleiter so gestalten:
Dieses Verhältniß kann nun auf jeden in der Musik gebräuchlichen, beliebigen Ton angewendet werden, wodurch die 12 Dur- u. 12 Molltonleitern entstehen. Die üblichen Tonarten sind, u. zwar in der Quintenfortschreitung, bei welcher allemal die wesentlichen Vorzeichnungen um eine wachsen, folgende:
Bei den Molltonleitern wird die erhöhte 7. Stufe nicht unter die Zahl der dem Stücke wesentlichen Vorzeichnungen (s.d.) angemerkt, sondern allemal[682] der betreffenden Note als zufällige Vorzeichnung zugefügt. Auch braucht man noch in manchen Lehrbüchern die aufgestellte Regel, daß die Molltonleiter im Aufsteigen mit 5. u. 6. ganzer Stufe, im Hinabsteigen aber ganz nach der Durtonart der 3. Stufe gebildet werde, auf diese Weise:
Doch da zufolge der gleichschwebenden Temperatur (s.d.) die Töne cis u. des, gis u. as nicht zwei verschiedene Saiten haben u. dem Ohr gleich sind, so wird zur Erleichterung die Tonart genommen, welche die wenigsten Vorzeichnungen nöthig hat; s. Enharmonische Verwechslung. Endlich kommt noch die chromatische Tonleiter (s. Chromatisch) in Betracht, welche wie im obigen Beispiel b) ausgeübt wird. Die sogenannte enharmonische Tonleiter existirt nur auf dem Papier u. man nimmt blos hinsichtlich der musikalischen Orthographie auf dieselben Rücksicht (s. Enharmonisch u. Temperatur); sie würde sich so darstellen:
Vgl. Gottfried Weber, Theorie der Tonsetzkunst, Mainz 1824.
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