Daniel

[722] Daniel (hebr., d.h. der gerechte Richter, der Richter Gottes). I. Biblische Person: 1) der bierte der großen Propheten war (nach den historisch nicht gegründeten Nachrichten im Buche D.) von vornehmer Abkunft, wurde als Jüngling bei der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar nach Chaldäa geführt u. nebst drei Freunden Hananja, Misael u. Asarja für den Hofdienst erzogen, erhielt den Namen Belsazar u. trat 3 Jahre nachher seine Dienste bei Nebukadnezar an. Nebukadnezar hatte einen bedeutungsvollen Traum, hatte aber beim Erwachen denselben vergessen u. begehrte nun von seinen Magiern zu erfahren, was er geträumt habe u. was dies bedeute. Diese konnten es nicht, aber D. zeigte dem Nebukadnezar an, daß er im Traume ein Standbild gesehen habe, das oben von Gold, am Hals von Silber, am Körper von Erz, an den Schenkeln von Eisen u. an den Füßen von Thon sei; das Bild, durch einen Stein vom Himmel an den Füßen getroffen, sei zerschmettert, dies bedeute 4 nach Nebukadnezar folgende Reiche, die alle in den Staub geworfen würden. D. selbst blieb nun beim König u. wurde einflußreich, feine Freunde aber Statthalter. Später aber, als sie ein goldenes Bild nicht anbeten wollten, ließ der König D-s drei Freunde in einen Feuerofen werfen, sah aber, daß sie im Feuer lebten u. mit einem vierten (einem Engel) Gott lobten (Gebet der drei Männer im feurigen Ofen). Auch einen anderen Traum deutete D. dem Nebukadnezar von dessen Entthronung u. späterer Wiedergewinnung des Reiches. Als Nebukadnezars Enkel Belsazar herrschte, sah dieser bei einem großen Banket eine Hand erscheinen u. an die getünchte Wand schreiben: Mene Mene Tekel Upharsin. D. wurde gerufen u. deutete dies: Gott hat dein Königreich gezählt, dich gewogen u. zu leicht gefunden u. wird dein Reich theilen. Bald darauf starb Belsazar u. Darios von Medien bemächtigte sich des Reiches u. setzte D. zu einem der drei Vicekönige ein. Da Darios aber befohlen hatte, daß, wer einen Monat lang einen Anderen als ihn um etwas anflehte, in die Löwengrube geworfen werden solle, u. Neider dem König entdeckten, daß D. täglich drei Mal zu feinem Gott gebetet habe, so ließ Darios D. in die Löwengrube werfen; als er ihn aber am folgenden Tage unversehrt unter den Bestien fand, machte er ihn zu einem feiner ersten Diener. D. lebte noch im dritten Regierungsjahre des Kyros in hohem Alter. Das ihm zugeschriebene Buch (Buch Daniel) steht im Kanon unter den Hagiographa u. nimmt die Stelle zwischen den Propheten Hesekiel u. Hosea ein. Der Inhalt desselben ist historisch u. prophetisch, besteht aber aus einer Zusammensetzung sehr verschiedener Stücke, in denen sogar die Sprache wechselt (Cap. 1–2, 3 hebräisch, 2,4–7,28 chaldäisch, u. 9–12 wieder hebräisch). Der historische Theil erzählt einzelne Ereignisse der letzten babylonischen Könige, in welche T. verflochten war, der prophetische mehrere Gesichte D-s. Über die Siebenzig Wochen D-s (Dan. 9,24 ff.), d. i. den Zeitraum, innerhalb welchem eine große Veränderung mit Jerusalem u. dem Jüdischen Volk vorgehen, der Messias kommen sollte etc., herrscht ein großes Dunkel. Man hat schon in der ältesten Zeit, um diesem Zeitraume die Ereignisse anzupassen, mancherlei Versuche zur Erklärung gemacht u. namentlich gefragt, von wo die 70 Wochen beginnen u. wo sie endigen. In Bezug auf die erste Frage nahmen Einige (unter Andern Origenes) 1 Woche zu 70 Jahren, so daß die 70 Wochen = 4900 Jahren waren; Andere (bes. Juden) zu 49 Jahren (= 3430 Jahre); Andere wollten die Woche zu 100 Jahren (= 7000 Jahre) berechnen. Die meisten der Älteren u. Neueren aber nehmen jede Woche zu 7 Mondjahren, welche zusammen 490 Jahre geben, u. dann ist die eine (Alex. Softmanns), welche das Ganze zu 500 Jahren annahm, nur eine geringe Abweichung. Bei der anderen Frage (wobei man selten die ersteren Berechnungen annahm), meinten Einige (so Josephos), man müsse beim 1. Jahr des Darios anfangen (in welchem D. geweissagt habe), u. der Endpunkt der Weissagung sei die Einweihung des Tempels durch Antiochos Epiphanes; Andere begannen ebenso, ließen aber das Orakel erst mit Christi Geburt erfüllt sein; ja die älteren jüdischen Gelehrten wollten sogar mit der Zerstörung Jerusalems schließen. Andere (so Clemens Alex.) begannen mit dem 1. Jahr des Kyros 536 v. Chr. u. endigten wie die Vorigen. Die gewöhnliche Meinung ist die des Jul. Africanus welcher den Anfang der Weissagung in das 20. Regierungsjahr des Artaxerxes Longimanos (eingeschlossen die 10 Jahre, welche dieser noch mit seinem Vaterregierte) setzt, als in welchem Jahr Nehemia die Erlaubniß zum Wiederaufbau des Tempels erhielt u. sie mit Jesu Tod schließt, welche Begebenheiten 490 Jahre aus einander stehen. Die vielen Schriften, in welchen diese Streitfrage abgehandelt wurde, sammelte Clauswitz im 1. u. 2. Thle. von Baumgartens [722] Sammlung von Erläuterungsschriften u. Zusätzen zur allgemeinen Welthistorie; Georg, Herzog von Manchester, The times of D., Lond. 1845. D. schließt sein Buch mit der Auferstehung der Todten u. dem jüngsten Gericht. Schon in den ältesten Zeiten hat man an der Echtheit des Buches D. gezweifelt, u. auch jetzt noch ist die verbreitetste Meinung unter den biblischen Kritikern, daß dasselbe erst zur Makkabäerzeit geschrieben ist. Neuere Erklärungen des D. gaben: Is. Newton (lateinisch von Wilhelm Sudemann), Amsterd. 1737; H. Venema, lateinisch, Leuwaarden 1741, 1752; Hävernick, Hamb. 1832, u. A.; übersetzt u. erläutert von Berthold, Marb. 1806–8, 2 Bde. Das über D. in den Erzählungen von der Susanna, dem Götzen Bel u. dem Drachen zu Babel Erzählte ist aus den vielen Sagen geschöpft, die über ihn umgingen.

II. Heiliger: 2) St. D. Stylita, aus Mesopotamien, erst Mönch, flüchtete, als man ihn zum Abte wählen wollte, u. wurde Nachahmer des St. Simeon, indem er am Schwarzen Meere viele Jahre auf einer Säule lebte. Nur einmal stieg er auf Bitten des Erzbischofs von Constantinopel, Acacius, herab, um die Kirche gegen den Kaiser Basilius zu vertheidigen. Er wurde neben seiner Säule begraben. Tag der 11. Decbr.

III. Fürsten. A) König von Galizien: 3) D., Sohn Romans, gelangte 1205 zur Regierung in Galizien, mußte aber, bald vertrieben, mit dem Fürstenthum Wlademir sich begnügen, eroberte dann Galizien wieder, ließ sich 1219 als König krönen u. st. 1266; s. u. Galizien (Gesch.). B) Fürst von Montenegro: 4) D. (Danilo) I. Petrowitsch Njegosch, Sohn von Stanko Petrowitsch Njegosch u. Neffe des Vladika Peter II., geb. 25. Novbr. 1826, folgte seinem Oheim 31. Oct. 1851 als Vladika von Montenegro u. nahm 21. März 1852 die weltliche Fürstenwürde an; s. u. Montenegro. Er ist vermählt seit 24. Jan. 1855 mit Darinka Gopcewitsch. C) Großfürst von Rußland: 5) D. Alexandrowitsch, Sohn Alexanders Jaroslawitsch, führte um 1300 den Titel Großherzog von Rußland ein u. verlegte seinen Sitz nach Moskau; verlor im Kriege mit den Polen Schwarz-Rußland u. Podolien u. das Erbe seines Vaters Kiew; er st. 1304, s. Russisches Reich.

IV. Erzbischof von Mainz: 6) D. von Homburg, geb. 1523 in Speier, war erst Kanonikus hier u. dann in Mainz, wurde 1555 Erzbischof, begünstigte die Jesuiten, brachte mehrere Grafschaften an sich u. st. 1582 in Aschaffenburg.

V. Geistliche u. Schriftsteller: 7) D., russisch Igumen, wahrscheinlich in Tschernigow geboren, machte zu Anfang des 12. Jahrh. eine Reise über Constantinopel u. den Archipelagus nach Palästina u. beschrieb, nach einem Aufenthalte von 16 Monaten daselbst, die dortigen heiligen Orte. Abschriften dieser Reise unter dem Titel: Fahrt od. Reise des russischen Abtes D., befinden sich in der Bibliothek der Sophien-Kathedrale zu Nowgorod, allein im Druck ist sie noch nicht erschienen. 8) Arnaud, provencalischer Dichter unter der Regierung Alfons I., Grafen von Provence, dessen Gedichte selbst Petrarca benutzte; er st. um 1189; er schr.: Fantaumaries dau Paganisme. 9) (spr. Dänjel), Samuel, geb. 1562 zu Taunton in Somersetshire; epischer Dichter; er st. 1619 u. schr.: History of the civil wars between the houses of York and Lancaster, 1599; Geschichte Englands (bis auf Eduard III.), Lond. 1618; Poetical works. ebd. 1623, auch 1718, 2 Bde.; Collection of the history of England, ebd. 1681, Fol., 5. A. 1685, Fol. 10) D., Carmelitermönch in der 2. Hälfte des 17. Jahrh., st. 1678; er betheiligte sich an dem Streite seines Ordens gegen die Jesuiten, welche das hohe Alter der Carmeliter nicht anerkennen wollten, u. schrieb zur Vertheidigung desselben Propugnaculum Carmelitanae historiae. 1677. 11) Gabriel, geb. 1649 in Rouen; wurde 1667 Jesuit in Paris u. st. 1728 als Historiograph von Frankreich u. Bibliothekar in Paris; er schr. mehrere theolog. Schriften, worin er behauptete, alle Schriften des Alterthums seien nur untergeschoben, um die Lehren seiner Kirche zu retten; Hauptwerk: Hist. de France, Par. 1713, 3 Bde., Fol., von Griffet herausgegeben, 17 Bde., ebd. 1755–66, von Lombard, Amst. 1755, 24 Bde., deutsch Nürnb. 1759–65, 16 Bde., Auszug daraus in 9 Bdn., n. Ausg. Par. 1751; außerdem Hist. de la milice française, ebd. 1721, 2 Bde. 12) Hermann Adalbert, geb. 18. Nov. 1812 in Köthen, studirte in Halle Theologie u. Philologie u. ist jetzt Professor u. Inspectoradjunctus am königlichen Pädagogium in Halle. Er gehörte zur Commission der Fünf, welche 1852 von der Kirchenconferenz in Eisenach zur Zusammenstellung eines Liederstockes von Kernliedern gewählt wurde, u. schr.: Tatianus der Apologet, Halle 1837; Theologische Controversen, ebd. 1843; u. gab heraus: Evangelisches Kirchengesangbuch, ebd. 1842; Thesaurus hymnologicus, ebd. 1841–56, 5 Bde.; Codex liturgicus, ebd. 1847–53, 3 Bde.; außerdem Lehrbuch der Geographie, 9. A. 1858, u.a.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 722-723.
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