Schicksal

1. Beim Schicksal steht das Zukünftige.


2. Das Schicksal ist ein theurer Hofmeister.

Die Araber: Der Mensch, welcher durch Prüfungen geht, nimmt zu an seinem Wissen, wer ohne Prüfungen bleibt, wächst in seinen Fehlern. (Cahier, 2606.)


3. Das Schicksal neckt sich auch mit Füchsen.


4. Des Schicksals Pfeile treffen sicher.

Die Russen: Wenn das Schicksal nach der Scheibe schiesst, so trifft es in die Mitte. (Altmann VI, 389.)


5. Ein hartes Schicksal macht hart.

Lat.: Solent suprema facere securos mala. (Philippi, II, 194.)


[158] 6. Einer macht sich das Schicksal selber, der andere bekommt's fertig.

»In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne, du bist deines Glückes eigner Schmied.« (Schiller.) Die Finnen: Das schwere Schicksal trifft dich, ohne dass du es kauftest. (Bertram, 65.)

Engl.: Set hard heart against hard hap. (Bohn II, 100.)

Lat.: Fatali lege tenemur. (Ovid.) (Philippi, I, 151.) Quemcunque dederit exitum casus, feras. (Philippi, II, 123.)


7. Jeder ist seines Schicksals Schmied.

Die Russen: Seines Schicksals Träger muss ein jeder selber sein. (Altmann VI, 427.)


8. Man muss sein Schicksal nicht zu golden haben wollen.

Lat.: Desine fata deum flecti sperare precando. (Virgil.) (Philippi, I, 116.) Virgil Aen. 6, 376


9. Niemand ist mit seinem Schicksal zufrieden.

Lat.: Nemo est, quin ubivis, quam ibi, ubi est, esse malit. (Philippi, II, 15.)


10. Seinem Schicksal kann niemand entgehen. Simrock, 8988; Braun, I, 3863.

Die Türken: Wenn vom Schicksalsbogen der Pfeil des Verhängnisses geschossen wird, lässt er sich mit dem Schild der Vorsicht nicht abwehren. (Nordmann.)

Böhm.: Osud neni mraĕno, aby se přehnalo. – Osudu nsvému ikdo nemůž uteoi. – Svůj osud konĕm neobjedeš. (Čelakovský, 16 u. 159.)

Engl.: No flying from fate.

Frz.: Nul ne peut fuir sa destinée. – Personne ne peut fair son destin, vas ou tu peux, meurs où tu dois. – Va ou tu peux, mourir où tu dois. (Lendroy, 78.)

It.: Al suo destin mal si contrasto, e mal si nasconde. – Nel mondo sua ventura ha ciascun dal di che nasce. – Nessuno può evitare la sua sorte.

Lat.: Certa si decreta sors est, quid cavere proderit. (Philippi, I, 80.) – Certum est et inevitabile fatum. (Eiselein, 548.)

Poln.: Co ma byé komu, tego nie minie. (Lompa, 6.) – Idź powoli, bieda cię dogoni; idź prędko a dogonisz biede. (Masson, 302.)

Schwed.: Ingen kan sin skäpna fly. (Grubb, 391.) – Ingen kan undgå sitt öde. (Marin, 17.)


11. Seinem Schicksal soll man nicht widerstreben.Simrock, 8989.

Lat.: Fato non repugnandum. (Eiselein, 548.)


12. Was mir das Schicksal bestimmt, kann mir niemand nehmen.

Eine türkische Anschauung, vgl. Cahier, 2588.


13. Wem das Schicksal eine Grube gegraben hat, der wird gewiss hineinfallen.


14. Wen das Schicksal schwarz gemalt, den kann die ganze Welt nicht weiss waschen.


15. Wen das Schicksal verfolgt, der findet keinen Pfennig, wenn er auch tausend Meilen geht.


16. Wen das Schicksal zwingt, der ertrinkt. (Altgriech.)


17. Wenn das Schicksal am freundlichsten erscheint, gerade dann schlägt es ein Bein unter.


18. Wer dem Schicksal trotzt, zerschellt sich den Kopf an einem Felsen.


19. Wer nicht vom Schicksal durchgegerbt wird, kommt nicht zu Verstande.


*20. Das ist Schicksal, das kommt vom Bauhofe. (Hamburg.)

Wenn von unbedeutenden Misfällen, z.B. Nasswerden, Beschmuztwerden und dergleichen die Rede ist, weil ehemals auf dem Bauhofe (ein öffentliches Gebäude für Stadtbauten) viel Arbeit und wenig Lohn zu haben war, da die Anstalt vorzüglich arbeitbedürftigen und - suchenden Menschen zum Besten diente.

*21. Einen seinem Schicksal überlassen.

Holl.: Iemand aan zijn lot overlaten. (Harrebomée, II, 38.)


[Zusätze und Ergänzungen]

22. Das Schicksal ändert selten unsere Sitten.

Lat.: Fortuna jus in hominum mores non habet. (Philippi, II, 161.)


23. Vor des Schicksals Schluss erblindet auch des Weisen Auge.


24. Wer gegen das Schicksal kämpft, hat einen schlimmen Feind (schweren Stand).


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon