1. Der Meister Niemand kommt überall ins Spiel. – Parömiakon, 1166.
2. Der niemand hat alles gethan. – Gruter, III, 18; Lehmann, II, 81, 109.
3. Der Niemand ist an allem schuld. – Körte, 4565; Mayer, I, 51; Simrock, 7547; Braun, I, 3039.
Der Niemand hat im Volke stets eine bedeutende Rolle gespielt. Wurde im Hause ein Streich verübt, ohne dass der Thäter zu ermitteln war, so war der Niemand, der »die Dippe verbricht« (die Töpfe zerschlägt); wird etwas ausgeplaudert, so hat's der Niemand mit dem Watschelmaul gethan. Im Vortrab der Oeconomia ruralis findet sich der »Niemand« abgebildet: ein jugendlicher Engel ohne Hände, ohne Füsse, mit verbundenen Augen, ein Schloss vor dem Munde, ohne Ohren, kurz ohne jeden Sinn, ohne jedes Wahrnehmungs- und Mittheilungsorgan; ein Kerlchen, das gar nichts kann und – alles gemacht haben soll, mit den Beinen das Weltall umspannend. Von den Versen, die das Bild begleiten, nur einige: Niemand auf Teutsch werd ich genennt, kam von nirgend, niemand mich kennt. – Der Niemand kann weder hören noch sehn, darzu nicht greifen oder gehn. – Obwol Niemand ein Erdisch Gott, beweisst man ihm doch grossen Spott, dieweil ihn für ein Hümpelman halten thun, Alt, Jung, Fraw vnd Mann. – Ist was verloren in einem Hauss, hat es Niemand getragen rauss, ist was gestolen gross oder klein, Niemand der Dieb allweg muss seyn. – Ist etwas zuschlagen oder zubrochen, in der Stuben oder in der Kuchen, der Ofen etwa eingestossen, Kannen zerworffen, Bier vergossen. Niemand die Schuld allweg muss han, wiewol Niemand kein Sünd gethan.
4. Der Niemand stiehlt am meisten. – Parömiakon, 535.
5. Der Niemand thut im Reiche mehr schaden als der Türck. – Lehmann, 369, 86.
6. Der Niemand thut mehr schaden in Küchen, Keller vnd im hauss, als das gesind mit dem lohn kan bezahlen. – Lehmann, 369, 86.
[1025] 7. Der schändliche Niemand thut alle böse That. – Petri, II, 106.
8. Des Niemands Gesell' komm' nicht über mein' Schwell. – Hertz, 24.
9. Es ist niemand gern alt vnnd wil jederman alt werden. – Lehmann, II, 135, 40.
10. Es ist niemand ohne Fehler.
11. Es ist niemand reich, er sei denn weise.
12. Es ist niemand schuldig, die Kuh mit dem Kalbe zu behalten. – Pistor., II, 52.
13. Es ist niemand so gar geschwind, der nicht einmal sein'n Meister find't.
14. Es ist niemand so geschickt, den nicht ein Weib berückt.
15. Es ist niemand so weise, er wird von den Thoren betrogen.
16. Es ist niemand weiss genug. – Lehmann, II, 135, 39.
17. Es kann sich niemand genug hüten.
18. Es weiss niemand als nur jedermann.
19. Es wird niemand weise als mit seinem Schaden.
20. Es wird's niemand dahin bringen, dass die Krebse vorwärtsgehen.
Was die Natur versagt, wird alle Kunst und Mühe nicht ersetzen.
21. Man kann niemand ohne seinen Willen geben, aber man kann ihm wol ohne seinen Dank nehmen.
22. Niemand, der gute alte Mann, muss alle Bossheit han gethan. – Petri, II, 494.
Der bekannte Niemand schildert sich in einem alten Spruchgedicht selbst, indem er sagt: »Nimb doch für gut, was Niemand spricht, weil er von Niemand saget nicht. Ich heiss Niemand und bin der Niemand von Alters her, Niemand lebt von ihm selber. Niemand ist allweg gewesen, Niemand seynd möglich alle Dinge, Niemand vermag ewig zu seyn, Niemand ist aller Sünden rein, Niemand dem tod entlauffen kan, Niemand sein Ziel kan übergahn. Niemand weisst seines Lebens Ende, Niemand wo sich sein Glück hinwende, Niemand weiss Gottes Heimlichkeit, Niemand weiss alles alle Zeit. Niemand ist klug in allen Sachen, Niemand will sich genügen lan, Niemand sein Glück wol tragen kan. Niemand ist auf der Buhlschaft weis, Niemand ist treu mit allem Fleiss. Niemand zwen Herrn dienen kan, Niemand kan all sein Willen han. Niemand kan seyn an allen Enden, Niemand hat alles in seinen Händen. Niemand fördert den gemeinen Nutz, Niemand ist der Armen Schirm und Schutz, Niemand die Waisen nimbt in Acht, Niemand der Wittiben Bestes betracht, Niemand kan ohn Gebrechen bleiben, Niemand kan alle Ungunst meiden, Niemand kans machen überall, dass einem jeden wohl gefall. Niemand die Zeit kan widerbringen, Niemand ist mächtig in allen Dingen. So was Niemand vor Macht thut han, Niemand auf Erd ausssprechen kan. Obwohl Niemand ein irdisch Gott, beweist man ihm doch grossen Spott, dieweil ihn für ein Hümpelsmann halten thut Alt, Jung, Frau, Mann. Es ist im Hause keiner so klein, Niemand muss sein Abnehmer sein; dann alles, was übels gethan, dessen Schild muss der Niemand han. Niemand thut alles, was geschiht, ob Niemand schon unschuldig ist. Ist was verloren in dem Haus, Niemand hats getragen auss; ist was gestohlen gross und klein, Niemand der Dieb allzeit muss seyn. Ist was zerschlagen oder gebrochen in der Stuben oder in der Kochen, der Ofen etwa eingestossen, Kannen verworffen, 's Bier umbgestossen, Fenster zerschlagen, Thüren zerhauen, alles zerrissen, was man erst gebauen, zerbrochen Stühl, Sessel und Bank, vorm Bett zerrissen der Umbhang; wann etwa gleich seynd zerfallen Häfen, Schüssel oder Kannen, Leuchter, Gläser oder Becher, Töpffe oder Krüge kriegen Löcher, das hat der arme Niemand gethan und muss die Schuld allerwegen han. Hat die Köchen gross Feuer gemacht, dasselb nit gehabt in Acht, so dass etwan Schaden geschehn, der Sessel auf eim Bein muss stehn, der Blass- Palg, Besen seyn verdorben, verbrennt die Schüsslen mit den Korben, die Hausarbeit gethan nit recht, jedes nit an seine Statt gelegt, Gewürz-Büx oftmals vergessen und der Zucker darauss gefressen, die Speiskammer offen lassen stahn, dass Hund und Katz Schaden gethan, die Keller auch nit wol verschlossen, Bier und Wein ausslaufen lassen, die Proviant nit wol verwahrt, Butter und Schmalz nit wohl gespart, das Bier und Wein ist aussgetragen, Andern zu füllen ihren Kragen, das Brot und Fleisch ist weggegeben, der Kupplerin zu ihrem Leben, und wie in Kuch und Keller Ehr, Unrath vnd Schad entstanden mehr; thut sich der Hausswirth dess beklagen und sein Gesindlein drumb befragen, entschuldigt sich stracks jedermann, und hats der arme Niemand gethan. Alles was im Hauss und Hof vor Schad den Morgen frühe und Abend spat bei Tag und Nacht allzeit geschicht, [1026] das Gesind die Schuld will haben nicht, Niemand die Schuld allweg muss han, Niemand all Sünd allein hat gethan. Wie offt der Haussmann selber spricht Niemand thut alles, Niemand thut nicht; Arbeit ich nicht, arbeit Niemand. Niemand, der leihet mir ein Hand, Niemand der schauet auf das Mein, Niemand will treu mir immer sein. Der Pferde thut mir Niemand warten, Niemand versihet meinen Garten; Niemand der bauet das Land, Niemand dient treulich mit der Hand. Dem Niemand zwar zu dieser Frist, dem Niemand gewiss zu trauen ist.« (Chaos, 619.) Die Russen: Der ohne Namen ist der Thäter, Herr Niemand hat's gethan. (Altmann VI, 453.) »Clauss klopfft an meine Hausthür. Der Würth sagt, es wäre niemand nicht daheym. Clauss antwortt: Das wust ich wohl, dass der Niemand bey dir daheym ist, er steckt täglich droben in der Hof- Küchen und thut mehr Schaden in einem Tag, dann zehen Reuter in einer Wochen.« (Zinkgref, I, 319.)
23. Niemand hat an ihm selbst genug.
24. Niemand hat sich selbst was für übel. – Pistor., IX, 88.
25. Niemand hat sich übers Meer zu beklagen, der zum andern male Schiffbruch litt.
26. Niemand hinkt an eines andern Geschwür.
27. Niemand ist allenthalben zollfrei. – Petri, II, 494.
28. Niemand ist aller Heiligen Knecht. – Gruter, III, 72.
29. Niemand ist allezeit gescheit.
30. Niemand ist besser als seine Rede.
31. Niemand ist ganz golden. – Körte, 4566.
It.: Ciascun ha il suo diavolo all' uscio. (Gaal, 1218.)
Lat.: Suos quisque manes patitur. (Gaal, 1218.)
32. Niemand ist klug genug, um sich selbst zu rathen.
33. Niemand ist mit seinem Stande zufrieden.
Lat.: Cui placet alterius, sua nimirum est odio sors. (Horaz.) (Philippi, I, 100.)
34. Niemand ist so alt, dass er nicht noch etwas lernen könne. – Körte2, 5728; Braun, I, 3047.
35. Niemand ist so alt, er kann noch ein Jahr leben.
36. Niemand ist von Natur so wild, er wird durch Zucht und Ehre mild, wenn er zu folgen ist gewillt.
Lat.: Nemo adeo ferus est, qui non mitescere possit si modo culturae patientem praebeat aurem. (Horaz.) (Philippi, II, 14.)
37. Niemand ist vor böser Gesellschaft gesichert.
38. Niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen.
Lat.: Ante obitum nemo beatus est.
39. Niemand ist weniger allein, als wer allein ist.
»Darum sei auf deiner Hut, denn in der Wüste trat der Satansengel selbst zum Herrn des Himmels.«
40. Niemand ist zu allen Zeiten klug.
Lat.: Nemo mortalium omnibus horis sapit.
41. Niemand ist zufrieden mit dem Seinen; jedermann spricht: Ach wär' dies mein!
42. Niemand kann weder Ehr' noch Geld mit sich nehmen.
43. Niemand kann wissen, ob der Hafen rinn' oder kling', bis man daran klopfe.
44. Niemand kann wohl Herr sein, er sei denn vorher Diener gewesen. – Braun, I, 3045.
45. Niemand kann zweien Herren dienen. – Pistor. IX, 6; Braun, I, 3040.
46. Niemand kann zugleich blasen und schlucken. (S. ⇒ Blasen 8.) – Eisenhart, 401; Körte, 4568; Braun, I, 3043.
Niemand kann zu derselben Zeit Angelegenheiten verschiedener Art betreiben, also auch nicht für verschiedene Personen zugleich, ohne eine oder die andere zu vernachlässigen. Wenn man spinnt, kann man nicht hechle, sagt man in Wien.
47. Niemand kanns besser als der es gelernt hat. – Gruter, III, 72.
48. Niemand kommt sich selbst verächtlich vor. – Burckhardt, 650.
49. Niemand lässt sich umsonst für einen Narren halten.
50. Niemand lässt sich umsonst prügeln.
51. Niemand lebt nur sich selbst. – Braun, I, 3046.
52. Niemand lebt vom Ueberfluss. – Braun, I, 3050.
[1027] 53. Niemand mag weiter springen, als sein Springstock lang ist.
54. Niemand sich zu dem gesellt, der viel von sich selber hält. – Gruter, III, 73.
Aber zu dem, der nichts von sich selber hält, auch nicht.
55. Niemand soll in seiner eigenen Sache Richter sein.
56. Niemand soll seinen Feind gering schätzen.
57. Niemand stirbt wohl, denn der wohl gelebt.
58. Niemand thut alles, niemand thut nichts.
59. Niemand und Keinmann beissen einander in den Sack.
Zwei Gleichschuldige machen einander Vorwürfe.
60. Niemand verwahrt das Heilige Grab umsonst. – Pistor., IX, 79.
61. Niemand weiss davon als die jungen Kinder und die alten Leute.
62. Niemand weiss davon, ausser Gott und Menschen.
Von dem Allbekannten, was Geheimniss sein soll.
63. Niemand weiss, was der Abend bringt.
64. Niemand weiss, wie ihm sein Tod beschert ist. – Struve, II, 41.
65. Niemand will gern der Katze die Schelle anhängen. – Pistor., V, 50.
66. Niemand wird mit der Kunst geboren.
67. Niemert ist so demuetsvoll, we me ne lobt, so thuet's em wol. – Sutermeister, 127.
68. Nümms kann sick sülfst schippen. (Ostfries.) – Bueren, 919.
69. Nümms schla sin Kinder dôd, man wêt nich, wat er ut werden kann. (Ostfries.) – Bueren, 920.
70. Nümms treckt sich ehr ut, ehr je na Bedde geit. (Ostfries.) – Bueren, 921.
71. Nümms wêt, wêl de Scho drückt, as de se an hett.
72. Was du niemand geben willst, sollst du auch von niemand verlangen. – Körte, 4569.
73. Wat nimesten äs, äs méinj. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 999.
74. Wenn du niemand sagst, wer er ist, so sagt man dir nicht, wer du bist.
75. Wer niemand betrügen kann, gehe in die Wüste.
76. Wo kein Niemand ist, bleibt kein Gesinde.
77. Wo niemand gesäet, da hofft man umsonst auf eine Ernte.
*78. Bei ihm ist niemand zu Hause.
Wer leer im Kopfe ist.
*79. Der Herr Niemand ist draussen. (Schles.)
Wenn man sich beim Anklopfen getäuscht hat. Auch hört man wol auf die Frage, wer irgendetwas gesagt habe: der Herr Niemand.
*80. Er ist niemand was schuldig als nur Herrn Jedermann (oder: allen Leuten). – Körte, 4570a; Braun, I, 3048.
*81. Es weiss es niemand als nur jedermann. – Braun, I, 3049.
*82. Säg's Niemertem weder 's Hêre Büseli. – Sutermeister, 19.
83. Es darff niemands wider jn husten. – Stumpff, Hist., CXXIIIIb.
84. Es ist niemand ärmer als ein König.
85. Es redt niemand einem andern ein Loch in den Kopf. – Horn, Spinnstube, 1849, S. 16.
86. Es soll niemand das Tafelrecht vnd die Saltzinnigung brechen.
»Ist ein schön alt Sprichwort.«
Lat.: Salem et mensam ne uioles. (Mathesius, Sarepta, CXXXIb.)
[1635] 87. Nemans byn ich, Nemans wil ich, Nemans ist mein, Nemans eigen will ich sein, dan Gottes allein. – Weinsberg, 8.
88. Niemand auff erden kan die kunst, dass er erhalt stät herrengunst.
Lat.: Gratia multorum non constans est dominorum. (Loci comm., 78.)
89. Niemand kann jedermann immer behagen.
Bei Tunnicius (1297): Nummant kan alle man alle wege behagen. (Nemo placere potest cunctis et nocte diuque.)
90. Niemand kann seinen besten Freund küssen. – Neue Freie Presse, 4592.
D.i. sich selbst.
91. Niemand sich als dan rechen soll, so sein gemüt ist zornes voll. – Loci comm., 97.
Lat.: Cesset uindicta, donec pertranseat ira.
92. Niemand zu nahe gesprochen. – Hermes, III, 401.
93. Wen niemand angreift, der kann sich leicht schützen (vertheidigen).
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