Hochland

[393] Hochland heißt der nördl. Theil Schottlands, der durch die Grampianberge von dem Niederlande getrennt wird, das meist aus fruchtbarem Hügellande besteht. Jenes Grenzgebirge ist durch viele Thäler und Schluchten gespalten, von welchen die größten die Betten der Flüsse Leven, Earn, Tay und Dee sind. Mehre andere Eingänge vom Niederlande her aber waren ursprünglich so wild und enge, daß sie fast unzugänglich waren, ehe sie durch Kunst geöffnet wurden. Diese natürliche Grenzscheide, die selbst die erobernden Römer nicht überschritten, ist eine der Hauptursachen, daß die Hochländer Jahrhunderte lang in ihren Sitten und gesellschaftlichen Einrichtungen von den Bewohnern des Niederlandes verschieden geblieben sind. In der Grampiankette erheben sich mehre ansehnliche Gipfel, die, von Wolken bedeckt oder in Nebel eingehüllt, oft kaum erkennbar sind, während ihr ödes Ansehen und die tiefen felsigen Rinnen, von denen sie zerrissen sind, Spuren zerstörender Naturgewalt zeigen. Nur an den tiefern Abhängen findet man eine dünne Erddecke, wo Haidekraut wuchert und Raubvögel, weiße Hafen und Schneehühner wohnen; weiter abwärts aber sieht man Weiden mit zahlreichen Schafheerden. Am Fuße der Gebirge öffnen sich reizende Thäler, von Bergströmen gewässert und mit schönen Seen bedeckt, zuweilen auch bewaldet oder zum Getreidebau benutzt. Die Bewohner des Hochlandes gehören zum Stamm der Kelten. Sie selbst nennen ihr Land Gaeldach (Galenland) oder Albanich. Während nach der Vereinigung der Reiche der Picten und Scoten (s. Schottland) im 9. Jahrh. die Bewohner des Niederlands durch den Verkehr mit England allmälig zu höherer Gesittung gelangten, wurden die gesellschaftlichen Verhältnisse der Hochländer auf der Grundlage, die der Zustand der keltischen Urbewohner darbot, eigenthümlich ausgebildet. Sie vertheidigten in ihren Bergen gegen die allmälig vordringende Übermacht der Bewohner des Niederlands ihre Unabhängigkeit. Die Abtheilung des Landes in Thäler, Schluchten und Inseln führte zur Bildung kleiner Volksvereine, und Männer von ansehnlichem Vermögen oder ausgezeichneten Geistesgaben erhoben sich zu Häuptlingen. Jedes Thal wurde das Eigenthum eines Stammes, der Waffen zu seiner Vertheidigung, Weide für sein Vieh, sein Jagdgebiet, Holz zu jeglichem Bedarf hatte, und selten sich versucht fühlte, seinen Wohnsitz zu verändern, Fremde zu sich zu locken und einen allgemeinen Verkehr mit Nachbarn zu unterhalten. So bildete sich in jedem Stamm oder Clan eine patriarchalische Verfassung unter seinem Häuptlinge, die mehr durch Gewohnheit gegründet und durch allgemeine Einwilligung bestätigt, als durch Gesetze geordnet war. Jeder Stamm ehrte in seinem Häuptlinge den Abkömmling eines Ahnherrn, von welchem die Überlieferung die Herkunft des ganzen Stammes ableitete, und bewies ihm kindliche Ergebenheit, wie denn selbst der Name Clan von dem galischen Worte Kaan (d.h. Kinder) stammt. Jeder Stamm schloß meist nur unter sich Ehen und viele Glieder eines Clans führten mit dem Stammhause gleichen Namen. Gegen Alle stand der Häuptling in dem Verhältnisse eines Gutsherrn, Anführers und Richters. Die jungen Leute waren sein Gefolge auf der Jagd und im Kriege. Die ganze Clanverfassung aber beruhte wesentlich auf der Gewalt, die der Häuptling kraft seines Erstgeburtsrechts besaß und die durch Lehnsgerechtsame oder gutsherrliche Richtergewalt, die ihr zuweilen ein gesetzliches Ansehen gaben, nicht erweitert werden konnte. Die Pflichttreue der Glieder eines Clans gegen ihren Häuptling war unvergänglich und kein Verhältniß, keine Verpflichtung, wodurch sie sonst gebunden werden konnten, durfte dem Dienste vorgezogen werden, den das Stammhaupt foderte. Der Häuptling war gewöhnlich Obereigenthümer des gesammten Stammgebiets oder des größten Theils desselben, doch nicht mit unbeschränktem Eigenthumsrechte, da er nur die Verwaltung des Gemeindeguts leitete. Einen Theil des besten Landeigenthums, der ihm besonders zugewiesen war, ließ er zu seinem Vortheil anbauen, der übrige Theil des Gesammteigenthums aber ward unter die nahen Verwandten des Stammhauptes oder die Abkömmlinge eines gemeinschaftlichen Stammvaters auf längere oder kürzere Zeit verliehen. Diese Landesantheile gaben den Lehnleuten ihren Unterhalt, wurden aber nach einigen Geschlechtsfolgen zurückgenommen, um nähere Verwandte zu belehnen, worauf die Abkömmlinge des ursprünglichen Besitzers unter die Gemeinen zurücktraten. Zuweilen erhielten aber auch jüngere Verwandte des Häuptlings einen Antheil auf ewige Zeiten oder ererbten, erheiratheten oder erwarben sich selbst ein Besitzthum. Sie behielten dann ihren angestammten Rang und standen gewöhnlich an der Spitze einer Unterabtheilung des Stammes, wiewol immer von dem Stammhaupte abhängig und meist ihm zinsbar. Die Lehnleute, die dem Stammhaupte zunächst standen, bildeten den Clanadel, und eine Feder auf der Mütze bezeichnete ihren Rang. Sie zerstückelten ihre Antheile in kleinere Pachtungen, welche sie gegen geringen [393] Zins an Gemeine gaben, die in der strengsten Abhängigkeit von ihnen standen. Als es bei der zunehmenden Bevölkerung in den engen Thälern bald an Mitteln zum Unterhalte fehlte, zogen die jungen Söhne des Clanadels, die friedliche Beschäftigungen verachteten, die tapfersten Jünglinge an sich, um Raubzüge gegen das Niederland oder feindliche Stämme zu machen. Gewöhnlich wurde das Vieh der Feinde weggetrieben. Es gab eine eigne Classe verwegener Abenteurer, die man zu den gefährlichsten Unternehmungen gebrauchte, und in spätern Zeiten ward es gewöhnlich, sich von den Nachbarn eine Abgabe für den Schutz gegen Plünderungen geben zu lassen. Häufig gingen die jüngern Verwandten der Stammhäupter, um ihren Unterhalt zu suchen, in fremde Kriegsdienste, besonders nach Spanien und Frankreich. So blieben die Hochländer stets mit dem Kriege bekannt, und kriegerischen Sinn und Verachtung der Arbeit fand man selbst bei den Geringsten im Volke. Die Feldarbeit wurde den Alten und den Weibern überlassen. Der Schmied, welcher Waffen verfertigte, war der angesehenste Handwerker und gehörte zu dem Hausstande jedes Stammhauptes. Der Häuptling unterschied sich von seinen Stammgenossen nicht durch Glanz im Anzuge oder im Hauswesen, sondern nur durch zahlreiches Gefolge und Gastfreiheit. Jeder Stammhäuptling hatte seinen Barden, der die Thaten des Geschlechts und einzelner Mitglieder desselben besingen mußte. Der Sänger stand in hohem Ansehen. Das Lieblingsinstrument der Hochländer war die Sackpfeife, deren Töne auch im Kriege die Kampflust weckten. Muth und Freiheitsliebe, Anhänglichkeit an Heimat und häusliche Bande, Gastfreiheit und Hang zu froher Geselligkeit, unverbrüchliche Treue gegen bewiesenes Vertrauen waren stets Charakterzüge des Hochländers und sind bei allen Umwandlungen in den Sitten ein Erbtheil des Volks geblieben. Nur unter den Vornehmen, die zum Theil im Auslande ihre Bildung erhielten, waren gelehrte Kenntnisse verbreitet; aber Vaterlandsgeschichte, Dichtkunst und Musik waren Lieblingsunterhaltungen selbst des gemeinen Volks. Wie in ihren Sitten unterschieden sich die Hochländer von andern Völkern auch durch eine Tracht von altkeltischem Ursprung, welche, die freie Bewegung begünstigend, für Krieger, Jäger und Hirten die bequemste war. Der Stoff der hochländischen Tracht ist seit Jahrhunderten derselbe geblieben, ein wollenes Zeuch, zuweilen mit baumwollenem Einschlag, immer gewürfelt in bunten Farben, in frühern Zeiten gewöhnlich dunkelfarbig, in spätern oft grell bunt, der sogenannte Tartan. Jeder Stamm hatte gewöhnlich seine eigne Farbenmischung in dem Tartanmuster. Der Haupttheil der Kleidung war das Kilt, ein faltiger Schurz, der bis auf das Knie herabging. Reiter und alte Leute trugen zuweilen eine Beinbekleidung, eine Art von Strumpfhosen, Truis genannt. Der kurze Rock und die Weste waren gestickt oder mit Treffen besetzt. Das Oberkleid war ein zwei Ellen breites und vier Ellen langes Stück Tartan, das den Leib in breiten Falten umgab, durch einen Gürtel festgehalten ward, unten herabhing und um die linke Schulter gezogen, den rechten Arm freiließ. Bei Regen diente er als Mantel und wenn beide Arme frei sein sollten, ward er auf der Brust mit einer silbernen Spange befestigt. Vorn hing eine große Tasche von Dachs- oder Ziegenfell. Ein Dolch nebst Messer und Gabel steckten in einer an der Seite hängenden Scheide. Die Mütze gehörte nothwendig zum hochländischen Anzuge, und statt der Federn, dem Putz der Vornehmen, trugen Geringere einen Straus von Heidekraut oder einen Zweig von Stechpalmen, Die Schuhe bestanden aus dicken Lederstücken, die mit Riemen befestigt waren. Zu den Waffen des Hochlandes gehörten ein Schwert, ein kurzer Dolch, eine Flinte, ein Paar Pistolen und ein Schild, oder in Ermangelung der Flinte eine lange Lanze zum Hauen und Stechen, die Lochaberaxt. In den frühesten Zeiten gehorchten die hochländ. Stammhäupter einheimischen Fürsten, den mächtigen Herren der Inseln, die über alle westl. Inseln und einen großen Theil des Hochlandes herrschten, bis zu Anfange des 15. Jahrh. dieses Inselreich von den Königen Schottlands abhängig wurde. Die Gewalt der schot. Könige im Hochlande wurde jedoch dadurch wenig befestigt und die Unruhen, die Schottland zerrütteten, waren der Unabhängigkeit der hochländ. Häuptlinge so günstig, daß sie, während im Niederlande der kriegerische Geist verfiel, im 17. Jahrh. eine entschiedene Überlegenheit gewannen. Endlich wurden sie von Cromwell hart gezüchtigt, und während dieser das Gebirge von Heerhaufen durchziehen ließ, die Schlösser der Häuptlinge verheerte und Besatzungen in mehre Örter legte, zwang er die Clans, die Waffen niederzulegen. Nach der Wiederherstellung des Hauses Stuart, zu der die Treue der Hochländer viel beigetragen hatte, wurde den Stammhäuptern das von Cromwell aufgelegte Joch wieder abgenommen und die erschütterte Clanverfassung befestigte sich wieder. Als aber ihre Treue gegen das vertriebene Königshaus die Hochländer 1715 zum Aufstande verleitete, wurden strenge Maßregeln ergriffen, die Gewalt der Stammhäupter über ihre Lehnsleute zu beschränken. Die Ablieferung aller Waffen wurde befohlen, durch Anlegung von Landstraßen in den Gebirgen das Hochland mit dem Niederlande verbunden, und so den Fortschritten der Gesittung die Bahn gebrochen. Die Erbitterung, welche die Maßregeln der Regierung erregten, machte die Hochländer desto empfänglicher für die Aufreizungen, die der verbannte Königsstamm nicht sparte, und sie sammelten sich willig unter den Fahnen des Hauses Stuart, als Karl Eduard (s.d.) 1745 landete. Nach dem unglücklichen Ausgange des Kampfs hob die Regierung 1747 die Clanverfassung auf, ließ die Entwaffnung der Hochländer mit Strenge vollziehen und verbot selbst die alte Volkstracht, die erst 1782 förmlich wieder erlaubt wurde. Seitdem hat sich diese Tracht allmälig verloren und ist nur noch in einigen Gegenden, jedoch vermischt mit der Tracht der Niederschottländer, und nur unter dem niedern Volke noch üblich. Lange nach der Aufhebung der Clanverfassung dauerte die Ergebenheit des Volks gegen die Stammhäupter noch fort, aber allmälig hat sich, besonders seit dem Ende des 18. Jahrh., eine große Veränderung in der Sinnesart des Hochländers gebildet, die sich in der Umgestaltung der alten Sitten äußerte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 393-394.
Lizenz:
Faksimiles:
393 | 394
Kategorien:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon