Pferd

Pferd

[476] Pferd (das) gehört zu den Säugthieren mit ungetheilten Hufen und stammt aus Asien, wo im südl. Sibirien und in den Steppen zwischen Rußland, Persien und China wilde Pferde noch heerdenweise leben.

Diese sind klein, sehen mausefahl, haben dicke Köpfe, sind äußerst scheu vor Menschen und ergreifen auf das warnende Gewieher der von ihnen in der Regel ausgestellten Wachen schleunigst die Flucht vor ihrer Annäherung. Aus ihnen ist durch die seit den ältesten Zeiten darauf verwendete Pflege des Menschen jenes edle und überaus nutzbare Hausthier gezogen worden, welches jetzt fast in allen nicht zu rauhen Ländern der Erde gehalten wird. Ein wärmerer Himmelsstrich ist ihm jedoch immer zuträglicher, und Klima, nebst Abwartung, Futter und Boden äußern großen Einfluß auf die Ausbildung desselben. Mit den wilden Pferden sind die verwilderten nicht zu verwechseln, welche in mehren Gegenden des südl. Rußlands und in Südamerika häufig sind. Von den [476] verschiedenen Racen oder Arten des Pferdes ist die arabische die edelste und wohlgeformteste, hat mittle Größe, ist eher mager als fett, leicht und feurig, hat weit geöffnete Nasenlöcher, einen schön gewölbten Hals, trägt den Schweif von Natur schön und ist überaus dauerhaft. Von jeher haben aber auch die Araber der Fortpflanzung der edelsten Race große Aufmerksamkeit gewidmet und eigne Stammregister darüber geführt, welche bis zu den Leibrossen des Propheten Mohammed oder gar des Königs Salomo zurückgehen sollen. Auch sind bei der Geburt jedes edlen Füllens gewisse Personen zugegen, welche dessen Abstammung bescheinigen. Verwandte Racen sind die pers., tatar. und türk. Pferde, sowie die afrik., von welchen die aus den Ländern an der Nordküste auch Berber heißen. In Europa besitzt England die durch Veredlung mit arab. Hengsten erzogene, schönste Race, welche durch Größe, schönen Bau und vor Allem durch Geschwindigkeit im Laufen ausgezeichnet ist, daher auch zu Jagd- und Rennpferden (s. Wettrennen) sich am besten eignet. Nach ihr kommt das meist kastanienbraune oder schwarze span. Pferd, ausgezeichnet durch edle Haltung, Muth und Gelehrigkeit; vorzüglich berühmt sind die andalusischen Pferde, doch ist die span. Pferdezucht durch Unruhen und Kriege sehr gesunken. Dasselbe gilt von Neapel, wo man sonst gesuchte Reit- und Wagenpferde zog, die sich durch Stärke und stolze Haltung auszeichneten, aber auch für widerspenstig und ungelehrig galten. In Frankreich sind von werthvollern Arten nur die von Berbern abstammenden Limousiner und die normännischen Pferde merkwürdig; das große und wohlgebaute dän. Pferd eignet sich gut zu Schul- und Wagenpferden. Von deutschen Pferden sind die holsteiner vorzügliche Kutsch- und Wagenpferde, die edlen mecklenburger vortreffliche Reitpferde, zu denen aber auch die sogenannten Senner gehören, welche in Lippe-Detmold im Sennerwalde im halbwilden Sennergestüt gezogen [477] werden. Groß und schwerfällig, mit kurzem Halse, breitem Rücken und platten Hufen sind die friesischen Pferde; übrigens werden in Deutschland Pferde der verschiedensten Art gezogen. Von den übrigen europ. Pferden sind die ungar., poln., die aus der Ukraine und die Kosackenpferde noch namhaft zu machen. Wegen ihrer Kleinheit und Lebhaftigkeit bekannt sind die Pferde aus Corsica; ähnliche kleine Racen gibt es in Lithauen, in Schottland, wo sie Ponies heißen, und auf der Insel Island.

Je nach der Farbe der Pferde gibt man ihnen bezeichnende Namen, wie Rappe, Brauner, Schimmel, Fuchs u.s.w., von denen aber auch jede Abänderung besonders benannt wird; auch die Gangarten des Pferdes haben ihre bestimmten Bezeichnungen. Im Schritt bewegt es die einander schräg (diagonal) gegenüberstehenden Beine, sodaß man vier Tritte hört; der Trab ist nur ein beschleunigter Schritt, bei dem man oft blos zwei Tritte vernimmt, der Galopp eine Reihe von Sprüngen, bei welchem es zuerst mit einem Hinterfuße, dann mit dem andern und einem Vorderfuße, zuletzt mit dem andern Vorderfuß auftritt, wobei man drei Hufschläge hört. Im Paß, einer ungewöhnlichern Gangart, von der man ein Pferd einen Paßgänger nennt, werden immer je zwei Füße derselben Seite fortbewegt. Zu anstrengendem Gebrauch wird ein Pferd selten vor dem sechsten Jahre sich ohne Nachtheil eignen, zu leichten Feldarbeiten können sie jedoch schon zu Ende des dritten Jahres benutzt werden. Überhaupt wird das Pferd bis 30 Jahre alt und einzelne behalten bei guter Abwartung sehr lange eine ausgezeichnete Brauchbarkeit. Das männliche Pferd heißt Hengst, das weibliche Stute, das sehr junge Fohlen und Füllen, der verschnittene Hengst ein Wallach. Gezogen werden Pferde in Gestüten oder Anstalten, wo man vorzugsweise zur Zucht viele Pferde unterhält. Sie heißen wilde Gestüte, wenn man die Pferde in Betreff der Fortpflanzung ihrem eignen Instincte überläßt, wie bei den großen halbverwilderten Heerden, welche in einigen Gegenden von Rußland, sowie in den Pampas und Llanos in Südamerika gehalten werden. Das Einfangen und Zähmen solcher Pferde ist schwierig und wird auf sehr gewaltsame Weise, in Amerika von den Gauchos (s.d.) und Llaneros bewirkt, deren vorstehend einer bei letzterm Geschäft abgebildet ist. In den halbwilden Gestüten befinden sich die Pferde mehr unter der Leitung des Menschen, was noch mehr in sogenannten zahmen Gestüten der Fall ist, wo die Veredelung, sowie Erhaltung edler Racen sorgsam verfolgt und überwacht wird. Sie heißen Hauptgestüte, wenn darin auf Staatsunkosten Pferde zur Veredelung der inländischen Art gezogen werden, und Landesgestüte, wenn darin nur Hengste zur Paarung mit den im Lande vorhandenen Stuten oder wie der Kunstausdruck ist, zum Belegen, Beschälen oder Bedecken derselben gehalten werden, wovon solche Hengste Beschäler heißen. Soll ein bestimmter Schlag Pferde durch Veredelung gezogen werden, so muß man diese durch 5–7 Generationen fortsetzen, um zuletzt die erhaltenen besten Stutenfohlen mit dem edlen Hengste paaren zu können. Die aus der ersten Paarung erhaltenen besitzen nämlich die Hälfte der Eigenschaften ihrer Ältern und heißen davon Halbblutspferde; in den folgenden Generationen nehmen sie aber immer mehr von den Eigenschaften des Vaters an, welche endlich denen der sechsten und siebenten ganz eigen sind, daher diese Vollblutspferde genannt werden. Sprüchwörtlich bekannt sind die Betrügereien, welchen der Unerfahrene beim Pferdekaufe aus unzuverlässiger Hand ausgesetzt ist. Leute, deren Hauptgeschäft der Pferdehandel ist, heißen auch Roßtäscher und Roßkämme. Bei uns besteht die vornehmste Benutzung des Pferdes in dem Gebrauche seiner Kräfte, einige rohe Völkerstämme genießen aber auch das Fleisch und die Milch desselben, aus der die Kalmücken (s.d.) und andere asiat. Völkerstämme auch Milchbranntwein bereiten. Die Haut wird zu Leder gemacht, die langen Haare von Schweif und Mähne dienen zum Ausstopfen von Polstern und Matratzen, auch webt man Haartuche daraus besonders zum Überziehen von Stühlen und Polstersitzen aller Art. Brauchbare Schriften über Pferdezucht und Handel sind: Dieterich's »Katechismus der Pferdezucht«, eine gekrönte Preisschrift (Berl. 1826); Tennecker, »Lehrbuch des Pferdehandels und der Roßtäuscherkünste« (2. Aufl., Hanov. 1829); Desselben »Lehrbuch der Erkenntniß des Pferdealters« (Ilmenau 1823); Sind, »Der sicher und geschwind heilende Pferdearzt«, herausgegeben von Ammon, mit Zusätzen von Tennecker (9. Aufl., Frankf. 1829).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 476-478.
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