[392] Elastizitätsmodul (spezielle Darstellung für Zug, Druck, Schub s. Dehnung, Zugelastizität, Druckelastizität, Schubelastizität). Als feste Körper bezeichnet man in der Elastizitätslehre solche Körper, für welche die Möglichkeit eines spannungslosen Zustandes angenommen wird. Von diesem Zustande aus werden die Gruppierungsänderungen der Teilchen bei den meisten Untersuchungen gerechnet. Von einem beliebigen Körperpunkte m aus sei im spannungslosen Zustande ein unendlich kleines Parallelepipedon der Kantenlängen a, b, c abgegrenzt (Fig. 1 und 2). Dasselbe kann durch Kräfte auf die Seitenflächen und Temperaturänderungen Deformationen erleiden. Angenommen, die elastische Deformation sei allein erzeugt durch parallel der Kante a wirkende, auf die zu ihr senkrechten Endflächen gleichmäßig verteilte Kräfte von P pro Flächeneinheit, die für Zug als positiv gelten. Erzeugt dann eine Aenderung d P der Normalspannung P weitere elastische Deformationen d a, d b, d c, wobei Zunahmen positiv zu rechnen sind, und werden gesetzt ([3], S. 119):
dann heißt E der Elastizitätsmodul für die Richtung a, während ε, v die Elastizitätsquotienten für die Richtungen b, c genannt werden.
Mitunter werden E Elastizitätskoeffizient, Dehnungsmodul, 1/E Elastizitätskoeffizient, Dehnungskoeffizient, ε, v Elastizitätskonstanten, Elastizitätszahlen u.s.w. genannt. Da nach vorgehenden Gleichungen:
so bedeuten für die fragliche Art der Beanspruchung und Deformation: E das Verhältnis der Spannungsänderung d P zur entsprechenden Dehnungsänderung da/a (Dehnung = Längenänderung[392] pro Längeneinheit, vgl. Bd. 2, S. 693), 1/E das Verhältnis der Dehnungsänderung da/a zur entsprechenden Spannungsänderung d P, ε und v die Verhältnisse der spezifischen Längenänderung d a/a zu den negativen Werten der zugehörigen spezifischen Breitenänderungen in den Richtungen b und c, d.h. zu db/b und dc/c, also bei ziehenden P die Verhältnisse der spezifischen Verlängerung in der Beanspruchungsrichtung a zu den entsprechenden spezifischen Zusammenziehungen in den dazu senkrechten Richtungen b und c. Werden anstatt der möglicherweise veränderlichen E, ε, v Mittelwerte eingeführt, die vom spannungslosen Zustande aus die gleichen schließlichen Aenderungen Δa, Δb, Δc durch die P wie erstere bedingen, dann hat man nach 1.:
und nach 2.:
wonach ein konstanter (oder mittlerer) Elastizitätsmodul auch das Verhältnis der ursprünglichen Länge a zur Längenänderung Δ a durch die Spannung P = 1 bedeutet. Soll die Elastizität der Körper als um so größer gelten, je größere Kräfte P auf Rückgängigmachung bestimmter elastischer Dehnungen hinwirken, dann bildet nach 1. und 3. der Elastizitätsmodul E ein Maß der Elastizität. Wird jedoch ein Körper um so elastischer genannt, je größer die elastischen Dehnungen durch bestimmte Kräfte P sind, dann ist nach 1. und 3. 1/E als Maß der Elastizität anzusehen. Beide Auffassungen kommen in der Literatur vor (vgl. Elastizitätsgrad). Sind die E für ziehende und drückende P nicht als gleich anzunehmen (s. Zugelastizität, Druckelastizität), dann werden sie durch die Namen Zugelastizitätsmodul und Druckelastizitätsmodul unterschieden. Die gebräuchlichen Formeln der allgemeinen Elastizitätslehre (s.d.) setzen jedoch eine solche Gleichheit voraus.
Fand die elastische Deformation des betrachteten Parallelepipeds oder sonstigen Prismas anstatt wie oben durch gleichmäßig verteilte Normalkräfte auf die Flächen senkrecht zu a allein durch gleichmäßig verteilte Schubkräfte von Q pro Flächeneinheit in beliebiger Richtung b längs dieser Flächen statt (Fig. 3 und 4) und erzeugt eine Aenderung d Q der Schubspannung Q eine weitere elastische Bewegung jener Flächen längs einander um d q in der Richtung b, dann heißt in
G der Schubelastizitätsmodul in der Richtung b von Flächen senkrecht zu a.
Derselbe bedeutet also das Verhältnis der Spannungsänderung d Q zur entsprechenden Gleitungsänderung d q/a, wobei unter q/a die Längsbewegung pro Entfernungseinheit der verschobenen Flächen, d.h. auch die Tangente des in Fig. 3 und 4 angedeuteten Winkels γ verstanden ist oder bei den gewöhnlich betrachteten kleinen Verschiebungen mit genügender Genauigkeit der Winkel γ selbst, gemessen als Bogen vom Radius 1. Wird anstatt des möglicherweise veränderlichen G ein Mittelwert eingeführt, der vom spannungslosen Zustande aus die gleiche schließliche Gleitung q/a durch die Q wie ersterer bedingt, dann folgen aus 5.:
wonach ein konstanter Schubelastizitätsmodul G auch das Verhältnis der Entfernung a der verschobenen Flächen zur Längseinanderbewegung q derselben durch die Spannung Q = 1 oder den reziproken Wert der Gleitung für Q = 1 bedeutet, während 1/G die Gleitung selbst für diese Kraft darstellt.
Ist der betrachtete Körper in der Umgebung eines beliebigen Punktes m isotrop (s. Elastizität), dann gelten daselbst für alle Richtungen die gleichen E, G, es existiert nur ein Elastizitätsquotient v = ε, und diese drei Größen stehen in der Beziehung [3], S. 122:
wonach z.B. für ε = 4 und 3 (vgl. Elastizitätsquotient) G = 2/5E; und 3/8E: folgen.
Zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls kann jede Beziehung dienen, in welcher derselbe vorkommt, vorausgesetzt, daß die übrigen darin unbekannten Größen für einen bestimmten Fall durch Versuch festgestellt werden. Man hat in physikalischen Instituten E aus Versuchen über Zug, Druck, Biegung, kubische Kompression, elastische Schwingungen, Schallgeschwindigkeit u.s.w. ermittelt; für technische Zwecke kommen fast ausschließlich die drei ersten Mittel zur Verwendung, während G aus Schub- und Torsionsversuchen abgeleitet oder aus 7. mit geeignetem ε berechnet zu werden pflegt. Die Zuverlässigkeit der Resultate hängt von der Genauigkeit der angewendeten Beziehungen und Methoden ab. Werden z.B. die bleibenden Formänderungen nicht gemessen,[393] sondern die ganzen Formänderungen als elastische in Rechnung gezogen, so erhält man E, G nach 4., 6. zu klein (s. z.B. in Tab. II des Art. Druckelastizität die Werte der letzten Kolumne gegenüber den richtigeren der vorletzten Kolumne). Bei Biegungsversuchen wurden früher meist zu kleine E erhalten, weil man den Einfluß der Schubkräfte Vx vernachlässigte (vgl. Bd. 1, S. 797), wie dies in physikalischen Laboratorien vielfach heute noch geschieht [16], S. 739 (s.a. bei Winkelmann, Wüllner u.s.w.). In den Kolumnen 7, 8 und 11, 12 der folgenden Tabelle sind die Durchschnittswerte von Versuchen Tetmajers mit gewöhnlichen -Balken deutscher Normalprofile, in der Mitte belastet, von l = 150 cm Spannweite gegeben (vgl. [4], die Nummern der Kolumne 1 entsprechen den Höhen in Zentimetern). Sie zeigen eine mit wachsender Höhe
zunehmende Abweichung der durch Zug und Biegung erhaltenen Werte von E, wenn in letzterem Falle der Einfluß der Schubkräfte Vx nicht berücksichtigt wird. Kolumne 5 und 6 lehren jedoch, daß auch das Verhältnis Em : Eo der Elastizitätsmoduln mit und ohne Rücksicht auf jenen Einfluß mit wachsender Höhe oder richtiger mit wachsendem J : F zunimmt, und die Kolumnen 7, 9, 10 und 11, 13, 14 betätigen, daß bei Beachtung des Einflusses von Vx die Abweichung zwischen den durch Zug und Biegung erhaltenen Werten von E vollständig wegfällt.
Für gewöhnliche Balken (Bd. 1, S. 519, 520) rechteckigen und kreisförmigen Querschnitts von der Spannweite l und Höhe h, welche in der Mitte durch eine Einzellast P ergriffen sind, hat man (vgl. Bd. 2, S. 3):
wonach beispielsweise mit E : G = 5 : 2
im Falle
für das Rechteck:
für den Kreis:
Werden bei Biegungsversuchen zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls weder die bleibenden Deformationen noch der Einfluß der Schubkräfte berücksichtigt, dann summieren sich beide Einflüsse auf Verkleinerung der resultierenden E. Wird noch weiteres Nachgeben aufs Konto der elastischen Einsenkungen gesetzt, dann ergeben sich neuerdings verkleinerte E. So wurde bei der Berechnung der Dourobrücke in Portugal (Bd. 2, S. 143) und der Margarethenbrücke bei Budapest auf Grund von Pariser Versuchen mit einem Bogen von 33 m Spannweite für Schweißeisen angenommen E = 1600 t pro Quadratzentimeter, gegenüber dem üblichen Mittelwert von 2000 t, obschon bei Bogen die Schubkräfte eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
Ueber die Veränderlichkeit des Elastizitätsmoduls mit der Spannung s. Zugelastizität, Druckelastizität, Elastizitätsgesetz. Die Abhängigkeit des Elastizitätsmoduls von der Temperatur wurde in neuerer Zeit mehrfach untersucht (s. Literatur). Rudeloff [8] erhielt von Zimmertemperatur bis 100° bei Schweißeisen, gewalztem Deltametall und 15 prozentiger Manganbronze eine geringe Abnahme, bei Martinstahl, Kupfer, gegossenem Deltametall und 4 prozentiger Manganbronze eine geringe Zunahme von E, während bis zu genügend höherer Temperatur stets eine Abnahme eintrat, für Schweißeisen und Martinstahl beispielsweise bis 400° von anfänglichen[394] 2075 und 2060 t auf etwa 1500 und 1650 t pro Quadratzentimeter. Katzenelsohn [6] fand durch Zug- und Torsionsversuche mit Drähten eine Abnahme von 0100° in Prozenten:
während Miller bei diesen Metallen für das gleiche Temperaturintervall die Abnahmen von E in Prozenten erhielt [5], 1889, S. 40:
Diese verschiedenen Resultate zeigen immerhin, daß bei Eisenkonstruktionen die Temperaturänderungen der Atmosphäre über 0° ohne erheblichen Einfluß auf den Elastizitätsmodul sind. Häufig werden die Versuchsresultate bei verschiedenen Temperaturen durch Ausdrücke der Form
mit konstanten a, b, ... und α, β, ... dargestellt [2], [5], [10], S. 277, wobei fast immer die beiden ersten Glieder, in allen Fällen aber die drei angeschriebenen genügten. Wie auf die andern Festigkeitseigenschaften, so können starke Beanspruchungen (Hämmern, Walzen, Strecken, Ziehen, Zerreißen u.s.w.), Härten, Ausglühen und andre Einwirkungen auch einen Einfluß auf die Elastizitätsmoduln ausüben.
Literatur: [1] Winkler, Die Elastizitäts- und Festigkeitskoeffizienten, Civilingenieur 1863, S. 406. [2] Miller, Berichte der Münchener Akademie, 1882, S. 377; 1885, S. 9; 1889, S. 33. [3] Weyrauch, Theorie elastischer Körper, Leipzig 1884, S. 119, 122, 128 (auch Aufgaben dazu, Leipzig 1885, S. 158, 188). [4] Tetmajer, Mitteilungen u.s.w., Heft 3, Zürich 1886, S. 120, 122, 145 u.s.w., Heft 4, Zürich 1890, S. 33, 58, 81, 85, 105, 114, 130, 136 u.s.w. [5] Kiewiet, Ueber die Biegungselastizität von reinem Zink, Kupfer, Zinn und ihren Legierungen, Wiedemanns Annalen 1886, Bd. 29, S. 617. [6] Katzenelsohn, Ueber den Einfluß der Temperatur auf die Elastizität der Metalle, Berlin 1887 (Dissertation). [7] Hartig, Ueber die Elastizität des geraden Stabs als Funktion der spezifischen Belastung, Civilingenieur 1893, S. 112 (s.a. S. 341). [8] Rudeloff, Untersuchungen über den Einfluß der Wärme auf die Festigkeitseigenschaften von Metallen, Mitteil. aus den techn. Versuchsanstalten zu Berlin, 1893, S. 202 (bezüglich Manganbronze s.a. 1894, S. 29). [9] Hartig, Ueber das elastische Verhalten hydraulischer Zemente und Zementmörtel, Civilingenieur 1894, S. 718. [10] Landolt und Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen, Berlin 1894, S. 275. [11] Land, Einfluß der Schubkräfte auf die Biegung statisch bestimmter und die Berechnung statisch unbestimmter gerader vollwandiger Träger, Zeitschr. f. Bauwesen 1894, S. 611. [12] Rudeloff, Untersuchungen über den Einfluß der Kälte auf die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl, Mitteil. aus den techn. Versuchsanstalten zu Berlin, 1895, S. 197, [13] Foeppl, Vorlesungen über technische Mechanik, III, Festigkeitslehre, Berlin 1900, S. 46, 52, 63, 65. [14] Bach, Die Elastizitäts- und Festigkeitseigenschaften der Eisensorten (Schweißeisen, Flußeisen, Flußstahl, Gußeisen), für welche nach dem der Veröffentlichung vorhergehenden Aufsatz die Ausdehnung durch die Wärme ermittelt worden ist, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1902, S. 1536. [15] Schäfer, Ueber den Einfluß der Temperatur auf die Elastizität der Elemente, Wiedemanns Annalen 1902, Bd. 11, S. 665. [16] Chwolson, Lehrbuch d. Physik, I, Braunschweig 1902, S. 700, 723. [17] Tetmajer, Die angewandte Elastizitäts- und Festigkeitslehre, Leipzig und Wien 1904, S. 8, 15, 17, 23, 24. [18] Bach, Druckversuche mit Eisenbetonkörpern, Mitt. über Forschungsarbeiten, Heft 22, Berlin 1905. [19] Ders., Elastizität und Fertigkeit, Berlin 1905, S. 3, 13, 103, 160, 243. Weitere Literatur s. unter Elastizitätsgesetz, Elastizitäts- und Festigkeitslehre, Zugelastizität, Druckelastizität, Biegungselastizität, Einsenkung, Schubelastizität, Torsionselastizität, Dehnung, Elastizitätsgrenze, Elastizitätsquotient, Elastische Nachwirkung.
Weyrauch.
Buchempfehlung
Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro