Brandpilze

[321] Brandpilze (Ustilagineae), zur Ordnung der Hemibasidier gehörige Schmarotzerpilze, deren Mycelium in den Geweben lebender Pflanzenteile vegetiert und fruktifiziert. Gewisse Zweige der Myceliumfäden zerfallen durch Abschnürung unmittelbar in eine Anzahl voneinander sich lösender Sporen, so daß der Pilz zur Reifezeit wesentlich nur aus angehäuften Massen tiefbrauner Sporen besteht. Die Gewebe, in denen der Pilz Sporen erzeugt, werden durch den Schmarotzer aufgelöst, und ihre Stelle wird zuletzt von dem losen Aggregat der Sporen eingenommen, das von den mehr oder minder unveränderten äußern Teilen bedeckt ist (Brandkrankheit). Die Arten der B. finden sich meist je auf besondern Nährpflanzen und in besondern Teilen derselben.

I. Ustilago: die Dauersporen bestehen aus einfachen Zellen und entstehen durch gliederartiges Zerfallen der sporenbildenden Fäden. 1) Der Staubbrand (Flug-, Nagel-, Rußbrand, Ruß, U. Carbo Tul., s. Tafel »Pflanzenkrankheiten I«, Fig. 1–5) befällt Weizen, Gerste, Hafer, selten Roggen, französisches Raigras, Wiesenschwingel, Rasenschmiele u. a.; seine Sporen zerstören die Blütenteile bis auf die Epidermis und die festern Teile der Spelzen. Die Ähren haben daher schwarze, staubige Beschaffenheit, und das Sporenpulver verstäubt von selbst bald nach dem Hervortreten der brandigen Ähre. Dieser Brand ist auf den genannten Getreidearten der häufigste und bedingt bisweilen einen beträchtlichen Ausfall in der Zahl der Körner. 2) Der Hirsebrand (U. destruens Dub.), in den Blüten der Hirsearten, löst diese ganz in Brand auf. 3) Der Maisbrand (Beulenbrand, U. Maydis Tul.) findet sich im Halm und namentlich in und unter den weiblichen Blütenständen des Maises, die unter seinem Einfluß unförmliche faust- bis kindskopfgroße Anschwellungen bilden, die später ausbrechen und zuletzt ganz in trockne, schwarze Staubmasse zerfallen.

II. Tilletia: mit ebenfalls einzelligen Sporen, die einzeln auf den Enden von Ästen der Fäden abgeschnürt werden. 4) Der Steinbrand (Schmier-, Faul-, Kornbrand, Kornfäule, Faulweizen, geschlossener Brand, T. Caries Tul., s. Tafel »Pflanzenkrankheiten I«, Fig. 6), in den Körnern des Weizens bei im wesentlichen unveränderter Ähre, ist daher schwierig zu erkennen. Die brandigen Körner des Weizens sind kürzer, fast rund, anfangs dunkler grün; später mehr graubraun, leicht zerdrückbar, wobei die das ganze Innere erfüllende, zuerst schmierige, später staubartig trockne, nach Heringslake (Trimethylamin) riechende, schwarze Masse sichtbar wird. Die brandigen Körner bleiben bis zur Erntezeit geschlossen in der Ähre stehen, gelangen daher unter die geernteten Körner und machen das Mehl mißfarbig und übelriechend. Der Steinbrand verdirbt bisweilen die Ernte völlig. Eine ganz ähnliche Steinbrandform des Weizens ist T. laevis Kühn. Der Steinbrand tritt auch auf Quecke, Mäusegerste und andern wild wachsenden Gräsern auf. Der Korn- oder Kugelbrand auf Roggen, durch T. Secalis Kühn verursacht, wurde bis jetzt nur selten, z. B. in Schlesien, beobachtet.

III. Urocystis: die Sporen sind aus mehreren Zellen zusammengeballt, indem eine oder mehrere größere Zellen von einer blasigen Hülle umgeben werden. 5) Der Stengel- oder Stielbrand im Roggen (U. occulta Rabenh.) befällt die Halme und Blattscheiden des Roggens und geht selten bis in die Ähre. Jene Teile bekommen schwielenartige, der Länge nach gerichtete Erhabenheiten, die zuletzt aufplatzen und schwarzes Brandpulver enthalten. Die Pflanze bleibt unentwickelt oder bricht in der Regel schon vor der Blütezeit zusammen. Dieser Brand ist weit weniger häufig als die vorher genannten. Andre Arten von Brandpilzen kommen an andern Pflanzen, wie Mohn, in Blattstielen und Blättern des Veilchens, in Blütenteilen von Kompositen (Ustilago Cardui) und Staubbeuteln von Sileneen (Ustilago violacea) vor.

Die keimenden Sporen der B. entwickeln ein einfaches Promycelium, das Sporidien bildet. Diese wachsen zu Myceliumfäden aus, die in das Innere der jungen Nährpflanzen eindringen. Beim Flug- und Steinbrand findet man diese Myceliumfäden im ganzen, um diese Zeit noch nicht in die Länge gestreckten Halm bis zu den Wurzeln. Weitere Entwickelung machen die Myceliumfäden nur in den Teilen durch, in denen die Sporen erzeugt werden sollen. Hier entwickeln sich zahlreiche, die Zellen bald ganz ausfüllende, oft regellos sich verflechtende, sporenbildende Fäden mit gallertartig angeschwollenen Membranen, welche die Zellen der Nährpflanzen nach und nach gänzlich auflösen. Die äußern Teile der befallenen Organe wachsen weiter gleich denen gesunder, das Organ erreicht ungefähr seine normale Größe, und gleichzeitig nimmt auch die Pilzmasse in seinem Innern unter Vermehrung der sporenbildenden Fäden zu. Endlich beginnt in den letztern die Sporenbildung, bei der sich die helle, gallertartige Masse in ein trockenes, braunes oder schwarzes Pulver, die reifen Sporen, verwandelt.

Die Sporen aller auf Getreidearten vorkommenden B. sind sogleich nach der Reife keimfähig und keimen im ersten Jahr am leichtesten; ihre Keimkraft scheint sich nicht über wenige Jahre hinaus zu erhalten. Auf feuchtem Boden, in nassen und schattigen Lagen, wie z. B. an Waldrändern, auf Feldern, die von Wäldern eingeschlossen sind, in engen Tälern, erscheint der Brand vorzugsweise, ebenso in nassen Jahren und bei reichlicher organischer Düngung.

Zur Verhütung des Brandes muß man für hinreichende Entwässerung des Bodens sorgen, die Anlage[321] der Getreidefelder an schattigen und feuchten, dem Luftzug mangelhaft ausgesetzten Orten möglichst vermeiden und den aufzubringenden organischen Dünger gleichmäßig mit dem Boden vermengen. Von brandigem Getreide herrührendes Stroh ist rasch zu verbrennen. Die den Saatkörnern anhaftenden Brandsporen werden getötet, wenn man bei Steinbrand 5 hl Saat 12–16 Stunden in einer 0, 5proz. Lösung von Kupfervitriol, bei Flugbrand in 2–4proz. Kupfervitriolkalkbrühe stehen läßt und dann trocknet. Diese Behandlung ist für völlig unverletzte Körner ganz unschädlich. Maschinendrusch verträgt die Beizung nicht. Vgl. De Bary, Untersuchungen über die B. (Berl. 1853); Kühn, Krankheiten der Kulturgewächse (2. Aufl., das. 1859); Woronin, Beitrag zur Kenntnis der Ustilagineen (Frankf. a. M. 1882); Brefeld, Neue Untersuchungen über die B. und die Brandkrankheiten (Berl. 1888); Tubeuf, Studien über die Brandkrankheiten des Getreides und ihre Bekämpfung (in den »Arbeiten aus der Biologischen Abteilung des Gesundheitsamtes«, Bd. 2, das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 321-322.
Lizenz:
Faksimiles:
321 | 322
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika