Fugger

[194] Fugger, Fürsten- und Grafengeschlecht im bayr. Schwaben, dessen erstes bekanntes Glied Ulrich 1368 aus Graben auf dem Lechfeld in Augsburg einwanderte. Bereits er und sein Sohn Johann (gest. um 1409) waren schon vor 1400 ganz wohlhabende Barchentweber, nicht, wie die Familientradition erzählt, arme Leute; sie wohnten seit 1397 in guter Geschäftslage in der Nähe des Rathauses, von wo die Nachkommen 1497 nach dem Haus übersiedelten, aus dem durch Umbau das heutige Fürstlich Fuggersche Palais entstanden ist. Johanns Witwe führte das Handwerk bis 1436 selbständig fort und überflügelte, wie die Steuerlisten ausweisen, 1417 an Vermögen den Bartholomäus Welser. Ihre Söhne Jakob (gest. 1468) und Andreas (gest. 1457) betrieben um 1440 das Handwerk gemeinsam und sind die Stifter der beiden Hauptlinien, der ältern von der Lilie (Gilge), die 1473 ein Wappen erhielt, und zu der alle heute lebenden F. gehören, und der jüngern vom Reh, die bereits seit 1462 ein Wappen führte, aber deren Glieder sämtlich um 1492 in Vermögensverfall gerieten. Jakobs Frau war die Tochter des Augsburger Münzmeisters Bäsinger, der, bankrott geworden, in den Silberbergwerken von Schwaz in Tirol eine Zuflucht fand. Durch dessen Vermittelung beteiligte sich bereits seit 1448 sein Schwiegersohn am Schwazer Bergbau, und aus der Edelmetallgewinnung ging er zum Geldhandel über, der mit Warenspekulationshandel verbunden war. Durch diese Geschäfte wuchs unter seinen ihn überlebenden Söhnen Ulrich (gest. 1510), Georg (gest. 1506) und Jakob (gest. 1525) das Familienvermögen fabelhaft rasch, nämlich von 1475–1500 um 1037 Proz. Länger als bei andern Kaufmannsfamilien hat bei den F. die Blüte angehalten, da das Geschäft im wesentlichen ungeteilt blieb, die Familienglieder nicht zu Landadligen wurden und in den ersten Generationen adlige Schwiegersöhne nicht vorhanden waren. Georg hinterließ zwei Söhne, Rai- [194] mund und Anton, die Ahnherren der jetzt blühenden Zweige. Sie waren die Erben des kinderlosen Jakob, der als erster an den großen Finanzoperationen der Zeit teilnahm. In Venedig zum Kaufmann gebildet, bezog er schon 1505 ostindische Gewürze auf dem neuentdeckten Seewege, schoß dem Kaiser Max gegen Verpfändung der Grafschaften Kirchberg und Weißenhorn 70,000 Goldgulden vor, verschaffte ihm auch 1509 für den Krieg gegen Venedig 170,000 Dukaten in Wechseln, unterstützte Kaiser Karl V. bei seiner Wahl und später mit bedeutenden Summen. Bei Karl wie bei Papst Leo X. in hohem Ansehen, seit 1498 mit Sibylla, der Enkelin des Handelsherrn Ulrich Arzt des Reichen, vermählt, vermehrte er seinen Grundbesitz durch neue Ankäufe, stiftete, seit 1508 geadelt, ein Familienfideikommiß, erbaute die Fuggersche Grabkapelle in St. Anna und ließ durch treffliche Augsburger Künstler unbekannten Namens 1516 die großartigen, noch heute z. T. die Hofräume des Fuggerhauses zierenden Fresken herstellen; er ist der Stifter der sogen. Fuggerei (1519), d. h. 106 kleiner, gegen mäßigen Zins an Arme überlassener Häuschen. Wie seine Nachkommen blieb er streng katholisch, ward aber zugleich wie diese Förderer und Freund der Humanisten. Seine Neffen und Erben machte Karl V. 1530 zu Reichsgrafen und verlieh ihnen 1534 das Recht der Gold- und Silbermünzprägung. Anton, von Ulrich von Hutten einst wegen seiner Knauserei verspottet, erwarb sich durch Stiftungen und seine Bibliothek den Ruhm eines »Horts der Armen und der Gelehrten«, mehrte seinen Grundbesitz, zog sich aber nach der trotz seiner Fürsprache harten Behandlung Augsburgs durch Karl V. 1547 mehrere Jahre nach Schwaz zurück und starb in seiner Vaterstadt 1560. Sein Haus am Weinmarkt war oft die Herberge Karls; von ihm wird erzählt, er habe die Schuldscheine des Kaisers bei dessen Anwesenheit in einem Zimtfeuer verbrannt (Karl Beckers Gemälde in der Nationalgalerie zu Berlin).

Die ältere Raimundsche Linie zerfiel durch Raimunds Söhne in zwei Äste. Johann Jakob, ein kunstsinniger Mann, zog, wahrscheinlich auf Tizians Rat, der die Bildnisse der F. gemalt hatte, den italienischen Maler Antonio Ponzano nach Augsburg, der sein Haus mit Fresken schmückte, und verfaßte selbst 1546 eine Familienchronik (»Geheim Ernbuch des Fuggerischen Geschlechtes«), die bis in die neueste Zeit als Grundlage für die Geschichte des Hauses F. gedient hat, war unter drei Kaisern kaiserlicher Rat, begab sich 1565 in bayrische Dienste nach München und starb 1575; sein von König Ludwig I. Augsburg geschenktes Standbild wurde 1859 aufgestellt, die von ihm gestiftete Linie starb 1846 aus. Raimunds zweiter Sohn, Georg (gest. 1569), ein vortrefflicher Mathematiker und kühner Reiter, ist Stifter der Raimundus – oder Kirchberg-Weißenhornschen Linie, die ihren Wohnsitz auf Schloß Kirchberg bei Neu-Ulm und in Augsburg hat, und deren Senior der am 2. Jan. 1850 geborne erbliche bayrische Reichsrat Graf Georg F. ist.

Die zweite, von Anton gestiftete Haupt- oder Antonius-Linie zerfiel durch dessen drei Söhne in drei Äste. Markus, der älteste (gest. 1597), war der Stifter des 1671 erloschenen Nordendorfer Zweiges. Johannes (gest. 1598) stiftete einen Zweig, der sich durch seine zwei Söhne Markus (gest. 1614) und Christophorus (gest. 1615) in einen Doppelast spaltete, und der letzte dieser Äste, der des Christophorus, spaltete sich wieder in zwei Zweige: in den Johann Ernsts und in den Otto Heinrichs. Von Johann Ernsts Zweig besteht, nachdem der Zweig Haus F.-Stettenfeld 1820 erloschen ist, nur noch der Zweig F.-Glött, dessen jetziges Haupt, Graf Karl Ernst, geb. 2. Juli 1859, zu Oberndorf bei Donauwörth lebt. Sein Oheim ist der 1833 geborne Jesuit Graf Hermann, der in den kirchlichen Streitigkeiten der 1870er Jahre eine Rolle spielte. Otto Heinrich (geb. 1592, gest. 1644) stiftete einen Ast, der aus den Häusern F.-Kirchheim und F.-Nordendorf bestand, trat früh in die Dienste Philipps III. von Spanien, führte bei Ausbruch des böhmischen Krieges 1619 dem Kaiser ein von ihm geworbenes Regiment zu, wofür Ferdinand 10. Nov. 1620 die Privilegien der F. erneuerte und vermehrte. Er kämpfte unter Wallenstein, ward 1634 als General mit dem Kommando der bayrisch-ligistischen Truppen betraut und im März 1635 zum kaiserlichen Statthalter in seiner Vaterstadt ernannt, als welcher er sie so bedrängte, daß ihm der Kaiser die Statthalterstelle entzog und ihm nur das militärische Kommando ließ. Der Kirchheimsche Zweig ist 1878 mit Graf Philipp, der Nordendorfer 1848 mit Graf Karl Anton im Mannesstamm erloschen.

Der dritte Sohn Antons, Jakob (gest. 1598), stiftete den Zweig F.- Babenhausen, der mit Anselm Maria (gest. 1821) 1. Aug. 1803 in den Fürstenstand erhoben wurde; seine Güter, damals in ein Fürstentum verwandelt, wurden 1806 mediatisiert und mit den übrigen Fuggerschen Besitzungen der Krone Bayern unterstellt. Dessen Enkel, Fürst Leopold (geb. 1827, gest. 1885), lebte in Augsburg. suchte den alten Reichtum des Hauses durch vernünftige Sparsamkeit wiederherzustellen und ließ das Fuggerhaus durch den Maler Wagner mit Fresken aus der Fuggerschen Geschichte schmücken. Im folgte als Haupt des Hauses sein Bruder, der österreichische Oberst a. D., Fürst Karl Ludwig, geb. 4. Febr. 1829, Senior des Gesamthauses und 1890–93 Präsident der bayrischen Kammer der Reichsräte. Die Linien der F. haben seit 1876 die Primogenitur-Erbfolgeordnung eingeführt. Vgl. »Chronik der Familie F. vom Jahre 1599« (hrsg. von Chr. Meyer, Münch. 1902); A. Geiger, Jakob F. 1459–1525 (Regensb. 1895); Schulte, Anfänge der F. (Beilage zur »Allgemeinen Zeitung«, 1900, Nr. 118); »Pinacotheca Fuggerorum«, deren letzte Ausgabe 1754 in Wien erschien und 139 Bildnisse des Fuggerschen Hauses enthält. In neuester Zeit ist die Geschichte des Hauses wesentlich aufgeklärt worden durch Ehrenberg, Das Zeitalter der F. (Jena 1896, 2 Bde.), Häbler, Die Geschichte der Fuggerschen Handlung in Spanien (Weim. 1897) u. A. Schulte, Die F. in Rom, 1495–1523 (Leipz. 1904); vgl. auch Stauber, Das Haus F. (Augsb. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 194-195.
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