[918] Offizier (v. lat. officium, »Amt«), Bezeichnung der militärischen Vorgesetzten vom Leutnant aufwärts (vom Feldwebel abwärts Unteroffiziere). Offizierkorps als geschlossene Körperschaften bildeten sich überall mit dem Aufkommen stehender Heere aus.
Das deutsche Offizierkorps geht, was die Grundsätze seiner Ergänzung und Erziehung betrifft, auf die Zeit des Großen Kurfürsten zurück. Der alte Grundsatz, die Offiziere fast ausschließlich dem Adel zu entnehmen, fiel mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, mit der auch ehrenhaft gesinnte und gebildete Bürgerliche zugelassen wurden. Die Dienstgrade sind aus nachstehender Tabelle zu ersehen.[918]
In Deutschland ergänzen sich die Offiziere aus Zöglingen der Kadettenkorps und jungen Leuten, die auf Beförderung eintreten (Fahnenjunker). Erstere werden nach bestandener Fähnrichsprüfung als charakterisierte Fähnriche oder, wenn sie die Oberprima, bez. Selekta mit Erfolg durchgemacht haben, als patentierte Fähnriche, bez. Leutnants eingestellt. Fahnenjunker bedürfen zum Eintritt eines Abiturientenzeugnisses oder bei Reise für Prima des Bestehens der Prüfung zum Fähnrich vor der Obermilitärprüfungskommission (s. d.). Charakterisierte (vgl. Charakter) Fähnriche und Fahnenjunker werden erst nach sechsmonatiger Dienstzeit zu Fähnrichen befördert. Das Reifezeugnis zum O. kann erst nach sechsmonatiger Dienstzeit als Fähnrich und muß vor zurückgelegtem 25. Jahr erworben werden. Die Prüfung hierzu erfolgt nach Vorbereitung auf einer Kriegsschule oder für solche, die mindestens ein Jahr auf einer deutschen Universität studierten, nach eigner Vorbereitung. Zur Beförderung zum O. bedarf es noch der Wahl durch das Offizierkorps des Truppenteils. Beförderungen zum Fähnrich und O. und alle weitern Beförderungen (auch Verabschiedungen) im aktiven und Beurlaubtenstand befiehlt der Landesherr. Maßgebend ist hierbei das Dienstalter; bei Leutnants und Hauptleuten kann infolge hervorragender Leistungen Beförderung außer der Reihe stattfinden. Die Truppenoffiziere tun entweder Dienst in der Front des Truppenteils oder sind zeitweise kommandiert zu irgendwelchen sonstigen Zwecken. Die nichtregimentierten Offiziere gehören keiner Truppe an (Generalstab, Kriegsministerium). Der aggregierte O. tut in der Regel den Dienst des Truppenteils, bei dem er aggregiert ist, die Stellung à la suite eines Truppenteils etc. ist eine Auszeichnung (für fremde Fürstlichkeiten etc.). Charakterisierte Offiziere stehen über den Offizieren der nächstniedern Rangklasse, aber unter den patentierten Offizieren ihrer eignen Rangklasse. Ein (in der Regel älterer) O. von der Armee soll in eine später frei werden de Stelle einrücken, ohne augenblicklich dienstlich verwendet zu werden. Der Gerichtsoffizier (Leutnant oder Oberleutnant) versieht in der niedern Gerichtsbarkeit (s. Militärstrafgerichtsbarkeit, S. 827) die Stelle des Kriegsgerichtsrates (s. d.). Wird ein O. mit Pension zur Disposition (s. d.) gestellt, so scheidet er aus dem aktiven Dienst aus, kann aber z. B. als Bezirkskommandeur, Bezirksoffizier u. dgl. (vgl. Bezirkskommando) sowie auch im Kriegsfall verwendet werden; er bleibt den Militär- und den Ehrengerichten unterworfen. Nach 10 Dienstjahren kann das Recht zum Tragen der Armeeuniform, nach 15 dasjenige zum Tragen der Regimentsuniform vom Landesherrn genehmigt werden, bei Verwundung im Krieg auch früher. Die mit dem Rechte des Uniformtragens verabschiedeten Offiziere unterstehen den Ehrengerichten. Der Abschied wird auf Grund eines Gesuches bewilligt oder ohne dieses befohlen. Vgl. auch Ehrengerichte. Betreffs der Folgen der Dienstentlassung und der Entfernung aus dem Heer als gerichtlichen Strafen s. diese Artikel. Der Offizier a. D. (außer Dienst) ist der Militärgerichtsbarkeit nur während der Wiederverwendung im Heer unterworfen. Das Reserveoffizierkorps ergänzt sich aus den Reserveoffizieraspiranten. Sie erlernen nach der einjährigen aktiven Dienstzeit in zwei achtwöchigen Übungen den praktischen Unteroffiziers- und Offiziersdienst neben theoretischem Unterricht über Dienstvorschriften etc. und können nach der ersten zum Vizefeldwebel etc., nach der zweiten zum O. befordert werden, letzteres nach Wahl durch das Offizierkorps des Landwehrbezirks, im Felde das des Truppenteils. Die Landwehroffiziere ergänzen sich ebenso aus Landwehrmannschaften, meist durch Übertritt älterer Reserveoffiziere zur Landwehr. Reserve- wie Landwehroffiziere (Offiziere des Beurlaubtenstandes, s. d.) unterstehen der militärischen Kontrolle und haben die besondern Ehrenpflichten des Standes der Offiziere zu erfüllen. Im übrigen gelten für den O. die allgemeinen Landesgesetze. Vgl. »Heer- und Wehrordnung« (Berl. 1904).
Die Einheitlichkeit des deutschen Offizierkorps an Bildung und Leistungen wird in den fremden Armeen zumeist noch nicht erreicht. Der dort herrschende Unterschied zwischen den auf Beförderung freiwillig eintretenden Elementen aus den gebildetsten Kreisen und den aus niedern Ständen stammenden, nach langer Dienstzeit zur Offizierslaufbahn zugelassenen ist so tiefeinschneidend, daß eine Umformung solcher Offizierkorps nach deutschem Muster nur in sehr langer Zeit durchführbar sein kann. Die von vornherein in militärischen Unterrichtsanstalten (Kadettenkorps etc.) vorgebildeten Aspiranten weisen am auffallendsten in Rußland, Frankreich und Italien eine wesentlich höhere Bildung auf als die übrigen, obwohl man allerwärts auf dem Weg ist, nach und nach die gleichen Anforderungen betreffs der Vorbildung, der Herkunft und des Lebensalters der Aspiranten zu stellen. Überall machen sich ferner Bestrebungen geltend, welche die allgemeine Bildung des Offiziers erweitern und vertiefen wollen, da der O., der Lehrer und Erzieher im Geiste der allgemeinen Wehrpflicht, also für alle Bildungsklassen sein will, auch ein Verständnis für die Lebenslagen besitzen muß, aus denen er seine Zöglinge empfängt. Insbesondere die großen sozialen Umwälzungen, welche die Wertung des Einzelindividuums gegen frühere Zeiten völlig verschoben haben, verlangen vom O., um das so unentbehrliche Vertrauen seiner Untergebenen zu gewinnen, außerordentliche Feinfühligkeit, die nur die Kenntnis nichtmilitärischer moderner Verhältnisse nach und nach geben kann. Einstweilen bedingen die großen Verschiedenheiten innerhalb der Offizierkorps noch vielfach eine äußerst umständliche Methode der Beförderungen, die besonders in Rußland sehr verwickelt ist, jedoch auch dort Vereinfachungen erfahren soll. Außer dem Dienstalter und den Leistungen kommt auch das Lebensalter in Frage. Hier hat Frankreich mit seinen streng durchgeführten Altersgrenzen für alle Dienstgrade die schärfsten Konsequenzen gezogen; ebenso Italien, das außer der Maximal altersgrenze, deren Erreichung das Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zur Folge hat, noch zwei Minimal altersgrenzen kennt, die eine auf Lebensalter, die andre auf Dienstzeit bezüglich, wobei der Erreichung beider dem O. das Recht auf Verabschiedung mit der chargenmäßigen Pension gibt. Auch werden hier und da die Beförderungen nicht nur zum O. überhaupt, sondern auch zu höhern Dienstgraden vom Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht. Vgl. v. Drygalski, Die Organisation der russischen Armee (Leipz. 1902; hier auch Vergleiche mit andern Armeen zu finden); »Die Heere und Flotten der Gegenwart«, herausgegeben von v. Zepelin (Berl. 1900 ff.); v. d. Goltz, Das Volk in Waffen (5. Aufl., das. 1899); P. v. Schmidt, Das deutsche Offizierkorps und seine Aufgaben in der Gegenwart (das. 1904); Walcker, Betrachtungen über das moderne Militärwesen und Völkerleben (Sondersh.[919] 1904); »Vorschrift über die Ergänzung der Offiziere des Friedensstandes nebst Dienstordnung für die Obermilitärprüfungskommission« (Berl. 1905); »Handbibliothek des Offiziers« (das. 1904 ff.).
Die Offizierkorps der Marine entsprechen in den grundsätzlichen Einrichtungen, den Rangstufen, Beförderungen, Gerichtsbarkeit und Ersatz den als Muster genommenen Bestimmungen der Armee. Das Seeoffizierkorps ergänzt sich aus den Fähnrichen zur See. Ausbildungsart s. unter »Seekadett«. Das Offizierkorps der Marineinfanterie ergänzt sich aus Armeeoffizieren, das Marine- und Torpedo-Ingenieurkorps aus Marine-Ingenieuranwärtern, die Feuerwerks-, Zeug- und Torpedooffiziere der Marine ergänzen sich aus geeigneten Feuerwerkern und Torpedern; das Marine-Sanitätsoffizierkorps ergänzt sich aus Unterärzten der Armee und Marine. Das Seeoffizierkorps ist geteilt in die Verbände der Seeoffiziere der Marinestationen der Ostsee und der Nordsee sowie die zu den obersten Marinebehörden kommandierten Seeoffiziere. Die zur Pensionierung berechtigende Dienstzeit der Seeoffiziere berechnet sich insofern anders als bei der Armee, als Seereisen von zweijähriger Dauer außerhalb der heimischen Gewässer nach jedesmaliger Festsetzung doppelt zählen. Die Gehaltsbezüge entsprechen denen der Armee und ändern sich nur an Bord durch die Tafelgelder. An Bord eingeschiffte Marineinfanterie nimmt an diesen Bezügen teil. Die Offiziere des Beurlaubtenstandes der Marine bestehen aus den Offizieren der Reserve und der Seewehr, die sich wie die Reserve- und Landwehroffiziere der Armee ergänzen. Sie werden eingeteilt in: Seeoffiziere, Offiziere der Matrosenartillerie und der Marineinfanterie, Marine-Ingenieure, Torpederoffiziere, Sanitätsoffiziere, Schiffbau- und Maschinenbau-Ingenieure. Ausscheidende aktive Offiziere der Marine treten in den Beurlaubtenstand, solange sie noch reserve- oder seewehrpflichtig sind. Über Offiziere auf Kauffahrteischiffen s. Schiffsoffiziere.
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