Portugiesische Kolonien

[187] Portugiesische Kolonien. Der gegenwärtige Kolonialbesitz Portugals ist in der nachfolgenden Übersicht verzeichnet.

Tabelle

[187] Das selbständige Budget belief sich 1904/05 in den Einnahmen auf 9,434,690, in den Ausgaben auf 9,476,652 Milreis. Der Handelsverkehr betrug 1903 in der Einfuhr 24,252, in der Ausfuhr 21,777 Contos de Reis.

Geschichte. Den Mauren folgend, die sie vom heimatlichen Boden vertrieben, haben die Portugiesen zuerst an der Nordwestecke der afrikanischen Küste einzelne Plätze besetzt, von denen aus sich im Laufe der Zeit ein Handelsverkehr mit dem Hinterland anbahnte. Seit 1415 aber ging der Infant Dom Henrique (Heinrich der Seefahrer, s. Heinrich 47) zu einer methodischen Ausdehnung der afrikanischen Entdeckungen über, deren Ziel das Christenreich des Priesters Johannes im Innern Afrikas bildete. Bis zum Tode des Infanten (1460) waren die Portugiesen bis über das Kap Verde vorgedrungen und hatten in Arguim die erste jener Handelsfaktoreien errichtet, die für die Kolonisationsart der Portugiesen charakteristisch waren. In der Folge war zunächst der Kolonialhandel privater Initiative überlassen, erst 1481 nahm Johann II. die Entdeckungspläne des Infanten Heinrich wieder auf. In seinem Auftrag erreichte Diogo Cão 1484 Kap Croß und Bartholomeu Diaz 1487 das Cabo Tormentoso, dem der König den Namen Kap der Guten Hoffnung beilegte. Unter ihm fand auch nach der Entdeckung Westindiens durch die Spanier unter Kolumbus 1493–94 die Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in der Weise statt, daß alles, was östlich eines Meridians, der 370 spanische Meilen westlich von den Kapverdischen Inseln verlief, gelegen war, den Portugiesen, was westlich lag, den Spaniern zufallen sollte. Unter Johanns Nachfolger, Emanuel dem Glücklichen, gelang es endlich der Energie Vasco da Gamas, 1497 das Kap zu umschiffen und von der Ostküste von Afrika über den Persischen Golf bis zu den Hafenplätzen Ostindiens vorzudringen, welche die Portugiesen im Laufe der nächsten 30 Jahre mehr noch im Kampfe mit den arabischen Händlern als mit den Eingebornen selbst einen nach dem andern in ihre Gewalt zu bringen, und sich damit zu Herren des Handels mit den Gewürzen und andern Kostbarkeiten des fernen Ostens zu machen verstanden haben, auf dem bis dahin der Reichtum und die Macht Venedigs beruht hatten. Nach einem kurzen Wettstreit mit den Spaniern um die Molukken, die Magalhães 1520 für Karl V. in Besitz nahm, dieser aber 1535 an Portugal verpfändete, war letzteres unumstrittener Herr der Küsten von ganz Afrika und Vorder- und Hinterindien. Dazu war 1499 noch durch die zufällige Landung von Cabrals nach Ostindien bestimmten Geschwader die Ostecke von Südamerika (Brasilien) gekommen, indem es sich herausstellte, daß dieses Land weit in den Bereich der 370 Meilen von den Kapverden hineinragte. Das ganze weite Gebiet wurde aber von den Portugiesen nicht kolonisiert, sondern sie begnügten sich damit, die Küstenplätze zu besetzen und von dort aus das Hinterland sich wirtschaftlich untertan zu machen. Nur in Brasilien, dessen Kulturzustand bei einer solchen Behandlung gar keine Erträge ermöglichte, wurde 1534 der Versuch gemacht, das Land in Kapitanien auszuteilen, und diese an 15 Donatare zu überlassen gegen die Verpflichtung der wirtschaftlichen Erschließung. Als dieser Versuch fehlschlug, nahm die Krone 1549 das Land zurück und überließ seine Kolonisierung in der Hauptsache den Missionaren, von denen besonders die Jesuiten mit außerordentlichem Erfolge tätig gewesen sind. Unterdessen war der ostindische Gewürzhandel die Hauptsäule für den Reichtum und die politische Machtstellung von Portugal geworden. Die Krone betrieb den Kolonialhandel durchaus monopolistisch, lud aber die Gefahren desselben in der Weise auf fremde Schultern ab, daß sie sowohl den Einkauf als den Verkauf der Gewürze Monopolgesellschaften übertrug, die unter ständiger Kontrolle der Behörden zwar auch sich selbst, vor allem aber die Krone in außerordentlichster Weise bereicherten. Daran änderte sich zunächst wenig, als Portugal 1580 mit Spanien vereinigt wurde; erst als die aufständischen Niederlande den Kampf gegen Spanien auf das wirtschaftliche Gebiet übertrugen, im zwölfjährigen Waffenstillstand 1609 sich den ungestörten Handel mit Spanien ertrotzten, bei Wiederausbruch des Krieges (1621) aber dazu schritten, den Verkehr Spaniens mit seinen Kolonien zu unterbinden, erlitt auch Portugal in seinem Kolonialbesitz erhebliche Einbuße. Die Sundainseln und Guayana sind dadurch dauernd, Brasilien vorübergehend in niederländischen Besitz geraten, und die Häfen Ostindiens wurden jahrzehntelang fast unausgesetzt von den Niederländern und den mit ihnen verbündeten Engländern belästigt. Erst die Wiederherstellung der Unabhängigkeit in Portugal 1640 brachte auch dem Kolonialbesitz desselben wieder bessere Zeiten. Verträge mit Holland und England machten den Feindseligkeiten ein Ende; die brasilischen Eroberungen des Prinzen Heinrich von Nassau wurden 1654 zurückgewonnen. Aber die portugiesischen Kolonien gingen an ihrer eignen Schwäche zugrunde. Um gegen die Holländer und gegen die Eingebornen die Unterstützung Englands zu gewinnen, trat Portugal diesem 1661 Bombay ab. Die Engländer aber machten von dort aus den Portugiesen rücksichtslos Konkurrenz und breiteten ihre Herrschaft immer weiter aus, während Portugal einen Platz nach dem andern an die Mahratthen verlor, bis ihm in ganz Ostindien nur noch Goa, in Ostasien außerdem nur Macao und Timor verblieb. Auch sein afrikanischer Besitz war, wenn auch nicht in gleichem Umfange, zusammengeschmolzen, während Brasilien 1825 auf friedlichem Wege seine Unabhängigkeit von Portugal erreichte. Während des 19. Jahrh. hat Portugal aus seinen Kolonien nur noch geringen Nutzen gezogen. Territoriale Bedeutung besitzen nur noch die afrikanischen Besitzungen; ihre Ausbeutung wird aber vollkommen von England kontrolliert, das dort ebenso mächtig ist als die nominelle Vormacht. Ein Geheimvertrag räumt zudem England bedeutende Rechte (vermutlich ein Vorkaufsrecht für den Fall der Veräußerung) an denselben ein. Vgl. A. Zimmermann, Die Kolonialpolitik Portugals und Spaniens (Berl. 1896); E. J. de Vasconcellos, As colonias portuguezas (2. Aufl., Lissab. 1903); Whiteway, Rise of the Portuguese power in India 1497–1550 (Lond. 1899); Strandes, Die Portugiesenzeit von Deutsch- und Englisch-Ostafrika (Berl. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 187-188.
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