[201] Poseidōn, bei den Griechen der Gott des Wassers, Sohn des Kronos und der Rhea, jüngerer oder älterer Bruder des Zeus, Gemahl der Amphitrite, Vater des Triton, erhielt bei der Weltteilung die Herrschaft über das Meer samt allen seinen Göttern und Geschöpfen.
Wie Zeus den Blitz, so führt er den Dreizack, mit dem er das Meer aufwühlt, Felsen spaltet und Quellen und Rosse daraus hervorspringen läßt. Weil sich die alte Zeit das Meer nicht nur als Umgebung, sondern auch als Halt und Stütze der Erde dachte, heißt er Gaieochos (»Erdhalter«); anderseits aber Enosigaios, Enosichthon und Seisichthon (»Erderschütterer«) als Erreger der Erdbeben. Jeder Verkehr auf und an der See, Schiffahrt, Häfen, Seestädte, Fischfang, Seekämpfe etc., war ihm unterstellt. Alle seefahrenden griechischen Stämme und Geschlechter, namentlich die Jonier, knüpften ihren Stammbaum an P. an; auch fremde Seevölker galten für seine Abkömmlinge. Von ihm kommen Stürme, Wogen und Schiffbruch, aber auch günstige Winde. Daher wurde er auch als Sotér, als hilfreicher Gott des Meeres, verehrt. Auch in den Flüssen waltete er, und an Quellen und Brunnen ward er als Nymphagetes verehrt. Ferner galt er als Schöpfer und Bändiger des Rosses (Hippios), das ursprünglich wohl Bild der Woge war, und als Obwalter der reisigen Wettkämpfe. Wie sein Element leicht erregbar, ist er nachhaltig und schrecklich in seinem Groll. So hilft er wegen des Betrugs des Laomedon (s. d.) eifrig zum Untergang von Troja und verfolgt Odysseus wegen der Blendung seines Sohnes Polyphemos (s. d.). Wie bei diesem, so zeigt sich auch bei andern Söhnen (s. Antäos, Kyknos, Busiris u. a.) rohes, gewalttätiges Wesen. Vielfach beschäftigen sich Poesie und Kunst mit der Sage von Poseidons Liebe zur Danaïde Amymone (s. d.). Von der Bändigung des Rosses durch P. berichtete vorzüglich die korinthische Sage (s. Pegasos). Um Attika kämpfte er mit Athene und schenkte dem Lande das Roß und eine Quelle auf der Burg. Seine Heiligtümer befanden sich gewöhnlich auf Vorgebirgen, Landen gen und Landzungen. Einer der wichtigsten Mittelpunkte seines Kults war der Isthmus bei Korinth, wo ihm die Isthmischen Spiele galten. Heilig waren ihm Roß, Delphin und Fichte, mit deren Zweigen in den Isthmischen Spielen die Sieger bekränzt wurden. Man opferte ihm Pferde und Stiere, besonders schwarze, auch Eber und Widder. Außer dem Dreizack (der Harpune) ist der Delphin (auch der Thunfisch) sein gewöhnliches Attribut. Die Römer identifizierten mit ihm ihren Neptunus (s. d.). Die bildende Kunst stellt P. seinem Bruder Zeus ähnlich dar, aber ohne den Ausdruck geistiger Überlegenheit und mit Hervorhebung der physischen Kraft durch die breite Brust und die gewaltige Muskulatur des Oberkörpers, mit wie feucht niederhängendem, etwas wirrem Haar und Bart, mit strengen und ernsten, oft düstern Zügen, gewöhnlich nackt. Eine häufige, wohl auf ein berühmtes Werk zurückgehende Gruppe von Darstellungen zeigt ihn den Arm auf den Oberschenkel stützend, den einen Fuß auf einen Felsen oder Delphin setzend, den Blick in die Weite gerichtet, wie ein auf das Meer ausschauender Seemann (vgl. die Statue des Laterans, Fig. 1). Von Tritonen und Nereïden begleitet, neben Amphitrite sitzend, zeigen ihn viele Sarkophagreliefs, am schönsten das der Münchener Glyptothek (Fig. 2).
Vgl. Gerhard, Ursprung, Wesen und Geltung des P. (Berl. 1851); Brunn, Griechische Götterideale, S. 68 ff. (Münch. 1893).
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