Stiller Ozean

[37] Stiller Ozean (Großer Ozean, Pacific; hierzu Karte »Stiller Ozean«), derjenige Teil des Weltmeeres, der sich zwischen Amerika, Asien und Australien von der Beringstraße bis zum südlichen Polarkreis ausbreitet und gegen den Atlantischen Ozean durch den Meridian des Kap Horn, gegen den Indischen Ozean durch den Meridian des Kap Leeuwin abgegrenzt werden kann. Er überdeckt uneingerechnet das Chinesische Meer und die australisch-ostindischen Archipelgewässer einen Flächenraum von 161,138,000 qkm und mit den Nebenmeeren 175,445,000 qkm, übertrifft also an Ausdehnung die Gesamtoberfläche der fünf Kontinente (134,800,000 qkm). Die älteste Benennung des Stillen Ozeans war Mar del Zur, die Südsee, weil dieses Meer bei der ersten Entdeckung 1513 von Vasco Nuñez de Balboa im Süden des Isthmus von Darien gesehen wurde. Die Benennung Südsee ist noch jetzt für das gesamte inselreiche Meer südlich von Japan und den Sandwichinseln, namentlich bei den Seeleuten, allgemein in Gebrauch. Die von Malte-Brun herrührende Bezeichnung als Großer Ozean hat sich nicht allgemein einzubürgern vermocht und verschwindet mehr und mehr. Die in allen Sprachen eingebürgerte Bezeichnung Pacific oder S. O. rührt von Magalhães her, der nach stürmischer Fahrt drei Monate lang bei beständigem stillen Wetter dieses Meer durchsegelte, bis er die Ladronen erreichte. Der Beginn der Erforschung des Stillen Ozeans auf wissenschaftlicher Grundlage datiert von Cook und seinen unmittelbaren Nachfolgern. In den drei letzten Jahrzehnten des 19. Jahrh. haben besonders russische Seeoffiziere die Kenntnisse vom nordwestlichen Teil des Stillen Ozeans gefördert, unter ihnen am meisten Makarow; den nordöstlichen Teil erforschten die Amerikaner (Agassiz u. a.), den südwestlichen vorwiegend englische Vermessungsschiffe.

Die Tiefe des Stillen Ozeans nimmt im allgemeinen von der Westküste von Patagonien bis nach Japan, den Kurilen und Alëuten hin allmählich zu. Von 2000 m im Anfange steigt sie bis zu 8000 m und darüber in der Nordwestecke, hier eine von der Ostküste Japans längs den Kurilen und Alëuten sich erstreckende Rinne, die Tuscarora- oder nordwestpazifische Tiefe, bildend. In derselben fand die »Tuscarora« mit 8513 m eine Tiefe, die viele Jahre lang als größte bekannte Meerestiefe galt. Erst 1895 ist dieselbe übertroffen worden, und zwar zunächst auf südlicher Breite durch die vom englischen Vermessungsschiff Penguin östlich von den Tongainseln gemachten Lotungen, die Tiefen von 9184 m, 9413 m und 9427 m ergaben. Die letztere liegt in 30°28' südl. Br. und 176°39' westl. L., die zwei andern nördlich davon. An diese Tongarinne schließt sich nach Süden zu eine ziemlich ausgedehnte, bis zu 50° südl. Br. reichende Depression von 5000 m an. Die Gewässer zwischen Australien und den vielen Inselgruppen im westlichen Stillen Ozean haben sehr wechselvolle Tiefenverhältnisse. Die einzelnen Inselgruppen scheinen nicht auf einem gemeinsamen Plateau zu liegen, sondern alle mehr oder weniger aus verhältnismäßig großen Tiefen (3000 m und mehr) aufzusteigen. Nur von der Nordwestspitze Neuseelands nach NW., nach Australien zu, bleiben die Tiefen unter 2000 m, während sich zwischen Südaustralien und Neuseeland die ostaustralische Tiefe mit Tiefen über 5000 m einschiebt. Die größte aller bisher bekannten Meerestiefen fand aber das amerikanische Schiff Nero 1899 in der Nähe der Insel Guam, also auf nördlicher Breite, mit 9636 m (s. Meer, S. 527). In neuerer Zeit sind die durch Kabeldampfer ausgeführten zahlreichen Messungen wichtig geworden, so durch Britannia für die Gegend Vancouver-Fanninginseln und Fidschiinseln, durch Edi 1903 für die Gegend Schanghai-Guam-Yap-Menado, durch das deutsche Kriegsschiff Planet 1906 für die Strecke Matupi-Manila. Charakteristisch sind zahlreiche schmale, aber sehr tiefe Gräben nahe den pazifischen Küsten, soz. B. an der Küste von Chile und Peru, von den Philippinen, Liu-Kiu-Inseln, Yap, Palau u. s. s. Die niederländische Tiefsee-Expedition auf der Siboga 1899 hat wertvolle Aufklärungen über die Tiefen des Malaiischen Archipels gebracht. – Die im Stillen Ozean nicht seltenen Erdbebenwellen lassen einen Schluß zu auf die mittlere Tiefe des durchlaufenen Meeresgebiets. Die Erdbebenwellen von 1854,1868 und 1877 sind zu solchen Berechnungen benutzt und haben für die Richtung Kalifornien-Japan rund 4050 m, für die Richtung Peru-Neuseeland 2750 m ergeben; aber solche Beobachtungen haben heute nicht mehr den Wert wie früher, da wir nun durch direkte Messungen sicherere Kunde erhalten haben, als jene gewähren. Die mittlere Tiefe des Stillen Ozeans allein wird zu 4083 m angegeben, die des Stillen Ozeans einschließlich der Nebenmeere zu 3829 m.

Das Stromsystem an der Oberfläche des Stillen Ozeans zeigt in seinen Hauptzügen Analogien mit dem des Atlantischen Ozeans. Auch hier wird ein Äquatorialstrom von den Passaten zu beiden Seiten des Äquators nach W. getrieben. Die Nordgrenze dieser Westströmungen liegt auf etwa 20° nördl. Br., die Südgrenze auf 24° südl. Br. Zwischen beiden in der Nähe des Äquators findet sich ein östlich gerichteter Äquatorialgegenstrom, und zwar zwischen 3–5° nördl. Br. einerseits und 8° nördl. Br. anderseits. Der Südäquatorialstrom des Stillen Ozeans tritt also wie im Atlantischen Ozean auch auf die Nordhemisphäre über (s. Karte der Meeresströmungen bei Artikel »Meer«). Der Gegenstrom ist im nördlichen Sommer unvergleichlich stärker entwickelt als im nördlichen Winter, wo er oft, besonders im mittlern Teil, ganz fehlt. Eine große Fläche des Stillen Ozeans ist frei von regelmäßigen Strömungen; an den Küsten der Kontinente dagegen finden sich meist ausgeprägte Stromverhältnisse, die denen des Atlantischen Ozeans[37] nahekommen. Namentlich der Kuro-Siwo (Schwarzer oder Japanischer Strom, s. Kuro-Siwo), der warmes Wasser an der Südküste Japans nach O., an der Ostküste nach N. führt, ist stets gern mit dem Golfstrom verglichen worden. Der Labradorströmung der Ostküste von Nordamerika entspricht das kalte Wasser im Ochotskischen Meer und bei den Kurilen (Oya-Siwo, s. Kuro-Siwo); der kanarischen Strömung (s. Atlantischer Ozean, S. 46) entspricht die kühle kalifornische Strömung. Im südlichen Stillen Ozean finden sich ebenfalls analoge Strömungen wie im südlichen Atlantischen Ozean, soz. B. eine nach Süden setzende australische Strömung, eine Ablenkung und Fortsetzung des südlichen Äquatorialstroms. Südlich von 30° südl. Br. herrschen Westwinde und mit ihnen laufende Ostströme vor, die nach der Westküste Südamerikas das Wasser hintreiben. Daraus resultieren an dieser Küste die an der patagonischen Küste nach Süden um das Kap Horn setzende Strömung und nach N. die kalte Peru- oder Humboldt-Strömung, die sich bis über die Galapagosinseln hinaus in den Äquatorialstrom hinein fortsetzt. Die an der Küste von Chile und Peru bekannten dichten Nebel werden diesem kalten Wasser zugeschrieben, doch ist dabei auch Wasser beteiligt, das aus der Tiefe direkt aufsteigt (s. Meer, S. 529, und Fig. 1 daselbst).

Die Temperaturverteilung an der Oberfläche (s. die Zahlen auf der Tiefenkarte) zeigt zu allen Jahreszeiten eine Ansammlung von sehr warmem Wasser (über 28°) im westlichen tropischen Teil des Stillen Ozeans, also in der Gegend östlich von den Philippinen und Neuguinea bis zu den Karolinen, Marshall- und Samoainseln. Sehr kühl (zeitweise nur 19–20°) ist dagegen das Wasser bei den Galapagosinseln. Die vom Kuro-Siwo bedingte Fortführung von Wärme nach NO. ist nicht so groß wie die vom Golfstrom im Atlantischen Ozean. Das Gebiet, in dem das Wasser über 20° warm bleibt, liegt etwa zwischen 25° nördl. Br. und 25° südl. Br. und bietet die Lebensbedingungen für die Risse bauenden Korallen, die im Stillen Ozean eine so große Verbreitung aufweisen (vgl. Agassiz, The coral reefs of the Pacific, Cambr. 1903) und Inselgruppen von der Ausdehnung der Karolinen und der Tuamotus u. a. ganz ausschließlich aufgebaut haben. Eine charakteristische Eigentümlichkeit des westlichen Stillen Ozeans sind die tiefen Meeresbecken, die von der freien Zirkulation des Tiefenwassers durch unterseeische Bodenerhebungen abgeschlossen werden (vgl. Tiefentemperatur im Artikel »Meer«, S. 529 f.). So ist z. B. das Korallenmeer zwischen Australien, Neuguinea, den Salomoninseln, Neuen Hebriden und Neukaledonien mit Tiefen von 4900 m in 2500 m durch eine Bodenerhebung abgesperrt, ebenso sind die Bandasee (6505 m), Celebessee (5150 m) in Tiefen von etwa 1200 m umrandet und gegen den Stillen Ozean abgeschlossen, wie sich aus ihren vergleichsweise hohen Bodentemperaturen ergibt. Im übrigen ist die Bodentemperatur des freien, gegen die Südpolargewässer offenen Stillen Ozeans sehr gleichmäßig, etwa 1,3 bis 1,9°.

Die Windverhältnisse des Stillen Ozeans sind im allgemeinen denen des Atlantischen Ozeans ähnlich. Zwischen 25° nördl. Br. und 25° südl. Br. wehen vorherrschend Nordost- und Südostpassate, die jedoch hier nur durch einen schmalen, im östlichen Teil einigermaßen entwickelten Stillengürtel voneinander getrennt sind. An der Westküste von Nordamerika sind nördliche, an dervon Südamerika sehr beständige, aber schwache südliche Winde das ganze Jahr hindurch vorherrschend. Die Westseite des Stillen Ozeans, namentlich die obengenannten, durch ihre Tiefentemperaturen merkwürdigen Meeresteile liegen im Gebiete der je ein Halbjahr wehenden Nordwest- und Südostmonsune, die den Nordost- und Südwestmonsunen des Indischen Ozeans (s. d.) entsprechen. Die höhern Breiten beider Hemisphären weisen, ähnlich wie im Atlantischen Ozean, vorherrschend Westwinde auf, die namentlich im Süden sehr kräftig und beständig angetroffen werden. Vgl. »Atlas des Stillen Ozeans« (hrsg. von der Deutschen Seewarte, Hamb. 1896); »Segelhandbuch des Stillen Ozeans« (desgl., das. 1897); Makarow, L'Océan Pacifique (Petersb. 1894, 2 Bde.); Puls, Die Temperaturen und Strömungen des äquatorialen Stillen Ozeans (aus dem »Archiv der Seewarte«, Hamb. 1895); Weber, Siboga-Expeditie (Leiden 1903); Agassiz, Expedition to the Eastern Pacific (Cambr. 1906).

Verkehrsverhältnisse des Stillen Ozeans.

Als Entdecker des Stillen Ozeans muß Magalhães gelten, der ihn in seiner ganzen Ausdehnung von SO. nach NW. durchkreuzte. Aber erst 1565 gelang dem Mönch und Seefahrer Urbaneta der Versuch, den Stillen Ozean von W. nach O. zu durchmessen. Der Ruhm, nicht nur die in ihm verstreuten Archipele und einzelnen Inseln, auch seine Tiefenverhältnisse und Risse näher bekannt gemacht zu haben, gebührt Cook. An den asiatischen und australischen Küsten sowie entlang der Westseite Amerikas wurde der Seeverkehr mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Erschließung dieser Küsten für den europäischen Handel seit Anfang des 19. Jahrh. allmählich belebter; ein regelmäßiger Verkehr durch die weite Fläche des Ozeans entwickelte sich erst nach dem Aufblühen der australischen Kolonien und nach der regern Anteilnahme Nordamerikas an dem Handel mit Ostasien. Die Vollendung der Eisenbahn über den Isthmus von Panama führte zur Einrichtung einer Dampferlinie von Panama nach Sydney als Fortsetzung einer in Aspinwall endigenden englischen Linie, aber die Pacificbahn von New York nach San Francisco gab dem Verkehr andre Bahnen. Die zunehmende volkswirtschaftliche Bedeutung der australischen Kolonien führte Hand in Hand mit dem wachsenden Handelsverkehr zur Vermehrung der zwischen Europa und Australien fahrenden Postdampferlinien. Zu den Linien, die um die Südküste des Australkontinents dessen Ostküste erreichen, traten solche, welche die Torresstraße durchziehen, kamen Anschlußlinien in Sydney nach Neukaledonien, dem Fidschiarchipel, der Samoa- und Tongagruppe sowie nach Neuguinea. Größerer Verkehr mit und zwischen den einzelnen Inseln wurde erst dann zum Bedürfnis, als man auf ihnen und in ihren Gewässern wertvolle Waren entdeckte, wie Kopra, Perlen und Perlmutter, Trepang, Schildkrötenschalen, und als die von europäischen Unternehmern in Ostaustralien und auf mehreren Inselgruppen begonnene Plantagenwirtschaft eine Nachfrage nach Arbeitern erzeugte, die nur durch Herbeiziehung von Bewohnern gewisser Inselgruppen befriedigt werden konnte. Die wichtigsten Dampferlinien, die den Stillen Ozean kreuzen (s. die »Weltverkehrskarte« beim Artikel »Dampfschiffahrt«), sind (1907): die Canadian Pacific Steamship Line zwischen Hongkong (über Schanghai, Nagasaki, Kobe, Yokohama) und Vancouver; die Pacific Mail S. S. Co., die Occidental u. Oriental S. S. Co. und die Toyo Kisen Kaisha zwischen Hongkong (über Schanghai, Manila, Nagasaki, Kobe, Yokohama) nach Honolulu und San Francisco;[38] die Canadian-Australian Royal Mail S. S. Co. von Vancouver über. Honolulu, Suva (Fidschi; Nebenlinie nach Auckland) und Brisbane nach Sydney; die American and Australian Line von San Francisco nach Tahiti; außerdem deutsche Linien in Ostasien und dem deutschen Südseegebiet (Neuguinea etc.) sowie an der Westküste Amerikas von der Magalhãesstraße bis nach SanFrancisco und viele englische, japanische, französische und andre Linien in den Randmeeren und Küstengebieten des Stillen Ozeans sowie zwischen den australischen Inseln. Wichtige Telegraphenkabel: ein englisches von Vancouver über Fanning-Insel und Suva (Fidschi) nach Brisbane und Auckland; ein amerikanisches von San Francisco über Honolulu, Midway Island und Guam nach Manila (und geplant nach Yokohama) und Schanghai; drei deutsche Kabel von Jap nach Guam, Schanghai (und Tsingtau) sowie Menado; außerdem Küstenkabel an vielen Stellen. Vgl. Graf Wilczek und Weule, Die geschichtliche Bedeutung des Stillen Ozeans (im 1. Bd. von Helmolts »Weltgeschichte«, Leipz. 1899); Colquhoun, The mastery of the Pacific (Lond. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 37-39.
Lizenz:
Faksimiles:
37 | 38 | 39
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon