Toulon

[643] Toulon (spr. tulóng, T.-sur-Mer), Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Var, nächst Brest der wichtigste Kriegshafen Frankreichs und Festung ersten Ranges, liegt am Südfuße des Mont Faron (582 m) im Grunde der tiefen Bai von T. des Mittelländischen Meeres, die westlich durch die Halbinsel Sicié und südlich durch die von dieser nach O. auslaufende Halbinsel Cépet begrenzt wird, an der Mittelmeerbahnlinie Marseille-Nizza (s. Karte der Umgebung von T., S. 644). Die Umfassungsmauer, die früher nur die eigentliche alte Stadt mit ihren engen Straßen umgab, wurde in neuerer Zeit weiter hinausgeschoben und schließt nun ein neues Stadtviertel mit breiten Straßen und schönen Bauten ein. Südlich liegt die Vorstadt Le Mourillon. Die wichtigsten [643] Straßen und Plätze sind: der Boulevard Strasbourg, der Cours Lafayette mit Platanenallee, die Place de la Liberté mit schöner Fontäne (1890), der Hafenkai mit der Bronzestatue des Genius der Schiffahrt, die Place d'Armes, der Stadtpark etc. Hervorragende Gebäude sind: die ehemalige Kathedrale Ste.-Marie Majeure, 1096–1154 im romanischen Stil erbaut, im 17. Jahrh. ganz umgebaut (prächtiger Altar mit Skulpturen von Puget), die Kirchen St.-Louis (18. Jahrh.), St.-François de Paule und St.-Pierre, das Stadthaus (17. Jahrh.), die Marinepräfektur (1788), das Gebäude des Museums und der Bibliothek (1887) und das neue Theater (1860).

Lageplan von Toulon.
Lageplan von Toulon.

T. zählte 1901: 97,293 (als Gemeinde 1906: 103,549) Einw. Abgesehen von den umfangreichen Werkstätten des Marinearsenals (s. unten), gibt es nur wenige industrielle Etablissements (für Teigwaren, Seife, Leder etc.); auch der Handel ist nicht sehr bedeutend. 1901 liefen im Hafen von T. 294 Schiffe von 146,494 Ton. ein und 273 Schiffe von 140,526 Ton. aus. Der Handel mit dem Ausland und Algerien ist unbedeutend, etwas größer der Küstenhandel; zur Einfuhr kommen Wein, Kohle, Baumaterial, Getreide und Olivenöl. Der Hafen von T. ist sehr sicher und wird durch zahlreiche Forts und Batterien, welche die umliegenden Höhen und Vorgebirge krönen, geschützt; mehrere Leuchttürme sichern die Einfahrt. Er umfaßt die Darse vieille (16 Hektar, teilweise für Handelsschiffe bestimmt) und die Darse neuve (Vauban), die den Kriegshafen bilden, und östlich davon den kleinen Handelshafen (Port de la Rode, nur 5 m tief). Zum Kriegshafen gehört das Marinearsenal, das, 1680 nach Vaubans Plänen erbaut, 270 Hektar Fläche bedeckt und 12,000 Arbeiter beschäftigt. Den Eingang bildet ein monumentales Tor (von 1738), mit Statuen von Mars und Bellona. Den Hof des Arsenals umgeben das große Magazin (für die Materialien zum Bau und zur Ausrüstung der Schiffe), die 320 m lange Seilerei, die Eisenguß- und Hammerwerke, der Artilleriepark, das Marinemuseum, der Waffensaal, die Feilerei und Modellkammer. Auf dem Inselkai zwischen dem alten und neuen Hafenbassin des Kriegshafens befinden sich drei Docks und das ehemalige Bagno, jetzt Depot für die nach Cayenne und Neukaledonien zu deportierenden Verbrecher. An den Kriegshafen schließt sich westlich, durch den Quai de la Garniture von demselben getrennt, das Bassin von Castigneau mit der Bäckerei, Fleischerei, Kesselschmiede, Torpedofabrik und Eisengießerei, großen Viktualienmagazinen und Kohlendepots an. Noch weiter westlich ist das neue Bassin von Missiessy (mit Magazinen) hinzugekommen. In der südlichen Vorstadt Mourillon liegt ebenfalls eine Abteilung des Arsenals mit großen Magazinen für Schiffbauholz und Metalle, einem Stahlwerk für Schiffspanzer und der Marinekaserne. Zu den Marine-Etablissements gehört endlich das Matrosenhospital von St.-Mandrier auf der Halbinsel Cépet. Bei letzterm befindet sich ein Botanischer Garten und in der Nähe südöstlich eine Pyramide zum Andenken an den Admiral Latouche-Tréville und westlich das Quarantänelazarett. T. hat ein Lyzeum, eine hydrographische Schule, eine medizinische Schule, eine Schule für [644] Schiffsärzte, die École Rouvière (Vorbereitungsschule für Schiff- und Maschinenbau), eine Marineartillerieschule, eine Deckoffizier-, eine Feuerwerkerschule, eine Munizipalbibliothek (30,000 Bände), eine Marinebibliothek (10,000 Bände), 2 Theater, ein Museum, ein Observatorium, eine Filiale der Bank von Frankreich und ist der Sitz eines Marinepräfekten, eines Zivil-, Handels- und Seegerichts, einer Handelskammer und mehrerer Konsulate fremder Staaten. In der Vorstadt Mourillon befinden sich Seebäder. Schöne Punkte in der Umgebung sind das Fort La Malgue mit prächtiger Aussicht, der Berg Faron, die westlich gelegene Halbinsel Sicié mit der Stadt La Seyne-sur-Mer (s. d.), dem hochgelegenen Ort Six-Fours mit uralter Kirche und dem Vorgebirge Sicié mit Wallfahrtskirche, endlich im S. die Halbinsel Cépet (s. oben). Als lokale Verkehrsmittel dienen die Straßenbahn und die regelmäßig nach La Seyne und St.-Mandrier verkehrenden Dampfboote. – T. war schon als griechische Kolonie Telonion (Telo Martius) durch seine Färbereien berühmt. Im 10. und 12. Jahrh. litt die Stadt durch die Sarazenen. Sie teilte dann die Schicksale der Provence. 1524 nahm sie der Connétable von Bourbon und 1536 Karl V. ein. Ludwig XIV. ließ durch Vauban die Stadt stark befestigen. Während des Spanischen Erbfolgekrieges wurde sie 1707 von den Verbündeten unter dem Herzog Viktor Amadeus von Savoyen und dem Prinzen Eugen zu Lande, von der englisch-holländischen Flotte zur See bombardiert und großenteils in Asche gelegt, aber nicht erobert. 1744 erfochten die Engländer zwischen T. und den Hyèrischen Inseln einen Seesieg über die spanisch-französische Flotte. Während der ersten französischen Revolution erhob sich die Bevölkerung von T. im Juli 1793 gegen den Konvent und übergab, nachdem der Konvent die Stadt geächtet und ein republikanisches Heer sie eingeschlossen hatte, im Einverständnis mit der Besatzung die Stadt 29. Aug. an die vereinigte englisch-spanische Flotte unter dem Admiral Hood. Darauf ward sie tapfer verteidigt; doch infolge der Eroberung des Forts Mulgrave durch Bonaparte zwangen die Republikaner die Engländer und Spanier 19. Dez. 1793 zum Abzug. Die Konventskommissare Barras, Fréron und der jüngere Robespierre verhängten über T. ein furchtbares Strafgericht: 3000 Menschen wurden hingewürgt; die Einwohnerzahl sank von 28,000 auf 7000 herab. Vgl. Teissier, Histoire des divers agrandissements et des fortifications de la ville de T. (Par. 1874); Lambert, Histoire de T. (Toul. 1886–92, 4 Bde.); Cottin, T. et les Anglais en 1793 (Par. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 643-645.
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