Nizza

[721] Nizza (franz. Nice), Hauptstadt des franz. Depart. Seealpen und berühmter klimatischer Kurort, liegt in herrlicher Gegend am Fuß der südlichen Ausläufer der Seealpen, an einer Bucht des Mittelländischen Meeres, die östlich vom Kap Montboron und westlich von der Mündung des Var begrenzt wird, und in die hier der Paillon (Paglione) mündet, an der Eisenbahn Marseille-Genua und den Bahnlinien N.-Meyrargues und N.-Puget-Théniers. Das Klima ist infolge der gegen Norden durch terrassenartig ansteigende Bergketten geschützten Lage sehr mild und dabei heiter. Die durchschnittliche Temperatur beträgt für das Jahr 15,6°, für den Winter 9,3°, der mittlere Luftdruck 761 mm (Maximum 779, Minimum 735), die Luftfeuchtigkeit 61,4 Proz., die Regenmenge 822 mm. Die Wintersaison (November bis April) zählt 103 sonnige, 42 bedeckte und 36 Regentage. N. wird durch den Paillon in die alte Stadt, die sich am Fuß des senkrecht von der Meeresküste aufsteigenden Schloßberges mit engen, winkligen Straßen ausbreitet, und in die westlich gelegene Neustadt, die sich mit breiter Meeresfront nordwärts bis zu den Bergterrassen hinzieht, geteilt. Auch an die alte Stadt haben sich im Norden, O. und S. neue Quartiere angeschlossen. Der 97 m hohe, mit Anlagen geschmückte Schloßberg bietet eine prächtige Aussicht. Östlich von demselben liegt der Hafen Limpia, 1751 angelegt, neuerdings vergrößert. Das Standbild seines Erbauers, des Königs Karl Felix (1826), steht über dem Hafen auf der Place Bellevue.

Karte von Nizza und Umgebung.
Karte von Nizza und Umgebung.

Bemerkenswerte Plätze und Straßen in der alten Stadt sind der mit Anlagen und Springbrunnen sowie dem Denkmal Garibaldis (1891) geschmückte Square Garibaldi, der Corso (Promenade du Cours), an der Südseite der Stadt, der mit dem Hafen durch eine in den Felsen des Schloßberges gesprengte Straße (Chemin des Ponchettes) um den Vorsprung Rauba-Capen verbunden ist, der parallel mit dieser Straße südlich am Meere bis zur Mündung des Paillon laufende Quai du Midi etc. Der Fluß, an dessen Ufern Boulevards aufwärts führen, ist in seinem untersten Laufe ganz überbaut. Hier befindet sich das 1883 vollendete Casino Municipal mit Wintergarten und schönen Gesellschaftsräumen. Östlich wird dieses Gebäude vom Square Masséna (mit dem Standbilde des in der Nähe von N. gebornen Marschalls Masséna) begrenzt; westlich führt der Quai des Palmiers zu dem schönen Jardin public (mit dem 1896 vollendeten Denkmal der Vereinigung Nizzas mit Frankreich), welcher in der Promenade des Anglais, einem herrlichen, 1,5 km langen, mit Anlagen, schönen Villen und Hotels, ferner mit der in das Meer hinausgebauten Jetée-Promenade[721] (eine Art Kasino) und mit Seebädern versehenen Spaziergang am Meere, seine Fortsetzung findet. Zu erwähnen sind ferner in der Neustadt die von Arkaden eingefaßte Place Masséna, der Mittelpunkt des Fremdenverkehrs, die von derselben westlich ausgehende Rue Masséna und Rue de France, die nördlich zum Hauptbahnhof führende Avenue de la Gare, dann, die letztere quer durchschneidend, die Boulevards Victor Hugo und Dubouchage, von denen der letztere zu dem an das Plateau von Cimiez sich anlehnenden Boulevard Carabacel leitet, endlich der von der Promenade des Anglais nördlich abzweigende Boulevard Gambetta. Die öffentlichen Gebäude von N. bieten wenig Bemerkenswertes. Es befinden sich darunter die Kathedrale Ste. – Réparate (1531–1660) in der Altstadt, die gotische Kirche Notre-Dame (1880–90) und 8 andre katholische, je eine deutsch-lutherische, französischreformierte, anglikanische, presbyterianische und russische Kirche und 2 Synagogen; außerdem sind das Stadthaus, die Präfektur, der Justizplatz (1891) und die beiden Theater zu nennen. Die Stadt zählt (1901) 84,724 (als Gemeinde 105,109) Einw. Den hauptsächlichsten Erwerb bietet denselben der Fremdenverkehr. Alljährlich kommen 10–15,000 Personen zu längerm Aufenthalt, insbes. für die Wintersaison, nach N. Außerdem sind als Erwerbszweige Weinbau, Kultur von Blumen und Südfrüchten, die Bereitung von Essenzen, Parfümerien und eingemachten Früchten, die Kunsttischlerei und Drechslerei, Seidengewinnung, Färberei, Gerberei, Fabrikation von Tabak, Teigwaren, Schokolade, Olivenöl, Seife, Strohhüten etc., dann der Handel (Einfuhr von Olivenöl, Getreide und Mehl, Kohlen, Holz, Wein, Früchten, Ausfuhr von Olivenöl, Essenzen, Parfümerien, Blumen etc.) von Bedeutung. Im Hafen sind 1901: 1263 Schiffe von 310,931 Ton. eingelaufen und 1181 Schiffe von 291,682 T. ausgelaufen, davon im Verkehr mit dem Auslande 291 (98,065 T.), bez. 261 (96,855 T.). Der Warenverkehr belief sich im internationalen Handel auf 130,059 T. (im Werte von 16,5 Mill. Frank), im Küstenschiffahrtsverkehr auf 18,117 T. An Bildungsanstalten besitzt N. ein Lyzeum, eine Lehrerbildungsanstalt, ein Priesterseminar, ein Mädchenlyzeum, eine Kunstschule, eine städtische Bibliothek (60,000 Bände), ein Kunst- und ein naturhistorisches Museum, eine Sternwarte (s. Tafel »Sternwarten II«) und einen Botanischen Garten. Die Stadt hat ferner mehrere wissenschaftliche und gemeinnützige Gesellschaften, 2 Spitäler, eine Trinkwasserleitung, elektrische Beleuchtung und eine Straßenbahn. N. ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Gerichts- und Assisenhofs, eines Handelsgerichts, einer Handelskammer, einer Ackerbaukammer, einer Filiale der Bank von Frankreich und mehrerer Konsuln (darunter auch ein deutscher Berufskonsul). Die Ebene, die Täler und die Hügel rings um N. sind mit Villen und Gartenanlagen übersät. Schöne Punkte der Umgebung sind: im O. der Höhenzug des Montboron (183 m) und Montalban (212 m, mit Fort), weiter die mit N. durch die Eisenbahn, eine alte und eine neue Straße verbundene Stadt Villefranche (s. d.), der Winterkurort Beaulieu (1354 Einw.) und die kleine Halbinsel St.-Jean; im Norden (mit N. durch eine elektrische Straßenbahn verbunden) das Plateau von Cimiez mit zahlreichen Villen, einem Franziskanerkloster (von 1540), einem römischen Amphitheater und andern Resten des alten Cemenelum, die Abtei St.-Pons (775 gegründet), der Mont Gros (372 m) mit der neuen Sternwarte und der aussichtsreiche Mont Chauve (848 m) mit neuem Fort; im W. an der Varmündung das Hippodrom und der Jardin d'Acclimatation. N. ist der Geburtsort Garibaldis und Adolf Blanquis. – Im Altertum hieß die Stadt Nicaea und war die Grenzstadt Italiens und befestigte Kolonie der Massilier, die sie 300 v. Chr. zu Ehren eines Sieges über die Ligurer anlegten. Von den Römern wurde sie um 100 v. Chr. besetzt und zwar zur Sicherung des Handels als Vormauer gegen die wilden Ligurer, verlor aber seit der Gründung von Forum Julii (Fréjus) unter Augustus alle Bedeutung. Im Mittelalter gehörte N. den Grafen von der Provence, seit 1388 den Grafen von Savoyen 1538 wurde hier ein Waffenstillstand zwischen Spanien und Frankreich geschlossen. 1543 von den Franzosen zu Land und von den Türken unter Dschereddin Barbarossa zu Wasser belagert, wurde N erobert und ausgeplündert. 1691 eroberte es der Marschall Catinat, 1706 nahmen es die Franzosen abermals und zum drittenmal 28. Sept. 1792. Am 31. Jan. 1793 wurde es als Departement der Seealpen mit Frankreich vereinigt, bis 1814, wo es wieder mit Savoyen vereinigt wurde und bis 1860 eine Provinz des Königreichs Sardinien blieb. Vgl. Tisserand, Histoire civile et religieuse de la cité de Nice (Nizza 1862, 2 Bde.); Toselli, Précis historique de Nice (das.!867–70, 4 Bde.); André, Nizza, 1792–1814 (das.!894); Cais de Pierlas, La ville de Nice pendant le premier siècle de la domination des princes de Savoie (Tur. 1897); Moris, Nice à la France (Par. 1896); Lippert, Das Klima von N. etc. (2. Aufl., Berl. 1877); Ulmès, Nice et ses environs (Par. 1903); Gsell Fels, Riviera, Südfrankreich etc. (in »Meyers Reisebüchern«, 6. Aufl., Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 721-722.
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