[7] Velazquez (Velasquez, spr. weláßkes), Diego (eigentlich Diego Rodriguez de Silvay V.), span. Maler, getauft 6. Juni 1599 in Sevilla, gest. 6. Aug. 1660 in Madrid, bildete sich anfangs bei Herrera dem Ältern, dann aber, durch dessen Roheit abgestoßen, bei Pacheco, dessen Tochter er 1618 heiratete. Mehr aber als nach ältern Meistern bildete er sich nach der Natur und dem lebenden Modell und entwickelte sich so zum größten Naturalisten der spanischen Schule und zu einem der größten Maler der Kunstgeschichte überhaupt. Seine ersten Werke sind Einzelfiguren und Gruppen aus dem Volksleben, sogen. bodegones (Küchenstücke), unter denen der Wasserträger von Sevilla (im Apsleyhouse in London) das durch unbefangene Natürlichkeit der Auffassung und Freiheit der malerischen Behandlung ausgezeichnetste ist (andere in Berlin, Petersburg und englischen Privatsammlungen), und mehrere ebenfalls durchaus naturalistisch aufgefaßte religiöse Bilder, darunter die Anbetung der Könige (1619, im Pradomuseum zu Madrid). Bald nach dem Regierungsantritt Philipps IV. (1621) begab sich V. nach Madrid, um dort Beschäftigung als Hofmaler zu suchen, erreichte aber zunächst nicht sein Ziel, sondern wurde erst im Frühjahr 1623 auf Veranlassung des Herzogs von Olivares nach Madrid berufen, wo er durch ein (nicht erhaltenes) Reiterbildnis des Königs dessen Gunst gewann und 6. Okt. 1623 als Hofmaler in den Dienst des Königs trat. Er erhielt ein Atelier im königlichen Schloß und führte nun dort im Auftrag des Königs eine große, sich über die ganze Zeit seines Schaffens erstreckende Zahl von Bildnissen der Mitglieder der königlichen Familie und der Großen des Hofes aus. Am zahlreichsten sind darunter die Bildnisse des Königs aus allen Lebensaltern. Von Bildern andrer Gattung entstanden in der ersten Madrider Periode ein Geschichtsbild: die im Wettbewerb mit andern Malern entstandene, zugrunde gegangene Vertreibung der Mauren und das unter dem Namen Los borrachos (die Trinker) bekannte Bild des Madrider Museums, das den jugendlichen Bacchus, Kränze an Zechbrüder aus dem Volke verteilend, darstellt. In der plastischen Kraft der Modellierung und in der Mannigfaltigkeit der Beleuchtung bezeichnet dieses Bild den Höhepunkt der ersten Periode des V. 1629 ging er nach Italien, wo er zwar die italienischen Meister, besonders in Venedig Tintoretto studierte, aber die bereits fest ausgebildete nationale Eigentümlichkeit seines Stils beibehielt. In Italien, wo er bis Anfang 1631 blieb, entstanden unter andern zwei Geschichtsbilder: die Söhne Jakobs bringen diesem Josephs blutigen Rock (im Escorial) und Apollon in der Schmiede Vulkans (im Museum zu Madrid), letzteres nach Woermanns Urteil »technisch und malerisch zu den gewaltigsten Bildern dieser Erde« gehörend, und einige landschaftliche Ansichten aus Rom von zauberhafter Feinheit der Lufttöne. In Madrid beschäftigte ihn wieder zumeist die Bildnismalerei. Neben verschiedenen andern Bildnissen des Königs, der Königin und des kleinen Prinzen Baltasar Carlos malte er in dieser zweiten Periode seiner Madrider Zeit um 1635 die drei großen Reiterbildnisse des Königs, des Prinzen und des Herzogs von Olivares sowie die Jägerbilder des Königs, seines Bruders Ferdinand und des Prinzen, sämtlich in landschaftlicher Umgebung (im Museum zu Madrid), dann eine Reihe von Spaßmachern, Hofzwergen und sonstigen Mißgeburten (truhanes), einen Christus an der Staupsäule (Nationalgalerie in London), einen Christus am Kreuz für das Nonnenkloster San Placido (jetzt im Museum zu Madrid) und das Hauptwerk unter seinen Geschichtsbildern, die unter dem Namen Las Lanzas bekannte Übergabe von Breda (im Museum zu Madrid). Ende 1648 brach V. zum zweitenmal nach Italien auf, um im Auftrag des Königs Kunstwerke als Vorbilder für eine in Madrid zu gründende Kunstakademie anzukaufen. Er blieb bis Juni 1651 in Italien und malte hier unter anderm das Bildnis des Papstes Innocenz X. (im Palazzo Doria zu Rom), nach Burckhardts Urteil »das beste Papstporträt des Jahrhunderts«. Nach Madrid zurückgekehrt, fand er infolge der zweiten Heirat des Königs mit Maria Anna von Österreich neue Aufgaben für seine Tätigkeit als Hofmaler. Außer Bildnissen der Königin, des Königs und der 1651 ihnen gebornen Prinzessin Margarete sowie der genannten lustigen Personen, schuf er in dieser Zeit seine beiden größten Meisterwerke, die Teppichwirkerinnen und das unter dem Namen Las Meninas (die Hoffräulein) bekannte Bild, das V., die königliche Familie malend, darstellt, eine Krönung der Maria und ein kleineres Bild mit dem Besuche des heil. Abtes Antonius bei dem heil. Einsiedler Paulus (alle vier im Museum zu Madrid). Seine aufreibende Tätigkeit im Dienste des Königs, der ihn 1651 auch zum Schloßmarschall ernannt hatte, zog ihm ein hitziges Fieber zu, an dem er starb. V. ist einer der größten Bildnismaler aller Zeiten. Sein höchstes Ziel war auf die streng objektive Nachahmung der Natur bei geistreicher und individueller Auffassung gerichtet, und deshalb ist sein Stil auf die ihm geistesverwandte Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. von großem Einfluß geworden. Seine Malweise hat verschiedene Wandlungen durchgemacht. Von einer kräftig-pastosen Farbengebung mit schwärzlichen Schatten ausgehend, lernte er allmählich die Einwirkung der freien Luft auf Figuren und Gegenstände kennen und hüllte schließlich alle Lokalfarben in einen kühlen, grauen Ton, der seinen reifsten Schöpfungen das Gepräge gibt. In seinen letzten Arbeiten löste er die früher verschmolzene Behandlung in lauter einzelne, leicht hingesetzte Pinselstriche auf, die erst bei der Betrachtung aus größerer Entfernung zu einem einheitlichen Gewebe von geschlossener Harmonie zusammenwachsen. Außerhalb Madrids findet man Werke von V., zumeist Bildnisse, besonders in der kaiserlichen Galerie zu Wien, in der Londoner Nationalgalerie[7] und in englischen Privatsammlungen (die Venus mit dem Spiegel aus Rockeby wurde 1906 für die Nationalgalerie erworben) und in den Museen zu Paris, Petersburg, München, Berlin, Dresden und Frankfurt a. M. Die frühere Literatur ist überholt durch: Justi, Diego V. und sein Jahrhundert (u. Aufl., Bonn 1903, 2 Bde.). Vgl. außerdem: Armstrong, Art and life of V. (Lond. 1896, neue Ausg. 1906); Stevenson, The art of V. (das. 1897; deutsch von F. v. Bodenhausen, Münch. 1905); A. de Beruete, Velazquez (Par. 1898; engl. Ausg., Lond. 1907); Knackfuß, V. (5. Aufl., Bielef. 1905); Gensel, Velazquez (»Klassiker der Kunst«, Bd. 6, 2. Aufl., Stuttg. 1908); Calvert, V. (Lond. 1908).