[212] Vogelschutz, die Maßnahmen zur Erhaltung der Vögel, die sowohl hohen ethischen als auch praktischen Wert haben, da sie der Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Pflanzen- und Insektenreich dienen. Während früher die Vögel dem durch den Menschen betriebenen Vogelsang bei den damals noch unbeschränkten Nistgelegenheiten wohl widerstehen konnten, sind ihnen durch den intensiven Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, durch Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonleitungen, durch elektrisches Licht u. neue Feinde entstanden. Der notwendige Schutz kann erfolgen durch Gesetze, die sich gegen die direkte menschliche Vernichtung wenden, und durch praktische Maßnahmen, die den Vogeln die nötigen Lebensbedingungen, besonders hinreichende und zusagende Nistgelegenheiten, sichern, bez. neu schaffen wollen. Der Wert beider Maßnahmen wird sehr verschieden beurteilt, doch ist der praktische V. jetzt wohl allgemein als notwendig anerkannt. Alle Vogelschutzgesetze schützen vornehmlich nur die nützlichen Vögel, d. h. die Vögel, von denen angenommen wird, daß durch ihre Lebensweise den Menschen ein materieller Nutzen (Vertilgung schädlicher Insekten) erwächst. Da nun ein und derselbe Vogel je nach seiner Betätigung der menschlichen Arbeit gegenüber örtlich sehr verschieden beurteilt werden kann, so sind auch diese Gesetze von jeher sehr abweichender Art gewesen. Erst in neuerer Zeit hat man hierfür eine einheitliche Grundlage geschaffen durch die 1895 von Delegierten fast sämtlicher europäischer Staaten in Paris abgeschlossenen »Konvention zum Schutze der für die Landwirtschaft nützlichen Vögel«. Dieser sind bis jetzt beigetreten Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Lichtenstein, Luxemburg, Monaco, Norwegen, Österreich-Ungarn, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien. Die vertragschließenden Parteien sind verpflichtet, ihre Gesetzgebung mit dieser Übereinkunft in Einklang zu bringen. Als Schwerpunkt erscheint das gänzliche Verbot des Massenfanges, besonders mit Netzen und [212] Schlingen. Dieses Verbot kann aber leicht umgangen werden, weil »die Bestimmungen der Übereinkunft nicht anwendbar sein sollen auf solches Federvieh, das durch die Gesetze des Landes als jagdbar bezeichnet ist«. Dies ist denn auch schon mehrfach geschehen, wie z. B. durch den noch immer bestehenden Massenfang der Drosseln (Krammetsvögel). Der Deutsche kann den Italienern keinen Vorwurf aus dem Fang der aus Deutschland kommenden Vögel machen, so lange er selbst die von Norden kommenden Vögel in gleicher Weise durch den Krammetsvogelfang vernichtet. Die Geschichte des Vogelschutzes reicht bis zum Anfang des 19. Jahrh. zurück. Bechstein, Oken, Gloger, Lenz, Brehm, Ruß, Liebe haben als Pioniere auf diesem Gebiet gewirkt. Aber ihre Bemühungen blieben ohne nennenswerten Erfolg, da sie zumeist theoretischen Erwägungen, nicht der lebendigen Natur entsprachen. Ein Umschwung zum Bessern wurde erst seit etwa 15 Jahren durch v. Berlepsch herbeigeführt, der einen auf strenge Naturbeobachtungen aufgebauten und unsern Kulturverhältnissen entsprechenden V. geschaffen hat. Auf den neuen Grundsätzen fußt jetzt der gesamte V. des In- und Auslandes. v. Berlepsch hat die von ihm empfohlenen Maßnahmen auf seiner ausgedehnten Versuchsstation für V. zu Schloßgut Seebach, Kreis Langensalza, viele Jahre hindurch erprobt. Sie paßt sich aufs engste unsern heutigen Kulturverhältnissen an, ja sie stellt sich direkt in den Dienst der intensiven Land- und Forstwirtschaft, und will nicht wie andre ähnliche Bestrebungen dem kulturellen Fortschritt einen Damm setzen. Alle Maßnahmen eines gedeihlichen Vogelschutzes müssen streng der Natur entsprechen; die sogen. Erfindungen sind der Hauptgrund der frühern Mißerfolge. Von dieser Basis aus ist der praktische V. im wesentlichen zu erreichen durch Schaffung von Nistgelegenheiten, für Höhlenbrüter durch Nisthöhlen, für Freibrüter durch Anpflanzungen, hauptsächlich durch Anlage direkter Vogelschutzgehölze; ferner durch Winterfütterung und endlich durch Schutz der Vögel gegen ihre Feinde. Verlassene, bez. nicht bezogene Spechthöhlen sind allen Höhlenbrütern die liebsten Wohnungen.
Deshalb versteht man heutzutage unter einer brauchbaren Nisthöhle nur noch die getreue Nachbildung der Spechthöhle, die sogen. v. Berlepschsche Nisthöhle (Fig. 1). Bei Anpflanzungen spielt neben der richtigen Auswahl der Sträucher (vornehmlich Weißdorn) deren sachgemäßer Schnitt die Hauptrolle. Die dadurch erzeugten Quirle sind die beste Unterlage der Nester (Fig. 2). Den größten Erfolg gewährt die Anlage direkter Vogelschutzgehölze. Im J. 1906 wurden auf der Seebacher Versuchsstation in einem solchen 102 m langen und 3 m breiten Gehölz 73 freistehende Nester festgestellt, also auf nicht ganz 1,5 m ein Nest. Die Winterfütterung muß unter allen Witterungsverhältnissen funktionieren. Das Futter muß den Vögeln stets und besonders bei schroffem Witterungswechsel, wie Wirbelschnee, Wind, Regen, Glatteis, unbedingt, und zwar in bester Beschaffenheit zugänglich bleiben. Dieser Anforderung genügen vornehmlich das hessische Futterhaus, die Futterglocke (Fig. 3), der Futterbaum und die Meisenfütterung durch Kadaver nach Rörig.
Der Schutz der Vögel gegen ihre Feinde ist sehr schwierig, da unter den wechselnden Verhältnissen den Vögeln immer neue Feinde entstehen. Im allgemeinen ist das behaarte Raubzeug schädlicher als die Raubvögel. Der schlimmste Feind ist die wildernde Katze. Sehr störend, besonders für die Ansiedelung nützlicher Höhlenbrüter, sind ferner die Sperlinge. 1875 wurde ein »Deutscher Verein zum Schutz der Vogelwelt« in Halle gegründet (jetziger Sitz Merseburg), dem 61 Behörden und 144 Vereine angehören.
Der Verband der deutschen Tierschutzvereine setzte 1904 eine »Kommission zur Förderung des Vogelschutzes« ein. Sie besteht aus praktischen Ornithologen und ist Auskunftsstelle für V. Der Sitz ist Leipzig. Mehr in das Gebiet »Erhaltung der Naturdenkmäler« als in das des eigentlichen Vogelschutzes gehören die verschiedenen geschützten Vogelkolonien für See- und Strandvögel, in der Nordsee, auf den Inseln Borkum, Wangeroog, Juist, Memmert, Neuwerk, Sylt, Jordsand. Vgl. außer den ältern Schriften von Gloger, Ruß, Liebe u. a. Borggreve, Die Vogelschutzfrage (2. Aufl., Leipz. 1888); v. Berlepsch, Der gesamte V. (9. Aufl., Halle 1904, vielfach übersetzt); Hiesemann, Lösung der Vogelschutzfrage nach v. Berlepsch (2. Aufl., Leipz. 1907); Hartert, Einige Worte der Wahrheit über den V. (Neudamm 1900); Rörig, Tierwelt und Landwirtschaft (Stuttg. 1906).
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