Flotte [1]

[380] Flotte, 1) die gesammte Marine eines Landes, u. man unterscheidet je nach ihrer Bestimmung Kriegs- u. Handelsflotten, u. je nach der bewegenden Kraft Segel- u. Dampfflotten; gewöhnlich 2) jede größere Anzahl Kriegsschiffe. Den Kern einer solchen bildet immer eine entsprechende Anzahl von Linienschiffen u. Fregatten (gegenwärtig fast durchgehends Schraubendampfer), denen sodann kleinere Schiffe, wie Corvetten, Briggs, Schooner etc. beigegeben sind, um theilweise den Sicherheits- u. Nachrichtendienst (Avisoschiffe)[380] zu versehen, od. um in den Gefechten als Remorqueurs u. Repetiteurs zu dienen. Gewöhnlich sind den F-n zu besonderen Zwecken auch noch Kanonenschaluppen, Mörser- u. Raketenboote, schwimmende Batterien, Brander u. dergl. beigegeben u. Proviant-, Hospital-, Munitions-, sowie Werkstättenschiffe bilden den Convoi od. Train derselben. Eine jede F., welche aus einer beträchtlichen Anzahl von Schiffen besteht, wird in drei Divisionen getheilt: die Avantgarde, das Corps de Bataille u. die Arrieregarde, von denen die erstere meist von einem Viceadmiral, die zweite vom höchstcommandirenden Admiral u. die letztere von einem Contre- (Rear-) Admiral befehligt wird. Sind die Divisionen noch sehr stark, so wird eine jede wieder in Subdivisionen eingetheilt, über welche dann jüngere Contreadmirale od. die ältesten Capitäns als Commodore den Befehl übernehmen. Jeder Befehlshaber einer solchen Abtheilung hißt auf dem Schiffe, welches er zu seinem Aufenthalt gewählt hat, eine viereckige Flagge (s.d.) am Top eines Mastes auf, daher die Bezeichnung Flaggenoffizier u. Flaggenschiff; je nach dem Range des Befehlshabers wird diese Flagge an einem anderen Maste aufgehißt, u. zwar die des Admirals am großen Mast, die des Viceadmirals am Fockmast, die des Contreadmirals am Besanmast. Die Leitung der einzelnen Schiffe durch die Befehlshaber erfolgt mittelst Signalen, zu deren Aufnahme u. Weitergabe meist noch besondere Schiffe, die oben erwähnten Repetiteurs, bestimmt sind. Die Fechtweise der F-n richtet sich stets nach der Bauart, den Bewegungsvorrichtungen u. der Ausrüstung der Schiffe, doch sind das Feuergefecht u. das Entern die beiden Arten, auf welche ein Schiff das andere überwältigen kann. So lange man sich bes. der Galeeren (Ruderschiffe) bediente, erfolgte die Schlachtstellung meist in einem Kreisbogen, die Schiffsschnäbel sämmtlich dem Feinde zugekehrt; als die Segelschiffe aber die Galeeren verdrängten, formirten die Schiffe zur Schlacht sich meist in einer geraden Linie, die Breitseiten nach dem Feinde zu. Hier wie dort bildete eine Seeschlacht eigentlich nur eine Menge von Einzelngefechten zwischen den einzelnen Schiffen, man unterließ es, die Seetaktik weiter auszudehnen u. aus der überlegenen Evolutionsfähigkeit Nutzen zu ziehen. Diese, gewissermaßen conventionellen Formen stieß zuerst der große Seeheld Nelson um, indem er seine F. nicht in einer Linie, sondern je nach Umständen in mehreren Linien u. Colonnen formirte, um auf diese Weise das Durchbrechen der feindlichen Linie möglich zu machen, zugleich auch den Vortheil zu erlangen, daß die Marschordnung der F. auch die Kampfordnung derselben sein konnte. Gleichwohl blieb noch die alte Schlachtordnung der F. in einer Linie herrschend, selbst die Erfindung u. Einführung der Raddampfer änderte in der Seetaktik nichts Wesentliches, u. erst die Erfindung der Schraube hat die Fechtweise der F-n an die Schwelle einer totalen Umformung geführt. Unabhängig vom Winde, haben die Schraubendampfer ihre Stärke an den Seiten u. ermöglichen so die unbeschränkte Anwendung des Nelson'schen Colonnenangriffs. Eine F. von einer geringen Anzahl Schiffe nennt man gewöhnlich Escadre, u. wenn die Fahrzeuge nur von geringer Größe sind, Flotille, z.B. eine Vereinigung von Kanonenböten zum Schutze der Küsten od. der Kriegsschiffe auf einem Flusse.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 380-381.
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