Roggen

[224] Roggen (Secale cereale), die nützlichste Getreideart, weil sie die Brodfrucht im Norden Europas ist u. in jedem Boden u. fast in allen Klimaten wächst. Die Samenkörner haben eine keilförmige Gestalt, sind von Farbe grau, graugelb od. graubraun u. werden außer zum Brodbacken zum Branntwein brennen u. zu Viehfutter benutzt. R. gibt schwärzeres, nahrhafteres u. mehr Mehl als Weizen, Dinkel, Heidekorn u. Gerste. Der R. wird über Winter (Winterroggen) u. über Sommer (Sommerroggen) angebaut. Varietäten des R-s sind: der gewöhnliche od. kurze R., am häufigsten angebaut, begnügt sich mit dem ärmsten Boden, verträgt späte Saat, ist am wenigsten gegen Kälte empfindlich, hat kurze Halme, aber feinhülsige, schwere Körner; der Quälroggen verlangt kräftiges Land, frühe Saat, bestockt sich stark, kann 1–2 Mal zu Grünfutter gemäht werden u. trägt dann noch reife Körner; der römische R. mit langen, schweren Ähren; der französische Bergroggen[224] begnügt sich mit armem Boden, wintert nicht aus u. liefert große Körner; Wurzelroggen, die Wurzeln laufen oft mehre Ellen lang über der Erde aus, u. es bilden sich von denselben hie u. da wieder senkrechte Wurzeln, welche in die Höhe streben u. neue Halme entwickeln; der Spanische Doppelroggen, liefert langes Stroh u. reichen Körnerertrag; das Russische Schneekorn, gelangt erst Mitte Mai zur vollkommenen Entwickelung, ist gegen Frost unempfindlich; der Standenroggen verlangt zeitige u. dünne Saat, bestockt sich stark u. ist einträglicher als die andern Varietäten, artet aber leichter aus. Spielarten sind: der Kolossalroggen, von standenartigem Wuchs, sehr ertragreich, hat geschlossene Spelzen, fällt deshalb nicht leicht aus; der Riesenstaudenroggen, sehr lohnend; der Jerusalemer Staudenroggen, von üppiger Vegetation u. reichem Ertrag; der Werder u. Bordische Sommerrogen, der Campineroggen, zeichnet sich durch Länge des Strohs, Breite der Ähren u. Schwere der Körner aus; der Probsteiroggen lagert sich selten, wintert selten aus, hat hohe rohrartige Halme u. ist sehr ertragreich, fällt aber leicht aus; der Johannisroggen kann schon Mitte Juni gesäet werden, gibt noch im Herbst einen Schnitt zu Grünfutter, im nächsten Frühjahr deren zwei u. immer noch einen Ertrag an Stroh u. Körnern, welche aber nicht so mehlreich sind, als der gewöhnliche R.; er verlangt guten, kräftigen Boden. Der R. liebt im Allgemeinen einen durchlassenden, mürben, lehmigen Sand- u. sandigen Lehmboden, gedeiht aber auch auf dürrem Sandboden; bindender Boden muß oft bearbeitet werden, wenn in ihm der R. gerathen soll; in reichem Boden gibt er mehr u. mehlreichere Körner. Da er nicht sehr gegen die Kälte empfindlich ist u. frühzeitig reist, so kann er auch noch in den höchsten Gebirgen angebaut werden, doch verlangt er überall einen frisch gedüngten, od. einen noch in alter Kraft stehenden Boden. In bindendem Boden ist Kalkdüngung sehr gut. Der Winterroggen wird entweder nach reiner Brache od. in gesömmertes Feld gesäet, daher Brach- od. Sömmerungskorn. Nach den verschiedenen Arten der Sömmerung nennt man den R. Klee-, Kartoffel-, Krautkorn, wovon das erstere gewöhnlich das ergiebigste ist. Auch nach Raps, Hülsenfrüchten, Tabak, Hirsen u. Buchweizen gedeiht der R. sehr gut, am schlechtesten nach Kartoffeln, weil der Acker durch das öftere Bearbeiten zu lose geworden ist. Der R. mag aber nach der od. jener Vorfrucht gesäet werden, so muß der Acker durch mehrmaliges Pflügen u. Eggen (außer dem Kleeacker, welcher nur einmal sorgfältig gepflügt wird) locker, klar u. mürbe gemacht werden. Zur Aussaat ist vollkommen trockenes Wetter nöthig u. daß sich der Acker gesetzt hat. In kalten Klimaten kann man schon zu Ende Juli säen, der gewöhnlichste Zeitpunkt ist 14 Tage vor u. 14 Tage nach Michaelis. Frischer Samen ist besser als vorjähriger, letzter muß reichlicher gesäet werden. Die Erneuerung des Samens ist sehr zweckmäßig, ja sogar nothwendig bei den Roggenarten, welche leicht ausarten. Die Saat geschieht breitwürfig od. in Reihen. Der R. verträgt keine starke Bedeckung, liebt es aber, wenn nach der Egge die Walze folgt, welche auch im Frühjahr, wenn viele Stöcke von dem Frost ausgezogen sind, angewendet werden muß. Mehr als von den Winterfrösten hat der R. durch die Frühjahrsfröste u. durch anhaltenden Regen in der Blüthezeit zu leiden. Bas Schröpfen verträgt der R. nicht, das Abhüten durch Schafe, wenn es durchaus nöthig ist, nur bis 1. Mai. Der Sommerroggen wird im Frühjahr gesäet, hat kürzere Samen u. reist später. Er wird bes. da gebaut, wo des rauhen Klimas wegen auf ein sicheres Gedeihen des Winterroggens nicht zu rechnen ist, od. wenn der ungünstigen Witterung halber kein Winterroggen gesäet werden konnte, od. dieser ausgefroren ist, od. wenn man R. nach Kartoffeln, Rüben, Kraut anbauen will. Hinsichtlich des Bodens kommt der Sommerroggen mit dem Winterroggen überein, erster verlangt aber zu seiner ersten Ausbildung viel Feuchtigkeit. Am besten gedeiht er nach gedüngten Hackfrüchten. Man säet auf die gelegene Furche bei trockenem Wetter Ende Februar. Anfang März u. gibt dem Samen nur eine leichte Bedeckung. Fröste schaden, wenn der Sauerstoff noch nicht in die Blüthe getreten ist, nicht, doch ist es gut, den Boden, wenn er sich zu sehr zusammengesetzt hat, aufzueggen. Sehr vortheilhaft baut man den Sommerroggen im Gemenge mit Erbsen u. Linsen an. Der Winterroggen reist gewöhnlich Ende Juli, der Sommerroggen 2–3 Wochen später. Beide werden in der Regel mit der Sense angehauen u. abgerafft, bleiben entweder bis zur völligen Abtrocknung in Schwaden liegen, od. werden gleich hinter der Sense her aufgebunden u. aufgemandelt; letzteres geschieht, wenn nicht allzuviel Unkraut unter dem R., od. dieser sehr feucht ist. Das Roggenstroh wird zum Einstreuen in die Viehställe, zum Dachdecken u. zu Häckerling geschnitten als Pferdefutter benutzt. Das Stroh von Sommerroggen ist weicher u. daher zum Häckerling geeigneter. Der R. ist unter allen Getreidearten der bedeutendste Handelsartikel. Diesen Handel treiben vorzüglich Amsterdam (man schätzt daselbst vorzüglich den seeländischen R., welcher groß von Körnern, schwer u. weißmehlig ist), ferner Archangel, Bremen, Danzig, Elbing, Hamburg, Königsberg; man unterscheidet auf letzteren Plätzen 5 Sorten, die beste Sorte ist der R. aus Weißrußland, welcher große hellgelbe, mehlreiche Körner hat; die zweite Sorte ist der polnische R. mit großen Körnern, trocken u. rein, aber nicht so schön von Farbe; die dritte Sorte, ein ungetrockneter, grobkörniger R. von schöner Farbe; die vierte Sorte heißt Amts- u. Bauergut u. geht vorzüglich nach Schweden u. Norwegen; die fünfte u. schlechteste Sorte wird meist nur zum Branntweinbrennen gebraucht. Auch in Libau, Lübeck, Memel, Reval, Riga, Rostock, Stettin, Petersburg, Odessa etc. wird bedeutender Handel mit R. getrieben. Äußer zum Körnerbau dient der R. auch zum Futterdau. Als Futterpflanze liefert der Winterroggen bei zeitiger Saat das frühzeitigste u. sicherste Grünfutter. Er wird in der gedüngten Getreidestoppel angebaut.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 224-225.
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