Riga

[160] Riga, 1) Kreis im russischen Gouvernement Livland, an Kurland u. die Ostsee stoßend; 191 QM., 170,000 Ew.; 2) (lettisch: Rihga, esthnisch: Ria Linn, Righo), Hauptstadt des Gouvernements u. Kreises, 1 1 Meilen oberhalb der Mündung an beiden Ufern, doch der größere Theil am rechten Ufer der Düna, über welche eine 800 Schritte lange Schiffbrücke führt; R. ist Festung mit bastionirten Wällen u. hat eine Citadelle in Nordwest, ferner ist es Sitz des Generalgouverneurs für Liv-, Esth- u. Kurland u. des griechisch-russischen Erzbischofs von R. u. Mitau. R. hat drei meist hölzerne Vorstädte, worunter zwei (St. Petersburger u. Moskauer Vorstadt) auf dem rechten u. die dritte (Überdünaische Vorstadt) theils auf dem linken Dünaufer, theils auf der Dünainsel [160] Groß-Klüversholm liegt; Domkirche (1211 gegründet, 1547 umgebaut, in einem zu derselben gehörigen Gebäude ist das Museum der Stadt u. Bibliothek, bes. reichhaltig in Beziehung auf Livland), 7 griechische, 6 lutherische (darunter die Peterskirche mit 440 Fuß hohem Thurm) u. eine katholische Kirche, Bethaus der Brüdergemeinde u. Synagoge, altes Schloß, 1494–1545 erbaut (jetzt Kaserne u. Gouverneurspalast mit Observatorium), davor Granitsäule von 23 Fuß Höhe, mit bronzener Victoria u. vergoldeter Krone, von der Rigaer Kaufmannschaft zum Gedächtniß Alexanders I. 1812–14 errichtet, Rathhaus, Ritterhaus, Börse, Gildehaus der schwarzen Häupter (einer Gesellschaft Unverheiratheter, seit 1390 bestehend), Theater, Zoll-, Zeughaus, Literarisch-Lettische Gesellschaft, Gesellschaft für Landbau, Livländische Gesellschaft des öffentlichen Nutzens u. für den Ackerbau, Gymnasium, zwei Kreisschulen u. eine russische Kreisschule (Katharineum), mehre Elementar- u. Armenschulen, 2 Navigationsschulen, Georgen-, Seehospital; Fabriken in Baumwollenwaaren, Tabak, Stärke, Seife, Lichtern, Leder, Zucker, Essig, Metallwaaren, Fayence, Spielkarten etc., auch Gerbereien, Handel mit Flachs u. Unschlitt, Lein- u. Hanfsamen, Getreide, Öl, Bier, Obst, Colonialwaaren, Wein etc., Bank u. Börse, große Speicher; 1857: 70,463 Ew. Seeschiffe können auf der Düna bis zur Schiffbrücke kommen, ein eigentlicher Hafen fehlt u. wird durch den in Dünamünde (s.d.), wo viele Schiffe löschen, ersetzt. Bei der Stadt steht ein Leuchtthurm, durch zwölf Metallspiegel leuchtend u. 110 Fuß hoch. Angenehme Spatziergänge (Esplanade vor dem Sandthor) sind in der Umgebung u. viele Villen (Höfchen) zieren dieselbe, obgleich die Gegend an u. für sich öd u. steril ist. R. ist oft Überschwemmungen ausgesetzt. Den von Peter dem Großen angelegten kaiserlichen Garten schenkte Alexander I. der Stadt; in ihm Kranken-, Irren-, Arbeits- u. Armenhaus. – R., ursprünglich Uxkull (Ykeskole), wurde 1158 von Bremischen Seefahrern, welche auf einer Fahrt von Wisby nach Gothland dahin verschlagen wurden, angelegt. Meinhard, welcher seit 1170 das Christenthum in Livland predigte, wurde (vielleicht) als erster Bischof von Ykeskole eingesetzt, er st. 1196 (1194); ihm folgte Berthold (Partold), Abt zu Lockum, welcher 1198 vor R. von den Liven geschlagen u. getödtet wurde. Albert I. von Buxhöwden begann 1201 den Bau der eigentlichen Stadt u. ließ 1202 Schwertritter dahin kommen; zugleich war er Herr der Stadt, u. die Schwertritter, welche sich nachher mit Deutschen Rittern verbanden, leisteten ihm Gehorsam; ihm folgten 1229 Nicolas, welcher Kurland bekehrte u. unter welchem 1251 das Bisthum Semgallen mit R. vereinigt wurde; er st. 1252. Unter Albert II. wurde das Bisthum R., welches bisher unter Bremen gestanden hatte, zu einem Erzbisthum erhoben. Auf Albert II., welcher um 1272 st., folgten Johann I. von Lunen (st. 1286), Johann II. von der Vecht (st. 1294), welchen die Schwertritter bekriegten; Johann III., welchen die Deutschen Ritter gefangen nahmen (st. 1300); Isern, ein Däne, ging 1301 nach Schweden u. wurde Bischof von Lund; unter Friedrich (st. 1340) wurde die Stadt 1330 von den Deutschen Rittern eingenommen u. dort ein Schloß von ihnen angelegt. Friedrichs Nachfolger waren 1340 Engelbert von Dalen, 1348 Fromhold von Visshausen, 1369 Sigfried von Blomberg, welcher die Stadt von den Rittern wiedererhielt; 1374 Johann IV. von Sinten, 1394 Johann V. von Wallenrod, 1418 Johann VI. Habundi. Die Stadt war inzwischen mächtig geworden, versagte dem Erzbischof in anderen als geistlichen Dingen den Gehorsam, trat der Hansa bei u. entriß den Deutschen Rittern Dünamünde, welches ihren Handel hinderte. 1420 mußte sich R. dem Erzbischof wieder unterwerfen. 1424–48 war Henning Scharpenberg Erzbischof. 1453 bekamen unter dem Erzbischof Silvester (1448–1479) die Deutschen Ritter die Hälfte der Güter u. der Erzbischof die der Stadt geschenkt. Auf Silvester folgten Stephan Gruber von Leipzig, 1484 Michel Hildebrand, 1509 Gaspar Linde, 1524 Johann VII. Blankenfeld u. 1527 Thomas; unter Letzterem wurde die Reformation in R. eingeführt, welche auch die Deutschen Ritter annahmen. Darüber entstand mit dem Erzbischof Fehde, doch kam es 1547 zu einem Frieden, wobei die Stadt dem Erzbischof, seit 1539 Wilhelm Markgraf von Brandenburg, u. Ordensmeister huldigte. In demselben Jahre unterwarf sie sich aber dem König Sigismund von Polen, welcher freie Übung der Religion gestattete. Als 1561 Livland völlig vom Deutschen Orden an Polen abgetreten wurde, blieb R. Freistadt u. 1566 wurde das Erzbisthum R. aufgehoben. 1581 kam auch R. unter die Schutzherrschaft des Königs von Polen. Stephan Bathory wollte 1587 die Katholische Religion wieder einführen u. räumte den Jesuiten eine Kirche ein, aber die Angriffe Karls IX., Königs von Schweden, 1605 u. 1609 vereitelten das Vorhaben. 1621 öffnete die Stadt dem Schwedenkönige Gustav Adolf ihre Thore. 1658 belagerten sie die Russen vergeblich; 1700 neue Belagerung durch König August II., doch erfolgte 18. Juli 1701 die Entsetzung durch die Schweden; 4. Juli 1710 wurde sie nach hartnäckiger Vertheidigung von den Russen erobert (s.u. Nordischer Krieg); 1812 in Belagerungszustand erklärt u. durch die Franzosen u. Preußen unter Macdonald eingeschlossen, verlor R. seine schönen Vorstädte (s. Russisch-deutscher Krieg); 18. Mai 1854 wurde die Stadt von den Engländern blokirt; 1854 u. 55 wurden die Festungswerke in u. um R. erweitert u. verstärkt. Vgl. Kerten, Auszug aus dem Tagebuch eines Russen auf seiner Reise nach R., Riga 1783; Sonntag, Rigas Umgebungen, ebd. 1811.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 160-161.
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