Wolsey

[349] Wolsey (spr. Uolßi), Thomas, geb. 1471 zu Ipswich in England, studirte in Oxford Theologie u. wurde 1500 Pfarrer von Lymington in Somersetshire; obgleich er ein unsittliches Leben führte, wurde er doch 1505 wegen seiner Gewandtheit, vom Bischof Fox empfohlen, Kaplan des Königs Heinrich VII.; dieser gab ihm 1506 die Pfarrei von Redgrave u. brauchte ihn 1507 als Gesandter zum Kaiser Maximilian. Unter Heinrich VIII., welcher ihn sogleich nach seiner Thronbesteigung 1509 zu seinem Almosenier u. 1510 zum Mitglied des Staatsrathes machte, gewann er solchen Einfluß, daß die anderen Mitglieder alle Bedeutung verloren. Er wurde 1510 Rector von Torrington u. Domherr von Windsor, 1511 Präbendar u. 1512 Dechant von York, Abt von St. Albans, Dechant von Hereford u. Präcentor von St. Paul in London, 1513 Bischof von Tournay, 1514 Bischof von Lincoln u. acht Monate später Erzbischof von York; als ihn 1515 der Papst zum Cardinal u. der König zum Lordkanzler ernannte, traten die Kronräthe sämmtlich zurück, wodurch W. die gesammte Regierungsgewalt in die Hand bekam. 1516 gab W. dem König von Frankreich das Bisthum Tournay gegen ein Jahrgeld von 12,000 Fr. zurück u. von dem Papst erhielt er ein Jahrgeld von 7500 Ducaten, nachdem ihn derselbe auch zum Legatus a latere ernannt hatte, wozu 1518 noch das Bisthum Bath kam. Zwischen Kaiser Karl V. u. König Franz I. von Frankreich versuchte W. im Aug. 1521 eine Vermittelung in Calais, da aber seine Bemühung vergebens war, so bestimmte er seinen König mit Frankreich zu brechen u. sich mit dem Kaiser zu verbinden. Als nun der Krieg 1522 ausbrach u. Heinrich VIII. Geld dazu brauchte, so griff W. zu drückenden Finanzmaßregeln,[349] welche das Land verstimmten. 1523 wurde W. auch Bischof von Durham. Da der Kaiser ihm weder nach Leos X., noch nach Hadrians VI. Tode, wie er ihm versprochen hatte, zur Erhebung auf den Päpstlichen Stuhl behülflich war, so beredete er seinen König 1525 wieder mit Frankreich ein Bündniß zu schließen u. 1528 dem Kaiser den Krieg zu erklären, welcher jedoch 1520 durch den Frieden von Cambray beendigt wurde. Dieses Jahr brachte ihm noch das Bisthum Winchester, aber auch die Ungnade des Königs u. seinen Fall. Nämlich durch den anfänglichen Widerspruch gegen die Scheidung des Königs Heinrich VIII. von Katharina von Aragonien hatte sich W. den Haß der Anna Boleyn zugezogen, u. als die Scheidung von Seiten des Papstes Hudernisse fand, glaubte dieselbe u. der König den Grund davon in den Intriguen W-s zu finden, u. W. mußte 18. Oct. 1529 das Reichssiegel abgeben u. London verlassen. Der König ließ ihn zwar im Besitz der Bisthümer York u. Winchester, aber das Parlament verurtheilte ihn zum Verlust seiner Güter u. zu ewigem Gefängniß. Durch die Gnade des Königs behielt er das Erzbisthum York u. nahm seine Residenz in Cawood. Von Neuem des Hochverraths angeklagt, sollte er nach London gebracht werden, starb aber auf dem Wege dahin 29. Nov. 1530 in der Abtei Leicester. Aus seinen vielen Stellen zog er unermeßliche Reichthümer, welche ihm ein prächtiges Leben zu führen gestatteten, doch benutzte er dieselben auch zur Gründung von Unterrichtsanstalten u. Collegien, namentlich stiftete er das Christ Church College in Oxford. Seine Versuche die Klöster u. die Sitten des Clerus zu reformiren mißlangen; für die Bestrebungen der deutschen Reformation hatte er keinen Sinn. Lebensbeschreibungen von G. Cavendish, Lond. 1607, neueste Ausg. von J. Holmes, ebd. 1852; von Rich. Fiddes, ebd. 1724, 2. A. 1726; von I. Galt, ebd. 1812, 3. A. von W. Hazlitt, 1846; von Howard, ebd. 1824; von Th. Martin, Oxf. 1862.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 349-350.
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