Zahlung

[489] Zahlung (Solutio), 1) die in der Absicht, die Verbindlichkeit zu erfüllen, geschehende Leistung des Gegenstandes der Obligation an den zum Empfang fähigen Gläubiger, od. dessen befugten Stellvertreter, od. an denjenigen, welchem zahlen zu dürfen bei der Begründung der Obligation der Schuldner ermächtigt worden ist (Solutionis causa adjectus); insbesondere 2) die Entrichtung einer bestimmten Quantität baaren Geldes zu diesem Zwecke durch Aufzählung desselben. Die allgemeinsten Grundsätze über die Z., welche sich jedoch mit Rücksicht auf den Inhalt der Obligation u. dabei getroffene Nebenverabredungen vielfach modificiren können, sind: a) In der Regel hat der Schuldner selbst od. sein Stellvertreter die Z. zu bewirken. Allein auch wenn ein Dritter die Z. bewirkt, wird der Schuldner von seiner Verbindlichlichkeit befreit, wenn der Dritte nur ganz dasjenige leistet, was der Schuldner zu leisten hatte, u. der Gläubiger dies annimmt. b) Die Z. hat an den Gläubiger selbst od. dessen gehörig legitimirten Stellvertreter zu geschehen, wenn sie die Obligation wirklich tilgen soll. Ist der Gläubiger nicht dispositionsfähig, z.B. wegen Minderjährigkeit od. weil er sonst aus einem andern Grunde unter Curatel steht, so muß die Z. an den Vormund geschehen. Nach Römischem Rechte wurde hierbei, insofern die Z. nicht jährliche u. nicht über zwei Jahre rückständige Gefälle betraf, sogar noch ein obervormundschaftliches Decret erfordert, von welchem jedoch die neueren Vormundschaftsordnungen absehen. Bei einem Sachwalter wird in der Regel für den Empfang der Z. vom Gegentheil eine besonders hierauf gestellte Vollmacht erfordert. An Handlungsreisende kann, wenn nicht dem Zahlungspflichtigen besondere Nachricht darüber ertheilt worden ist, daß der Reisende keinen Auftrag zum Zahlungsempfang habe, ebenso wie an Commis in einem offenen Geschäft gültig Z. geleistet werden. Eine an den Gläubiger des Gläubigers (Creditor creditoris) bewirkte Z. befreit den Schuldner nur unter den Voraussetzungen, unter welchen der Z. die Eigenschaft einer unausgetragenen Geschäftsführung für den ursprünglichen Gläubiger (Negotiorum gestio) beigelegt werden kann. Ist bei der Begründung der Obligation der Schuldner ermächtigt worden noch an einen Dritten (Solutionis causa adjectus) Z. leisten zu dürfen, so befreit alsdann zwar die an diesen geleistete Z. den Schuldner, es wird jedoch dabei vorausgesetzt, daß in seiner persönlichen Stellung inzwischen keine Veränderung vorgegangen sei, welche den Gläubiger gefährdet. Auch hat der genannte Dritte kein selbständiges Recht die Z. zu verlangen. c) Der Gegenstand der Z. bestimmt sich nach dem Gegenstand der Obligation. Gerade dieser u. kein anderer muß gezahlt werden, wenn die Z. die Obligation tilgen soll. Ist der Gegenstand der Obligation nur der Gattung, nicht speciell dem Individuum nach bezeichnet, z.B. im Allgemeinen nur ein Pferd versprochen, so ist dem Schuldner damit im Zweifel die Wahl gegeben, welches Individuum aus der Gattung er wählen will; nur darf er dabei nicht gerade das schlechteste Stück wählen. Ebenso ist es[489] bei vertretbaren Sachen (Res fungibiles), bei welchen die Qualität nicht näher bestimmt ist; hier ist im Zweifel mittlere Qualität zu prästiren. Maß u. Gewicht, in Betreff von Geldschulden der Münzfuß u. die Münzsorten bestimmen sich nach dem Orte, wo die Z. vertragsmäßig geleistet werden muß. Ist die im Vertrag bestimmte Münzsorte am Zahlungsorte od. zur Zahlungszeit nicht im Umlauf od. nur eine Rechnungswährung, so kann der Betrag nach dem Werthe zur Verfallzeit in der Landesmünze gezahlt werden, sofern nicht etwa, z.B. durch den Gebrauch des Wortes »effectiv«, die Zahlung in der im Vertrag benannten Münzsorte ausdrücklich bedungen war. Scheidemünze braucht bei größeren Posten nicht angenommen zu werden, dagegen kann die Z. auch in Papiergeld nach Curs gültig geschehen, während die Annahme von Banknoten, Wechseln u. Anweisungen, wenn die Forderung auf Geld lautete, nur von der Einwilligung der Forderungsberechtigten abhängt. Auch die Annahme versiegelter Geldpackete an Zahlungsstatt kann verweigert werden; nimmt aber Jemand eine solche Z. an, so verliert er seine weiteren Ansprüche, wenn er es unterläßt das Geldpacket rechtzeitig zu untersuchen. Zinsen von schuldigen Capitalien müssen in dem Münzfuß u. der Münzsorte bezahlt werden, nach welcher der Hauptstamm geschuldet wird. d) Die Z. einer Schuld ist an dem bedungenen Orte u. zur bedungenen Zeit zu leisten. Ist der Erfüllungsort nicht bestimmt, so kann der Schuldner leisten, wo er den Gläubiger antrifft, nur nicht gerade an einem offenbar unpassenden Orte, u. muß da leisten, wo er mit wirksamer Klage belangt wird. Ist jedoch eine speciell bestimmte Sache Gegenstand der Forderung, u. befindet sich dieselbe ohne Unredlichkeit des Schuldners an einem andern Orte, so hat der Gläubiger die Kosten u. die Gefahr der Herbeischaffung zu tragen. Die Zeit der Z. (Zahlungstermin) ist in der Regel zu Gunsten des Schuldners festgesetzt; es kann deshalb die Z. vom Gläubiger nicht eher verlangt werden, als bis dieser Zahlungstermin eingetreten ist. Dagegen kann der Schuldner eher zahlen, u. der Gläubiger ist dann gehalten die Z. anzunehmen, insofern sie ihm nur vollständig so angeboten wird, wie er sie am Zahlungstage zu fordern hätte. Doch kann auch der Zahlungstermin im Interesse des Gläubigers festgesetzt sein, u. dann kann derselbe zur Annahme einer früheren Z. nicht gezwungen werden. Ist überhaupt keine Zahlungsfrist festgesetzt, so gilt die Schuld als sogleich fällig; doch hat der Zahlungspflichtige den Anspruch, daß ihm der Gläubiger wenigstens eine nach den Umständen zu bemessende billige Frist (Modicum laxamentum temporis) einräume. Wer nicht zur bestimmten Zeit Z. leistet, hat die Folgen des diesfallsigen Verzugs (Mora solvendi) zu tragen; ebenso verfällt aber der Gläubiger, welcher eine ihm ordentlich angebotene Z. nicht annimmt, in Verzug (Mora accipiendi). Kann die Z. dem Gläubiger nicht od. doch nicht mit Sicherheit geschehen, so kann sich der Schuldner durch gerichtliche Hinterlegung des Schuldgegenstandes befreien, doch muß die Deposition eine unbedingte sein u. den ganzen Schuldgegenstand begreifen. Ist eine Deposition nicht od. nur mit positivem Schaden des Schuldners möglich, z.B. wenn Wein zu liefern ist u. der Schuldner die Fässer selbst braucht, so kann der Schuldner selbst ohne diese der zu leistenden Sache sich entledigen. e) Hat der Zahlende mehre Schulden an den Empfänger zu entrichten, so kann er beliebig bestimmen, für welche derselben die Z. gelten solle; unterläßt er es, so kann sofort der Gläubiger die Bestimmung treffen, jedoch, wenn der Schuldner nicht zustimmt, nur mit Rücksicht auf das, was dem Schuldner vortheilhafter ist. Außerdem ist eine Zinsschuld vor der Hauptschuld, sodann die fällige vor der nicht fälligen, ferner die für den Schuldner lästigere vor der weniger lästigen, u. von den in dieser Hinsicht gleichen die ältere vor der jüngern als bezahlt anzunehmen. Wo keine dieser Rücksichten entscheidet, ist die Zahlung auf alle nach Verhältniß anzurechnen. f) Die geschehene Z. hat zu beweisen, wer sich darauf beruft. Um sich ein Beweismittel zu schaffen, kann der Schuldner die Z. zurückhalten, wenn ihm nicht eine Urkunde über deren Empfang (Quittung, Apocha) ausgestellt wird. Eine Quittung hat aber nach gemeinem Recht der Regel nach erst nach Ablauf von 30 Tagen seit ihrer Ausstellung Beweiskraft; bis dahin kann sie durch die Querela non muneratae pecuniae beseitigt werden. Ausgenommen von dieser Beschränkung sind jedoch Quittungen über öffentliche Abgaben u. öffentliche Quittungen, d.h. solche, welche die Z. als vor der beglaubigenden Autorität geschehen, bezeugen. Bei einer Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen begründen die Quittungen über die drei zuletzt fällig gewordenen eine Vermuthung für die Berichtigung der früher fälligen Leistungen. Eine Vermuthung für die Z. od. anderweitige Tilgung der Schuld wird auch durch die Rückgabe des Schuldscheins an den Schuldner, sowie durch solche Änderungen an demselben, wie sie zum Zeichen der Tilgung der Schuld vorzukommen pflegen, z.B. Durchstreichung od. Zerreißung des Schulddocumentes, begründet. g) Die ordentlicher Weise u. vollständig erfolgte Z. bringt nicht blos die Hauptforderung zur Tilgung, sondern läßt auch zugleich alle accessorischen Rechte, als Pfandrechte, die Forderung gegen einen Bürgen erlöschen. Ebenso genügt es bei Correalverbindlichkeiten, wenn auch nur einer der plures correi debendi zahlt, um alle andern Correi von ihrer Haftpflicht zu befreien. Eine einmal erfolgte Z. kann in der Regel nicht wieder revocirt od. zurückgefordert werden, doch leidet dies alsdann eine Ausnahme, wenn die Z. zum Zweck der Erfüllung einer überhaupt nicht begründeten, aber aus entschuldbarem Irrthum vorausgesetzten Rechtsverbindlichkeit erfolgte, welchenfalls dem Zahlenden die Condictio indebiti zusteht, ferner wenn nur in der Voraussetzung eines künftigen Umstandes gezahlt wurde, dieser Umstand dann aber nicht eintrat, wo alsdann die Conditio ob causam datorum auf Rückforderung des Gegebenen nebst Früchten u. anderem Zuwachs gegeben ist, u. wenn Jemand um eines künftigen Erfolgs willen unsittlicher Weise (ob turpem causam) eine Z. empfangen hat; in diesem Falle kann dann der Geber, falls nicht auch das Geben aus jenem Grunde eine Unsittlichkeit war, das Gezahlte mittelst der Conditio ob turpem causam zurückfordern, gleichviel ob jener Erfolg eingetreten war od. nicht.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 489-490.
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