Alexander I.

Alexander I.
Alexander I.

[46] Alexander I., Kaiser von Rußland 1801–25, ältester Sohn des Kaisers Paul I. und dessen zweiter Gemahlin, Maria Fedorowna, des Herzogs Friedrich Eugen von Würtemberg Tochter, geb. am 23. Dec. 1777, zeichnete sich schon früh durch Körperschönheit, mehr aber noch durch Sanft. muth und Herzensgüte aus und erhielt durch seine geistreiche Großmutter, Katharina, und mehre ausgezeichnete Lehrer eine treffliche Erziehung und Bildung.

Kaum hatte er das 16. Jahr erreicht, als er sich mit Elisabeth Alexiewna, zuvor Marie Luise Auguste, des verstorbenen Erbprinzen Ludwig von Baden Tochter, 1793 vermählte. Nach der Ermordung seines Vaters, in der Nacht vom 23. auf den 24. März 1801, in Folge einer Verschwörung, bestieg A. den russ. Thron. Überzeugt, daß Zwangsmittel nur die Kraft des Geistes lähmen und daß nur im Lichte der Freiheit ein Staat gedeihen könne, wollte er sein Volk, das bisher im strengsten Sinne des Worts despotisch beherrscht worden war, durch Überzeugung, Liebe und Freimüthigkeit regieren und zwischen seinen und des Volkes Interessen keinen Unterschied kennen. Um dies zu erreichen, schloß er mit England, dann auch mit Frankreich und Spanien Frieden und schritt darauf zu einer Umbildung der innern Staatsverwaltung; zur Beförderung der allgemeinen Gerechtigkeitspflege ward eine Gesetzcommission niedergesetzt; die gehässige politische Inquisition, die Folter und qualvollen Lebensstrafen wurden abgeschafft; das Unrecht, welches Viele unter seines Vaters Regierung erfahren, suchte er soviel als möglich [46] gut zu machen Verbannte wurden zurückgerufen, Eingekerkerte in Freiheit gesetzt und deren Verfolger ihren Richtern zur Verantwortung übergeben; denn wiederholt erklärte er: »Höher zu sein als das Gesetz, wenn ich das auch könnte, mag ich nicht.« Künste und Wissenschaften wurden unterstützt; Gewerbfleiß, Handel und Ackerbau befördert und eine Menge nützlicher Einrichtungen getroffen. Während so das Reich im Innern in Wohlstand aufblühte, der Krieg am Kaukasus und in Georgien seit 1802 mit wechselndem Erfolge geführt wurde; der gegen Persien aber, 1804, unglücklich ausfiel, bedrohte Frankreich die politische Freiheit Europas. Nachdem alle diplomatische Verhältnisse zwischen Frankreich und Rußland 1804 abgebrochen worden waren, begab sich A. nach Berlin, befestigte dort über dem Sarge Friedrich's des Großen den schon früher geschlossenen Freundschaftsbund mit dem Könige Friedrich Wilhelm und vereinigte sich mit ihm gegen Frankreich. Nach der Schlacht bei Austerlitz, in welcher A. seine Truppen selbst anführte und Beweise persönlicher Tapferkeit gab, zog er, da diese den Frieden zwischen Östreich und Frankreich zu Presburg 1805 zur Folge hatte, mit seinem Heere nach Rußland zurück; doch nicht lange währte die Ruhe, denn schon im Herbste 1806 brach der Krieg zwischen Preußen und Frankreich aus. A. zog mit seiner Macht seinem Bundesgenossen zu Hülfe, bis der Friede von Tilsit, 1807, auch diesen Kampf beendigte. Zu gleicher Zeit wurde seit 1806 von Rußland der Krieg gegen die Pforte geführt, der aber kein Resultat gewährte. A.'s Beitritt zum franz. Continentalsystem verwickelte ihn 1807 in Krieg mit England und Schweden, welches letztere im Frieden von 1809 Finnland und einige andere Landschaften an Rußland abtreten mußte. Von Neuem entbrannte seit 1809 auch der Krieg zwischen Rußland und der Pforte, den der Friede zu Bukarescht 1812 endete. Während auch zwischen Rußland und Persien ein neuer Kampf sich entsponnen hatte, der erst im Oct. 1813 beigelegt ward, erklärte Napoleon Rußland am 22. Jun. 1812 den Krieg. Das Resultat dieses Kampfes, in welchem sich fast ganz Europa nach und nach Rußland anschloß, war der Einzug der Verbündeten in Paris am 31. März 1814 und die Abdankung des Kaisers Napoleon. A., der eine Zeitlang den Oberbefehl über die verbündeten Heere führte, lieferte während desselben vielfache Beweise von militairischer Umsicht, Tapferkeit und kalter Besonnenheit. Nachdem er über England nach Petersburg zurückgekehrt und sich auf den Congreß nach Wien begeben hatte, wo das Königreich Polen, als abgesondertes Reich, seinem Scepter unterworfen ward, führte ihn die Rückkehr Napoleon's von Neuem nach Frankreich; doch fand er keine Gelegenheit, mit seinem Heere am Kampfe Theil zu nehmen. Nach der zweiten Einnahme von Paris stiftete er daselbst mit dem Kaiser von Ostreich und dem König von Preußen die heilige Allianz, welcher später fast alle europ. Regenten beitraten. Die nun folgende Zeit des Friedens und der Ruhe widmete A. wieder der Sorge für die innere Wohlfahrt des Staates. Die Verheerungen des Krieges verschwanden nach und nach und Moskau stieg prächtiger und schöner, als es je gewesen, aus seiner Asche empor; die Unterrichts-und Bildungsanstalten wurden erweitert und vervollkommnet, selbst tu das öde Sibirien drang das Licht der Gesittung. Die Leibeigenschaft der Bauern in Kurland wurde aufgehoben, die kirchlichen Verhältnisse geordnet, die Jesuiten aus dem Reiche gewiesen und Jedem freie Religionsübung gestattet. Den Bauern- und Kriegerstand suchte er in den Militaircolonien zu verschmelzen. Doch noch Größeres hätte er vollbringen können, wenn er seine Aufmerksamkeit nicht zu sehr nach Außen gerichtet hätte. Er nahm Theil an den Congressen zu Aachen, Troppau, Laibach und Verona, vermittelte die span. Angelegenheit und setzte ein Hülfsheer nach Italien in Marsch, um den Aufstand der Carbonari zu unterdrücken. Wie er schon früher öftere Reisen nach den entferntesten Theilen seines Reichs unternommen hatte, um selbst zu sehen und zu hören, wo Hülfe nöthig sei, unternahm er auch im Herbst 1825 eine Reise nach der Krimm, wohin ihm seine Gemahlin folgte, erkrankte aber zu Taganrog in Folge einer Erkältung und starb daselbst am 1. Dec. 1825. Sein Bruder Nikolaus folgte ihm in der Regierung. A. zu Ehren wurde in Petersburg vor dem kais. Winterpalaste am 30. Aug. 1832 eine Säule von riesiger Größe errichtet. Dieselbe ruht auf einem steinernen Postament, ist aus einem einzigen finnländ. Granitblock gearbeitet und hat 84 F. Höhe und 14 F. im Durchmesser. Der Säulenschaft selbst kostete über 200,000 Rubel, und die übrigen Kosten, namentlich für das Gerüst, betrugen über 600,000 Rubel. Durch die vereinte Kraft von 60 Winden, 400 Arbeitern und 2000 Soldaten, welche unter A. gefochten hatten, ward sie binnen 50 Minuten aufgerichtet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 46-47.
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