Beireis

[212] Beireis (Gottfr. Christoph), ein Mann von außerordentlicher Gelehrsamkeit, rastloser Thätigkeit und in vielen Beziehungen eine sehr ungewöhnliche Erscheinung in der Menschenwelt, ward 1730 in Mühlhausen geboren, wo sein Vater Policeidirector war. Bei seinen natürlichen Anlagen machte er sich unter zweckmäßiger Anleitung frühzeitig große Gewandtheit in den neuern und alten Sprachen und einen reichen Schatz mathematischer, physikalischer und geschichtlicher Kenntnisse zu eigen. Durch den Tod seines Vaters erhielt er im 15. Jahre Veranlassung, seine bereits erworbene Selbständigkeit des Charakters bei der Fortsetzung seiner Studien zu bewähren, ging 1750 auf die Universität Jena, um sich nach seiner Mutter Wunsch der Rechtswissenschaft zu widmen, studirte aber mit weit mehr Eifer Physik und Chemie, in welcher damals noch wenig ausgebildeten Wissenschaft er hier schon Entdeckungen machte, denen er einen großen Theil seines spätern Vermögens verdankte und wohin namentlich die Bereitung einer der Cochenille (s.d.) ähnlichen rothen Farbe gehört. Er hatte sich als Student so viel erworben, daß er aller Unterstützung von Seiten seiner Mutter entsagen und 1753 eine wissenschaftliche Reise antreten konnte, von der er 1756 unerwartet mit ansehnlichem Vermögen, dem wahrscheinlichen Ertrage seiner an Fabrikanten verkauften chemischen Erfindungen, in seine Heimat zurückkam. Da er während der Reise kein Wort an seine Angehörigen schrieb, und später, wie überhaupt so auch darüber sehr geheimnißvoll that, so gab das zu allerlei märchenhaften Erzählungen Veranlassung, die zu berichtigen er keineswegs geneigt war. Er sollte Ägypten und Indien besucht, die wunderbarsten Abenteuer bestanden und das Goldmachen gelernt haben, war aber vermuthlich nicht aus Europa gekommen. B. wendete sich jetzt nach Helmstedt, ließ sich bei der damaligen Universität wieder als Student einschreiben, studirte Medicin und Chirurgie und schloß sich vorzüglich an den berühmten Arzt und Professor Heister an, der sich wiederum seines ärztlichen Rathes bediente. Nach Heister's Ableben erhielt er fast dessen ganze ärztliche Kundschaft, wurde 1759 Professor der Physik, 1762 Professor der Medicin, 1768 der Chirurgie und 1802 Leibarzt des Herzogs Karl Wilh. Ferdinand von Braunschweig. Er las zuweilen zwölf Collegia, alle ausgezeichnet durch gründlichen und beredten Vortrag, die naturwissenschaftlichen von zahlreichen Versuchen begleitet, besorgte dabei als glücklicher Arzt eine ausnehmend große Praxis, welche ihn oft zu Reisen, selbst bis nach Berlin nöthigte, führte eine ausgebreitete Correspondenz und widmete fortwährend seinen 17 Sammlungen von Gegenständen der Kunst, Wissenschaft, der Mechanik, Natur u.s.w., wie sie kaum ein anderer Privatmann besessen haben mag und die eine Menge Besuche ihm zuführten, die nöthige Aufmerksamkeit. Mit beinahe jugendlicher Kraft feierte er 1809 sein 50jähriges Jubiläum als Professor, erlag aber noch im Sept. desselben Jahres einer bösartigen Ruhr. Bei allen seinen guten Eigenschaften, zu denen auch aufrichtige [212] Frömmigkeit gehörte, waren ihm jedoch Eitelkeit und Charlatanerie nicht fremd und sprachen sich vorzüglich im Rühmen seiner Sammlungen gegen Personen aus, denen er überlegen war. So pflegte er Nichtkennern einen rohen Diamant, größer als ein Hühnerei, zu zeigen, den er aus Bengalen erhalten haben wollte und der, wäre er echt gewesen, wirklich nicht zu bezahlen war, wie der Besitzer versicherte, in dessen Nachlaß man aber den Stein nicht mehr fand. In seinen Sammlungen befanden sich auch die berühmten Vaucanson'schen Automate (s.d.), denen er, wie er oft äußerte, sein ganzes Glück dankte, indem er schon als Knabe ihren Besitz gewünscht und unablässig sich bestrebt hatte, sie zu erwerben. Besonders wichtig waren seine Gemälde, seine Münzen und seine Sammlung anatomischer Präparate.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 212-213.
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