[409] Paraguāy heißt ein unabhängiges Gebiet von ungefähr 7000 ! M. mit 800,000 Einw. in Südamerika, welches östl. gegen Brasilien vom Paranastrome, nördl., westl. und südl. von den Staaten Bolivia und der Plataunion begrenzt wird. Das Land wird in zwei ungleiche Hälften durch den Paraguayfluß getheilt, welcher auf den Gebirgen der brasil. Landschaft Matto-Grosso entspringt und an der Südgrenze von P. sich mit dem Parana vereinigt, der hierauf in den Rio de la Plata übergeht. Die Gegenden östl. vom Paraguay sind gebirgig und dem Hochlande von Brasilien ähnlich, doch nicht ohne fruchtbare Thalgründe; westl. von jenem Flusse breiten sich bis zum Fuße der Cordilleras de los Andes weite Ebenen aus, welche theils mit stellenweise sumpfigen Urwäldern, theils mit üppigem Graswuchs bedeckt sind und nördl. von dem aus Bolivia kommenden Flusse Pilcomayo Llanos de Chaco, im S. desselben Llanos de Tucuman heißen. Hier werden große Heerden halbverwilderter Rinder und Pferde unterhalten, deren Häute nebst dem Paraguay-Thee oder Máte, welcher fast ausschließlich in P. von den Blättern einer Stechpalmenart gewonnen wird und für die weiße Bevölkerung von Südamerika allgemeines Bedürfniß ist, die Hauptgegenstände des Ausfuhrhandels sind, zu dem aber auch Taback, Baumwolle und andere südamerik. Erzeugnisse gehören, nur die des Bergbaues ganz ausgeschlossen, welcher in P. gar nicht besteht. Fruchtbar ist der Boden fast überall und das sehr warme Klima nur in den Sumpfgegenden der Gesundheit nicht zuträglich. Die Bevölkerung besteht aus Creolen, Mestizen und meist ansässigen Indianern, besonders vom Stamme der Guaranys, und die Guaranysprache ist die herrschende; doch wird überall Spanisch verstanden; Viehzucht, Ackerbau, Handwerke und Handel sind Hauptbeschäftigungen der Einwohner. Die Regierung war zuletzt mit unumschränkter Gewalt in den Händen des Dictators Dr. Francia, von dem weiter unten noch die Rede sein wird. Das ganze Gebiet zerfällt in acht, nach den meist unbedeutenden Hauptorten benannte Departements, und die einzige wichtige Stadt ist Assumpcion oder La Assumcion mit 10,000 Einw. am Paraguay, die schon 1536 gegründet, von Francia aber fast neu aufgebaut worden ist.
Vordem gehörte das heutige P. zu dem span. Gebiete, wo sich im 17. Jahrh. jene zahlreichen Missionen der Jesuiten befanden, um welche diese mehr als 100,000 zum Christenthum bekehrte Indianer in Dorfschaften zu vereinigen und zu willenlosen Werkzeugen ihrer Habsucht zu machen wußten. Sie unterwiesen zwar die Indianer im Ackerbau, in Handwerken und Künsten, allein der gesammte Ertrag der von denselben erworbenen Fertigkeiten floß in die Vorrathshäuser der Jesuiten, in deren Händen auch aller Handel war. Die Eingeborenen bekamen allerdings von ihnen Kleider, Nahrungsmittel und Geräthschaften, erlangten aber nie ein Eigenthum, die span. Regierung aber wußten die schlauen Ordensbrüder durch Versprechungen, Gewährung einer geringen Abgabe und falsche Darstellung der Dinge dahin zu bringen, daß sie ihnen völlig freie Hand und selbst die Vertreibung aller Europäer aus dem Gebiete der Missionen zuließ, weil dieselben die Sittlichkeit der Indianer gefährden sollten. Selbst ein Heer wurde errichtet und endlich zur Vertheidigung der Untheilbarkeit jenes Priesterstaates gebraucht, als in Folge eines 1752 geschlossenen Vertrags zwischen Spanien und Portugal, ein Theil der Missionen an letzteres abgetreten werden sollte. Beide Regierungen kamen aber sofort wegen Vertreibung der Jesuiten [409] aus jenen Gegenden überein, die auch 1756 mit Gewalt durchgeführt wurde. Das Loos der in religiöser Beschränkung und allseitiger Bevormundung gehaltenen Indianer ward jedoch unter den nunmehrigen Gebietern nicht besser, indem sie jetzt nicht mehr, wie durch Befriedigung der allgemeinen Gewinnsucht des Ordens, vor der Bedrückung der einzelnen Beamten geschützt wurden und viele ließen ihre Wohnungen im Stich, um wieder ein Wanderleben zu führen. Während der zu Anfang dieses Jahrhunderts in Südamerika ausbrechenden Unruhen erklärte auch P. 1811 seine Unabhängigkeit und damals begann José Gaspar Rodriguez Francia als Secretair der Regierungsjunta seine merkwürdige Laufbahn als Staatsmann. Er war der Sohn eines von Lissabon eingewanderten Portugiesen oder Franzosen und einer Creolin, 1758 oder 1763 geboren und anfangs zum geistlichen Stande bestimmt, erwarb er auf der Hochschule zu Cordova de Tucuman in La Plata die theologische Doctorwürde. Neigung führte ihn hierauf zur Rechtswissenschaft und er genoß 1811 in Assumpcion den Ruf eines geschickten und unbestechlichen Advocaten. Bei seinem grenzenlosen Ehrgeize konnte ihn, den talentvollsten Mann im Lande, natürlich nur die höchste Stellung befriedigen, und während er mit dem Präsidenten jener Junta, Fulgentio Yegros, zwei Jahre Consul von P. war, hatte er seine 1814 erfolgte Ernennung zum Dictator auf drei Jahre, der 1817 die auf Lebenszeit sich anschloß, schlau vorzubereiten gewußt. Bei seinem heftigen, unversöhnlichen Charakter, der ihn selbst abhielt, sich wegen eines Zwistes mit seinem Vater auf dessen Sterbebett mit demselben zu versöhnen, konnte es seiner Regierung an Zügen tyrannischer Willkür nicht mangeln. Indessen scheint dieselbe mit Uneigennützigkeit geführt worden und auch auf Verbreitung der Grundlagen allgemeiner Bildung bedacht gewesen zu sein. Sämmtliche Bewohner mußten lesen, schreiben und rechnen lernen und in Assumpcion befinden sich höhere Lehranstalten. Mit ängstlicher Strenge suchte er jedoch alle nähern Berührungen von P. mit den Nachbarländern oder mit Europa zu verhindern und der franz. Naturforscher Bonpland, welcher dem Dictator verdächtig erschienen war, wurde viele Jahre hindurch von ihm zurückgehalten. Seine Abneigung gegen die Spanier gab er durch ein Gesetz zu erkennen, welches denselben verbot, sich innerhalb der Grenzen von P. zu verheirathen, es sei denn mit einer Negerin oder Mulattin; sonst liegt jedoch dem von ihm verfaßten Gesetzbuche für P. die vollständigste Gleichheit der Einwohner zum Grunde. Nachdem er schon 1820 seinen Kaplan verabschiedet hatte, hob er 1824 alle Klöster auf, verbot die Processionen und verminderte die Feiertage, die Mönche aber, welche nicht in die Welt zurücktreten wollten, erklärte er für nutzlose Mitglieder des Staats. Dem Heerwesen widmete er seine besondere Aufmerksamkeit und außer der Miliz von 30,000 M. unterhielt er 8000 M. besoldete Soldaten und einige kleine bewaffnete Fahrzeuge zur Vertheidigung der Flüsse. Erst 1827 wurde durch Dom Pedro von Brasilien die Unabhängigkeit von P. anerkannt, wo Dr. Francia sein Ansehen bis zu seinem 1838 erfolgten Ableben unangefochten behauptet hat. – Paraguay Roux heißt eine, zuerst 1828 vom Apotheker Roux in Paris bereitete Tinctur, die als ein wirksames Mittel wider mancherlei Art von Zahnschmerz gerühmt wird.