[657] Wartburg (die) heißt ein um das I. 1070 vom Grafen Ludwig II. oder dem Springer erbautes, als Residenz der thüringer Landgrafen bis zu Anfang des 15. Jahrh. berühmtes, in reizender Gegend gelegenes Bergschloß bei Eisenach im Großherzogthume Weimar. Es werden dort allerlei Alterthümer verwahrt, auch ist neuerlich für bessere Erhaltung des baulichen Zustandes und Herstellung einzelner Theile der Burg gesorgt worden, welche, besonders im 13. Jahrh., der Schauplatz glänzender Feste am landgräfl. Hofe war und wo auch um 1207 jener als Wartburgskrieg bekannte Dichterwettstreit mehrer dort versammelter, ausgezeichneter Minnesänger gehalten worden sein soll. Er wird in einem gleichnamigen Gedicht geschildert, welches vermuthlich zu Ende des 13. Jahrh. entstanden ist und wahrscheinlich keinen andern geschichtlichen Grund hat, als daß am Hofe des Landgrafen Hermann I. einmal ein dichterischer Wettstreit gehalten worden sein mag; die nähere Ausführung ist vermuthlich Erfindung oder Bearbeitung von Sagen. Es drehte sich danach der Streit hauptsächlich um den Ruhm der Fürsten, welche die Gönner der Sänger waren und der Unterliegende sollte sogar gehenkt werden. Dies Loos traf den für Leopold VII. aufgetretenen Heinrich von Ofterdingen, welcher aber auf Verwendung der Landgräfin Sophia den berühmten Dichter und Zauberer Klingsohr aus Siebenbürgen zum Schiedsrichter herbeiholen darf, der zuletzt eine Versöhnung stiftet. Herausgegeben wurde das Gedicht vom Wartburgkriege von Ettmüller (Ilmenau 1830). – In der Reformationsgeschichte ist die W. als der Ort von Bedeutung, wo Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen den vom Reichstage zu Worms geächteten Martin Luther als Ritter Jörge in Sicherheit bringen ließ. Er arbeitete hier vom 4. Mai 1521 bis 6. März 1822 an der Bibelübersetzung und das von ihm bewohnte Gemach wird noch gezeigt. – Das Wartburgfest im I. 1817 wurde am Jahrestag der leipziger Schlacht zum Andenken der dreihundertjährigen Jubelfeier der Reformation begangen und nach einem Vorschlage des Studenten Ferdinand Maßmann aus Berlin, von der Burschenschaft zu Jena die Einladung dazu an die Studirenden aller deutschen Universitäten erlassen. Der hochsinnige Großherzog von Weimar, Karl August, hatte die Wartburg gern dazu eingeräumt, auch die unentgeltliche Aufnahme der Studirenden bei den eisenacher Bürgern vermittelt und das Holz zu den beabsichtigten Freudenfeuern anweisen lassen. Die jenaer Burschenschaft hatte die Festordnung entworfen, zu deren Aufrechthaltung von den ankommenden Theilnehmern einige Obmänner gewählt wurden. Diesen versprach jeder schriftlich die bereitwillige Befolgung seiner Anordnungen und während des Aufenthaltes in Eisenach die Vermeidung aller Händel. Theilnahme und Kostenbeiträge hatten 468 Studenten zugesagt; es waren aber über 500 anwesend, davon allein 200 aus Jena. Von Leipzig und von Würzburg hatten sich nur zwei, von Breslau, Königsberg und Greifswald gar Niemand eingefunden. Dagegen langten uneingeladen willkommene Gäste von Genf an und die Professoren Fries, Oken, Kiefer und Schweitzer (später weimar. Staatsminister) von Jena, viele ehemalige akademische Bürger aus der Nähe und Ferne nahmen Theil. Unter dem Geläute aller Glocken versammelten sich Alle am 18. Oct. früh 6 Uhr auf dem Markte zu Eisenach und zogen von da, mit frischem Eichenlaub geschmückt, der vom Grafen Eduard von Keller vorgetragenen, schwarz-roth-goldenen Fahne der Burschenschaft von Jena nach auf die W. Dort ward im Rittersaale, wo die genannten Professoren und öffentlichen Behörden aus Jena, sowie mehre Fremde schon anwesend waren, das Fest mit dem Liede eröffnet »Eine feste Burg ist unser Gott«. Sodann hielt der Student der Theologie Riemann aus Mecklenburg, der sich in der Schlacht bei Waterloo das eiserne Kreuz erkämpft hatte, einen Vortrag und gelobte darin im Namen Aller, nach jeder menschlichen und vaterländischen Tugend streben zu wollen. Dann ward das »Nun danket alle Gott« gefangen, Hofrath Fries hielt in Folge allgemeiner Auffoderung noch eine kurze Rede und nach Beendigung der Feierlichkeit durch den kirchlichen Segen zerstreuten sich die Anwesenden auf dem Burghofe. Hier ward die Aufhebung der Landsmannschaften an allen deutschen Universitäten und die Vereinigung der studirenden Jugend zu einer allgemeinen deutschen Burschenschaft besprochen, wobei Hofrath Oken eine später gedruckte (»Isis« Jahrg. 1817) Rede hielt und dann wurde im Rittersaale das Festmahl gehalten. Die Leiter des Festes brachten dabei dem Andenken Luther's, dem Großherzoge von Weimar, den Siegern von Leipzig und allen deutschen Universitäten Trinksprüche aus. Nach aufgehobenem Mahle ging der Zug nach Eisenach zurück und in die Stadtkirche zum Festgottesdienste, welchen der Generalsuperintendent Nebe hielt. Alsdann ward auf dem Markte noch ein Lied von demselben Geistlichen gefangen und die Wartburgsfeier mit einem Lebehoch beschlossen. Ein Theil der Studenten verbrachte den Nachmittag mit Turnspielen, Abends aber vereinigte sie ein Fackelzug nach dem nahen Wartenberge, wo in Gemeinschaft mit dem eisenacher Landsturme die gewöhnlichen Freudenfeuer zur Erinnerung an die leipziger Völkerschlacht angezündet wurden. Dabei wurden Lieder gefangen und der Student Rödiger von Jena hielt eine geist- und gemüthvolle Rede; sodann ward eine Sammlung für die Armen veranstaltet und der Berg von den meisten Anwesenden, namentlich auch vom Hofrath Fries, verlassen. Gänzlich ohne Vor- und Mitwissen der Festordner führten Einige den Einfall aus, allerlei Schriften und Sachen in das Siegesfeuer zu werfen, die sie unwürdig und verderblich für Deutschland hielten. Es gehörten dahin unter 28 Schriften auch v. Haller's »Restauration der Staatswissenschaft«, Dabelow, »Über den 13. Art. der Bundesacte«, v. Kamptz's »Codex der Gendarmerie«, A. v. Kotzebue's »Geschichte des deutschen Reichs«, v. Cölln's »Vertraute [657] Briefe«, Saul Ascher, »Die Germanomanie«, »Der Code Napoleon« und Zachariä's Schrift über denselben, Schriften wider das Turnen, die Statuten der Adelskette u.a.m., sowie ein Schnürleib, zur Verhöhnung der Offiziere, welche dergleichen trugen, ein Haarzopf und ein Corporalstock. Gegen Mitternacht erst kehrten die Studenten und die Eisenacher in die Stadt zurück. Am 19. Oct. vereinigten sich die noch anwesenden Studenten abermals auf der Wartburg, wo eine Rede von Fries vertheilt wurde und mehre, besonders eindringlich Student Carové von Heidelberg, für Aufhebung aller Landsmannschaften und Duelle, und Bewirkung einer allgemeinen Burschenschaft sprachen, sodaß zuletzt Alle zu dieser Verbrüderung die Hand boten. Mit fast allgemeiner Theilnahme an der Feier des Abendmahls in der Stadtkirche zu Eisenach ward die allgemeine Aussöhnung geheiligt und Eisenach nachher von Allen verlassen. Es waren allerdings während des Festes mehre zweideutige Personen bemerkt worden, die aus unlautern Gründen hören und sehen zu wollen schienen, aber von Niemand näher beachtet wurden. Das Fest und namentlich die ganz außer denselben liegende Verbrennung jener Schriften ward gleichwol so entstellt und verdächtigt und selbst nach auf gerichtlichem Wege und von den angesehensten Personen erfolgter Berichtigung des Falschen und Misverstandenen, hörten Beschuldigungen und Anklagen wider den dort laut gewordenen Geist der Jugend so wenig auf, daß einzelne schwärmerisch gestimmte Jünglinge in ihrer Entrüstung zu unbesonnenen und verbrecherischen Handlungen (s. Sand) sich verleiten ließen und damit den Gegnern erst die rechten Gründe zu Zwangsmaßregeln lieferten. (S. Burschenschaft und Demagogische Umtriebe.)