Westfälischer Friede

[702] Westfälischer Friede. Der am 24. Oct. 1648 zu Münster im ehemaligen westfäl. Kreise des deutschen Reichs zwischen Schweden, Frankreich, Holland und einigen deutschen Reichsständen von der einen, und dem Kaiser, dem König von Spanien und andern deutschen Reichsständen von der andern Seite abgeschlossene westfäl. oder münstersche Friede setzte nicht nur dem Dreißigjährigen Kriege (s.d.) ein Ziel, sondern begründete ein neues politisches System in Europa und seine Beschlüsse wurden insbesondere das vornehmste Grundgesetz des röm. Reichs deutscher Nation. Kaiser Ferdinand III. hatte schon früher und namentlich seit 1641 versucht, für sich mit einzelnen gegen ihn kriegführenden Mächten sich zu vertragen. Erst nach vergeblichen Bemühungen für diesen Zweck wurden 1644 die eigentlichen Friedensunterhandlungen in den zwei Städten Osnabrück, wo man von kais., schwed. und reichsständischer Seite verhandelte, und in Münster eröffnet, wo der Kaiser, Frankreich und andere fremde Mächte sich vertrugen. Die Verhandlungen an beiden Orten sollten indeß beständig in gewisser Verbindung bleiben, auch durfte keiner für sich allein abschließen und die von beiden angenommenen Punkte sollten nur einen Vertrag ausmachen. Beliebt wurde diese Trennung, um die Rangstreitigkeiten zwischen Frankreich und Schweden zu umgehen, welches letztere aber auch nicht mit dem päpstlichen Nuntius Fabio Chigi (später Papst Alexander VII.) verkehren wollte, der nächst Venedig und Dänemark als Vermittler auftrat. Für Schweden war der Sohn des Kanzlers Oxenstjerna und der bestechliche Salvius, für Frankreich der Herzog von Longueville, d'Avaux und Servien, für den Kaiser Graf Joh. Ludw. von Nassau, Graf von Lamberg und die Doctoren Vollmar und Crane anwesend. Die ausgezeichnetsten protestantischen Gesandten waren Jak. Lampadius für Braunschweig, und der würtemb. Jos. Konr. Varnbühler. Ohne langwierige und thörichte Streitigkeiten über Rang und Titel ging es jedoch nicht ab und man betrieb dieselben mit einem Ernste, als hinge daran das Wohl der Reiche. So verlangten die fürstl. Gesandten den Titel Excellenz gleich den kurfürstl., was den kurbrandenburg. Gesandten eines Tags zu den unwilligen Worten bewog: »Wir könnten wol miteinander was Gutes ausrichten, wenn die gottlose Excellenz nicht wäre!« Allein die mannichfaltigen Ansprüche und Foderungen so vieler Fürsten erschwerten die Verhandlungen ausnehmend. Lange verweigerte der Kaiser das von Frankreich hartnäckig gestellte Verlangen, die protestantischen Fürsten einzeln am Friedenswerke Theil nehmen zu lassen, und Spanien legte als Vertreter der katholischen Reichsstände der Vereinigung ebenfalls zahlreiche Hindernisse entgegen. Erst nachdem für Östreich noch der Graf. Maxim. von Trautmannsdorf angekommen war und d'Avaux und Doctor Vollmar sich beim Pfingstfeste in der Kirche getroffen und so zur Verträglichkeit geneigt gefühlt hatten, daß sie einander die größte Thätigkeit in diesem Sinne zusagten, rückten die Verhandlungen wesentlich vor. Allein selbst unter den befreundeten Mächten drohte während derselben noch Zwiespalt, indem anfänglich auch Frankreich dem Verlangen Schwedens wegen Gleichstellung der Protestanten und Katholiken im Reiche entgegen war. Inzwischen gingen die Feindseligkeiten fort und erst neue Vortheile der schwed. Waffen und ihrer Verbündeten, namentlich die Eroberung der sogenannten kleinen Seite von Prag im Jul. 1648, beschleunigte den am 24. Oct. zu Münster, wohin sich auch die früher einig gewordenen Gesandten von Osnabrück begaben, erfolgten Friedensschluß. Die Feindseligkeiten zwischen Frankreich und Spanien und zwischen Spanien und Portugal dauerten indeß noch fort; der Papst Innocenz X. legte gegen den Frieden, namentlich in Hinsicht der Säcularisation geistlicher Stifter, vergeblich eine feierliche Verwahrung ein. Der Kaiser war nämlich auf die Säcularisirung mehrer geistlicher Stifter eingegangen, mit welchen einzelne Reichsstände entschädigt wurden, um nicht seine Erblande verkürzt zu sehen. Übrigens wurden die seit dem augsb. Religionsfrieden von 1555 getroffenen Veränderungen zu Gunsten der Protestanten anerkannt. Den Reformirten wurden gleiche Rechte mit den Lutheranern zugestanden, die gegenseitige freie Religionsübung der Protestanten in katholischen Ländern und der katholischen im umgekehrten Falle ging jedoch nicht durch. Wegen der wiederherzustellenden geistlichen Stifter wurde der 1. Jan. 1624 (in Pfalz, Baden, Würtemberg aber 1618) als Termin angenommen und die damals säcularisirt gewesenen sollten es bleiben. Jedoch wurde den Regenten zum Gesetz gemacht, die Religionsbekenntnisse, welche nicht die ihrigen wären, nicht zu verfolgen oder zu bedrücken. Wichtig war die von Frankreich und Schweden zur Schmälerung der kais. Macht durchgesetzte Erweiterung der Hoheitsrechte der deutschen Fürsten, welche das Recht der Bündnisse unter sich und mit fremden Mächten erhielten, nur durften diese nicht wider Kaiser und Reich gehen; ferner ward ihre Zustimmung zu den früher vom Kaiser häufig ausgesprochenen Achtserklärungen nothwendig anerkannt. Frankreich erhielt das östr. Elsaß gegen 3 Mill. Livres abgetreten, ferner den Sundgau; die Festungen Breisach und Philippsburg und mehre deutsche Rheinfestungen mußten geschleift werden; der [702] Besitz von Metz, Toul, Verdun und Pignerol ward ihm bestätigt. Schweden erhielt Vorpommern mit Rügen, Wismar, die Bisthümer Bremen und Verden und 5 Mill. Thaler als Ersatz der Kriegskosten; für das an Schweden abgetretene Pommern wurde Brandenburg mit den Bisthümern Halberstadt, Minden, Kamin und der Anwartschaft auf Magdeburg entschädigt. Mecklenburg bekam die säcularisirten Bisthümer Schwerin und Ratzeburg und die Commenden Mirow und Nemerow; Braunschweig-Lüneburg erwarb Walkenried, Schauen, Gröningen und die abwechselnde Besetzung des Bisthums Osnabrück; Hessen-Kassel erhielt die Abtei Hersfeld, mehre Ämter und 600,000 Thlr. Die Pfalz am Rhein wurde dem ehemaligen kurpfälz. Hause zurückgegeben und eine neue, achte Kurwürde für dasselbe gestiftet, die nach Aussterben der bair. Linie (was 1777 erfolgte) wieder eingehen sollte, indem es dann die ihm entzogene bair. Kurwürde wieder erhielt. Das deutsche Reich erkannte die Unabhängigkeit der Niederlande, sowie der Schweiz an, auch ward auf diesem Friedenscongresse der Friede zwischen Spanien und den vereinigten Niederlanden abgeschlossen. Schweden und Frankreich übernahmen die Gewährleistung dieses Friedens und die Truppen beider zehrten noch mehre Jahre auf Kosten des verarmten Deutschlands, bis die Bestimmungen des Vertrags vollzogen waren. Dem Reiche gingen durch diesen Frieden 1900 ! M. mit 41/2 Mill. Einw. verloren, den Protestanten aber ward weniger gewährt, als sie schon mit den Waffen erfochten hatten. Dem Einflusse fremder Mächte wurde durch die erweiterten Hoheitsrechte der deutschen Fürsten freier Spielraum eröffnet und für das deutsche Volk und Land wurde weder Achtung noch Sicherheit durch diesen Frieden gewonnen, der freilich wieder nur eine Folge zahlloser unglücklicher vorhergegangener Ereignisse war. (S. Deutschland und Dreißigjähriger Krieg.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 702-703.
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