Substanz

[450] Substanz (substantia, hypokeimenon, hypostasis, ousia. »substantia« zuerst bei QUINTILIAN, vgl. Prantl, G. d. L. I, 514): das Unterliegende, den wechselnden Eigenschaften und Veränderungen zugrunde Liegende, d er beharrende »Träger« der dinglichen Merkmale, zugleich das »Wesen« (s. d.). Die Substanz ist eine Kategorie (s. d.), ein allgemeines Denkmittel, welches zur (wissenschaftlichen) Verarbeitung der Erfahrungsinhalte dient, nicht ein bloßer Niederschlag von Erfahrungen ist, sondern in seiner bedingenden Function a priori (s. d.), seinem Ursprunge nach ein Product der Wechselwirkung von Denken und Erfahrung ist und zugleich sein Urbild oder Muster in der Permanenz und im Subject-Charakter des Ich (s. d.) hat. Im Substanzbegriff liegt zweierlei: l) das Selbständige, das In-sich-sein, Für-sich-sein im Verhältnis zu den Accidentien (s. d.), das Trägersein, Subjectsein von Eigenschatten. 2) das Beharrende, Beharrliche, Bleibende, Seiende (s. d.) gegenüber der Veränderung (s. d.) – beides Merkmale, die das Ich unmittelbar sich selbst vindiciert. Die relative (zeitliche) Constanz und (räumliche) Gesondertheit, Abgeschlossenheit, Selbständigkeit von Erfahrungsinhalten ist das empirische »Fundament«, das unser Denken veranlaßt, nötigt, die Kategorie der Substanz auf Objecte der Außenwelt anzuwenden, aus dem »Zusammen« von Eigenschaften in einer Object-Einheit das Verhältnis der »Inhärenz« (s. d.) und damit der Substantialität, des »Habens« (s. d.) der Eigenschaften durch den beharrenden Träger zu machen. Der absolute Substanzbegriff ist keine primäre Kategorie, sondern[450] eine Weiterentwicklung des relativen Substanzbegriffs, der Ding-Kategorie (s. d). In der Anwendung des Substanzbegriffs zeigt sich: 1) ein Schwanken zwischen dem absoluten und relativen Substanzbegriff. 2) ein Wechsel in der Bevorzugung bald des einen, bald des andern Elementes des Substanzbegriffs. 3) eine Verschiedenheit desjenigen, worauf der Substanzbegriff angewandt wird: a. qualitativ (GeistMaterie), b. quantitativ (Vielheits- – Einheitslehre). Die Elimination des Substanzbegriffes führt zur Actualitätstheorie (s. d.), entweder bloß für die Psychologie (s. Seele), oder auch für die Naturwissenschaft (s. unten). Der Substanzbegriff kann also in verschiedener Weise und auf Verschiedenes angewandt werden – je nach den Forderungen der fortgeschrittenen Erfahrung und des kritisch-speculativen Denkens, in letzter Linie der metaphysischen Hypothesen. Die materielle Substanz, Materie (s. d.), ist das Beharrende in der Körperwelt als solcher, die seelische Substanz ist die Seele (s. d.) selbst, d.h. das einheitlich-permanente-identische Ich (s. d.) als Träger, Subject (s. d.) seiner Erlebnisse, ohne die es nicht besteht. das Bewußtsein ist selbst »substantiell«, insofern es constantes In- und Für-sich-sein, permanenter Wille (s. d.), »actual«, sofern dieser Wille kein starres, ruhendes Sein ist. Wir fassen die Objecte als Substanzen auf, indem wir ihnen ein dem unsrigen analoges Eigensein zuschreiben (s. Subject). – Den Ursprung des Substanzbegriffs betreffend, betrachtet der Rationalismus diesen Begriff als einen denknotwendigen, aus der Vernunft entspringenden, als »ewige Wahrheit«, der Empirismus hält ihn für ein Product einer Erfahrung oder der Induction, der Kriticismus sieht teilweise in ihm eine primäre, apriorische Kategorie, teilweise ein Resultat der Verarbeitung der Erfahrung durch das Denken, der Sensualismus ist geneigt, ihm objective Gültigkeit abzusprechen. auch aus der inneren Erfahrung wird der Begriff abgeleitet, wie er auch anderseits als Associations- oder als Imaginationsproduct angesehen wird.

In der älteren Philosophie überwiegt die Bestimmung der Substanz als des selbständig beharrlichen Trägers der Erscheinungen, ohne besondere Reflexion auf den Ursprung dieses Begriffs. Die i o n i s c h e n Naturphilosophen (s. d.) fragen zugleich nach der Substanz der Dinge, wenn sie deren »Princip« (s. d.) suchen. Den Substanzbegriff prägen zuerst die Eleaten aus, und zwar im Begriffe des Seins, Seienden (s. d.), welches sie als tôuto t' en tôutô te menon bezeichnen, als absolut beharrend bestimmen. Die »Atome« (s. d.) des DEMOKRIT sind beharrende, unveränderliche Einzelsubstanzen. PLATOS »Ideen« (s. d.) sind substantieller Natur, als seiende, dem Werden nicht unterworfene, selbständige Wesenheiten. Logisch-metaphysisch bestimmt den Substanzbegriff ARISTOTELES. Substanz (hypokeimenon, ousia) ist allgemein die oberste Kategorie (s. d.), jedes »Subject«, von dem etwas ausgesagt wird, das aber selbst nicht Prädicat sein kann, also das absolut Selbständige, In-sich-seiende, der »Träger« von Merkmalen (Met. VII 3, 1029 a 8). ousia de estin hê kyriôtata te kai prôtôs kai malista legomenê hê mête kath' hypokeimenou tinos legetai mêt' en hypokeimenô tini estin (Cat. 5, 2 a 11). Wesenheit, Substanz im weiteren Sinne ist daher jedes Selbständige: das Einzelding, dessen Elemente (s. d.), wie dessen beharrende absolute Grundlage, Form (s. d.) und Stoff (s. Materie). Ousia legetai ta te hapla sômata ... kai holôs sômata kai ta ek toutôn synestôta, zôa te kai daimonia, kai ta moria toutôn. hapanta de tauta legetai ousia hoti ou kath' hypokeimenou legetai, alla kata toutôn talla. allon de tropon ho an hê aition tou einai, enyparchon en tois toioutois hosa mê legetai kath' hypokeimenou[451] , hoion hê psychê tô zôô (Seele als Substanz). symbainei dê kata dyo tropous tên ousian legesthai, to th' hypokeimenon eschaton, ho mêketi kat' allou legetai, kai ho an tode ti on kai chôriston ê. toiouton de hekastou hê morphê kai to eidos (Met. V 8, 1017 b 10 squ.. VII 2, 1028 b 8 squ.). Ousia aisthêtê ist das hypokeimenon prôton, die hylê oder die morphê oder auch to ek toutôn (l. c. VII 3, 1029 a 1 squ.. das tode ti, Cat. 5, 4 a 10. 4, 1 b 27). Einzelsubstanz (tode ti) ist das synolon aus der hylê und der eidos, ousia synthetos (Met. VIII 3, 1043 a 30). Von den prôtai ousiai sind die Gattungsdinge (genê) als ousiai deuterai (substantiae secundae) zu unterscheiden (Cat. 5, 2 a 14. 2 b 7). deuterai de ousiai legontai, en hois eidesin hai prôtôs ousiai legomenai hyparchousin. Es gibtousia hôs hylê und kata to eidos (Met. X 3, 1054b 5). Nach dem Peripatetiker BOËTHOS ist Substanz (ousia) die Form. Auch nach den Stoikern ist die Substanz die oberste Kategorie (s. d.). Substanz ist die qualitätslose Materie (s. d.). Nach PLOTIN ist Substanz, was nicht in einem hypokeimenon ist (Enn. VI, 3, 5), was sich selbst angehört (l. c. VI, 3, 4). Das beharrliche Substrat der körperlichen Veränderungen ist die Materie (l. c. II, 4, 6). Als »Potenz, der Begriffe« ist die Seele Substanz (l. c. VI, 2, 5. vgl. VI, 3, 2).

Die Aristotelische Definition bei MARCIANUS CAPELLA: »Substantia est, quae nec in subiecto est inseparabiliter neque de ullo subiecto praedicatur« (Prantl, G. d. L. I, 676). JOHANNES DAMASCENUS bestimmt ousia als pragma authyparkton kai mê deomenon heterou pros hyparxin (Dial. 4. 39). Gott ist ousia hyperousios (nach AUGUSTINUS: »abusive«, De trin. VII, 10). – Nach SCOTUS ERIUGENA ist die Substanz ganz und ungeteilt in den Arten derselben enthalten: »Ousia tota in singulis suis formis speciebusque est..., quamvis sola ratione in genera sua speciesque et numeros dividatur, sua tamen naturali virtute individua permanet tota« (De div. nat. I, 49). Sie ist unkörperlich (l. c. I, 33). »Quod semper id ipsum est, vera substantia dicitur« (l. c. 1, 65). Nur eine (göttliche) Substanz in allem gibt es nach DAVID VON DINANT (vgl. Pantheismus, Gott). – Nach den Motakallimûn ist die Substanz nur in dem Complex der von Gott beständig neu erschaffenen Accidenzen, nichts ohne diese. Das Durch- und In-sich-sein (»per se esse«, »esse in se«), das Selbständigsein (»nulla alia re indigere«) wird von den Scholastikern als Charakter der Substanzen bestimmt. AVERROËS bemerkt: »Videtur universaliter, quod praedicamentum substantiae sit per se stans et quod non indiget ad eius esse aliquo praedicamento accidentis« (Epit. met. 2, p. 33). Es gibt sinnliche und übersinnliche Substanzen. Jede Substanz besteht aus »Materie und Form« (l. c. 2, p. 38). Letzteres lehrt auch ALANUS AB INSULIS (De arte). Nach WILHELM VON CONCHES ist die Substanz »res per se existens« (Prantl, G. d. L. II, 128). Nach GILBERTUS PORRETANUS bedeutet Substanz das »subsistens« und die »subsistentia« (l. c. II, 216 ff.). Nach ALBERTUS MAGNUS wird »Substanz« gebraucht »secundum rationem nominis quod actu substandi imponitur«, dann »per se ens, et quod est causa et occasio omnibus subsistendi in ipso« (Sum. th. I, 27). Substanz (hypostasis) »signifcat ens ex se distinguibile, sed non distinctum« (l. c. I, 43, 1). »Quae maxime substat, est prima substantia« (l. c. I, 37). THOMAS definiert: »Substantia est res, cui convenit esse non in subiecto« (Contr. gent. I, 25). Sie ist »fundamentum et basis omnium aliorum entium« (3 sent. 23, 2, 1 ad 1). Es gibt »substantia prima« und »secunda« (Sum. th. II, 29, 1 ob. 2). Erstere ist das Einzelding. Der Mensch besteht aus spiritueller und materieller Substanz. »Substantiae separatae« sind subsistierende [452] Wesenheiten (Contr. gent. II, 93). »Substantia« bedeutet auch Wesen (Sum. th. I, 29, 2 c). Das Substanzsein ist »substantialitas« (Contr. gent. I, 29, 2 c). Die göttliche Wesenheit ist übersubstantiell, »supersubstantialis« (De nom. 1, 1). Nach WILHELM VON OCCAM sind die »substantiae secundae« (Gattungen) nur Namen (Log. I, 42). Der scholastische Satz »Substantia est prior naturaliter omni accidente« z.B. bei DUNS SCOTUS. – SUAREZ bemerkt: »In nomine substantiae duae rationes indicantur: una est absoluta, scilicet essendi in se ac per se..., alia est quasi respectiva sustentandi accidentia« (Met. disp. 33, sct. 1). Nach GOCLEN steht »Substanz« »pro eo quod subsistit«. Sie ist »actus seu perfectio subsistentis« (Lex. philos. p. 1096). MICRAELIUS bestimmt: »Substantia est ens per se subsistens« (Lex. philos. p. 1037).

CAMPANELLA kennt drei Arten von Substanz. Substanz ist »ens finitum reale, per se subsistens perfectumque accidentium per se proximumque subiectum« (Dial. I, 6, p. 79). Erste Substanz, »basis omnium quae proprie principaliter et maxime substare dicitur nulloque est in subiecto«, ist der Raum, »spatium universitati corporum substans« (l. c. P. 72). Zweite Substanz ist die »materia prima corporea moles« (l. c. p. 75). »Tertia substantia est quae proprie sed non principaliter nec maxime substat, sed certe subsistit, ideoque non in subiecto, sed in basi subiectorum aliqua est, ut lapis et Petrus« (l. c. p. 70). Durch ein »vinculum substantiale« ist die Seele mit dem Leibgeist (spiritus) vereinigt (Physiol. C. 13). Die Einheit der Weltsubstanz lehrt G. BRUNO. Sie ist das »Fundament aller verschiedenen Arten und Formen« (De la causa V). »Wie daher die Wirklichkeit eines ist und ein Sein bewirkt, wo es auch sei, so ist nicht zu glauben, daß es in der Welt eine Mehrheit von Substanzen und von dem, was wahrhaft Wesen ist, gebe« (ib.).

Die Selbständigkeit, Selbstgenügsamkeit macht zum Kennzeichen der Substanz DESCARTES. Substanz ist ein Ding, »quae per se apta est existere« (Medit. III). »Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum. Et quidem substantia quae nulla plane re indigeat, unica tantum potest intelligi, nempe Deus.« (Absolute Substanz ist nur Gott.) »Alias vero omnes, non nisi ope concursus Dei existere posse percipimus. Atque ideo nomen substantiae non convenit Deo et illis univoce, ut dici solet in Scholis, hoc est, nulla eius nominis signifcatio potest distincte intelligi, quae Deo et creaturis sit communis« (Princ. philos. I, 51). Geschaffene Substanzen sind Geist und Körper. »Possunt autem substantia corporea et mens sive substantia cogitans creata sub hoc communi conceptu intelligi, quod sint res, quae solo Dei concursu egent ad existendum. Verumtamen non potest substantia primum animadverti ex hoc solo, quod sit res existens. quia hoc solum per se nos non afficit: sed facile ipsam agnoscimus ex quolibet eius attributo, per communem illam notionem, quod nihili nulla sunt attributa nullaeve proprietates aut qualitates.« Die Substanz erschließen wir aus ihren Attributen. »Ex hoc enim, quod aliquod attributum adesse percipiamus, concludimus aliquam rem existentem, sive substantiam, cui illud tribut possit, necessario etiam adesse« (l. c. I, 52). »Ex quolibet attributo substantia cognoscitur« (l. c. I, 53). »Per infinitam substantiam intelligo substantiam perfectiones veras et reales actu infinitas et immensas habentem« (Ep. I, 119). Seele und Leib sind »substantiae incompletae«, daher constituieren sie zusammen ein »ens per se« (l. c. I, 90. vgl. Resp. ad IV. obiect.). Die Definition Descartes' auch u. a. bei CLAUBERG (De cognit. Dei et nostri 28, 6). Alle Dinge, »quae[453] a se non sunt«, sind Schöpfungen des göttlichen Geistes. Daraus folgt, »quod res illae eodem modo se habent erga mentem divinam, ac se habent operationes mentis nostrae erga mentem nostram« (l. c. 28, 5).

Den Gedanken, daß die Substanz unendlich, einzig, absolut alles seiend, der Träger aller Dinge, das immanente Princip alles Geschehens sein müsse, macht SPINOZA zur Basis seines pantheistischen (s. d.) Systems. Substanz ist das Absolute, das In-sich-Seiende, Durch-sich-selbst-zu-Begreifende: »Per substantiam intelligo id quod in se est et per se concipitur. hoc est id, cuius conceptus non indiget conceptu alterius rei, a quo formari debeat« (Eth. I, prop. III). Die aus unendlichen Attributen (s. d.) bestehende Substanz ist Gott (s. d.). – »Omnia quae sunt vel in se vel in alio sunt.« »Id quod per alind non potest concipi, per se concipi debet« (l. c. ax. I – Il). Die Substanz geht logisch den Attributen voran: »Substantia prior est natura suis affectionibus,« letztere sind ohne jene nicht zu denken (l. c. prop. I). Es kann nicht eine Zweiheit Von Substanzen geben. gäbe es zwei gleiche Substanzen, so müßte eine die andere beschränken – wegen der Unendlichkeit (s. d.) der Substanz unmöglich. Auch kann nicht eine Substanz die andere hervorbringen, was in scholastischer Weise dargetan wird (De Deo I, 2. vgl. Anh.). »In rerum natura non possunt dari duae aut plures substantiae eiusdem naturae sive attributi« (Eth. I, prop. V). »Si darentur plures distinctae, deberent inter se distingui vel ex diversitate attributorum., vel ex diversitate affectionum. Si tantum ex diversitate attributorum, concedetur ergo, non dari nisi unam eiusdem attributi. At si ex diversitate affectionum, quum substantia sit prior natura suis affectionibus, depositis ergo affectionibus et in se considerata, hoc est vere considerata, non poterit concipi ab alia distingui, hoc est non poterunt dari plures, sed tantum una« (l. c. dem.). »Omnis substantia est necessario infinita« (l. c. prop. VIII). »Substantia unius attributi non nisi unica existit, et ad ipsius naturam pertinet existere. Erit ergo de ipsius natura vel finita vel infinita existere. At non finita. Nam deberet terminari ab alia eiusdem naturae, quae etiam necessario deberet existere. adeoque darentur duae substantiae eiusdem attributi, quod est absurdum. Existit ergo infinita« (l. c. dem.). »Nullum substantiae attributum potest vere concipi, ex quo sequatur, substantiam posse dividi« (l. c. prop. XII). »Substantia absolute infinita est indivisibilis« (l. c. prop. XIII). Außer der göttlichen gibt es keine Substanz: »Propter Deum nulla dari neque concipi potest substantia« (l. c. prop. XIV). »Quum Deus sit ens absolute infinitum, de quo nullum attributum, quod essentiam substantiae exprimit, negari potest, isque necessario existat. si aliqua substantia praeter Deum daretur, ea explicari deberet per aliquod attributum Dei, sicque duae substantiae eiusdem attributi existerent, quod est absurdum: adeoque nulla substantia extra Deum dari potest, et consequenter non etiam concipi. Nam si posset concipi, deberet necessario concipi ut existens. atqui hoc est absurdum« (l. c. dem.).

Als Einzelwesen bestimmt die Substanz dagegen LEIBNIZ. Es gibt unendlich viele Substanzen einfacher Art, die Monaden (s. d.), welche freilich »Ausstrahlungen« (»fulgurations«) der göttlichen Substanz sind. Das Wesen der Substanz ist die Kraft (s. d.), die Substanz ist ein Kraftwesen, ein »être capable d'action« (Gerh. VI, 598). Die Körper (s. d.) sind keine Substanzen, sondern nur ein »substantiatum«, ein Aggregat von Substanzen und deren Product in der Erscheinung (s. d.). Die Substanzen sind an sich geistiger Art, einfach, unteilbar als Monaden, wahrhaft von allen geschaffenen Dingen unabhängig.[454] Die Substanzen sind unzerstörbare Realitäten, die überall bestehen (Gerh. VI, 579 ff.). Die Substanzen haben in sich selbst ihren Bestand, können aber nicht durch sich allein (sondern erst durch ihre Beziehungen zum Universum) begriffen werden (Gerh. I, 139 ff.). »Toute substance exprime l'univers tout entier à sa manière et sous un certain rapport« (l. c. II, 57). Jede Substanz ist »une production continuelle du même souverain estre« (ib.). Jede Substanz ist eine Art Ich, ein Seelenartiges. das Ich ist auch die Quelle des Substanzbegriffs. »Comme je conçois que d'autres estres ont droit aussi de dire moy ou qu'on peut penser ainsi pour eux, c'est par là que je conçois ce qu'on appelle la substance« (l. c. VI, 488. Nouv. Ess. II, ch. 23).

Als das den Eigenschaften Subsistierende, als beharrlicher Träger von Veränderungen wird die Substanz verschiedenerseits bestimmt. D'ARGENS erklärt: »Les substances ou les choses subsistantes par elles-mêmes« (Philos. du Bon-Sens I, 216). Nach VOLTAIRE ist Substanz »ce qui est dessous«. Die geistige Substanz ist unbekannt für immer (Philos. ignor. VII, 65). – CHR. WOLF definiert: »Subiectum perdurabile et modificabile dicitur substantia« (Ontolog. § 768). Die Substanz ist »subiectum determinationum intrinsecarum constantium atque variabilium« (l. c. § 769). »Quod in se continet principium mutationum, substantia est« (l. c. § 872). »Ens infinitum per eminentiam substantia dicitur« (l. c. § 847). Nach BAUMGARTEN ist die Substanz »ens per se subsistens« (Met. § 191). Nach CRUSIUS ist sie »ein vollständiges Ding, wieferne es als aus Subject und Eigenschaften bestehend betrachtet wird« (Vernunftwahrh. § 20. vgl. HOLLMANN Met. § 343 ff.). FEDER erklärt: »Substanzen heißen die eigentlichen Dinge, im Gegensatze sowohl auf die einzelnen Eigenschaften, die wir in der Vorstellung absondern, als auf den äußerlichen Schein überhaupt« (Log. u. Met. S. 230 f.). Nach G. F. MEIER ist Substanz »ein jedwedes vor sich bestehendes Ding« (Met. I, 254). – Nach PLATNER ist die Substanz »ein beharrliches, selbständiges Ding, welches stets dasselbige bleibt unter dem Wechsel seiner Tätigkeiten, Wirkungen oder Accidenzen – eine Kraft« (Philos. Aphor. I, 864). Sie ist die Kraft selbst, nicht der Träger einer solchen (l. c. § 930), ist »ein System unzertrennlich verbundener, einer Grundkraft untergeordneter Kräfte« (l. c. § 932). »Zu dein metaphysischen Begriffe Substanz gehört nicht ein von der Kraft im engeren Verstande noch unterschiedenes Subject oder sogenanntes Substratum« (Log. u. Met. S. 134). Nach ROUSSEAU ist Substanz ein mit einer ursprünglichen Eigenschaft ausgestattetes Wesen (Emile IV, S. 141).

Der Ursprung bezw. die Gültigkeit des Substanzbegriffes wird von englischen Philosophen erörtert. HOBBES betont, es gebe keine Vorstellung (idea) von Substanz, sondern diese ist erschlossen: »substantia enim ut quae est materia subiecta accidentibus et mutationibus, sola ratiocinatione evincitur, nec tamen concipitur aut ideam ullam nobis exhibet« (Obiect. in Cart. medit. p. 87). LOCKE versteht unter Substanz den (an sich unbekannten) Träger von Qualitäten: »The complex ideas, that our names of species of substances properly stand for, are collections of such qualities as have been observed to coexist in an unknown substratum, which we call substance« (Ess. IV, ch. 6, § 7). Von den Substanzen an sich gibt es keine Vorstellung, wenn auch ihre Existenz feststeht (l. c. II, ch. 23, § 16 ff., 29). Die Substanz wird nur zu Qualitätencomplexen hinzugedacht, nicht erfahren. Wir bemerken, daß Vorstellungen stets miteinander verknüpft auftreten, vermuten, daß sie einem Dinge zugehören,[455] und belegen den Complex mit einem Namen. »Aus Unachtsamkeit spricht man nachher davon und behandelt das wie eine Vorstellung, was in Wahrheit eine Verbindung vieler Vorstellungen ist, und weil, wie gesagt, man sich nicht vorstellen kann (not imagining), wie diese einfachen Vorstellungen für sich bestehen (subsist) können, so gewöhnt man sich daran, ein Unterliegendes anzunehmen (suppose), in dem sie bestehen und von dem sie ausgehen (result). Dieses Unterliegende nennt man deshalb die Substanz« (l. c. II, ch. 23, § 1). »So ist die mit dem allgemeinen Namen 'Substanz' bezeichnete Vorstellung nur der angenommene, aber unbekannte Träger jener seienden Eigenschaften, die nach unserer Meinung sine re substante nicht bestehen können, d.h. nicht ohne etwas, was sie trägt« (l. c. § 2). »Was daher auch die geheime und tiefere Natur der Substanz im allgemeinen sein mag, so sind doch alle unsere Vorstellungen von den besonderen Arten der Substanzen nur ununterschiedene Verbindungen einfacher Vorstellungen, die in der wenn auch unbekannten Ursache ihrer Einheit zusammenbestehen, welche macht, daß das Ganze von selbst besteht« (l. c. § 6). Die Kraft gehört wesentlich zum Substanzbegriff (l. c. § 7). Aus den Vorstellungen von unseren geistigen Acten wird die Vorstellung einer geistigen Substanz gebildet (l. c. § 15. vgl. II, ch. 13, § 17 f.). Daß es nur geistige Substanzen gibt, lehrt BERKELEY. Nur in einem Geiste, nicht in einem nichtpercipierenden Dinge kann eine Idee (s. d.) existieren (Princ. VII). Eine materielle Substanz ist unerfindlich, weder Wahrnehmung noch Denken zeigen sie uns (l. c. XVI f., XVIII). Unsere objectiven Vorstellungscomplexe haben wohl eine Ursache, aber diese muß eine unkörperliche, tätige Substanz, ein Geist, Gott sein (l. c. XXVI). Relative »Substanzen«, Dinge (s. d.) als Complexe von Eigenschaften gibt es, aber nicht Substanzen als unbekannte »Träger« der körperlichen Zustände (l. c. XXXVII). Gänzlich aufgelöst wird der absolute Substanzbegriff bei HUME. Weder die innere noch die äußere Erfahrung sind die Quelle desselben, sondern die Einbildungskraft und Association, ein rein subjectiv-psychologisches Princip. »So bleibt uns keine Vorstellung der Substanz, die etwas anderes wäre als die Vorstellung eines Zusammen bestimmt gearteter Eigenschaften.« »Die Vorstellung einer Substanz und ebenso die eines Modus ist nichts als ein. Zusammen einfacher Vorstellungen (collection of simple ideas), die durch die Einbildungskraft (imagination) vereinigt (united) worden sind und einen besondern Namen erhalten haben, durch welchen wir dieses Zusammen uns oder anderen ins Gedächtnis zurückrufen können. Der Unterschied zwischen beiden Vorstellungen besteht darin, daß die bestimmten Eigenschaften, die das Wesen einer Substanz ausmachen, gewöhnlich auf ein unbekanntes Etwas bezogen werden, an dem sie, wie man meint, 'haften'. Oder, falls man diese Fiction nicht macht, so werden sie wenigstens durch die Beziehungen der Contiguität und der Ursächlichkeit eng und untrennbar verbunden gedacht« (Treat. I, sct. 6, S. 28). Die Substanz ist eine Fiction der Einbildungskraft, welche in ihr das »principle of union or cohesion« erblickt (l. c. IV, sct. 3, S. 290). Die Perceptionen bedürfen aber keiner Substanz hinter ihnen, sie existieren für sich, sind insofern selbst Substanzen (l. c. sct. 5, S. 305). Nach ROB. GREEN ist die Substanz »foetus imaginationis« (Princ. philos. de vi contract. et expans. V, 8, § 6). – Die Denknotwendigkeit des Substanzbegriffes, welcher dem »common sense« (s. d.) zugehört, betont hingegen REID. Erstes metaphysisches Princip ist, »that the qualities which we perceive by our senses must have a subject, which we call body, and that the thoughts we are conscious[456] of must have a subject, which we call mind« (Ess. on the pow. II, 277 ff.). »Things which may exist by themselves, and do not necessarily suppose the existence of any thing else, are called substances« (l. c. I, 37). – BONNET erklärt: »Si l'esprit envisage l'objet comme une chose existante à part et revêtue de certaines qualités qui en sont inséparables, qui ne pourraient exister hors d'elle, et dont elle est comme le support ou le soutient, l'esprit se formera la notion de la substance ou du sujet« (Ess. anal. XV, 234).

Als eine apriorische Kategorie (s. d.) des Denkens, als einen nichtempirischen, aber die Erfahrung bedingenden, constituierenden und nur auf (äußere) Erfahrungsinhalte anwendbaren Begriff Von immanent-objectiver Gültigkeit, von subjectiver (s. d.) aber gegenüber dem unbekannten »Ding an sich« (s. d.), bestimmt den Substanzbegriff KANT, der in ihm ein für die Verarbeitung der Impressionen zu gesetzmäßig geordnetem, objectiven Erfahrungsinhalten notwendiges (nicht bloß psychologisch-subjectives) Denkmittel sieht. Die »Substanz« ist eine Art unseres Denkens, Einheit in die Vorstellungen zu bringen, sie beruht auf einer Einheitsfunction des Erkennens. Der Substanzbegriff bedeutet seinem Inhalte nach »das letzte Subject der Existenz, d. i. dasjenige, was selbst nicht wiederum bloß als Prädicat zur Existenz eines anderen gehört«. Die Substanz im Raume ist die Materie (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 42). Schema (s. d.) der Substanz ist »die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit« (Krit. d. rein. Vern. S. 146 f.). »Alle Erscheinungen enthalten das Beharrliche (Substanz) als den Gegenstand selbst und das Wandelbare, als dessen bloße Bestimmung, d. i. eine Art, wie der Gegenstand existiert« (l. c. S. 174). Das Beharrliche ist »das Substratum der empirischen Vorstellung der Zeit selbst« (l. c. S. 176). »In der Tat ist der Satz, daß die Substanz beharrlich sei, tautologisch. Denn bloß diese Beharrlichkeit ist der Grund, warum wir auf die Erscheinung die Kategorie der Substanz anwenden.« »Daher können wir einer Erscheinung nur darum den Namen Substanz geben, weil wir ihr Dasein zu aller Zeit voraussetzen« (l. c. S. 176). Aber diese Beharrlichkeit ist »weiter nichts, als die Art, uns das Dasein der Dinge (in der Erscheinung) vorzustellen« (l. c. S. 178). Sie ist »eine notwendige Bedingung, unter welcher allein Erscheinungen, als Dinge oder Gegenstände, in einer möglichen Erfahrung bestimmbar sind« (l. c. S. 180). Tätigkeit beweist in Consequenz des Causalprincips (s. d.) Substantialität. »Weil nun alle Wirkung in dem besteht, was da geschieht, mithin im Wandelbaren, was die Zeit der Succession nach bezeichnet, so ist das letzte Subject desselben das Beharrliche, als das Substratum alles Wechselnden, d. i. die Substanz. Denn nach dem Grundsatze der Causalität sind Handlungen immer der erste Grund von allem Wechsel der Erscheinungen und können also nicht in einem Subject liegen, was selbst wechselt, weil sonst andere Handlungen und ein anderes Subject, welches diesen Wechsel bestimmte, erforderlich wären. Kraft dessen beweiset nun Handlung, als ein hinreichendes empirisches Kriterium, die Substantialität, ohne daß ich die Beharrlichkeit desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen nötig hätte« (l. c. S. 192). Die Substanz ist nicht das Ding an sich, sondern unsere Denkweise den Objecten gegenüber, ein Product jener. Die »Substanz. in der Erscheinung« ist »nicht absolutes Subject, sondern beharrliches Bild der Sinnlichkeit und nichts als Anschauung, in der überall nichts Unbedingtes angetroffen wird« (l. c. S. 424. vgl. Prolegomen. § 47 f.). – SAL. MAIMON erklärt: »Die Begriffe von Subject und Prädicat, auf Gegenstände der Erfahrung[457] angewendet, liefern uns die Begriffe von Substanz und Accidenz« (Vers. üb. d. Tr. S. 95).

Idealistisch bestimmt J. G. FICHTE die Substanz der Dinge als bloßen Complex von Eigenschaften. wahre Substanz ist das Ich (s. d.). Nicht als das Dauernde, sondern als das »Allumfassende« ist die Substanz zu definieren. »Das Merkmal des Dauernden kommt der Substanz nur in einer sehr abgeleiteten Bedeutung zu« (Gr. d. g. Wiss. S. 146). »An ein dauerndes Substrat, an einen etwaigen Träger der Accidenzen, ist nicht zu denken. das eine Accidens ist jedesmal sein eigner und des entgegengesetzten Accidens Träger, ohne daß es dazu eines besondern Trägers bedürfte« (l. c. S. 161). »Es ist ursprünglich nur eine Substanz, das Ich.« »Insofern das Ich betrachtet wird als den ganzen schlechthin bestimmten Umkreis aller Realitäten umfassend, ist es Substanz« (l. c.. S. 73). Auch SCHELLING bezeichnet (in seiner früheren Periode) das absolute Ich als Substanz. Das Ich, als Beharrendes im Wechsel, ist die Quelle des Substanzbegriffes (Vom Ich, S. 78 ff., 82). Die Substanz ist Relationskategorie (Syst. d. tr. Ideal. S. 301 ff.). später wird das Absolute als Substanz bezeichnet (vgl. WW. I 4, 244. I 2, 199. I 6, 254 f., I 7, 189, 203. II 3, 218). Nach ESCHENMAYER ist das Ich als »Substrat des Erkennens während des Wechsels aller Erscheinungen« Substanz. Das gibt, »in den logischen Verstand übertragen, die 'Urteilsform'« der Substanz (Psychol. S. 305). – Nach HEGEL ist Gott die »absolute Substanz«, die »allein wahrhaft wirkende Wirklichkeit« (WW. XI, 50). Die Substanz ist »das Absolute, das an für sich seiende Wirkliche« (Log. III, 7). Die Substanz ist das absolute Subject des Seins, Idee (s. d.), Vernunft. Substanz ist »das Sein, welches in Wahrheit Subject oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist«. die »reine einfache Negativität« (Phänomenol. S. 15). Die Substanz als objective Kategorie ist »die Totalität der Accidenzen, in denen sie sich als deren absolute Negativität, d. i. als absolute Macht und zugleich als den Reichtum alles Inhalts offenbart. Dieser Inhalt ist aber nichts als diese Manifestation selbst, indem die in sich zum Inhalte reflectierte Bestimmtheit selbst nur ein Moment der Form ist, das in die Macht der Substanz übergeht. Die Substantialität ist die absolute Formtätigkeit und die Macht der Notwendigkeit, und aller Inhalt nur Moment, das allein diesem Processe angehört, das absolute Umschlagen der Form und des Inhalts ineinander« (Encykl. § 150 f.). Nach MICHELET ist das Ich die Substanz, der alle Prädicate inhärieren. so müssen auch die Objecte auf das Substantialitätsverhältnis zurückgeführt werden (Anthrop. S. 370). Nach K ROSENKRANZ ist »das Wesen, welches sich selbst der an sich grundlose Grund seiner Existenz ist«, Substantialität (Syst. d. Wissensch. S. 80 f.).

Nach C. H. WEISSE gehört die Substantialität zu den »Kategorien der Reflexion« (Met. S. 420). Die Substanz ist die Kraft. »Nicht der Körper als solcher, dieser so oder anders specifisch bestimmte, ist das Seiende, das Substantielle, sondern in dem Körper das ein für allemal sich selbst gleiche... Vermögen, unter verschiedenen Bedingungen sowohl diesen, als auch einen andern, zum voraus specifisch bestimmten Körper oder auch eine Mehrheit solchergestalt bestimmter Körper zu bilden.« Die Substantialität ist das Verhältnis der Kraft zur Kraft, der Totalität der Kräfte zu sich selbst (l. c. S. 420). »Substanz ist nur, wo Körper ist.« Substanz ist »der Körper mit seinen Kräften. der Körper ist Substanz als Actus seiner selbst und als Potenz anderer Körper«. Dieser Substanzbegriff entspricht im wesentlichen dem Aristotelischen Begriff der [458] Entelechie (s. d.) (l. c. S. 432). Auf die Kraft (s. d.) führt die Substanz HEINROTH zurück (Psychol. S. 273). Nach HILLEBRAND besteht die Substanz in einer »einfachen, in sich concret bestimmten (hypostasierten) Selbstkraft« (Philos. d. Geist. I, 12). Die Substanzen sind einfache Wesen mit Machtverschiedenheiten (l. c. S. 19). Die wahrhafte Substanz ist ewig, unveränderlich (l. c. S. 13 ff.). Ein System von Substanzen besteht von Anfang an (l. c. S. 21), alle beherrscht von der höchsten Substanz (l. c. S. 22). Kraftwesen ist die Substanz nach WIRTH, sie ist nichts Einfaches (Zeitschr. f. Philos. Bd. 44, S. 278). Kraft ist sie nach ULRICI (Glaube u. Wissen, S. 121, 143). Sie ist die Kraft, »durch welche das Ding entsteht und besteht, indem sie seine mannigfaltigen Momente nicht nur zur Einheit verbindet, sondern auch in Einheit zusammenhält« (Log. S. 340 ff.). Nach M. CARRIERE ist Substanz »die ursprüngliche Tätigkeit, durch welche etwas ein Ganzes ist, sein Inneres äußert, in der Mannigfaltigkeit seiner Beziehungen sich selbst erhält, in welcher also sein Wesen und durch welche alles an ihm Erscheinende besteht« (Sittl. Weltordn. S. 136 f.), »die wesentliche Grundkraft, durch welche etwas in seiner Eigentümlichkeit bestimmt wird« (l. c. S. 137). F. ERHARDT lehrt die Substantialität der Kraft (s. d.) selbst (Met. I, 580 f.).

Als das »bleibende Subject der Erscheinungen« bestimmt die Substanz H. RITTER (Syst. d. Log. u. Met. II, 5). Nach BIUNDE ist sie »ein Etwas, was als das Selbständige dem Unselbständigen Bestand und Haltung gibt, dem Inhärierenden subsistiert«. »Alles, was in die Anschauung fällt, ist als die Substanz nicht denkbar, kann sie nicht selbst sein« (Empir. Psychol. II 1, 25 f.). Die Substanz ist eine aus dem Denkacte abstrahierte Kategorie, sie wird zur Anschauung hinzugedacht (l. c. S. 24). ROSMINI definiert: »Sostanza è quella energia per la quale gli esseri attualmente esistono« (Nuovo saggio II, p. 157, § 587 ff.). Nach W. ROSENKRANTZ verfolgen wir überall im Wechsel der Erscheinungen das Sich-gleich-bleibende. Dieses »betrachten wir als das wahrhaft Seiende und Wesenhafte der Dinge und nennen es Substanz« (Wissensch. d. Wiss. II, 114 f.). Sie ist »das im Wechsel seiner eigenen Accidenzen Sich-gleich-bleibende« (l. c. S. 115). Die Verbindung zwischen Substanz und Accidens ist »aus der Erfahrung schlechterdings nicht zu entnehmen« (l. c. S. 116 ff.). Aus der »constructiven Bewegung« des Denkens leitet die Kategorie der Substanz TRENDELENBURG ab. durch diese setzt sie sich als ein »relativ selbständiges Ganzes« ab (Gesch. d. Kategor. S. 336. Log. Unters.). Nach J. H. FICHTE ist die Substanz der Träger der Eigenschaften des Dinges (Ontolog. S. 364, 368 ff.). – Nach GÜNTHER gibt es eine Vielheit geistiger, aber nur eine Natursubstanz. Nach PLANCK gibt es nur eine (ausgedehnte) Substanz (Weltalt. I, 101). Nach A. SPIR gibt es nur eine, unveränderliche, vollkommene Substanz. Nach A. STEUDEL ist Substanz, was den Erscheinungen subsistiert, eine Naturaussetzung des Denkens. Die endlichen Wesen sind nicht Substanzen. Substanz ist das eine »sich in der Welt diesseitig auswirkende und differenzierende, absolute, sich mit Selbstbewußtsein besitzende, geistige Princip, Gott« (Philos. I 2, 313 ff.). Nach H. BENDER ist die Substanz ein Absolutes, Ding an sich (Zur Lös. d. met, Probl. 1886).

Nach HERBART ist Substanz »der von allen Merkmalen verschiedene Träger derselben«. Sie ist ein transcendenter Begriff. Er ist aus dem Dingbegriff entstanden. Er ist in der definierten Form »widersprechend, er muß umgebildet werden in den Begriff eines Wesens, das vermöge der Störungen und Selbsterhaltungen[459] uns die Erscheinung einer Complexion von Merkmalen darbietet, die ihm der Wahrheit nach gar nicht zukommen« (Lehrb. zur Psychol.2, S. 66). Was ist, erträgt nicht die Vielheit von Merkmalen. Die »Methode der Beziehungen« (s. d.) hebt den im Inhärenzverhältnis (s. d.) steckenden Widerspruch auf. »Ein Zusammen mehrerer Seienden muß dasjenige Sein darbieten, welches durch irgend ein einzelnes bestimmtes Accidens angedeutet wird« (Hauptp. d. Met. S. 31 ff.). Es besteht eine Vielheit von »Realen« (s. d.). Ursprüngliche »Substanz« ist das Subject, das nicht wiederum Prädicat sein kann (Lehrb. zur Einl.5, § 160. vgl. HARTENSTEIN, Probl. u. Grundlehr. d. allg. Met. S. 204 ff.. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. II4, 278 f.). – SCHOPENHAUER: identificiert Substanz und Materie (W. a. W. u. V. I. Bd., § 4). Vom Begriffe der Materie ist ersterer nur eine Abstraction, ein höheres Genus, die Fixierung des Prädicats der Beharrlichkeit. »So wurde also der Begriff der Substanz bloß gebildet, um das Vehikel zur Erschleichung der immateriellen Substanz, zu sein. Er ist folglich sehr weit davon entfernt, für eine Kategorie oder notwendige Function des Verstandes gelten zu können.« Das Gesetz der Beharrlichkeit der Substanz ist ein Corollar des Causalgesetzes. Es folgt daraus, daß das Gesetz der Causalität sich nur auf die Zustände der Körper, keineswegs aber auf das Dasein des Trägers dieser Zustände bezieht. »Die Substanz beharrt: d.h. sie kann nicht entstehen, noch vergehen, mithin das in der Welt vorhandene Quantum derselben nie vermehrt, noch vermindert werden.« Wir sind davon a priori überzeugt (Vierf. Wurzel C. 4, § 20).

HAGEMANN bestimmt: »Das Wesen des Dinges, sofern es den Eigenschaften zugrunde liegt, beharrlicher Träger oder Subject derselben ist, nennen wir Substanz und die Eigenschaften Accidentien... Aber das Wesen kann nur deshalb Träger von Eigenschaften sein, weil es selbst nicht als Eigenschaft von einem andern getragen wird, sondern ein selbständiges, für sich bestehendes Wesen ist.« »Substanz ist also dasjenige Sein, was für sich existiert und keines andern bedarf, dem es inhäriere« (Met.2, S. 26 ff.). »Substantielle Form« ist »dasjenige, wodurch ein Ding sein eigentümliches Wesen und Wirken hat« (l. c. S. 124). Nach GUTBERLET bezeichnet Substanz »ein Sein, das in sich Bestand hat, nicht eines andern Subjectes bedarf, wie das Accidens«. Die Beharrlichkeit ist nur ein Nebenmoment (Kampf um d. Seele S. 84 ff., 95. vgl. BRANISS, Syst. d. Met. S. 278 ff.). Die Substanz ist ein notwendiges Denkpostulat (l. c. S. 90). »In-sich-sein« ist »einer der klarsten und primitivsten Begriffe des menschlichen Geistes« (l. c. S. 89). Die Substanz ist ein »Kräftiges, Tätiges«, verharrt in ihrer Substantialität (l. c. S. 95. vgl. Met.2, 1890). – Nach HELMHOLTZ ist Substanz, »was ohne Abhängigkeit von anderem gleich bleibt in allem Wechsel der Zeit« (Vortr. u. Red. II, 240). Sie hat immer problematischen Charakter (ib.). Nach VACHEROT ist Substanz »le sujet toujours identique« der Veränderungen (Mét. II, 33). RENOUVIER bestimmt: »Une substance est un être considéré dans sa complexité logique, comme le sujet de ses qualités« (Nouv. Monadol. p. 1). Nach RABIER ist Substanz: 1) »le sujet ou support... des modes et des qualités«, 2) »le sujet invariable du changement« (Psychol. p. 283). Sie ist nur durch Erfassung einer Beziehung bekannt (l. c. p. 286).

Nach LOTZE kann Substanz nur das sein, was der Veränderung fähig ist, sie erträgt (Mikrok. III2, 508). »Im Selbstbewußtsein wird unmittelbar das Ich als Träger des innern Lebens so erlebt, daß eben auch dies miterlebt wird, was es heiße, ein solcher Träger zu sein« (l. c. III2, 539). Absolute Substanz ist [460] Gott (s. d.), das Band aller Wesen (l. c. I, 413 ff.. II, 45 ff.. Grdz. d. Log. S. 121). Die Substanz ist nicht ein verborgener starrer Klotz, sondern »nichts als ein Titel, der allem demjenigen zukommt, was auf anderes zu wirken, von anderem zu leiden, verschiedene Zustände zu erfahren und in dem Wechsel derselben sich als bleibende Einheit zu betätigen vermag.« »Die Dinge sind nicht Dinge dadurch, daß in ihnen eine Substanz verborgen ist. sondern weil sie so sind, wie sie sind, und sich so verhalten, bringen sie für unsere Phantasie den falschen Schein hervor, als läge in ihnen eine solche Substanz als Grund ihres Verhaltens« (Grdz. d. Psychol. S. 71). J. BERGMANN betont: »Die unveränderliche Wesenheit und die Substanz eines Dinges sind nichts anderes als das Ding selbst, inwiefern dasselbe in allen seinen Daseinsphasen dasselbe Ding ist« (Sein u. Erk. S. 34). Substanz ist »dasjenige im Dinge, von welchem unter Zeitbestimmungen die Merkmale ausgesagt werden. dieses aber ist das, womit die Merkmale unter Zeitbestimmungen als notwendig verknüpft gedacht werden« (ib., Met. S. 93 ff.). – Nach FECHNER ist Substanz kein Wesen für sich, sondern der »solidarisch gesetzliche Zusammenhang« der Erscheinungen einer bestimmten Gruppe (Üb. d. physikal. u. philos. Atom.2, S. 115). LIPPS bestimmt: »Die Substanz ist der Complex von Eigenschaften oder vorgestellten Inhalten, in dem die Inhalte sich gegenseitig tragen« (Gr. d. Seelenl. S. 436). Wir kennen nur relative Substanzen, die Körper und die Seele (Gr. d. Log. S. 92). Schließlich ist »nur die Einheit dessen, was allen Wirkungen zugrunde liegt, als Ganzes, eigentliche oder absolute Substanz« (l. c. S. 93).

Als Leistung einer »unbewußten Intellectualfunction«, als Kategorie (s. d.) bestimmt den Substanzbegriff E. V. HARTMANN. »Das Ding ist... unbewußterweise mehr als die Summe seiner Eigenschaften, das Bewußtsein mehr als die Summe seiner Affectionen... Dieses Plus deutet auf eine besondere Anwendung der Kategorie der Substanz auf die empirisch gegebenen Gruppen hin, d.h. auf eine subjectiv-ideale Zutat zum Wahrgenommenen, die aus einer unbewußten Intellectualfunction stammt« (Kategorienlehre, S. 497). Die Substantialität ist eine apriorische Zutat (l. c. S. 500 f.). In der »subjectiv-idealen Sphäre« kommt die Substanzkategorie »nur als Abbild der transcendenten Substanz zu den Accidentien vor« (l. c. S. 505). »Das objectiv-reale Correlat des subjectiv-idealen Stoffes ist die Materie, das des Ich die Individualseele« (l. c. S. 509). Die Materie ist »stofflos, aber durch und durch Kraft, sie ist nichts als eine Constellation von Kräften oder ein Dynamidensystem« (l. c. S. 610). In der objectiv-realen und in der subjectiv-idealen Sphäre gibt es nur »Pseudosubstanzen«, Producte von Functionen des Absoluten (l. c. S. 517). In der metaphysischen Sphäre ist die Substanz »reines Subject der Tätigkeit«, immaterielles, ewiges, unbewußtes, unpersönliches Subject (l. c. S. 523 ff.). Die Dinge sind »functionelle Einschränkungen der Substanz« (l. c. S. 534 f., vgl. Gesch. d. Met. II. 413). Nach DREWS sind die psychischen Vorgänge an die absolute Substanz geknüpft (Das Ich, S. 26S ff.). Nach A. DORNER bedingt die Denknotwendigkeit der Substantialität deren Objectivität (Gr. d. Religionsphilos. S. 19 f.. vgl. Das menschl. Erk. 1887). – Nach RIEHL ist Substanz »das Wirkliche rücksichtlich der Unveränderlichkeit seines Quantums« (Philos. Krit. II 1, 271) »Wir können eine Veränderung oder überhaupt eine Folge von Bestimmungen des Bewußtseins nicht vorstellen, ohne zugleich etwas mit vorzustellen, was im Vergleich mit dem Veränderlichen beharrt« (l, c. S. 272 f.). »Das Beharrliche in der Erscheinung, als das Subject der Erfahrungsurteile gedacht, ist die Substanz[461] in der Erscheinung« (l. c. II, 66). Nach H. COHEN bedeutet die Kategorie der Substanz »Immanenz der Erhaltung in der Bewegung« (Log. S. 200 ff.). Substanz ist nicht das Substrat oder Subject, sondern die »subiectio«, die »Hypothesis« (s. d.) (l. c. S. 211 ff., 215). E. KÜHNEMANN entwickelt den Gedanken der unveränderlichen Substanz »aus der Notwendigkeit der Erkenntnis, daß sie in einem Gedanken die Natur darstellt« (Grundlehr. d. Philos. S. 69). Nach SIGWART verlangt unser Bedürfnis fester Begriffe strenge Einheit (Log. II2, 130). Das Motiv zum Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz »liegt in der Schlüpfrigkeit, mit welcher die Veränderung in jeder Form dem festen Griffe sich entwindet, durch welchen unser Denken sie fassen will«. Die Continuität des Denkens drängt, den Wechsel aus dem Begriffe des Dinges zu entfernen (l. c. S. 129. vgl. I2, 405 f.. II2, 113 ff., 391 f.). Nach DILTHEY ist Substanz »das, was Subject für alle prädicativischen Bestimmungen, Unterlage für alle Zustände und Tätigkeiten ist« (Einl. in d. Geisteswiss. I, 189). »Der Begriff der Substanz und der von ihm ausgehende constructive Begriff des Atoms sind aus den Anforderungen des Erkennens an das, was in der Veränderlichkeit des Dinges als ein zugrunde liegendes Festes zu setzen sei, entstanden. sie sind geschichtliche Erzeugnisse des mit den Gegenständen ringenden logischen Geistes. sie sind also nicht Wesenheiten von einer höheren Dignität als das einzelne Ding, sondern Geschöpfe der Logik, welche das Ding denkbar machen sollen« (l. c I, 466). Substanz und Causalität können, weil aus dem Psychischen geschöpft, nicht auf dieses angewandt werden (l. c. S. 489). sie sind nicht apriorische Denkformen, sondern der »Ausdruck unauflöslicher Tatsachen des Bewußtseins« (l. c. S. 512). – Nach WUNDT ist Substanz allgemein »dasjenige, was wir als die Grundlage wechselnder Zustände voraussetzen. Das beharrende Selbstbewußtsein mit seinen wechselnden Inhalten... ist hierzu die ursprüngliche Vorbedingung«. »Die Substanz ist, bildlich ausgedrückt, die Projection dieses eigenen Seins auf die Welt der Objecte.« Der Substanzbegriff beruht auf apperceptiver Synthese, die schon im Dingbegriff vorgebildet ist. Der Substanzbegriff ist nicht apriorisch, setzt schon eine logische Bearbeitung der Erfahrung voraus. Schon im Dingbegriff »überträgt das Selbstbewußtsein die aus der eigenen apperceptiven Tätigkeit hervorgegangene Idee eines Substrates der Vorstellungen auf die Gegenstände des Vorstellens«. »Die Selbständigkeit unseres Ich und der stetige Zusammenhang unserer Vorstellungen werfen ihren Reflex auf die Dinge außer uns.« Die Einfachheit, Tätigkeit, Beharrlichkeit des appercipierenden Ich, die in den Substanzbegriff hinüberwandern, werden hier zu absoluten Bestimmungen gemacht (Syst. d. Philos.2, S. 163, 255 ff.. Log. I2, 462 ff., 470 ff.. Philos. Stud. II, 171 f.. XII – XIII). Der Substanzbegriff der Philosophie entspringt der Abstraction von aller Veränderung. Einen brauchbaren Substanzbegriff entwickeln nur die Naturwissenschaften. Hier ist er notwendig, denn den Naturerscheinungen selbst kann eine unmittelbare Realität nicht zugeschrieben werden. Die Aufgabe, die Natur als ein System beharrender Substanzelemente zu begreifen, ist in den Bedingungen der Naturerkenntnis eingeschlossen (Syst. d. Philos.2, S. 260 ff., 275 f.. Philos. Stud. II, 182, 187 f.). Da verschiedene Voraussetzungen über die Eigenschaften der materiellen Substanz denkbar sind, so hat dieser Begriff insofern einen hypothetischen Charakter (l. c. Syst. d. Philos. S. 438. Log. I2, 548. Philos. Stud. II, 187). Ein Substrat, das tauglich ist, als Grundlage sowohl physischer wie psychischer Vorgänge zu dienen, erfordern die psychophysischen Vorgänge (Log. I2, 541, 549. II2 2, 249). Aber[462] auf den Geist, auf das denkende Subject kann der Substanzbegriff nicht angewandt werden (s. Seele). »Die innere Causalität unseres geistigen Lebens ist mit dem unveränderlichen Beharren einer Substanz nicht vereinbar.« Die Substanz ist die Form, unter der unser Denken unter dem Antrieb von Erfahrungsmotiven die ihm gegebenen Objecte, nicht aber sich selbst, die Quelle des Substanzbegriffes, appercipiert (Syst. d. Philos.2, S. 277 ff.. Log. I2, S. 537 ff., 549f., 626 f.. Gr. d. Psychol.5, S. 386). Die Substanz ist weder das Ding an sich, noch Schein. Sie hat »objective Realität«, ist das Ding, wie es für uns im Raume ist, wie es von uns gedacht wird (Log. I2, S. 546 ff., 551 f.). Der Substanzbegriff ist kein endgültiger Seinsbegriff, sondern ein »Hülfsbegriff« zur Erledigung naturwissenschaftlicher Aufgaben (Syst. d. Philos.9, S. 549 f.. s. Materie).

Aus dem Selbstbewußtsein, innerer Erfahrung, Introjection (s. d.) der Ichheit in die Objecte wird der Substanzbegriff mehrfach abgeleitet (s. auch SCHELLING, LOTZE, WUNDT). Nach M. DE BIRAN stammt der Substanzbegriff aus der Erfahrung des Kraftwiderstandes. »En séparant du sentiment d'un continu résistant... la résistance nue et non sentie, nous formons la notion d'une résistance absolue ou possible qui est celle de substance abstraite« (Ouvr. inéd. I, 252). Aus dem permanenten Ich leitet den Substanzbegriff ROYER-COLLARD ab (Oeuvres de Reid, trad. par Jouffroy III, 401. IV, 30, 434 ff.), auch JOUFFROY, WADDINGTON (Seele d. Mensch. S. 250, 516) u. a. Nach FOUILLÉE ist Typus der Substanz »notre moi«, das uns als identisch und eins erscheint (Psychol. d. id.-forc. II, 178). Wir projicieren diese Eigenschaften auf die Objecte, leihen allen eine Art Ich, ein »vouloir constant« (ib.. vgl. E. BOIRAC, L'idee du phenom.. DAURIAC, Croy. et réal., u. a.). – Aus dem Ichbewußtsein leitet den Substanzbegriff MANSEL (Met.) ab. Ähnlich BALDWIN (Handb. of Psychol. I, ch. 15, p. 320) u. a. – - Nach TEICHMÜLLER ist das Ich das »Prototyp« des Substanzbegriffs (Neue Grundleg. S. 171 ff.). »Es ist das unmittelbar gegebene Ichbewußtsein, welches allmählich zur Selbsterkenntnis kommt, sich selbst dann von dem ideellen Inhalt der Vorstellungen unterscheidet und dadurch sich als Subject dem Object projiciert und also dem. Objecte nach Analogie mit sich Substantialität zuschreibt« (l. c. S. 174). Das Ich als Substanz »hat« als Accidenz seine Tätigkeiten. es leiht das »Haben« an die Sinnendinge (l. c. S.175 f.). Nach WITTE bezeugt das ursprüngliche Selbstbewußtsein, das dem reinen Denken zugrunde liegt, seine eigene Realität als constantes Subject. es hat daran den Maßstab, um etwas vom Subject Unabhängiges zu denken (Wes. d. Seele S. 70 f.. vgl. S. 124 f., f. 156). Nach G. GLOGAU entspringt der Substanzbegriff aus dem Selbstbewußtsein. Dieses erweist sich als substantielles Sein. der Geist ist beharrend (Abr. d. philos. Grundwiss. II, 96 ff.). Nach TH. ZIEGLER stammt der Substanzbegriff aus der innern Erfahrung.- die Objecte werden nach Analogie des Ich gedacht (Das Gef.2, S. 72 ff.. ähnlich J. WOLFF. s. Kategorien).

Nach NIETZSCHE ist der Glaube an Substanzen ein Product der Imagination. Unsere Organe sind nicht fein genug, überall die Bewegung wahrzunehmen, spiegeln uns etwas Beharrendes vor, während es im Grunde kein Beharrendes, nur Werden (s. d.) gibt (WW. III, 1, S. 38 f.. XI, 2, 31. XII, 1, 15). Die »Elimination« des (absoluten) Substanzbegriffs wird auch sonst gefordert. Nach R. AVENARIUS ist die Substanz nichts als der »absolut ruhende ideale Punkt, auf den die Veränderungen bezogen werden, und der gedacht werden muß, um die Veränderungen absolut denken zu können«. Sie ist eine »Hülfsfunction«[463] (Philos. als Denk. d. Welt S. 55 f.). Nach E. MACH gibt es keine bedingungslose Beständigkeit (Anal. d. Empfind. S. 212). Der rohe Substanzbegriff ist für die Wissenschaft unzulänglich (Populärwiss. Vorles. S. 220. s. Ding, Materie). Nach OSTWALD spricht der Substanzbegriff die Aufgabe aus, »ausfindig zu machen, was die Eigenschaft der Erhaltung oder des dauernden Bestandes besitzt« (Vorles. üb. Naturphilos.2, S. 151). Die Energie (s. d.) ist Substanz.

Nicht als unzugängliches Sein faßt R. EUCKEN die Substanz auf, sondern als den »Kern des Lebensprocesses selbst« (Wahrheitsgeh. in d. Relig. S. 148). »Was an Substanz, im Leben steckt, ist immerfort in freischwebende Tätigkeit umzusetzen, durch freischwebende Tätigkeit zu explicieren. die freischwebende Tätigkeit aber bedarf einer Zurückbeziehung auf die Substanz, um nicht in vage Unbestimmtheit zu verfallen« (l. c. S. 149). – SCHUPPE erklärt: »Was Substanz sein soll und sein kann, muß die Logik erst lehren. Wenn man wirklich nicht heimlich noch anderes darunter versteht als das Inhärenzverhältnis, so kann man das Ich Substanz nennen, insofern jedes Ich es unaufhörlich erlebt, daß und wie ihm als dem Substrat oder Träger Eigenschaften und Zustände anhaften. Es ist anschaulich klar... Ist dies Substanz, so gibt es keine andere Substanz« (Log. S. 33). SCHUBERT-SOLDERN bemerkt: »Die Einheit und der stetige Zusammenhang des causalen Processes, welcher ein räumliches und zeitliches Zusammen von Qualitäten oder Daten überhaupt zum Ding macht, hat dazu geführt, diese abstracte Einheit zu verdinglichen oder zu personificieren, und die Verdinglichung dieser Einheit nannte man die Substanz des Dinges« (Gr. ein. Erk. S. 141). In Wahrheit ist Substanz nur die Einheit der Beziehungen von Eigenschaften zueinander, die das Ding ausmachen (l. c. S. 143). – Nach R. WAHLE ist der Substanzbegriff ein »Postulat unserer Erkenntnis«, insofern er »sagen will, daß es irgend ein Seiendes und Arbeitendes geben muß«, Er ist »das Symbol eines Wunsches, etwas zu begreifen« (Das Ganze d. Philos. S. 90 ff.). – Vgl. CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre S. 133 f.. E. HÄCKEL, Die Welträtsel S. 254 ff.. O. FLÜGEL, Zeitschr. f. Philos. u. Pädag. III, 1896 (Substantialität der Seele). Vgl. Ding, Actualitätstheorie, Seele, Materie, Sein, Werden, Kategorien, Introjection, Wesen, Attribut, Accidens, Inhärenz, Ich, Energie.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 450-464.
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Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

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»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

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Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

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