Berieselung mit städtischem Kanalwasser

[702] Berieselung mit städtischem Kanalwasser, eine der Maßnahmen zur Reinigung und landwirtschaftlichen Nutzbarmachung dieser dungstoffreichen, bei der Schwemmkanalisation sich ergebenden Abwasser.

Einrichtungen zum Wässern mit den flüssigen Abgängen aus den Städten bestanden von jeher wohl an den meisten hierzu passenden Orten, denn das Bestreben, sie für den Pflanzenwuchs auszunutzen, ist ein naturgemäßes. Mit einer einfachen Wiesenberieselung, mit dem einfachen Ueberleiten über die Grasnarbe einer gewöhnlichen Wiese, wird aber eine Reinigung nicht in dem Maß erzielt, wie sie notwendig ist, wenn die von der Wiese abfließenden Wasser in einen kleinen Flußlauf gehen. Dieser wird im Lauf der Zeit unter Umständen in bedenklicher Weise verunreinigt, denn es findet nur ein Ueberfluten, keine Filtration durch den Boden statt, und in einer gewissen Wachstumsperiode sowie im Winter dürfen Wiesen, insbesondere solche auf dichten Böden, gar nicht berieselt werden, weil sonst die Pflanzen Not leiden oder gar absterben. Im großen und auf die Dauer ist es daher unmöglich, städtische Kanalwasser vermittelst einfacher Wiesenberieselung zu reinigen. Man liest zwar zuweilen, daß dies da und dort mit gutem Erfolg geschehe; sowie man der Behauptung aber auf den Grund geht, erweist sie sich als unrichtig. (Vgl. die unten folgende Bemerkung zu Bunzlau.) Als darum mit dem Wachstum der Städte, vor allem auch mit der Einführung der Wasserklosetts die Unterbringung der Kanalwasser – auch Spüljauche genannt – überall Händig wachsende Schwierigkeiten zu machen begann, kam man zugleich in Anbetracht der großen Werte, die in den Dungstoffen dieser Flüssigkeit enthalten sind, darauf, deren Reinigung und Nutzbarmachung durch den Boden regelrecht einzurichten. So hat sich mit der Zeit ein vollständiges Verfahren zur Reinigung der städtischen Abwasser durch Rieselfeldanlagen neben demjenigen, das für die dem gleichen Zweck dienenden Kläranlagen in Anwendung kommt, ausgebildet, und man kann ersteres als das natürliche, letzteres als das künstliche Reinigungsverfahren bezeichnen.

Die allgemeinen, bei der Anlage eines Rieselfeldes zu berücksichtigenden Punkte, Bodenart, Größe, Lage, Einrichtung, Betrieb und Erfolg desselben ergeben sich unschwer, wenn man sich die natürlichen Vorgänge bei der Spüljauchenrieselung vergegenwärtigt. Selbstverständlich sind von dieser Behandlungsart der Abwasser, die gleichzeitig die Nutzbarmachung derselben durch landwirtschaftlichen Betrieb, d.h. also die Mitwirkung des Pflanzenwuchses voraussetzt, alle diejenigen Abwasser ausgeschlossen, die pflanzenschädliche Stoffe in größerer Menge enthalten. – Die Spüljauche einer Stadt, in der alle Abgänge einschließlich der Fäkalien in die Kanalisation gehen und durch eine Wassermenge von 100 l auf den Kopf und Tag verdünnt sind, enthält im Kubikmeter durchnittlich an Beimengungen:


0,10–0,13 kg Gesamtstickstoff0,20–0,25 kg Kochsalz
0,04–0,06 kg Phosphorsäure0,02–0,03 kg Magnesia
0,05–0,07 kg Kali0,20–0,30 kg stickstofffreie
Kohlenstoffverbindungen
verschiedener Art.

Aenderungen ergeben sich, wenn Industrien mit großen Mengen besonderer Abgangsstoffe vorhanden sind oder die Fäkalien sorgfältig von den Kanälen ferngehalten werden.[702]

Bodenart. Bei jeder Reinigung sind die festen, im Wasser schwimmenden Stoffe mechanisch auszuscheiden, die gelösten, soweit nötig, chemisch umzusetzen. Bei der Berieselung geschieht dies dadurch, daß die Spüljauche auf durchlässiges Gelände geleitet wird und hier nach Absetzen des Schlammes versinken muß. Hierbei finden im Boden gewisse Umwandlungsprozesse Matt. Die der Fäulnis unterworfenen organischen Stoffe werden durch den Sauerstoff der im Boden enthaltenen Luft und durch die Mitwirkung von Mikroorganismen nitrifiziert, d.h. in Ammoniak und hierauf in Salpetersäure übergeführt, also, was in sanitärer Hinsicht die Hauptsache ist, der Fäulnisfähigkeit beraubt. In Verbindung mit den andern in der Spüljauche enthaltenen Pflanzennährstoffen, Kali und Phosphorsäure, werden die genannten Stoffe teilweise von den auf dem Felde verpflanzten Gewächsen verbraucht und vom Boden absorbiert, teilweise gehen sie in demselben andre Verbindungen ein. Ersteres aber kann naturgemäß zeitlich und sachlich nur in beschränktem Maß stattfinden; die Pflanzen nehmen nur in der Vegetationszeit etwas auf, die Absorptionsfähigkeit des Bodens hat ihre Grenzen. Was nicht aufgenommen oder absorbiert wird, muß mit dem Wasser im Untergrund fortgeschwemmt werden. Dies gilt auch von andern Stoffen, z.B. vom Kochsalz, das vom Boden gar nicht absorbiert und von den Pflanzen nur in geringer Menge aufgenommen wird. Bei der Berieselung mit Spüljauche wird also in hohem Grade die Selbstreinigungskraft des Bodens [1], [2], [3] in Anspruch genommen. – Darum muß das Wasser leicht in den letzteren eindringen und in ihm fortfließen können, d.h. zu einer Rieselanlage darf nur durchlässiges Gelände mit tiefliegendem Grundwasserspiegel, also ein Boden, in dem viel Luft enthalten ist, gewählt werden. Zum minderten muß es möglich sein, den Boden durch Drainage ganz durchlässig zu machen und dem aus dem Untergrund abziehenden gereinigten Wasser einen Abzug in ein fließendes Gewässer zu verschaffen.

Größe. Eine Berechnung, wie groß ein Rieselfeld für eine bestimmte Bevölkerungszahl sein sollte, läßt sich nach [1] in folgender Weise aufstellen: Durch eine gute Ernte werden dem Boden durch die auf dem Rieselfeld gebauten Pflanzen pro Hektar entnommen:


Berieselung mit städtischem Kanalwasser

Nun liefert nach im großen gemachten Erhebungen ein Mensch (Männer, Frauen und Kinder ineinander gerechnet) im Jahr 33 kg Kot und 428 kg Harn und darin 5,2 kg Stickstoff, 1,3 kg Phosphorsäure und 2,2 kg Kali. Um den Stickstoffgehalt der größten Ernte pro Hektar zu liefern, brauchte man also eine Bevölkerung von 60 Köpfen, die aber anderseits nur die Hallte der erforderlichen Menge Phosphorsäure und nur 1/3 derjenigen an Kali decken könnte. Hierfür wären 120 bezw. 180–200 Köpfe nötig. Theoretisch genommen, müßte man also, um den Düngerwert der Spüljauche ausnutzen zu können, auf 60 Köpfe je 1 ha Rieselfläche anlegen und die fehlende Menge an Phosphorsäure und Kali besonders aufbringen. Tut man dies nicht, nimmt man die Größe des Rieselfeldes entsprechend dem Gehalt der Spüljauche an Phosphorsäure und Kali, so ist ein Ueberschuß an Stickstoff vorhanden, der von den Pflanzen nicht verbraucht werden kann, also verloren geht. Praktisch gestaltet sich die Frage aber ganz anders. Die Pflanzen nehmen die Dungstoffe nur während der Vegetationsperiode auf. Diese währt nur eine beschränkte Zeit, die Spüljauche muß aber während des ganzen Jahres in annähernd gleicher Menge untergebracht werden. Der Dünger kommt mit einer großen Menge von Wasser während des ganzen Jahres auf das Feld und das Wasser muß versitzen. Wenn nun der Boden die Fähigkeit hätte, alle in dem Wasser enthaltenen Pflanzennährstoffe in beliebiger Menge zu absorbieren und bis zu ihrer Verwendung durch die Vegetation aufzuspeichern, so könnte man entsprechend jener Rechnung mit den 60 Köpfen auf 1 ha Rieselfeld vorgehen. Diese Eigenschaft einer unbeschränkten Absorptionskraft hat der Boden aber nicht. Im Gegenteil, die betreffende Fähigkeit ist nicht nur je nach der Bodenart sehr verschieden, sondern bei sandigen Böden überhaupt gering. Darum hat jene Berechnung nur einen theoretischen Wert. In der Praxis geht man von den von natürlichen Verhältnissen abhängigen Erfahrungen aus. Diese haben dahin geführt, daß zwar in verschiedenen Städten bis zu 600 Köpfe auf 1 ha kommen, daß man aber jetzt glaubt, die Größe eines Rieselfeldes durchschnittlich nach dem Maßstab von 1 ha auf 250 Köpfe annehmen zu sollen.

Lage. Wegen der bestehenden Befürchtungen hinsichtlich Geruch und Verderben des Grundwassers wird man gut tun, einen Platz nicht zu nahe bei der Stadt, nicht in der herrschenden Windrichtung, womöglich jenseits eines Waldes und nicht in dem Bereich des zur Stadt ziehenden Grundwasserstromes zu wählen. Dabei sind auch die Besitzverhältnisse im Auge zu behalten. In erster Reihe ist das Bestreben auf Erwerbung von Großgrundbesitz zu richten; ausgedehnten, klein parzellierten Besitz zusammenzukaufen, wird zu teuer, wenn es überhaupt möglich ist. In Gegenden mit kleinparzelliertem Besitz und intensiver Bebauung würde die Erwerbung des für eine größere Stadt erforderlichen Riesellandes – geschlossene große Komplexe müssen es sein – das Zurücktreiben ganzer Gemeinden erforden, was sozialpolitisch unzulässig ist. Fest erworben muß das Gelände werden, denn die Rieselgüter müssen für einen regelrechten Betrieb in städtischem Besitz sein, da man anderseits in der Unterbringung der Jauche zu abhängig ist.[703]

Einrichtung. Bezüglich der Zuleitung und Verteilung des Wassers auf das Rieselfeld kommt es darauf an, wie viel Wasser aufgeleitet werden muß. Die ganze Menge des bei starken Niederschlägen sich ergebenden Regenwassers der Rieselung zu unterwerfen, ist nicht erforderlich; von einer gewissen Grenze an kann die verdünnte Jauche für die Regel in ein öffentliches Gewässer geleitet werden. Je nach Art und Größe des letzteren, Verwendung zu Trinkwasser, Stauanlagen im Ortsbereich, Wassermenge u.s.w. kann die Grenze enger oder weiter gezogen werden. In Berlin (s. [6], S. 30 u. ff.) rechnet man, daß der tägliche Wasserverbrauch auf 18 Stunden sich verteile und demgemäß abgepumpt werden müsse und daß ferner Niederschläge von täglich 25 mm Regenhöhe zur Hälfte versickern, zur Hälfte aber ebenfalls abzupumpen sind, während größere Regenmengen durch Notauslässe in die Spree gehen sollen. So kommt man dort auf eine gleichmäßig abzupumpende Maximalwassermenge von 325 l auf den Kopf und Tag oder 3,7 Sekundenliter auf je 1000 Einwohner. Aehnliche Zahlen sind auch anderwärts festgehalten. – Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die Weiterleitung des in dem Untergrund sich ansammelnden, gereinigten Wassers, die Beschaffung der Vorflut. Nur Kies oder grobe Sandböden können in Abzugsgräben entwässern und ohne Drainage bleiben, und auch für solche ist dies auf die Dauer fraglich. Dichtere Böden sind von vornherein zu drainieren. Bezüglich der Weite der Röhren,- der Entfernung der Rohrstränge s. Drainage. Die Tiefe der Drains ist dadurch bedingt, daß beim Versinken des Wassers die früher erwähnten Oxydationsvorgänge sollten erfolgen können, daß also die Wasser nicht zu rasch in die Drains kommen dürfen. Eine Mindesttiefe von 1,5 m ist deshalb anzuraten; liegen die Drains höher, so findet fast nur eine Filtration der Jauche statt, es gehen unzersetzte Stoffe ab, und die Gewässer, welche die Drainwasser aufnehmen, werden verunreinigt. Wenn irgend möglich, sollte aus diesem Grunde und auch wegen der unter Umständen sich ergebenden großen Wassermengen für einen Abzug in ein größeres Gewässer gesorgt werden. Ist Grundwasser vorhanden, so müssen die Entwässerungseinrichtungen so wirksam sein, daß sich dessen Spiegel durch die Rieselung nicht dauernd höher stellt als 1,5 m unter der Oberfläche.

Betrieb. Die eigentümliche Zusammensetzung des zur Verfügung stehenden Düngers, der große Gehalt an Stickstoff und an Kochsalz und der verhältnismäßig geringe an Phosphorsäure und Kali gebieten bezüglich der Bepflanzung des Rieselfeldes besondere Rücksichten [9]. Der Stickstoff befördert vor allem die Blattentwicklung, das Kochsalz wird nicht von allen Pflanzen ertragen; manche Pflanzen, wie Tabak, verlangen einen hohen Gehalt von Kali; Gras, insbesondere italienisches Raygras, Kohl, Mais, Rüben, Futterrunkeln, welch letzteren auch der stärkere Kochsalzgehalt der Spüljauche nichts schadet, müssen darum überwiegen vor Getreide (das vom Keimen an nur wenig, von der Aehrenbildung an gar nicht mehr gerieselt werden darf) und vor Hülsenfrüchten. Klee und Luzerne faulen leicht. Beim Betrieb eines Rieselgutes kann man sich doch nicht lediglich nach den theoretischen Anforderungen richten. Einerseits sollte der ganze Betrieb möglichst in der Selbstverwaltung der Stadt bleiben, da die Unterbringung der Jauche auf verpachtetem Gelände, auch wenn die Pächter vertragsmäßig zu jederzeitiger Aufnahme derselben verpflichtet sind, zeitweise kaum durchzuführen ist. Anderseits jedoch erfordert intensive Landwirtschaft, wie der Gemüsebau, zu viele Arbeitskräfte, wird also in Regie zu teuer. Die Praxis (Absatz, Arbeitslöhne) muß da im einzelnen Fall den richtigen Mittelweg zeigen. – Untersuchungen über den Grad der Reinigung der Spüljauche durch Bodenberieselung sind in großer Anzahl gemacht und in [1], [2], [3], [7], [8], [10], [11] mitgeteilt. Es empfiehlt sich, vorsichtig zu sein bezüglich mancher Einzelheiten dieser Ergebnisse. Menge und Verunreinigung der auf das Rieselfeld gelangenden Spüljauche wechseln um das Vielfache je nach den Tageszeiten. Große Wassermengen am Vormittag und Mittag enthalten auch die größte Verunreinigung, während die nachts ankommenden kleinen Wassermengen ziemlich rein sind. Hier kann man aber durch stündliche Wasserproben und Messungen der Wassermengen einen Mittelwert bekommen. Weit schwieriger ist dies bezüglich der Abwasser des Rieselfeldes. Es kommen hier zur Geltung der Boden, mehr oder weniger dichter, drainierter oder undrainierter Untergrund, frisch umgebrochen oder durch längere Berieselung und Pflanzenwuchs dicht gemachte Oberfläche, die hierdurch bedungene Zeitdauer des Durchsickerns des Wassers durch den Boden, die Aufnahmefähigkeit der verschiedenen Gewächse zu den verschiedenen Zeiten und endlich der durch die Natur der Sache gebotene stete Wechsel mit der Berieselung der verschieden beschaffenen Bezirke. Die Abwasser sind darum keineswegs immer gleich oder auch nur ähnlich und es kann eine Gegenüberstellung von einzelnen Proben des Zulaufes und des Ablaufes zu ganz falschen Schlüssen führen. Ganz besonders falsch bei dem Wechsel in der Beschaffenheit des Zulaufes und bei der beträchtlichen Zeitdauer des Verbleibens der Jauche im Boden wäre eine Gegenüberstellung gleichzeitig entnommener Proben. Ein Versuch zu systematischem Vorgehen in dieser Hinsicht ist in [10] gemacht.

Beispiel. Das Rieselfeld der Stadt Freiburg i. B. (s. die Planskizze) hat die denkbar einfachsten Verhältnisse. Diese Stadt mit rund 60000 Einwohnern besitzt eine regelrechte Schwemmkanalisation, in die sämtliche Regen-, Haus- und Gewerbeabwasser, sowie obligatorisch die Fäkalien eingeleitet sind. Ein großer Strom ist nicht in der Nähe, eine Reinigung der Spüljauche vor ihrer Weiterleitung war daher geboten, und die besonders günstigen Verhältnisse führten zu einer Rieselfeldanlage. Es konnte ein westlich der Stadt, 3 km von den äußersten Häusern entfernt gelegenes, weit ausgedehntes und zu diesem Zweck gut geeignetes Gelände, meist aus großen Waldstücken bestehend, zusammengekauft werden. – Günstige Gefällsverhältnisse gestatten die Ableitung der Spüljauche der ganzen Stadt auch nach ihrer weitest gedachten Entwicklung, nachdem auf den Zwischenstrecken durch Regenauslässe in die Dreisam für Entladung der Kanäle bei Regengüssen gesorgt ist, in einem einzigen Rohr nach jener Richtung, ohne daß eine künstliche Hebung des Wassers nötig wäre, und ebenso wieder die Weiterführung der Drainagewasser in die Dreisam. Der Boden ist, wenn auch wechselnd, im ganzen durchlässig, Kies, Sand mit[704] stellenweise zwischengelagerten Lettschichten, ausschließlich Urgebirgsschutt. Wo das Grundwasser nicht von vornherein tief stand, war anzunehmen, daß es durch Drainage und Abzugsgräben sich entsprechend senken ließe. Wenn schon einzelne flache Schinken, von alten Läufen der Dreisam herrührend, das Gelände durchziehen, so zeigt dieses doch im ganzen eine gleichmäßig abgedachte Oberfläche ohne Hügel- und Talbildungen und setzt also einer regelrechten Grundstückseinteilung und Planierung keine zu großen Hindernisse entgegen. Die obige Annahme von 250 Köpfen auf das Hektar Rieselfeld verlangt für die 60000 Einwohner zunächst eine Fläche von 240 ha. Um sicher zu gehen, hat man von vornherein ein fast doppelt so großes Gelände angekauft und ein beliebig ausdehnungsfähiges Projekt aufgestellt. – Bei Punkt α des Planes kommt das Sammelrohr aus der Stadt an. Unter Zugrundelegung einer Zunahme der Bevölkerung bis zu 100000 Köpfen und einer Maximalabfuhr von 350 l auf den Kopf und Tag müßte das Rohr rund 400 Sekundenliter führen können. Man hat es jedoch für 750 l genommen. Da es in den Wiesen unterhalb der Stadt tief in das Grundwasser zu liegen kommt, und da erfahrungsgemäß auf den Rieselfeldern für die üppig wachsenden Pflanzen in trockener Zeit Anfeuchtung mit stark verdünnter Spüljauche sehr wünschenswert ist, hat man eine Vorrichtung zur Fassung und Einleitung des Grundwassers in das Sammelrohr getroffen. Durch einen Schieberabschluß am untersten Regenauslaß wird dafür gesorgt, daß zunächst nur eine der jetzigen Einwohnerzahl entsprechende Menge von Spüljauche auf das Rieselfeld geht. Von Punkt α an fließt dieselbe in offenen Gräben. Nach Durchströmen von zwei großen Absatzbecken, in denen die Jauche zwischen Flechtzäunen serpentiert und ihre gröbsten Beimengungen, Sand, Papier u.s.w. liegen läßt, wird sie auf der ganzen Fläche durch Zuleitungsgräben verteilt, durch Schleusen in Horizontalgräben eingestaut und vermittelst dieser auf der Fläche zum Ueberrieseln gebracht. Die Zuleitungsgräben durchziehen von den Absatzbecken an überall in Richtung des stärksten Gefälls die Fläche. Die Leitung des Wassers in offenen Gräben hat sich vollständig bewährt. Dasselbe kommt im strengsten Winter mit einer Temperatur von 5–6° C. auf dem Rieselfeld an und kühlt sich bei seinem Lauf bis an das äußerste Ende auf 3 km Entfernung nur um etwa 2° ab. In Entfernung von je 60 m sind Stauschleußen eingesetzt, die das Wasser nach beiden Seiten auf die Fläche zu leiten haben. Bei der Konstruktion der Schleußen sind alle Profilerweiterungen zu vermeiden, weil sie Schlammablagerungen hervorrufen. Wie alle Bauten auf der ganzen Anlage sind die Schleußen aus Zementbeton erstellt, da Mauerwerk oder Quader zu teuer gekommen wären, Kies und Sand dagegen in der Nähe zu gewinnen waren. Die Schützen sind einfache Staubretter ohne besondere Aufzugsvorrichtungen. Dies verdient auch bei größeren Weiten den Vorzug, weil Eisenkonstruktionen im Winter leicht Not leiden würden, da beim Oeffnen der oft seit eingefrorenen Teile rücksichtslos daran herumgeklopft wird.

Wegen des großen vorhandenen Gefälls, 7–8‰, genügen für die Zuleiter 0,6 m Tiefe und 0,6 m Sohlenbreite. Ihre Sohle und die Schwellen der Stauschleußen liegen durchschnittlich[705] in Geländehöhe; die Einlaßschwellen der Verteiler 20 cm höher. Dadurch erreicht man, daß die Sohlen der letzteren, denen man 20–30 cm Gefäll gegeben hat, an ihren äußeren Enden immer noch annähernd in Geländehöhe zu liegen kommen. Durch Rohrdohlen von 20 cm Weite, die in der Sohlenhöhe der Verteiler in deren unteren Dämmen in Entfernung von 30 m eingebaut sind und mit einfachen hölzernen Schiebern verschlossen werden, also nicht durch Ueberschlagen, erfolgt deren vollständige Entleerung auf die Rieselfläche, und zwar in eine am äußeren Fuß des unteren Dammes hinziehende Rinne. Dies hat den großen Vorteil gegenüber eingeschnittenen Verteilern, daß aller Schlamm und alles Wasser auf die Fläche kommt, wo sie versinken müssen oder untergearbeitet werden, daß nichts im Verteiler flehen bleibt. Bei einem durchschnittlichen Zulauf von 200 Sekundenlitern währt es auf einer 1 ha großen 60 m breiten Fläche von dem Augenblick an, wo das Wasser gestaut wird, etwa 2–3 Stunden, bis dieselbe ganz durchrieselt ist, bis also das Wasser am nächsten Quergraben ankommt. Dann wird umgestellt, damit das Wasser sich nicht anstaut. Da der ganze Zulauf auf der Fläche versenkt und unterirdisch abgeleitet werden muß, endigen alle Zuleiter blind auf den untersten Teilen des Rieselfelds. Daß die Rieselfläche selbst forgfältig planiert werden muß – in Richtung der Verteiler horizontal und senkrecht dazu dem natürlichen Gefälle der Fläche folgend –, bedarf wohl kaum der Erwähnung.

Zwischen je zwei Zuleitungsgräben, die man in Entfernungen von 300–400 m nach dem stärksten Gefäll geführt hat, ist ein Längsweg gelegt, so daß die von diesem zugänglichen Grundstücke 150–200 m Länge und bei einer Breite von 60 m eine Größe von 90–120 a haben. Kleinere Stückeinteilung hat man vermieden, weil das Land nur zu Acker oder Wiese geeignet ist und in absehbarer Zeit nicht gärtnerisch verwendet werden kann. Die Wege sind, damit sie trocken bleiben, 0,5 m über Geländehöhe aufgedammt. Der obere Teil der Fläche, woselbst sandiger Boden überwiegt, war zuerst nicht drainiert. Man hat dies aber jetzt nachgeholt; der untere Teil ist wegen seines mehr tonigen Untergrunds von vornherein drainiert worden. (Ueber Rieselfelddrainage s. Drainage.) Die Abzugsgräben, in welche die Drains einmünden, sind mindestens 2,5 m tief. Ihr Gefälle ist so stark, daß man an geeigneten Stellen Stauschleußen in sie eingebaut hat, in trockenen Zeiten das Drainagewasser in ihnen aufstaut und das schon einmal durch den Boden gesickerte Wasser eine kurze Strecke unten dran nochmals zum Ueberrieseln bringt. Dies bewährt sich gut.

Als Betriebsstätte dient ein zum Rieselfeld gehöriger, früher kleiner, jetzt durch Zubauten entsprechend erweiterter Hof. Zur Speisung eines laufenden Brunnens und einer großen Zahl von Hahnenbrunnen in den Wohnräumen und in den Stallungen ist von außen her Quellwasser beigeleitet. Das Anwesen hatte früher einfache Pumpbrunnen innerhalb der Gebäude. Da der Grundwasserstrom vom Rieselfeld her unter dem Hof durchgeht, trug man Bedenken, diese Pumpbrunnen beizubehalten. Es ist anderwärts [8] doch schon vorgekommen, daß der Salpetersäuregehalt des Wassers von Pumpbrunnen unter solchen Verhältnissen nach und nach erheblich zugenommen hat und letztere dadurch allgemein verdächtig geworden sind.

Der Betrieb geht ganz auf Rechnung der Stadt, verpachtet ist nichts. Das zurzeit landwirtschaftlich betriebene Gut, ohne den Wald, umfaßt rund 300 ha, wovon einschließlich der zwischenliegenden, an der Reinigung des Wassers mitarbeitenden Dämme und Wege 240 ha in das Rieselgebiet fallen, weitere 27 ha natürliche Wiesen unterhalb des Hofs mit dem vom Rieselfeld kommenden Drainagewasser gewässert und 30 ha als sonstiges Ackerland nicht berieselt werden. Zum Gut gehören noch 170 ha Wald; 100–120 ha davon werden je nach Bedarf zur Rieselung beigezogen werden. Weiteres Gelände zu erwerben, wird nach den örtlichen Verhältnissen nicht schwer werden. – Die Bewirtschaftung erfolgt durch einen Verwalter, einen Gutsaufseher, einen Rieselmeister, zwei Rieselwärter und einige Knechte. Vom April bis Oktober sind Arbeiterkolonnen aus dem brandenburgischen Warthebruch eingestellt.

Angebaut ist die Fläche durchschnittlich mit:


Winterölfrucht25 ha,
Wintergetreide80 ha,
Sommergetreide40 ha,
Künstliche Wiesen40 ha,
Kartoffeln15 ha,

sonst noch mit Rüben, Möhren, Mais u.s.w. Der Viehstand besteht aus 70 Kühen, weil die Milchwirtschaft ziemlich einträglich ist, 50 Ochsen und 10 Pferden.

Das Gut, ohne den noch dabei liegenden Wald, aber mit Gebäuden, lebendem und totem Inventar kommt auf rund 1500000 ℳ. Dadurch, daß der weitaus größte Teil aus Waldboden bestand, dessen Rodung allein auf 600 ℳ. pro Hektar kam und dessen Planierung wegen der durch alte Bachläufe entstandenen großen Unebenheiten sehr teuer wurde, ist dieser große Aufwand entstanden. Wenn man eine Amortisation des Anlagekapitals außer Betracht läßt, was man bei einer Ertragsberechnung tun darf, und 31/2% Verzinsung annimmt, so erhält man eine Bruttobelastung der Stadt von 52500 ℳ. im Jahr. Da nun die Betriebseinnahmen bisher einen Ueberschuß über die Betriebsausgaben von jährlich rund 15000 ℳ. ergeben haben, = l% des Anlagekapitals, so sind rein aufzubringen auf den Kopf der 60000 Einwohner 62 Berieselung mit städtischem Kanalwasser. jährlich. Dies ist gegenüber dem an andern Orten mit Kläranlagen u.s.w., für Reinigung der Abwasser erforderlichen Aufwand nicht zu viel. Man hofft, diesen Aufwand noch herunterzubringen, wenn erst einmal der noch vielfach wilde Boden durch längeren Anbau fruchtbarer geworden ist.

Die Erwartungen, die man in Freiburg von der seit 1893, also jetzt seit 10 Jahren in Betrieb befindlichen Anlage gehegt hat, sind in Erfüllung gegangen. Die Unterbringung des Kanalwassers auf der Rieselfläche und die Fortleitung des Drainagewassers haben nie Schwierigkeiten gemacht, die Reinigung des Wassers ist eine vollkommene, eine Uebersättigung, Versumpfung oder Verschlickung des Bodens ist nirgends zu beobachten, von stärkeren Übeln Gerüchen ist nichts zu bemerken, die Betonbauten haben sich sehr gut gehalten, der Gesundheitszustand[706] des auf dem Rieselfeld wohnenden und beschäftigten Personals ist ein guter, und übermäßige Hoffnungen auf große Rentabilität hat man sich nie gemacht. Es ist nur zu bedauern, daß die früher begonnenen chemischen und bakteriologischen Untersuchungen [10] des Kanal- und des Drainagewässers nicht fortgesetzt worden sind.

Erheblich schwieriger als in diesem Fall liegen die Verhältnisse dann, wenn die Jauche in die Höhe gepumpt werden muß. In Berlin z.B. ist man genötigt, die Abwasser der weit ausgedehnten Stadt zu teilen, an verschiedenen tiefen Punkten zu sammeln und von hier aus vermittelst Pumpen und Gußrohrleitungen nach allen Richtungen auf die weit entfernten und weit zerstreuten, erheblich höher liegenden Rieselgüter hinaufzuheben. Dabei haben diese Güter nicht etwa ebene Oberflächen, die eine einfache Verteilung des Wassers gestatten würden, sie weisen vielmehr überall zahlreiche kleine Hügel auf. Auf jeden solchen Hügel mußte man ein besonderes, mit einem Schieber verschließbares Druckrohr hinausführen. Dasselbe mündet in ein kleines Becken, von dem dann die Verteilgräben ausgehen. Daß die Bedienung dieser vielen Schieberauslässe schwierig, die Herrichtung solch unebenen Geländes teuer und darum die Bau- und Betriebskosten sehr hohe sind, ist selbstverständlich. Ebenso wachsen die Schwierigkeiten des Betriebs, des Absatzes u.s.w. für jene großen Anlagen ganz unverhältnismäßig. Wie für städische Kanalwasser, so ist die Bodenberieselung auch für verschiedene Fabrikabgänge das beste Reinigungsverfahren [1], In der Provinz Sachsen sind z.B. für die Abwasser mehrerer Zuckerfabriken von Kulturingenieur Elsässer in Magdeburg Rieselanlagen erstellt und von einer Königl. Kommission, die in den Jahren 1884 bis 1885 umfallende Untersuchungen anstellte, sehr günstig beurteilt worden [12]. Es wurde festgestellt, daß das Berieselungsverfahren die meisten Garantien für die Reinigung und Unschädlichmachung der betreffenden Abwasser bietet und den Vorzug vor jedem bisher bekannten chemischen Niederschlagsverfahren verdient.

Anderweitige Erfahrungen. In England werden schon seit längerer Zeit auf zahlreichen Gütern alle menschlichen und tierischen Abgänge in große Sammelbecken geleitet, mit Wasser verdünnt und auf das Ackerfeld gepumpt, woselbst sie durch ein Rohrnetz verteilt, zur Düngung und Anfeuchtung dienen [13]. Dieses System wurde dann auf ganze Städte übertragen, als die Verunreinigung der kleinen Flüsse durch die Abgänge der rasch wachsenden Städte in bedenklichem Grad zunahm und eine zum Studium dieser Verhältnisse eingesetzte Königl. Kommission, vor allem auf Grund der Arbeiten von Eduard Frankland, auf Abhilfe drang. Zurzeit bestehen in England und Amerika zahlreiche große Rieselfeldanlagen [4], [14], [15], [16]. Es suchen in England gegenwärtig die künstlichen Reinigungssysteme, insbesondere das sogenannte biologische, gegen das bisher fast allein anerkannte Rieselfeldverfahren aufzukommen, und es wurde im Jahr 1898 eine Königl. Kommission eingesetzt zur Prüfung der einschlägigen Fragen, insbesondere derjenigen, ob und unter welchen Bedingungen die künstlichen Systeme zur Durchführung genehmigt werden könnten. A. Roechling bespricht in [17] und [18] die Berichte dieser Kommission, behandelt die Frage weiter und kommt zu dem Schluß, daß, wenn die Verhältnisse es irgend gestatten, das Rieselsystem zu wählen ist.

Als älteste und als Musteranlage wird vielfach auf Grund von [19] und [20] und der im Berliner Hygienischen Museum ausgefeilten Pläne diejenige von Bunzlau genannt; sie verdient aber diesen Ruf in keiner Weise. Es war dies im Jahr 1889, als Verfasser Bunzlau besuchte, überhaupt kein Rieselfeld. Das von der großenteils sehr primitiven Kanalisation gelieferte Abwasser von 6000 Einwohnern, von denen etwa 1000 auch die Aborte angeschlossen hatten, floß am unteren Ende der Stadt in zwei Richtungen ab. Wo es dann zeitweise nach Bedarf auf einzelne Grundstücke geleitet wurde, war deren Zustand ein guter. An dem unteren Ende aber, wo der Reit aufgenommen werden muß, zeigten sich wie überall, wo viel dungreiches Wasser Händig auf einfache Wiesen kommt, die Folgen des Mangels jedweder hierfür geeigneten Einrichtung: sumpfige Stellen, ganze Pfützen von Jauche, verteilter Pflanzenwuchs. All die vielen in Werken über Hygiene sich findenden Behauptungen, in Bunzlau könne man sehen, wie jahrhundertelang in einfachster Weise mit dem besten Erfolg mit Spüljauche Wiesen gerieselt werden können, beruhen auf Irrtum.

In Deutschland bestehen nur wenige größere Rieselfeldanlagen. Die größte, aber auch die größte der ganzen Welt, besitzt Berlin [6]. Wie sich der Bau und der Betrieb speziell der Rieselfelder im Laufe der Jahre gestaltet haben, ergibt sich aus [1], [7], [8], [9]. Verschiedene Schattenseiten, vor allem nicht genügende Reinigung des Wassers und infolge davon Schwierigkeiten mit der Einleitung von Drainagewasser in Seen und kleine Gewässer, ferner über nicht genügende Ausnutzung der Dungstoffe bespricht [21]. Von ganz besonderem Interesse sind die offiziellen Mitteilungen in [8]. In Berlin waren auf 1. Januar 1902 an die auf die Rieselgüter gehenden Kanäle angeschlossen 1854000 Einwohner mit allen Aborten und allen Haus- und Gewerbeabwässern. Das Gesamtareal der Rieselgüter betrug 12737 ha, wovon berieselt werden 6764 ha, mithin 1 ha auf 270 Köpfe. In Selbstbewirtschaftung waren davon 5937 ha, verpachtet 827 ha. Bestellt waren die ersteren zur Hälfte mit Halmfrüchten, ein Viertel als Wiesen und der Reit mit Hackfrüchten, Rüben, Mais, Möhren und Kartoffeln. Gemüsebau wird nur auf dem Pachtland getrieben, weil dies in Regie zu teuer würde. Untergebracht wurden im Jahre 1901 im ganzen 83720000 cbm Spüljauche, also 12500cbm pro Hektar im Jahr oder auf den Kopf der Bevölkerung im Tag 130 l. Der Gesundheitszustand des zeitweise sehr zahlreichen Personals war ein guter, es kamen nur 3 gutartige Fälle von Abdominaltyphus vor, deren Zusammenhang mit der Beschäftigung auf dem Rieselfeld aber nicht nachweisbar war. Die Kosten der Rieselgüter ohne die Druckrohrleitung dahin betrugen bis jetzt 48424000 ℳ., wovon 27289000 ℳ. auf Geländeerwerbung, 21135000 ℳ. auf Baukosten entfallen. Die Gesamtkosten betragen also auf den Kopf der angeschlossenen Bevölkerung 27 ℳ. Die Betriebsergebnisse sind sehr schwankend je nach den Ernten. Der Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben hat schon +2, aber auch – 0,6% des Anlagekapitals betragen. – Einzelberichte über die Rieselfelder von[707] Danzig s. in [22], von Breslau in [1] (mit Details der Wässerungseinrichtung in [23], [24], [25]), von Magdeburg in [26] und von Braunschweig in [27].

In Frankreich sind die in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei uns gegen das System der Schwemmkanalisation mit Rieselfeldanlagen erhobenen Bedenken [34] in den neunziger Jahren in leidenschaftlicher Weise geltend gemacht worden [28] und haben die dort ohnehin nur langsam vorwärts kommenden Begebungen auf diesem Gebiet vor allem in der Stadt Paris selbst sehr beeinträchtigt. Die unhaltbaren Zustände der durch die Einleitung der sämtlichen Abwasser von Paris verunreinigten Seine hatten schon 1889 zu der 800 ha großen Rieselfeldanlage bei Gennevillers geführt. Dies half naturgemäß nur wenig, die Flußverunreinigung nahm immer mehr zu, so daß 1894 die Stadt durch ein besonderes Gesetz verpflichtet wurde, bis zum Jahr 1899 die Kanalisation auf alle Teile auszudehnen und alle Abwasser auf Rieselfelder zu leiten. Die Bestimmungen dieses Gesetzes wurden eingehalten, 1899 konnte der letzte Einlauf in die Seine geschlossen und das Wasser auf ein Rieselfelderareal von 5000 ha geleitet werden, und zwar in einer Menge von 4000 cbm jährlich auf das Hektar. Auf 1 ha kommen bei der Einwohnerzahl von 2000000 rund 400 Köpfe. Im Jahr 1899 wurden 180000000 cbm Abwasser (250 l pro Kopf und Tag) auf den Rieselfeldern gereinigt. Die Anlagekosten betrugen 38000000 Frs. Dieser großen Leistung der Stadt fleht aber der mißliche Umstand gegenüber, daß zwar die Einleitung der sämtlichen Abwasser in die Kanäle, nicht aber der Anschluß der Aborte obligatorisch ist. Im Jahr 1898 war erst ein Fünftel der sämtlichen Grundstücke mit den Aborten angeschlossen; für die übrigen war noch Abfuhr notwendig [29], [30], [31], [33] und [34]. Planskizzen der Anlage von Gennevillers finden sich in [1], von sämtlichen Rieselfeldern in [31].


Literatur: Alle wissenschaftlichen und praktischen Fragen, die bezüglich der Berieselung mit städtischem Kanalwasser in Betracht kommen, behandelt gründlich [1]. Der Landwirt, der Agrikulturchemiker, der Hygieniker, der Verwaltungsbeamte und der Techniker finden darin reiches Material aus ihren Gebieten. Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß bei richtiger Anlage und richtigem Betrieb die Berieselung zurzeit das beste Verfahren zur Unschädlichmachung und teilweisen Verwertung der fäulnisfähigen Abwasser ist. Zu einem entgegengesetzten Urteile kommt [37]; in diesem Werk wird überhaupt die Berieselung weniger günstig beurteilt, ohne daß bestimmte Gründe dafür angegeben sind. – In [4] wird insbesondere über die landwirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkte und sehr eingehend über die Frage der Einwirkung der Rieselfelder auf die Nachbarschaft in gesundheitlicher Hinsicht berichtet. Die in [36] gegebenen Erörterungen über die für den Techniker und den Landwirt bei der Anlage einer Berieselung in Betracht kommenden Punkte und die daran geknüpfte Kritik über die Verhältnisse in Berlin u.a. O., sowie die Vorschläge über die intermittierende Filtration dürften nicht einwandfrei sein. – [1] Koenig, Die Verunreinigung der Gewässer, 1. Bd., Berlin 1899, mit Plänen mehrerer Rieselfelder. – [2] Soyka, Untersuchungen zur Kanalisation, München und Leipzig 1885. – [3] Die Unschädlichmachung der städtischen Kloakenauswürfe durch den Erdboden, nach Versuchen von Fadajeff in Moskau, Leipzig 1886. – [4] Weyl, Handbuch der Hygiene, Bd. 2, Jena 1897. – [5] Ders., Beeinflussen Rieselfelder die öffentliche Gesundheit? Klinisches Wochenblatt, Berlin 1896, Nr. 1. – [6] Hobrecht, James, Die Kanalisation von Berlin, Berlin 1884. – [7] Roechling, The Sewage Farms of Berlin, published by the Institution of Civil-Ingineers, London 1892. – [8] Jahresbericht des Magistrats von Berlin über die Verwaltung der Kanalisation und der Rieselgüter (nur vom Magistrat zu erhalten). – [9] Grandke, Die Rieselfelder von Berlin und die Spüljauche, Berlin 1892. – [10] Lubberger, Rieselfeldanlage der Stadt Freiburg i. B., Gesundheits-Ingenieur 1892, Nr. 20, 21, 22. – [11] Fischer, Das Wasser, Berlin 1891. – [12] Die Ergebnisse der in der Campagne 1884–85 angestellten amtlichen Versuche über die Wirksamkeit verschiedener Reinigungsverfahren, auf Veranlassung des Königl. Oberpräsidiums der Provinz Sachsen, Magdeburg 1886. – [13] Hartstein, E., Vom englischen und schottischen Düngerwesen, Bonn 1853; Ders., Die flüssige Düngung und das italienische Raygras, ebend. 1859. – [14] Santo Crimp, Sewage Disposal Works, London 1894. – [15] Jones, Will a sewage farm pay. London 1885. – [16] Raster and Baker, Sewage Disposal in the United States, London 1894. – [17] Jones and Roechling Natural and Antificial Sewage Treatment, London and New York 1902. – [18] Gesundheits-Ingenieur 1903, Nr. 1 und 32. – [19] Adelt, Einiges über die Gesundheitsverhältnisse der Stadt Bunzlau, Schlesien, Eulenburgs Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen, N.F. 45. – [20] Doerich, Beschreibung der Wasserversorgung, Kanalisation und Rieselflächen der Stadt Bunzlau in Schießen, Bunzlau 1882. – [21] Gesundheits-Ingenieur, Jahrg. 1887 Nr. 16 und Jahrg. 1898 Nr. 6 und 11. – [22] Wasserleitung, Kanalisation und Rieselfelder von Danzig, Danzig 1881. – [23] Bericht über Anlage und Betrieb der Kanalpumpstation und der Rieselfelder in Breslau, 1893. – [24] Gesundheits-Ingenieur 1896, S. 23. – [25] Zeitschr. des österr. Architekten- und Ingenieurvereins 1896, S. 521. – [26] Deutsche Bauzeitung 1895, Nr. 82. – [27] Gesundheits-Ingenieur 1898, Nr. 91. – [28] Stübben, Schwemmkanalisation in Frankreich, Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege 1898, Heft 2, Bd. 30. – [29] Zeitschr. des österr. Architekten- und Ingenieurvereins 1902, Heft 2 und 3. – [30] Renseignements généraux sur les eaux et l'assainissements de Paris, Paris 1900, bei der Weltausstellung von der Stadt Paris aufgelegt, nur in Bibliotheken erhältlich. – [31] Weyl, Die Assanierung von Paris, Leipzig 1900. – [32] Heyden, Müller und v. Langsdorff, Die Verwertung der städtischen Fäkalien, Hannover 1885. – [33] Launay, Les champs d'épandage de la ville de Paris, Revue d'Hygiène, 1897, Décembre. – [34] Bechmann, L'aissainissement de la Seine, Société d'encouragement pour l'industrie, Bulletin de Février 1898. – [35] Baumeister, Straßenwesen und Städtereinigung, im Handbuch der Baukunde, Berlin 1890. – [36] Dünkelberg, Die Technik der Reinigung der städtischen und industriellen Abwasser durch Berieselung und Filtration, Braunschweig 1900. – [37] Nußbaum, Leitfaden der Hygiene, München und Berlin 1902.

Lubberger.

Rieselfelderanlage der Stadt Freiburg i. B.
Rieselfelderanlage der Stadt Freiburg i. B.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 702-708.
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