Glasmalereitechnik

[551] Glasmalereitechnik dient dazu, den Fenstern mittels farbiger Verglasung ornamentalen, architektonischen und figürlichen Schmuck zu verleihen.

Die Technik der monumentalen Glasmalerei, die sich wahrscheinlich an mehreren Orten aus der altchristlichen Mosaikverglasung spätestens gegen Ende des 1. Jahrtausends entwickelt hat, wobei die Schmelzmalerei der alten Töpferkunst den Anstoß gegeben haben mag, ist heute die nämliche, die Theophilus, vermutlich der Benediktinermönch Rugerus des Klosters Helmershausen, in seiner Handschrift um die Wende des 11. zum 12. Jahrhundert anschaulich beschrieben hat. Die einzelnen Teile des Bildes bezw. des Musters, die im Sinne der Zeichnung ursprünglich mit dem glühenden Eisen aus weißen und farbigen Glastafeln zurechtgesprengt und mit dem Kröseleisen nachgearbeitet wurden, werden seit dem 16. Jahrhundert, anfangs freilich nicht allgemein, mit dem Diamant zugeschnitten. Nachdem auf diese Glasstücke Umrisse und Schatten mit einbrennbarer dunkler Farbe aufgetragen und im Feuer eingebrannt sind, werden dieselben mittels Bleiruten zusammengefügt, das Bleinetz an den Knotenpunkten mit Zinn verlötet und meist auf einer Seite in seinem ganzen Verlauf verzinnt. Diese musivische Glasmalerei, ein Werk des Glasmalers und des Glasers, ist demnach eigentlich ein durchsichtiges Glasmosaik. – Außerdem kennt man seit dem 14. Jahrhundert eine Kleinmalerei, die das Bild grau in grau auf eine weiße Scheibe aufmalt. Schon früh wurde diese Feinmalerei durch geschickte Anwendung des goldigen Silbergelb belebt. – Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts trat zu dem in wechselnden Tönen vorkommenden Schwarzlot und zu dem Silbergelb das Eisenrot, ein stumpfes Rotbraun, hauptsächlich als Untergrund für Ornamente, jedoch auch für Fleischteile verwendet. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden derartige zeichnerisch in Graumalerei durchgearbeitete Bilder auf der entgegengesetzten Glasfläche mit einer dünnen Schicht durchsichtiger Farbe hinterlegt, oder diese sogenannte Kabinettmalerei (peinture d'apprêt), eine farbige Malerei auf Glas, entsprach der Malweise des Tafelmalers, indem der Künstler die Farben nach Gutdünken mischte und die verschiedenen Töne neben-, vereinzelt sogar übereinander auftrug, eine Arbeit, die zuweilen behufs Erzielung der gewünschten Wirkung mehrmaliges Ueberarbeiten und Brennen verlangte. Eine geschmackvolle Vereinigung der Graumalerei, nachher auch der farbigen, mit der musivischen Kunst zeigen die Schweizerscheiben (Wappen und Bilder) des 15., 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts.

Bei der musivischen Glasmalerei liegen die mannigfaltigen Verrichtungen in verschiedenen Händen. Die erste Arbeit besteht im Entwerfen des verlangten Gegenstandes. Nach diesem Entwurf, der im kleinen Maßstabe, etwa 1 : 10, ausgeführten Farbenskizze, führt der Künstler die Werkzeichnung, den Karton – Visierung oder Handriß nannten es die Alten –, in den für das betreffende Fenster passenden Verhältnissen aus. Dabei hat er, wie vorher bei der Skizze, auf das Bleinetz und auf die Stein- und Eiseneinteilung der Fensteröffnung Rücksicht zu nehmen. Desgleichen muß sich die Stärke der Linienführung nach dem Abstand richten, in dem das Glasgemälde hauptsächlich wirken soll, weil zu zarte Zeichnung auf Entfernung einen verschwommenen Eindruck macht und umgekehrt allzu kräftige Umrisse in der Nähe hart wirken. Auf dem Karton vermerkt der Zeichner die bei den einzelnen Teilen zu verwendenden Farbengläser für den Kunstglaser. Nachdem dieser sich durch Nachzeichnen der Hauptumrisse auf Pauspapier den sogenannten Bleiriß hergestellt hat, legt er auf einen Tisch zu unterst ein Stück steifes Papier von hinreichender Größe; es folgt ein Blatt Rötelpapier, die gefärbte Seite nach unten gekehrt; die nächste Schicht bildet der Bleiriß. Diese drei Lagen werden sorgfältig auf dem Tisch befestigt, um gegenteiliges Verschieben zu verhindern. Durch Nachfahren der Linien drückt der Glaser seine Umrißzeichnung vermittelt des Rötels auf den Schablonenkarton und fertigt so gewissermaßen einen zweiten Bleiriß an, den er, den Rötellinien folgend, in Stücke schneidet Jede Schablone muß ringsum um die Hälfte der Stärke des Kernes der Bleieinfassung verkleinert werden. Vielfach geschieht dies mit einem Doppelmesser oder einer Doppelschere, die beim Zerschneiden[551] des ganzen Bogens den schmalen Streifen wegnimmt. Manche ziehen jedoch das Schneidens mit der gewöhnlichen Schere vor, nachdem sie die Breite des Bleisteges mit einem der Reißfeder ähnlichen Werkzeuge genau auf der Mitte der Rötelstriche bezeichnet haben. Nunmehr sucht der Zuschneider die Farbengläser aus, legt die entsprechenden Schablonen auf und schneidet mit dem Diamant dicht am Rande des Papiers entlang die einzelnen Stücke aus. Etwaige Rauhigkeiten werden mit dem Kröseleisen oder mit der Glaserzange abgekniffen. Außer den der Zeichnung folgenden Bleiruten werden, was früher wegen der Kleinheit der Glastafeln nicht zu umgehen war, zwecks Erzielung günstiger Farbenschattierung willkürliche Schnitte gemacht, deren Bleisprossen als Notbleie bezeichnet werden.

Dienen die Stücke nur zur Zusammenstellung einer Kunstverglasung, werden sie den Glasern zum Verbleien überwiesen. Der Verbieter befestigt zunächst ein mit Blei eingefaßtes Glasstück durch Stifte, die er rund um dasselbe in abgemessenen Zwischenräumen in den Arbeitstisch einschlägt, und schiebt zwischen die Flügel (Flanschen) der Glasmalereitechnik-förmigen Bleisprosse nach Entfernung der nötigen Anzahl Nägel ein zweites; an die freien Ränder des letzteren fügt er ein passendes Stück biegsamer Bleirute fest an und schlägt die Nägel außerhalb des Bleistreifens wieder ein. Hierauf legt der Verbieter ein weiteres Stück an, stiftet es ebenfalls fest, fügt wieder Blei an, indem er die hindernden Stifte entfernt, und fährt mit dieser Arbeit fort, bis das ganze Feld, dessen Größe durch die einzelnen Fenstergefache bestimmt wird, zusammengesetzt ist. Ueberschießende Bleistränge werden mit dem Bleimesser abgeschnitten. Es ist sorgsam darauf zu achten, daß die Enden gut zwischen die Flügel des anstoßenden Streifens geschoben und mit dem Hammer festgeklopft werden. Bei dem fertig zusammengefügten Felde werden die Flügel des Bleigerippes mit Hilfe des »Bleiknechtes«, eines glatten Holz- oder Knochenstückes, oder mit der flachgehaltenen Klinge des Bleimessers fest an das Glas angefalzt. Die Bleiruten, früher in kurzen Strängen gegossen, werden nachweislich seit 1487 in der Bleimühle, einem kleinen, in seinem Räderwerk verstellbaren Walzwerk, das neuerdings auch mit Kraftbetrieb (Elektromotor) versehen wird, in verschiedenen Breiten gezogen. Fertig gezogenes, schon vor dem Gebrauch verzinntes Blei wird gleichfalls in den Handel gebracht. Die Verbindungsstellen des Bleinetzes werden verlötet. Hierauf wird das Feld vorsichtig umgewendet und das Verfahren auf der andern Seite wiederholt. Vielfach wird beiderseitiges Verzinnen der Bleifassung verlangt, eine Maßnahme, die bei alten Fenstern nur selten beobachtet wird, wenn auch die St. Lukas-Bruderschaft der Würzburger Glaser und Maler solches Verfahren vorschrieb. Dem Verlöten und Verzinnen muß ein Bestreichen mit Stearinöl vorhergehen. Empfehlenswert ist Verwendung starker widerstandsfähiger Bleiruten, vorsichtiges Verlöten und vor dem Niederstreichen der Bleiflügel sorgfältiges Einreiben mit breiigem, bald verhärtendem Kitt, einer Mischung von Leinöl und Kreide, Verzinnen der Außenseite. So wird die größte Fertigkeit und gänzliche Dichtigkeit erreicht.

Fertig zugeschnittene Gläser von Teppich- oder Bildfenstern werden der Malerstube zugeführt. Der Glasmaler gebraucht für die musivische Malerei nur zwei Malfarben: eine dunkle, das Schwarzlot, schon im 15. Jahrhundert Lot (Schmelze) genannt, und das im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts erfundene Silberlot oder Kunstgelb. Das Schwarzlot, eine früher aus Kupfer-, jetzt aus Eisenhammerschlag bereitete schwarze Schmelzfarbe, ist in Abtönungen von Grau bis Braunrot vorhanden und dient zum Malen der Umrisse und der Schattierung. Das Silbergelb, dessen angebliche Erfindung durch den aus Ulm gebürtigen Bologneser Dominikanerbruder Jakob Griesinger (Jacobus Alemannus) in den Bereich der Sage gehört, verleiht dem Glase mehr oder weniger kräftige, durchsichtige gelbe Farbe.

Zu den Gerätschaften des Glasmalers gehören eine parallel zum matt abgeblendeten Fenster angebrachte Staffelei, deren Rahmen eine blanke Glasscheibe einfaßt, eine Handstütze, Malstock, Palette, Palettemesser, eine Farbenreibeplatte mit Glas- oder Porzellanreiber verschiedene Arten von Pinseln zum Malen der Umrisse und Schattenstriche, die weichen »Schlepper« oder »Halbschlepper«, lange, dünne Pinsel; zum Ausbreiten des Mitteltones kleine und größere »Vertreiber«, breite, flache Pinsel von rechteckigem Querschnitt und ziemlich weichen Haaren, ferner die Stupfpinsel, breit abgeschnittene Pinsel verschiedener Größe von rundem oder rechteckigem Querschnitt, endlich steifere und weichere Borstenpinsel zum Radieren. Zu den Werkzeugen gehören, noch Radiermesser, Radierfedern, Radiernadeln sowie Filzstangen und Hasenpfoten. Vor Beginn der Arbeit hat der Glasmaler die Farbe sorgfältig anzureiben. Als Bindemittel für die schwarze Farbe benutzt er entweder mit einigen Tropfen Dicköl versetztes Terpentinöl oder Gummiwasser; das Silbergelb wird mit Wasser zu einem dicken Brei angemengt. Der Glasmaler beginnt die Arbeit mit dem Auftragen der Konturen und der Hauptschatten, indem er mittels des Schleppers oder bei ganz seinen Arbeiten mit der Zeichenfeder das Schwarzlot genau nach der Vorlage auf die einzelnen Glasstücke bald deckend, bald durchscheinend in flotten Zügen aufmalt. Zu dem Zweck wird das Glas auf den wiederzugebenden Teil des Kartons gelegt, worauf der Maler mit dem Pinsel den durchscheinenden Umrissen folgt; als Ruhepunkt für die Hand dient die Handstütze, eine an ihren Enden auf zwei Blöckchen befestigte Latte. Nach Vollendung der Umriß- und Innenzeichnung lassen manche die Stücke sofort brennen; andre kleben dieselben, nachdem die Farbe, die in diesem Falle mit Terpentin angemacht sein muß, einigermaßen angetrocknet ist, mit flüssig gemachtem Wachs unter Zusatz von etwas Harz in richtiger Zusammenstellung auf eine durchsichtige Glasscheibe; größere Felder mag man einstweilig verbleien. Nunmehr überzieht der Glasmaler die ganze Fläche der aufgeklebte Glasstücke mit einer dünnen Schicht Schmelzfarbe, welche, um die mit Terpentinöl aufgemalten Konturen nicht aufzulösen, in Wasser unter Zufügung von Gummiarabikum oder Zucker angerieben ist, und verteilt diese, ehe sie trocknet, mit dem Vertreiber möglichst gleichmäßig, oder aber er stupst diesen »Mittelton« mit dem Stupfer so, daß die ganze Fläche mehr oder minder grob gekörnt erscheint, indem an zahllosen Punkten die Grundfarbe des Glases durchblitzt. Nach dem Antrocknen des Ueberzuges beginnt die Arbeit vor der Staffelei. Zunächst[552] wischt der Glasmaler mit den Fingerspitzen, dem Daumenballen oder mit Filzstangen die Halblichter heraus, darauf holt er mit kurzen Borstenpinseln die breiteren, mit dünnen Radierpinseln oder mit der Radiernadel bezw. -feder die hohen Lichter hervor. Der Kernschatten wird teils durch einfache oder Kreuzschraffierung, teils durch bald vollständig deckende, bald durchscheinende Uebermalung verstärkt. Nach Fertigstellung der Vorderfläche werden die Glasstücke umgewachst und mit dem Mittelton in ähnlicher Weise von der Rückseite bearbeitet, jedoch möglichst unregelmäßig, wolkig, unabhängig von Licht und Schatten. Die Kehrseite muß stets das Silbergelb aufnehmen. Beiderseitige Anwendung des Schwarzlotes sah der Verfasser, freilich nur in spärlicher Ausdehnung, auf einem Glasgemälde des 13., reichlicher auf solchen des beginnenden 14. Jahrhunderts. Der körnige Ueberzug beginnt erst mit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, um später im 17. Jahrhundert wieder dem glatt vertriebenen zu weichen.

Gegenwärtig sind zwei Brennöfen im Gebrauch, die »Muffel« und der »Schnellöfen«.

Die Muffel, aus Eisen oder aus feuerfestem Ton, ist derart über der Feuerungsanlage angebracht, daß die Flammen durch die rings um den Kasten laufenden Züge dringen können, jenen also vollständig einhüllen. In diesen oben schwach gewölbten, vorn offenen Hohlraum werden mit Gips oder Kreide bestreute Eisenplatten, welche die Glasstücke tragen, übereinander eingeschoben, wobei man letztere je nach ihrer Brennfähigkeit und Größe mit Rücksicht auf den abweichenden Hitzegrad der einzelnen Platten verteilt. Vierkantige, an beiden Seiten aufgelegte Eisenstäbe – zuweilen an der Muffelwandung angebrachte Leisten – verhüten die gegenseitige Berührung der Platten. Die fertig beschickte Muffel wird durch eine nur dem 5–6 cm weiten Beobachtungsrohr Durchlaß gewährende Platte verschlossen und mit Lehm abgedichtet, um das Eindringen von Aschenteilchen und Rauch zu verhindern. Ein an der oberen Wölbung angebrachtes, nach außen führendes Rohr dient zum Abzug der sich beim Beginn der Erhitzung entwickelnden Dämpfe. Durch Aufrichten einer rohen Ziegelmauer, die das in die Muffel reichende Sehrohr stützt, werden die vorderen Flammenzüge hergestellt. Nunmehr wird die Feuerung angezündet. Nach Eintritt starker Rotglut, welche die »Wächter«, an verschiedenen Stellen des Ofens im Bereich des Guckloches eingelegte, nach oben gebogene Glasstreifen, zum Sinken bringt, wird das Feuer ausgezogen. Die Brennzeit dauert je nach Größe der Muffel 5–12 Stunden; danach bedarf der Ofen einiger Nachglut und eine 10–15-stündige Frist zum Abkühlen.

In den niedrigen, flach gewölbten, mit einer Eisenklappe verschließbaren Schnellofen wird bloß eine belegte Eisenblechplatte eingeschoben; ein Verweilen von etwa 12 Minuten in dem bis zu starker Rotglut erhitzten Ofen genügt zum Einbrennen der Farben. Die Platte wird mit der Gabel herausgenommen und zum langsamen Abkühlen in einen durch die Glut der Platten vorgewärmten Kasten geschoben. Die Neuzeit brachte die Gasheizung, während Versuche mit Elektrizität vorläufig zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt haben.

Vorgang des Einbrennens beim Schwarzlot und bei den bunten Auftragfarben. Nach Anwärmung des Ofens entweichen die Dünste des Bindemittels, so daß nur das schmelzbare Pulver auf der Oberfläche des Glases haftet. Letztere werden beide durch die Hitze weich, wodurch die Farbe fest auf- oder gar hineinschmilzt, sich also auf das engste mit dem Glase verbindet. Von der aufgemalten Farbe brennt viel nieder, so daß vorher zu düster scheinende Scheiben erst nach dem Brennen glasige Wirkung zeigen. Uebrigens sind auch die Gläser selbst vor der Benutzung auf ihre Brennfähigkeit zu prüfen, ob sie nachdunkeln oder den Ton der Farbe ändern.

Das Silbergelb, ein Gemenge von Chlorsilber mit feinkörnigem Ton, oder auch der gleichwertige Silberlack geben beim Erhitzen Silber ab, das dem Glase, von der Oberfläche desselben gleichsam aufgesaugt, einen durchsichtigen Goldton verleiht. Diese festsitzende Goldbeize kommt zum Vorschein, sobald man nach dem Erkalten die immer noch silberhaltige Tonkruste abkratzt. Die Farbstärke des Kunstgelbs ist abhängig von dem Silbergehalt des Tonbreies, von der Dicke des Auftrages, von der Dauer und Stärke des Feuers, endlich, und zwar wesentlich, von der Empfänglichkeit des Glases für den Silberniederschlag.

Nach sorgsamer Prüfung der Gläser auf die Haltbarkeit der eingebrannten Zeichnung werden dieselben dem Verbieter zum Zusammenfügen überwiesen. Die fertiggestellten Felder werden in senkrechter Stellung mit Heu, kleine Bilder mit Holzwolle oder Watte verpackt. Bei der Beförderung dürfen die Kisten niemals flachgelegt werden. Gewissenhafte Sorgfalt erfordert das Einsetzen. Die Felder sind ordentlich mit Kitt, Mörtel und Zement zu verdichten sowie durch eine genügende Anzahl mit Bleihaften an die Felder befestigter Windruten zu stützen, die im Stein- oder Eisenwerk der Fensteröffnung befestigt werden. Neuerdings unterlassen die Steinmetzen nicht selten, die Steinfugen abzudichten; diese saugen das Wasser auf, das nach innen dringt, sich an den Querschienen sammelt und an den vermeintlich undichten Glasfüllungen abläuft. Auf der Sohle des Fensters ist eine Rinne nebst Röhre zur Ableitung des Schwitzwassers anzubringen. Schutzgitter aus engmaschigem Drahtgeflecht waren sehr früh im Gebrauch.

Zurzeit benutzt man neben dem gewöhnlichen Glas und den Butzenscheiben Kathedralglas, gegossene undurchsichtige Tafeln, vor allem aber das zuerst in England in den 1850er Jahren nach alten Mustern hergestellte, mit Striemen und Luftbläschen durchsetzte Antikglas. Letzteres, in der Masse gefärbt oder als Ueberfangglas nur mit einer farbigen Schicht überzogen, hat die glänzende Leuchtkraft des alten Glases; die Stärke der Farbe wechselt mit der ungleichen Dicke der Scheiben; nur solches sollte bei künstlerischen Glasgemälden zur Verwendung kommen.

Die Färbung der Hüttengläser wird durch Metalloxyde bewirkt, welche sich mit der Kieselerde bei Schmelzhitze zu Silikaten verbinden und dem Glase die ihrem Oxydationszustand eigne Farbe mitteilen; so entsteht Rot durch Kupfer, Blau durch Kobalt, Violett durch Mangan u.s.w. (s. Glas). Da Kupferoxydul schon bei geringem Zusatz eine zu dunkle Färbung verursacht und diese Eigenschaft nur die Herstellung allzu dünner zerbrechlicher Scheiben ermöglichte,[553] kamen schon die Alten auf den Einfall, gleich beim Blasen des Glases eine weiße Tafel mit einer seinen roten Haut zu vereinigen. So erzielte man Schönheit der Farbe, Durchsichtigkeit und hinreichende Stärke des Glases. In der Masse gefärbtes Rot ist dem Verfasser trotz zahlreicher Wiederherstellungsarbeiten bisher nicht zu Gesicht gekommen; eine starke Schmutzkruste läßt den Querschnitt dunkel erscheinen und gibt zu Täuschungen Veranlassung.

Das Ueberfangglas, seit der Mitte des 14. Jahrhunderts vereinzelt in andern Farben hergestellt, erzeugt der Glasbläser, indem er zuerst etwas weiße Glasmasse auf die Pfeife nimmt, letztere hierauf in einen mit der farbigen Fritte gefüllten Tiegel eintaucht und dann erst eine größere Menge weißen oder wieder andersfarbigen Glases aufnimmt. Diese zähflüssige Masse wird zu einem zylindrischen Körper aufgeblasen, unten aufgeschnitten, oben an der Pfeife abgesprengt, der Länge nach aufgetrennt, endlich im Streckofen gestreckt und geglättet. Man stellt also neben dem einfachen doppeltes und mehrfarbiges Ueberfangglas her, so daß auf jeder Seite der Kernschicht eine farbige Haut sich vorfindet. Durch Wegätzen der Ueberfangschicht mittels Flußsäure – früher durch Wegschleifen mit Eisen oder Stein – erscheint auf derselben Scheibe die Grund- bezw. eine andre Farbe; hierdurch sowie durch Auftragen von Silbergelb lallen sich bei Kleinmalereien und bei Verzierung von Gewändern hübsche Wirkungen erzielen. Auf dem Ausschleifverfahren beruht übrigens »Luce floreo«, eine außerhalb der durch Material und Technik gebotenen Stilgesetze stehende Neuerung. Eine Nachahmung des Antikglases ist das gesandelte oder Sandelglas. Ferner kommen zur Anwendung, besonders in der neueren Kunstverglasung, die auch statt der Bleiruten Messingstreifen benutzt, Eisblumen-, Krokodil-, Damast-, Riffel- und das von Tiffany in New York eingeführte, jedoch längst nachgeahmte Opaleszentglas. Letzteres ist bei mäßiger Verwendung von trefflicher Farbenwirkung; das Ueberschreiten gewisser Grenzen dürfte übrigens bald einen Rückschlag hervorrufen. Aetzerei, Schleiferei und Sandgebläse bleiben, weil nicht zur Glasmalerei gehörig, hier unbesprochen.

Als Vorläufer der Glasmalerei, neben ihr und nach ihrem Verfall bestanden die Verbleiungen, durchsichtige, unbemalte Mosaiken, von der schlichten Rautenverglasung bis zu verwickelten Band- und Flechtwerkmustern. Eine beträchtliche Zahl gefälliger Flächenmuster steht dem Glaser zur Verfügung, darunter eine Menge alter Beispiele von reich verketteten und verflochtenen Kunstverglasungen. Die Wirkung der geschmackvollen Bandverschlingungen wird erhöht, wenn die Bänder auf einem Grunde von andrer Tonung liegen; zu derartiger Arbeit eignen sich besonders grünliche und gelbliche Antikgläser, wobei als Einfassung farbige Randstreifen, für spätgotische Fenster durch Silbergelb hergestelltes Rankenwerk zu empfehlen sind.

In dem romanischen und frühgotischen Zeitabschnitt treten sämtliche Arten des Fensterschmuckes auf. Die früheste Anfertigung von Grisaillen, auf grünliches Glas aufgemaltes Blumen- und Blattwerk, wird den Zisterziensern zugeschrieben. – Treffliche Denkmäler in Heiligenkreuz bei Wien und in Altenberg bei Köln. Als Grisaillen bezeichnen übrigens manche die kleinen in Graumalerei durchgeführten Bildscheibchen und die vornehmlich in Weiß gehaltenen Figurenfenster der späteren Gotik, z.B. in Xanten und das Westfenster zu Altenberg.

An die Grisaillen schließen sich die musivisch-farbigen Glasteppiche, bei denen sich je nach der Verschiedenheit des Glasschnittes und dem Farbenreichtum herrliche Wirkungen erzielen lassen. Abbildungen in [3]. Eigenartig werden die Maßwerkbekrönungen behandelt; sie enthalten Blumen, Blätter, Sinnbilder, Wappen, Schriftbänder, häufig fliegende Engel, Brustbilder von Propheten, Evangelisten, Heiligen, Einzelfiguren, Gruppen kleinen und großen Maßstabes. Die Bilddarstellungen in den Langbahnen, seien es Brustbilder, Standfiguren oder Gruppen, sind entweder in passender Umrahmung in Teppich eingefügt oder in einem baukünstlerischen Aufbau, in Architektur mit Sockel und Baldachin angeordnet. Die Medaillonfenster, von pflanzlichen Einfassungen umgeben, auf Teppichgrund aufgelegte Bildchen in musivischer Kleinarbeit, sind meist von vorzüglicher Farbenwirkung; sie verschwinden in der Spätgotik, die uns die überaus malerischen Jessefenster bringt, wovon herrliche Beispiele in Nürnberg und Ulm zu sehen sind.

Die Zeichnung der Glasmalereien trägt natürlich das Gepräge ihrer Zeit. Die Technik bleibt, abgesehen von der größeren Fertigkeit einzelner Künstler, in den Hauptzügen dieselbe. Schon früh wurde unsre Kunst auch außerhalb der Klöster betrieben. Hatte schon im 14. Jahrhundert vereinzelt eine Trennung zwischen Zeichner und Glasmaler stattgefunden, so wurde diese für die Folgezeit fast zur Regel.

Mannigfaltig ist heutzutage der glasmalerische Schmuck weltlicher Bauten. Zur monumentalen Gruppenmalerei gesellen sich Ornamentfenster in Tuschton mit Goldverzierung, mit eingebleiten farbigen Fruchtgehängen und andern Zieraten. Als Bildeinlagen dienen die Werke der Kleinmalerei: Wappen, Landschaften, Jagdstücke, Köpfe. Bei vernünftigem Maßhalten sind die Opaleszentverglasungen von prächtiger Wirkung. Daß die Glasmalerei sich dem Stil des Gebäudes anpassen muß, ist selbstverständlich; vor allem ist bei der Ausstattung von Wohnzimmern Rücksicht auf den Raum selbst, auf dessen Bestimmung und auf seine Bewohner zu nehmen. Unter keinen Umständen darf der Glasmaler die durch das Material, die Technik und den Zweck der Glasmalerei gebotenen Stilgesetze außer acht lassen. Bedeutende Werkstätten bestehen zurzeit in Düsseldorf, Freiburg i. Br., Innsbruck, Köln, Linnich, München, Wien. – Geschichtliches und Abbildungen in [1]–[11].


Literatur: [1] Gessert, W.A., Geschichte der Glasmalerei, Stuttgart 1839. – [2] Wackernagel, W., Die deutsche Glasmalerei, Leipzig 1855. – [3] Schäfer und Roßteuscher, Ornamentale Glasmalerei des Mittelalters und der Renaissance, Berlin 1885–88. – [4] Oidtmann, H., Die Technik und die Geschichte der Glasmalerei, Köln 1892 und 1898. – [5] Ders., Die Schweizer Glasmalerei, Leipzig 1905. – [6] Ders., Die Glasmalerei im alten Frankenlande, Leipzig 1906. – [7] Bruck, Rob., Die elsässische Glasmalerei, 1901. – [8] Geiges, Fr., Der alte Fensterschmuck des Freiburger Münsters, 1901–05. – Für Belgien: [9] Levy, E., et Capronnier, Histoire de la peinture[554] sur verre, 1860. – Für Frankreich: [10] Ottin, L., Le vitrail, Paris 1896. – Für England: [11] Westlake, N.H. J., History of design in painted glass, Oxford 1881–94.

Heinrich Oidtmann.

Buntglasimitationen dienen, wie die Diaphanien (Diaphanbilder), als billiger Ersatz für Glasmalereien; sie zeigen den alten Butzenscheiben ähnliche Zusammenstellungen, während Diaphanien figürliche, ornamentale oder landschaftliche Darstellungen sind. Beide Arten sind auf dünnes Papier mit fetten Farben gedruckt und mit einem durchsichtig machenden Lack (Diaphanlack) überzogen. Buntglasimitationen werden auch ohne Lacküberzug geliefert und dann mit Lack auf die Fensterscheiben aufgeklebt. Buntglasimitationen, lackiert, und Diaphanien werden nur mit Gelatine aufgeklebt und, wenn man sie sehr lange gut erhalten will, noch mit einem Glas bedeckt, so daß die Imitation sich zwischen zwei Scheiben befindet. Diaphanien werden zurzeit auch als Fenstervorsetzer und Hängebilder auf Drahtgewebe aufgeklebt, wodurch sie unzerbrechlich sind; das Drahtgewebe beeinträchtigt die Deutlichkeit der Bilder nicht.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 551-555.
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