Lokomotivbekohlungsanlagen [2]

[485] Lokomotivbekohlungsanlagen (Bd. 6, S. 203), s.a. Greifer, Kipper, Krane für Massentransport, Silo und [1].

Der Bau von Lokomotivbekohlungsanlagen erfordert außer Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse ein eingehendes Studium der bestehenden Betriebsverhältnisse und deren zukünftigen mutmaßlichen Erweiterung. – Für den Bau einer Bekohlungsanlage sind zunächst folgende Punkte zu berücksichtigen [2]:

1. Die Bekohlung einer Lokomotive muß in 5–10 Minuten geschehen. 2. Die Bekohlung soll auf einem Gleise erfolgen, das von allen Gleisen des Bahnhofes bequem und schnell erreicht werden kann, ohne daß ein nennenswertes Umrangieren der Lokomotiven erforderlich wird. 3. Vorteilhaft läßt sich die Bekohlung mit der gleichzeitigen Einnahme von Wasser (bezw. Sand) vereinigen. 4. Die Kohle muß der Lokomotive nach Gewicht abgewogen zugeführt werden, und es müssen die Gewichte selbsttätig verzeichnet und nachgeprüft werden können.

Außer diesen allgemeinen Bedingungen kommen aber noch bemerkenswerte andre Rücksichten hinzu, welche veranlaßt sind durch die Notwendigkeit, große Kohlenreserven anzulegen, und hierbei bilden die physikalischen Eigenschaften der Kohle und die Einrichtung einer zuverlässigen, übersichtlichen und billigen mechanischen Förderung die wesentlichen Gesichtspunkte, welche zu berücksichtigen sind. Dadurch ergeben sich noch als weitere Bedingungen:

5. Die Kohlen müssen vor Licht, Luft, Wind und Nässe geschützt liegen, da sie sich sonst schneller zersetzen und entwerten. 6. Die Kohlen müssen so gelagert sein, daß die Selbstentzündung[485] nach Möglichkeit ausgeschlossen ist. Für den Fall aber, daß ein Brand an einem Punkte stattfindet, muß der Herd in enge Grenzen beschränkt werden, und es muß eine zuverlässige Einrichtung getroffen werden, um den Brand sicher und schnell löschen zu können. 7. Die Kohle soll so geschützt liegen, daß kein Kohlenstaub die Bahnhofsanlage verunreinigen kann. – 8. Die Kohle muß so unter Aufsicht und Verschluß lagern, daß Kohlendiebstähle ausgeschlossen erscheinen. 9. Die Kohle, die auf Lager und vom Lager geht, muß gewogen werden können. 10. Die Betriebsbedingungen werden mit der Zeit das Entladen der Kohlenwagen mittels Seiten- oder Bodenklappe (Selbstentlader, s.d.) zu einer Notwendigkeit machen, da die Kosten des Ausladens der Kohlenwagen die Beschaffungskosten für Selbstentlader schnell bezahlt machen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Züge entweder über ein Hochgleis zu fahren, und wo dieses nicht möglich ist, sie über Erdtaschen zu entladen; doch muß dabei dann die Vorsicht gebraucht werden, daß die Kohle die Erdfeuchtigkeit nicht aufsaugen kann und keine übelriechenden Zersetzungsgase sich im Innern derselben bilden können. 11. Die Anlage der Kohlenlagerung sollte zentral um die Lokomotivbekohlung angeordnet sein und so ausgebaut werden, daß die Förderwege möglichst kurz sind. 12. Die Fördereinrichtungen füllten so vorgesehen sein, daß stets eine Reserve für die einzelnen mechanischen Vorrichtungen vorhanden ist, so daß nennenswerte Betriebsstörungen ausgeschlossen sind. – In Fig. 1 bis 3 ist ein Teil einer grundsätzlich durchgearbeiteten Lokomotivbekohlungsanlage mit Silo- (s.d.) Lagerung nach Bauart Marcus wiedergegeben, um an Hand derselben zu zeigen, daß die oben aufgestellten Bedingungen ganz erfüllt werden können, und daß die Silolagerung sich im allgemeinen vorteilhafter und günstiger gestaltet als die Freilagerung.

Es ist angenommen, daß die Lokomotivbekohlung auf den Gleisen stattfindet, die zum Lokomotivschuppen führen, so daß die Lokomotiven, bevor sie in den Schuppen fahren, oder sobald sie aus demselben herauskommen, Kohlen aufnehmen können. Die Bekohlung geschieht also unmittelbar vor dem Lokomotivschuppen. Hier könnten auch die Wasserhydranten zur Wassereinnahme vorgesehen werden, und außerdem ist angedeutet, daß die Entschlackung und Entaschung der Lokomotiven an dieser Stelle ebenfalls ausgeführt zu werden vermag.

Die Kohlenzüge kommen auf dem Gleise (Fig. 1 rechts) an und werden in den Erdfüllrumpf a entleert. Ueber letzteren ist eine Halle vorgesehen, in der gleichzeitig drei Wagen aufgestellt werden können, so daß die Kohlen in den Wagen während der Entladung ebenfalls geschützt sind, und der bei der Entladung gebildete Staub verhindert ist, hinauszudringen. Ueber dem Erdfüllrumpf a liegt ein Rost, auf welchem die großen Kohlenstücke liegen bleiben. In Förderkohle sind selten mehr als 2% Stücke über 15 cm Größe; daher genügt es, wenn von Zeit zu Zeit diese auf dem Rost liegenbleibenden Stücke mit der Hacke zerkleinert und durchgestoßen werden.

Der Füllrumpf a ist mit zwei Ausläufen versehen, die zu den je für eine Leistung von 30 t/St, berechneten Becherwerken b führen. Ihre Bauart ist mit besonderer Sorgfalt durchgeführt, um einen ruhigen Gang, eine sichere Beladung ohne Verluste, große Schöpfbarkeit und eine sichere Entladung ohne Verluste zu gewährleisten. Dies wird dadurch erreicht, daß das Becherwerk auf dem Hauptteile der Steigung senkrecht geführt ist, während am oberen Teile, wo die Spannung in der Becherwerkskette größer wird, eine geneigte Führung angewandt ist, die ein sicheres Entladen ermöglicht.

Hinter den Becherwerken geht die Kohle über eine selbstaufzeichnende Doppelwage c und fällt dann durch einen Trichter in die Propellerrinne d (s. Förderrinnen, S. 292), von der sie in einen der Hochbehälter m gelangt. Man ist also in der Lage, in jedem Hochbehälter ein bestimmtes Gewicht an Kohle abzuladen, je nach dem Fassungsraum der Tender. In Fig. 1 sind fünf Bekohlungsgleise angedeutet, jedes mit vier Hochbehältern m versehen, jeder Hochbehälter faßt rund 10 cbm, so daß die sämtlichen Hochbehälter 200 cbm Inhalt besitzen. Jeder Hochbehälter ist mit einer Verschlußvorrichtung und Schurre x ausgestattet, die von der oberen Bühne aus verriegelt sind. Der Wiegemeister auf der oberen Bühne ist mithin gleichzeitig mit der Nachprüfung der Kohlenausgabe beauftragt und Aufseher der Anlage; eine weitere Bedienung ist nicht erforderlich. In Fig. 1 ist gestrichelt angedeutet eine Aschenförderanlage, durch welche die Asche unter den Bekohlungsgleisen in bekannter Weise in eine Grube zwischen Gleisen abgestürzt wird. Von hier wird dieselbe auf die Förderrinne k aufgegeben, welche in Kanalbauart durchgeführt ist. Diese Bauart gestattet die[486] Zuführung beliebiger Mengen Fördergutes in die Rinne, welche selbsttätig die ihr mögliche Menge weiterfördert. Die Asche und Schlacke wird in einen Füllrumpf bei v entleert, mit einem Elevator l gehoben, in einen der Hochbehälter m gebracht, aus dem sie nach Bedarf in Eisenbahnwagen verladen und fortgeschafft werden kann.

Zu beiden Seiten der Lokomotivbekohlungsanlage ist ferner ein Silo von je 60 m Länge und 18 m Breite zu denken. Der Schnitt (Fig. 3) zeigt die Kohlenlagerung, welche an keinem Punkte mehr als 5 m Schichthöhe besitzt. Die Zulässigkeit dieser Schichthöhe ist bedingt durch die umsichtige Bauart und Zugänglichkeit des Lagerplatzes. Die auf einer Rampe liegenden Kohlen werden in Entfernungen von etwa 8 m durch begehbare, quer zur Längsachse des Hauptgebäudes vorgesehene Durchgänge unter den Kohlen her (darin liegt das Wesen der Marcus-Silos) kontrolliert und (z.B. durch Schornsteine) entlüftet und können erforderlichenfalls bei Bränden mittels Kohlensäure gelöscht werden. Beim Durchgehen dieser Kanäle, die von beiden Seiten freien Luftzug führen, würde man eine Erhitzung der Kohle sofort spüren, und es könnte bei weiterer Steigerung der Temperatur, noch bevor ein Brand entsteht, die erforderliche Ventilation und Löschung beginnen.

Die bisher vielfach geübte Methode des Fortschaffens der Kohle hat sich (nach Marcus) insofern bei Bränden vielfach als unzweckmäßig erwiesen, als dadurch der Brandherd aufgedeckt und geschürt worden ist. Bei der vorstehend beschriebenen Einrichtung würde die Kohle, bevor eine zu hohe Erhitzung stattfindet, mittels der Propellerrinne von unten abgezogen werden, während die darüber liegende kalte Kohle liegen bleiben kann. Bei Bränden in Kohlenschuppen ist beobachtet, daß, selbst wenn die Kohle nur 4–5 m hoch geschichtet war, das Feuer, je mehr die Kohle fortgeholt wurde, sich immer mehr ausdehnte. Das ist nur darauf zurückzuführen, daß in der Kohle Luftschächte gebildet wurden, die den Brand begünstigten und weiter fortpflanzten.

Große Bedeutung legt Marcus bei seiner Stapelung der Lagerung der Kohle über der Werksohle bei. Jeder Silo von 60 m Länge ist wiederum durch eine Mittelwand und einen Hauptquergang mit durchgehender Doppelwand in vier Abteilungen unterteilt, und jede dieser Abteilungen ist von einem Längsgang durchschnitten; somit sind von sechs Punkten aus die Kohlen jeder Kammer von unten her zugänglich. Das Befördern der Kohlen in die einzelnen Silokammern und der Rücktransport nach den Hochbehältern der Bekohlungsanlage bewerkstelligt sich in folgender Weise: Nachdem die Hochbehälter m (Fig. 1 und 2) gefüllt sind, wird die Kontrollwage auf Förderung nach dem Silo geschaltet und die Kohlen aus der Rinne d in die Rinne e bezw. f geführt und je nach Wunsch in irgendeine der Silokammern mittels der einstellbaren Schurre u (Fig. 3) geleitet. Es wird also die nach dem Silo bewegte Kohle genau abgewogen. Zum Transport aus dem Silo ist ein Arbeiter erforderlich, welcher die Abdeckplatten über den Kanalrinnen verschiebt. Es kann dieses bei jeder Silokammer von irgendeinem der sechs obenerwähnten Punkte aus geschehen. Die Kohle rutscht dann an der Böschung entlang in die Rinne nach, im Verhältnis wie sie von der Rinne fortgenommen wird. Diese einfache Art der Kohlenentnahme ist eine der staubfreiesten und daher vortrefflichsten, welche es gibt. Das Einschaufeln von Kohlen in Wagen oder Kasten ist mit wesentlich mehr Staubentwicklung verknüpft.

Ein Arbeiter genügt, um stündlich 25–30 t Kohle vom Lager zu entnehmen, und dieser Arbeiter kann gleichzeitig als Wächter für den Lagerplatz dienen, da er verhältnismäßig wenig körperliche Arbeiten zu verrichten hat.

Die Kanalrinnen führen die Kohle in die Rinne k (Fig. 1), deren hinterer Teil als Aschenförderer benutzt wird (s. oben), und gelangt durch diese Rinne in den Erdfüllrumpf a. Da Kohle aus dem Silo nur gebraucht wird, wenn keine Kohlen durch Abfuhr vorhanden sind, so kann jetzt der Transport aus dem Erdfüllrumpf a mittels der Becherwerke b in der oben beschriebenen Weise den Hochbehältern m zugeführt werden. Es muß hierbei nur die Wage c eine dritte Kontrolleinrichtung besitzen, welche feststellt, wieviel Kohle aus den Silos nach den Hochbehältern geht. – Im übrigen vgl. [3].


Literatur: [1] Buhle, Massentransport (Stuttgart 1908), S. 350 ff.; Organ f. d. Fortschritte d. Eisenbahnwesens 1912, S. 49; Zimmermann, ebend., S. 205 ff. (Hochbehälter mit Wage); Othegraven, ebend., S. 311 (Kosten); ebend. 1913, S. 92 (Spill, Kipper, Trogaufzug, Bunker, Aschenaufzug [England]); ebend., S. 180 ff. (Kosten); ebend., S. 242 ff.; ebend., S. 348 ff.; ebend., S. 397 (de Haas-Scholten [Sand, Schlacke, Asche]); ebend. 1914, S. 57 ff., Borghaus (Elektr. betr., in Güterzüge einstellbarer Drehkran für Greiferbetrieb); Verkehrstechn. Woche 1911, S. 1121; ebend. 1912, S. 528 (Leistungsbeispiele); ebend., S. 674 ff. (Dortmund); Schwarze, Mechan. Kohlenförderung im Eisenbahndienst und die Frage einer Erhöhung der Ausnutzung der Bahnhofsanlagen, Glasers Annalen 1913, II, S. 160 ff. (Bleichertsche Luftseilbahnen u.s.w.); vgl. a. Elektr. Kraftbetr. u. Bahnen 1913, S. 360, und Deutsche Bauzeitung 1913, S. 458. Ferner: Zeitschr.[487] d. Ver. deutsch. Ing. 1913, S. 438 bezw. Engineer vom 28. Februar 1913; Journ. s. Gasbel. u. Wasservers. 1911, S. 1067. – [2] Buhle, Ueber einige neuere Lagergebäude und -behälter für Kohle, Dingl. polyt. Journ. 1910, S. 758 ff. – [3] Zimmermann, Die Beseitigung der Lokomotivschlacken, Organ 1911, S. 248 ff.; Selbsttätige Feuerung für Lokomotiven, ebend. 1913, S. 40 ff.; sowie Gutbrod, Verkehrstechn. Woche 1912, S. 429 ff.

M. Buhle.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 485-488.
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