[239] Stärkefabrikation. Als Rohmaterialien für die Gewinnung der verschiedenen wichtigeren Stärkesorten kommen in Betracht: Kartoffeln, Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Reis und Mais. Hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung zeigen alle diese Stärkesorten, wenn sie gut gereinigt sind, keine erkennbaren Unterschiede; in Beziehung auf ihre physikalischen Eigenschaften sind die Unterschiede mit Ausnahme der Größenverhältnisse bei den einzelnen Stärkesorten sehr geringe (s. a. Stärkemehl).
Die Kartoffelstärke ist wegen der Einfachheit ihrer Gewinnung und der Billigkeit des Ausgangsmaterials die für gewerbliche Zwecke weitaus wichtigste Stärkesorte. Die Stammknollen unsrer Kartoffelpflanze enthalten im Durchschnitt zwischen 70 und 80% Wasser und zwischen 15 und 30% Stärkemehl (s.a. Spiritusfabrikation); man unterscheidet mehlige, d.h. wasserarme, und speckige, d.h. wasserreiche Kartoffeln. Der Gehalt der Kartoffeln an Stärke unterliegt sehr bedeutenden Schwankungen, und die Möglichkeit der Bestimmung des Gehaltes der Kartoffeln an Stärkemehl besitzt für den Fabrikanten des letzteren eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Alle hierzu herangezogenen Methoden laufen auf die Bestimmung der Dichte der Kartoffeln hinaus. Zur Ermittlung derselben kann man das Gewicht einer Anzahl Kartoffeln zunächst in Luft auf einer Wage bestimmen, die unten an derjenigen Wagschale, auf die die Kartoffeln zu liegen kommen, ein in Wasser untertauchendes Säckchen trägt. Bei erneuter Wägung werden die Kartoffeln in das Säckchen gebracht und unter Wasser gewogen. Das Gewicht der Kartoffeln in Luft, dividiert durch das Gewicht unter Wasser, gibt die Dichte der Kartoffeln an. Oder es werden verschiedene Kartoffeln einer Sorte gut gereinigt und jede einzelne in eine gesättigte Kochsalzlösung gebracht, auf der sie umherschwimmen wird, weil sie weniger dicht als diese ist. Die betreffende Kochsalzlösung wird alsdann so lange verdünnt, bis die Kartoffel gerade in ihr schwebt. Alsdann entspricht die mittels eines Aräometers gemessene Dichte der betreffenden Kochsalzlösung derjenigen der Kartoffel. Aus den verschiedenen für die einzelnen Kartoffeln ermittelten Dichten wird alsdann das Mittel berechnet und sowohl bei dieser als[239] auch bei der zuerst beschriebenen Methode aus einer von Balling bezw. Holdefleiß [1] berechneten Tabelle der dem betreffenden ermittelten spezifischen Gewicht entsprechende Gehalt an Stärkemehl entnommen. Die besten Resultate für die Praxis werden nach der zuerst beschriebenen Methode erzielt, wenn auf einer kleinen Dezimalwage ca. 20 kg Kartoffeln in der beschriebenen Weise gewogen werden. Die Wage ist so konstruiert, daß, wenn ein an der Wagschale angebrachter leichter Drahtkorb, der zur Aufnahme der Kartoffeln bei der Wägung unter Wasser dient, in leerem Zustand vollkommen in das Wasser eintaucht, die Wage dann gerade einspielt.
Vor Beginn der Zerkleinerung werden die Kartoffeln in sogenannten Waschtrommeln gründlich von der anhängenden Erde und kleinen Steinchen befreit, eine Manipulation, die unumgänglich notwendig für die Gewinnung eines Stärkemehls von blendend weißer Farbe ist. Bezüglich der Zerreibung der Kartoffeln ist besonders wichtig, daß diese eine möglichst gründliche ist, da hiervon die Ausbeute an Stärkemehl wesentlich abhängt, denn der Inhalt jeder stärkehaltigen, in der Reibmaschine nicht zerdrückten Zelle ist für den Fabrikanten verloren. Die Technik konstruierte daher eine Reihe derartiger Reibmaschinen. Eine der am häufigsten verwendeten Typen ist die von Albert Fesca & Co. in Berlin hergestellte. Ihre Konstruktion ist aus der Fig. 1 ersichtlich. In der genannten Maschine werden die durch den Karten y zugeführten Kartoffeln durch einen Stoßkolben a, t an einem rasch rotierenden, mit spitzen Zähnen versehenen Zylinder v, r zerdrückt; die Reibfläche wird konstant mit Wasser abgespült, das aus einem siebförmig durchlöcherten Gefäß z zuläuft. Der hierbei erhaltene Kartoffelbrei kommt nun auf die Rüttelschlämmsiebe, welche aus schiefgestellten Rinnen, deren Boden jeweils ein seines Drahtsieb bildet, bestehen. Hierbei wird die Stärke aus den zerrissenen Zellen ausgewaschen und in unter den Rüttelschlämmsieben stehenden wannenartigen Gefäßen durch Absitzenlassen gesammelt. Eine noch bessere Ausbeute an Stärkemehl erhält man bei Verwendung von Siebspiralbürstenapparaten, weil die Bearbeitung des Kartoffelbreies in ihnen eine gründlichere ist. Einen derartigen Apparat zeigt Fig. 2. Derselbe besteht im wesentlichen aus einer Schraube ohne Ende, die in einem walzenförmigen Siebe läuft. Die einzelnen Schraubengänge sind mit Drahtborsten versehen, die den Kartoffelbrei auf dem Sieb entsprechend bearbeiten; die Stärke fließt mit dem Wasser durch das Sieb ab, während die Pulpe auf dem Sieb zurückbleibt. Die aus dem genannten Apparat fließende milchige Aufschlämmung von Stärkemehl wird nun zum Absitzen beiseitegestellt und der klar gewordene Teil abgelassen, was im Sommer möglichst bald zu geschehen hat, da die in ihm gelösten eiweißartigen Stoffe rasch in Fäulnis übergehen. Die rohe, am Boden des Absitzgefäßes sich befindende Stärke ist von gelbbrauner Farbe und hat nun zu ihrer weiteren Reinigung den Schlämmbottich zu passieren. Durch diese erneute Wasserbehandlung wird eine weiße milchige Flüssigkeit erzeugt, die man wiederum absitzen läßt; das Wasser wird abgelassen und die oberste bräunliche Schicht dann so weit entfernt, bis rein weiße Stärke zutage tritt. Diese wird nunmehr aus dem Apparat entfernt und, entweder je nach dem Zwecke, dem sie dienen soll, gleich getrocknet oder durch nochmaliges Schlämmen weiter gereinigt. Das Trocknen der so gewonnenen Stärke geschieht nicht durch Pressen, sondern durch Auflegen auf leinene Tücher oder poröse Gipsplatten. In größeren Fabriken wird die Stärke zunächst in Luftpumpensaugapparaten (Nutschenapparaten) oder vermittelst Zentrifugen vom größten Teil des ihr anhaftenden Wassers befreit. Einen derartigen von Albert Fesca in Berlin gebauten Nutschenapparat, dessen einzelne Kalten mit einer Saugpumpe in Verbindung stehen, zeigt Fig. 3. In den Kasten eines solchen Apparates erhalten die Stärkebrote gleich die gewünschte Form, nämlich bei 150 × 150 mm Grundfläche werden Brote für 2-kg-, bei 165 × 165 mm Grundfläche solche für 3-kg-Pakete erhalten.
Eine Stärkezentrifuge zeigt die Fig. 4. Diese sogenannte Raffineriestärkezentrifuge besteht aus einer durchlöcherten Trommel, in der eine Trennung der Stärkemilch in Stärke, Wasser und Schlichte erfolgt. Beim Stillstand der Trommel wird die Schlichte mit dem abgeschiedenen Wasser abgewaschen und durch Oeffnen der Verschlüsse im Boden der Trommel entfernt, während man die Stärke in Segmenten von kreideartigem festem Bruch erhält. Der durch ein derartiges vorläufiges Austrocknen gewonnene Stärkekuchen wird nun zerkleinert und in luftigen Räumen, den Trockenstuben, bei einer Temperatur von 2030° C. rasch vollkommen getrocknet. Was die Verwertung der Abfälle anbelangt, so findet das eiweißartige Stoffe enthaltende sogenannte Fruchtwasser frisch als Zusatz zum Schweinefutter, in zersetztem Zustand[240] aber als Düngemittel Verwendung. Die Pülpe, jene bräunliche, aus Korksubstanz, Zellresten und wenig schmutziger Stärke bestehende Masse findet ebenfalls am besten als Viehfutter Verwendung. Was die Ausbeute einer gut geleiteten Fabrik anbelangt, so ist zu bemerken, daß dieselbe bei Verwendung von 100 kg Kartoffeln im Mittel ca. 15 kg reines lufttrockenes Stärkemehl beträgt.
Weizenstärke. Während die Kartoffel neben Cellulose und Korksubstanz in der Hauptsache aus Wasser und Stärkemehl zusammengesetzt ist, bestehen die Getreidearten im allgemeinen aus einer Fruchtwand und dem Samenkörper. Die erstere (Kleie) ist eine hornartige Substanz, der Samenkörper dagegen besteht aus Stärkemehl und Kleber neben 1014% Wasser und anorganischen, meist phosphorsauern Salzen. Der Kleber (Gluten) kann aus gemahlenem Weizen dadurch isoliert werden, daß das Mahlgut in einem leinenen Säckchen tüchtig mit Wasser geknetet wird. Hierdurch wäscht man die Stärke weg, und der leichtzersetzliche Kleber bleibt in dem Säckchen zurück. Seiner Zusammensetzung nach steht der Kleber dem Eiweiß, Blut und Fleisch sehr nahe und besitzt somit hohen Nährwert. Durch das bei der Weizenstärkefabrikation weiter unten beschriebene Schlämmverfahren können bis zu 90% des vorhandenen Klebers mitgewonnen werden. Aus 100 Teilen Weizenstärke werden so ca. 2025% Kleber gewonnen, mit einem Wassergehalt von ca. 40%. Er stellt trocken eine graue, harte Masse dar, die in reinem Wasser wenig, in schwachsauerm oder alkalischem dagegen leichter löslich ist. Er enthält verschiedene sogenannte Kleberproteine, d.h. eiweißartige Körper (Kleberfibrin, Kleberkasein und Pflanzenleim). In rohem Zustand findet er, mit Wasser von ca. 6070° angerührt und mit Kartoffeln u.s.w. versetzt, als sehr wertvolles Viehfutter, speziell bei der Schweinemast, Verwendung. Soll Kleber menschlichen Nahrungsmitteln zugesetzt werden, so ist es am besten, schon bei der Fabrikation dafür zu sorgen, daß geschälter Weizen verwendet wird oder aber muß der Kleber andernfalls sein zerrieben, in ein durch ein Rührwerk in Bewegung gesetztes Wasser allmählich eingetragen werden, wobei er sich infolge seines Schwergewichts rasch absetzt, während die Hülsen sich an der Oberfläche sammeln und mit dem Wasser abgezogen werden können. Leider findet dieses hervorragend nahrhafte Produkt noch verhältnismäßig wenig Anwendung zur Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln (Kraftbroten, Nudeln, Makkaroni u.s.w.). Er dient neuerdings auch zur Herstellung von Diabetikerbroten, ebenso als Bindemittel bei der Verarbeitung von schlechtbindendem Fleisch in der Wurstfabrikation und als Kleberleim (Kleberpappe, Schusterleim). Zur Herstellung letzteren Produktes läßt man ihn mit Wasser angären und bringt ihn durch Abdampfen auf die gewünschte Zähflüssigkeit.
Das ältere Verfahren zur Gewinnung der Weizenstärke ist das sogenannte Gärungsverfahren, das neuere das sogenannte Schlämmverfahren. Das letztere ist das rationellere, weil es die gleichzeitige Mitgewinnung des Klebers mit ins Auge faßt, während dieser nach dem älteren Verfahren vollkommen zerstört wird.
Die Durchführung des Gärungsverfahrens zerfällt in folgende Einzelstadien: 1. das Einquellen (Zusammenbringen des Weizens mit Wasser); 2. das Schroten (Zerkleinerung des Weizens); 3. die Gärung (Zerstörung des Klebers durch chemische Prozesse); 4. das Abschlämmen (die eigentliche Stärkegewinnung); 5. das Raffinieren der Stärke und 6. das Austrocknen derselben. Die Gärung macht der geschrotete, mit Wasser zu einem dicken Brei angerührte Weizen in zu drei Viertel gefüllten Zisternen durch. Um dieselbe rasch einzuleiten und zu fördern, wird die Masse mit sogenanntem »Sauerwasser« geimpft; letzteres ist ein gärendes, von dem Schlämmen der Rohstärke herrührendes Wasser, das sehr viele Gärungserreger (Fermente) enthält. Durch Erhöhung der Temperatur auf 2530° kann die Gärung der Masse so beschleunigt werden, daß sie in 56 Tagen beendet ist. Die Gärungsvorgänge sind verschieden und sehr kompliziert; ein Gärungsprozeß löst sozusagen den andern ab. Zunächst verwandelt sich der Zucker und vielleicht auch das Gummi in Alkohol, alsdann tritt essigsaure, milch- und auch buttersaure Gärung ein, bis schließlich die ganze Masse in Fäulnis übergeht. Der Gärprozeß wird zu der Zeit unterbrochen, wenn sich auf der Oberfläche der Zisternen eine weiße Schimmelpilzdecke zu bilden begonnen hat, ein Zeichen dafür, daß die Zersetzung des Klebers zum großen Teile beendigt ist. Zum Abschlämmen der Stärke wird nun zunächst der größere Teil des Sauerwassers abgelassen und der Bodensatz auf schiefgestellte enge Roßhaarsiebe ausgeschüttet. Alsdann wird die Stärke in Waschtrommeln, ähnlich wie bei der Kartoffelstärke, durch reichliche Wasserzufuhr weiter gereinigt und die Stärkemilch in Kufen mit rasch rotierendem Rührwerk unter ständiger Wasserzufuhr weiter raffiniert. Nach dem Absetzen befindet sich im untersten Teil des Bodensatzes die reinste Stärke. Dieselbe ist von blendendweißer Farbe, während die oberen Schichten mehr braungefärbt sind. Die direkt über der reinsten Stärke liegende Schichte enthält ein Gemenge von Stärkekörnchen und Kleber, sie wird Schlichte genannt; die oberste Schichte besteht ganz aus sauer gewordenem Kleber.[241]
Alsdann wird die Stärke in Zentrifugen raffiniert und getrocknet, analog wie bei der Gewinnung der Kartoffelstärke.
Beim Schlämmverfahren wird der Weizen auf einem Mahlgang von der Kleie befreit und dann geschrotet, d.h. in grobe Körner verwandelt, denn sowohl ganzer Weizen als seines Weizenmehl gibt bei der Verarbeitung auf Stärke schlechte Resultate. Es zerfällt in folgende Phasen: Einquellen, Schroten, Auswaschen, Reinigen und Trocknen der Stärke. Die Vornahme der letztgenannten Arbeiten ergibt sich im wesentlichen aus dem bei der Kartoffelstärkefabrikation und dem beim Gärungsverfahren Gesagten. Das Einquellen geschieht in Wasser von einer Temperatur bis zu 30 j C. und zwar so lange, bis der Weizenkern, zwischen Daumen und Zeigefinger gedrückt, leicht platzt und eine milchigweiße Flüssigkeit austreten läßt. Alsdann wird der Weizen zwischen feingerieften Metallwalzen geschrotet, von denen er direkt in die zum Auswaschen der Stärke dienenden Gefäße fällt. Das Auswaschen der Stärke selbst geschieht entweder in Trommeln, die durch Querwände in Fächer geteilt sind, oder aber wird das Schrot in einen mehrere Meter langen Sack, der an seinen Enden zugebunden ist, gebracht. Derselbe wird zwischen zwei mit der Länge nach rundliche Erhöhungen tragenden Walzen aus Holz, Stein oder Eisen durchgesteckt und mittels einer dritten Walze gespannt. Die ganze Vorrichtung läuft so in einer Wanne, daß der Sack fast ganz untertaucht. Er wird nun als ein Band ohne Ende fortwährend zwischen den Walzen durchgequetscht. Hierdurch tritt die Stärke aus, während der in dem Sack sitzengebliebene Kleber nach dem Trocknen des Tuches abgekratzt werden kann. Der letzte Rest des Klebers wird aus den Säcken durch längeres Einlegen in Sauerwasser (s. oben beim Gärungsverfahren) oder durch Behandeln der Säcke mit Essig und hernach mit verdünnter Lauge aus den Poren entfernt. Eine andre Methode, welche das Auswaschen und Quetschen der Stärke miteinander verbindet, ist die, daß man die von einem Walzenpaar bearbeitete feuchte Masse, auf die beständig Wasser herabrieselt, durch einen Trichter auf ein System von weiteren Walzenpaaren leitet. Unten werden Kleber und Hülsenteile durch ein Sieb zurückgehalten. Nachdem die durch das Sieb durchgegangene Stärkemilch nochmals ein sehr seines Sieb passiert hat und so die letzten Reste von Kleber und Cellulose entfernt sind, wird die Flüssigkeit einer 23 tägigen Faulperiode unter Zusetzen von Sauerwasser überlassen und sedimentiert. Alsdann wird die Stärke, wie bereits beim Gärverfahren und bei der Kartoffelstärkefabrikation beschrieben, gesammelt und getrocknet.
Die Maisstärke wird aus der Frucht der Maispflanze (Zea Mays, türkischer Weizen, Welschkorn u.s.w.) hergestellt. Sie kommt im Handel auch unter der Bezeichnung Mondamin, Corn flour oder Maizena (aus dem Mehlendosperm) vor. Die Fabrikation ist nur insofern von den bereits beschriebenen Methoden verschieden, als bei Maiskörnern noch ein in ihnen in beträchtlichen Mengen vorhandener wertvoller Bestandteil, nämlich Fett, mitgewonnen zu werden pflegt. Dasselbe befindet sich im Embryo (Keim), der schon bei der Schrotung vom stärkemehlhaltigen Teil getrennt werden kann und alsdann entweder als Viehfutter direkt Verwendung findet, oder dem zuvor durch Benzol oder ähnliche Lösungsmittel das in der Seifenfabrikation brauchbare Fett entzogen wird. Das Aufschließen des Maises, d.h. die Lockerung seines Gewebes, welches alsdann die Stärke leicht austreten läßt, wird häufig dadurch bewerkstelligt, daß die Masse mit einer schwachen Lauge der Quellung überlassen, oder aber, daß dieselbe mit einer wässerigen Lösung von schwefliger Säure behandelt wird.
Die Reisstärke gewinnt man meist aus havariertem, d.h. durch Seewasser auf dem Transport verdorbenem Reis, indem die sehr harten Körner zunächst in einer schwachen Natronlauge während eines Zeitraums von ca. 20 Stunden zum Quellen gebracht werden. Die weitere Verarbeitung deckt sich mit den bereits beschriebenen Methoden.
Die Kastanienstärke ist zu ca. 25% in den Samen von Aesculus Hippocastanum enthalten. Diese werden, bis die schwarzbraune Samenschale runzelig und spröd geworden ist, an der Luft oder besser in Trockenstuben gelagert, alsdann zwischen gerieften Eisenwalzen zermalmt und die Stärke direkt ausgeschlämmt. Sie wird nur in Frankreich regelmäßig erzeugt; in Südeuropa findet Stärke aus Edelkastanien (Castanea vesca) als Nahrungsmittel Verwendung.
Der Sago, zu uns besonders von Japan in den Handel kommend, wird aus dem Mark gewisser Palmen und Cycadaceen durch Auskneten und Absitzenlassen gewonnen. Das so erhaltene Stärkemehl wird so weit getrocknet, daß der Teig eine pastenartige Form annimmt, alsdann wird er durch Siebe gedrückt und die so erhaltenen Körner rasch vollends getrocknet.
Die Tapioka (Manihotstärke) wird in der Hauptsache aus den bis zu 15 kg schweren Wurzeln, der in Westindien, Südamerika und Mexiko heimischen Jatropha Manihot gewonnen. Diese werden zermahlen und in Säcken im Rauch getrocknet, wobei die im Rauch enthaltenen Kresole das Eintreten einer Gärung verhindern. Dieses Mahlprodukt wird dann als Manihot oder Mandiocca bezeichnet. Die Portugiesen heißen es Farinha de pao, d.h. Brotmehl. Oder aber das obengenannte Produkt wird in den Säcken mit Wasser behandelt und die Stärke aus den Zellen ausgewaschen, durch Sedimentieren gesammelt und getrocknet.
Die Reinigung und Zubereitung der Stärke für den Handel wird notwendig, wenn das gewonnene Produkt keine rein weiße Farbe zeigt. Alsdann werden entweder die die Stärkemehlfärbung bedingenden Stoffe mit chemischen Mitteln gebleicht oder die Farbe derselben durch den Zusatz gewisser Stoffe verdeckt. Das Bleichen erfolgt gewöhnlich in der Weise, daß die Stärke mit Wasser und verdünnter Salzsäure zu einem dünnen Brei angerührt und mit Chlorkalkaufschlämmung unter Umrühren versetzt wird. Die Salzsäure entwickelt aus dem Chlorkalk das giftige, stark bleichende Chlorgas und löst im Ueberschuß den Kalk desselben als salzsauern Kalk auf. Nach dem Verdünnen mit Wasser wird die Stärke durch nochmaliges Dekantieren blendendweiß gewonnen. Dem letzten Waschwasser wird zur Abstumpfung der überschüssigen Säure etwas Soda zugesetzt. Beim Decken wird der gelblichen Stärke eine blaue Farbstofflösung, meist Indigokarmin oder Pariserblau zugemischt, damit sich der gelbliche[242] Ton mit der blauen Farbe zu Weiß ausgleicht. Gefärbte Stärke, welche vom Publikum zum steifen der Wäsche verlangt wird, gewinnt man, indem man beim Decken (s. oben) so viel Farbe zusetzt, daß bei dem gewonnenen Produkt ein blauer Ton entsteht. Für Toilettezwecke kommt noch mit verschiedenen Farbstoffen gefärbte Stärke in den Handel. Das Stängeln der Stärke geschieht in der Weise, daß man den steifen Stärkebrei mit etwas Kleister anrührt, mittels einer Schneckenschraube durch eine Maschine drückt, welche einen kegelförmigen, mit verschieden geformten Oeffnungen versehenen Ansatz besitzt. Unter diesen wird ein stramm gespanntes Tuch langsam hin und her bewegt, welches die ausgedrückten Stängel fortführt. Durch ein vor der Ausflußöffnung angebrachtes Messer können die Stängel in beliebiger Länge abgeschnitten werden. Das Formen der Stärke geschieht durch Eingießen in ziegelartige, mit Fabrikzeichen versehene Formen aus Metall oder Gips.
Von Stärkespezialitäten sind zu erwähnen: Die Glanzstärke, die unechte Weizenstärke, die Toilettestärke und der künstliche Sago. Die Glanzstärke wird durch Vermengen von 3 Teilen gepulverter Stearinsäure oder Walrat mit 100 Teilen lufttrockener Stärke hergestellt. Die bei ca. 60° schmelzende Stearinsäure, bezw. das Walrat, erzeugt auf der Wäsche beim Behandeln mit dem heißen Plätteisen Hochglanz. Die unechte Weizenstärke ist ein Gemenge von Kartoffelstärke mit Kleister oder Dextrin, wodurch dem Produkt die gleiche Bindekraft verstehen werden kann, wie sie die von Haus aus kleberhaltige Weizenstärke besitzt. Die Toilettestärke wird meist aus Kartoffelstärke hergestellt, unter Verwendung von ätherischen Oelen sowie roten Farbstoffen, wie Karmin u.s.w., und kommt unter Phantasienamen wie »Poudre de riz«, »Blanc végétal« u.s.w. in den Handel. Künstlicher Sago pflegt aus feuchter Kartoffelstärke gewonnen zu werden, welche durch eine mit kreisrunden Oeffnungen versehene Siebplatte gedrückt wird. Die durch rüttelnde Bewegungen abgeschleuderten Körner werden auf einem Band ohne Ende fortgeführt, vorgetrocknet und in einer rotierenden Trommel abgerundet. Die so gewonnenen Körner werden nun zur Erzielung einer glänzenden Beschaffenheit auf warme Bleche gebracht, über welche mit Wasserdampf vermischte Luft so lange hinstreicht, bis die Oberfläche der Körner verkleistert ist. Alsdann werden dieselben im warmen, trockenen Luftstrom vollends getrocknet. Durch Erhitzen der Körner auf ca. 150° heißen Blechen wird alsdann den Körnern die dem natürlichen Sago eigentümliche gelbe Färbung erteilt.
Literatur: [1] Rehwald, F., Die Stärkefabrikation, Wien 1902.
Mezger.
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