[4] Astrologie (»Sternlehre«), bei Griechen und Römern die Astronomie, nach jetzigem Sprachgebrauch die Kunst, aus dem Lauf und der Stellung der Gestirne das Zukünftige, besonders das Schicksal der Menschen, vorherzusagen. Die A. hat sich von Mesopotamien, dessen früheste Bewohner, die Akkadier, ihr schon huldigten, weiter verbreitet. Nach Europa kam sie durch die Chaldäer, bei denen sie innig zusammenhing mit dem Gestirndienst. Deshalb werden auch die Sterndeuter später von den römischen Schriftstellern Chaldäer genannt. Die Ägypter setzten die A. in Beziehung zur Medizin, und ihre Prognostik beruhte besonders auf der Lehre von der Konstellation. In Griechenland scheinen die Astrologen von seiten des Staates nie behindert worden zu sein. Selbst Platon wird als Freund der A. genannt; die Aristoteliker aber erklärten sich gegen sie. Einen fruchtbaren Boden fand sie bei den Stoikern, mit deren fatalistischer Weltansicht sie harmonierte. Griechische Ärzte pflegten Krankheitsveränderungen von der Konstellation des Mondes und der Planeten abhängig zu denken. Nächst der Sonne und den Planeten räumte man den zwölf Zeichen des Tierkreises die erste Stelle ein. In Rom fand die chaldäische Wissenschaft unter der Masse der Ungebildeten zahlreiche Anhänger, während die Gebildeten sich meist ablehnend verhielten. Sie wurde hier gewöhnlich als Mathesis bezeichnet, und die Sterndeuter hiessen Chaldaei, Babylonii, mathematici, genethliaci oder planetarii. Ein angesehener Astrolog, Lucius Tarutius Firmanus, suchte den genauen Zeitpunkt der Erbauung Roms auf astrologischem Wege zu bestimmen. Cicero (de divinatione), der ältere Plinius und Tacitus erklärten sich gegen die A. Seneca dagegen nimmt den Einfluß der Planeten auf die Menschen für ausgemacht an. Stärker beeinflußte der Glaube an die A. die Gemüter der spätern philosophischen Mystiker von Alexandria, Athen und Rom. Eine Abhandlung des Neuplatonikers Proklos über A. entwirft von dem Treiben der Astrologen jener Zeit ein sprechendes Bild, und aus dem 4. Jahrh. n. Chr. ist das ausführlichste Werk über A. aus dem Altertum: »Acht Bücher Astronomie« von Maternus Firmicus erhalten Die besondere Gewalt einzelner Sterne auf einzelne Organismen hat besonders Manilius in seinem astronomischen Lehrgedicht »Astronomicon« ausführlich entwickelt. Die christliche Kirche verwarf im Gegensatze zu den Gnostikern die A. entschieden. Der Codex Justinianeus setzte die Sterndeuterei sogar der Giftmischerei gleich. Eifrig wurde dagegen die A. von den Arabern und jüdischen Kabbalisten gepflegt, zu einer Art von System ausgebildet und in die christliche Welt des Mittelalters verpflanzt. Abu-Ma'schar (Albumasar) aus Bath in Chorasan (9. Jahrh.) hinterließ ein astrologisches Werk: »De magnis conjunctionibus, annorum revolutionibus ac eorum profectionibus«, das viele Jahrhunderte auch in Europa in hohem Ansehen stand, und im 13. Jahrh. wurde Aboazen Haly (Aben Ragel) berühmt durch sein Werk »De judiciis astrorum«, das wahrscheinlich die Einteilung der A. in Judizial- und natürliche A. veranlaßte. Seit dieser Zeit gewann die A. auch unter den christlichen Völkern großes Ansehen. Ihre Glanzperioden sind das 14. und 15. Jahrh. Oft regierten die Hofastrologen[4] ganze Reiche. Obwohl schon zu Ende des 15. Jahrh. Savonarola und Pico della Mirandola sowie später Voß, Bordelon und der Astronom Sturm die A. bekämpften, so errang diese doch noch im 16. und 17. Jahrh. einzelne Triumphe. Am berühmtesten war damals Michael Nostradamus (Notredame), der von Salon in Frankreich aus seine gereimten Prophezeiungen zu Hunderten in die Welt schickte, bis ihn Karl IX. zu seinem Leibarzt erhob. Während mehrere Päpste die A. mit dem Bann belegten, ward sie öfters von den höchsten kirchlichen Würdenträgern gepflegt. Auch die protestantischen Theologen waren keineswegs frei von astrologischem Wahn. Melanchthon hielt viel von A. und trieb sie selbst, wenn auch mit wenig Glück. Am meisten aber galt die A. in England unter den Stuarts. Der Dichter Dryden (gest. 1701) ließ noch für seine Kinder die Nativität stellen. Paracelsus und Cardanus (»Encomium astrologiae«) brachten die A. mit der Medizin und Chemie in Verbindung. Selbst Tycho Brahe und Kepler entsagten der A. nicht ganz, und letzterer erwarb sich dadurch Wallensteins Gunst, dem er 1629 in Sagan sein hohes Glück verkündigt haben soll. Erst das kopernikanische System gab der A. den Todesstoß, wenn auch noch manche sich später zur Verteidigung derselben aufwarfen, so namentlich Bapt. Morin (15831656) in seiner »Astrologia gallica«. Einer ihrer letzten Anhänger war J. W. Pfaff, dessen »A.« (Bamb. 1816) und »Der Stern der drei Weisen« (das. 1821) als seltsame Anachronismen m nennen sind. Im Orient aber, namentlich in Persien, Indien und China, steht die A. noch heutzutage in hohem Ansehen.
Die A. wird in natürliche und positive oder Judizialastrologie eingeteilt. Die natürliche prophezeit die natürlichen Wirkungen natürlicher Ursachen, z. B. den Witterungswechsel, Erdbeben etc., ist also nichts als eine phantastische Meteorologie. Die positive A. behandelt die Herrschaft der Sterne über das Schicksal der Menschen. Will der Astrolog einem Menschen die Nativität stellen, d. h. sein Schicksal vorhersagen, so sucht er zuerst für die Zeit seiner Geburt nach dem Horoskop oder nach dem Punkte der Ekliptik, der im Augenblick der Geburt dieses Menschen eben ausging, die zwölf Häuser des Himmels auf (s. Figur). Diese werden durch die zwölf Positionskreise bestimmt, die als größte Kreise der Sphäre den Äquator in zwölf gleiche Teile teilen und durch den nördlichen und südlichen Durchschnitt des Horizonts mit dem Meridian gehen, während der Positionsbogen in der A. den zwischen dem Positionskreis und dem Meridian enthaltenen Teil des Äquators bildet. Jenes Horoskop fängt zugleich das erste Haus an, von dem aus man nun die übrigen, gegen O. unter dem Horizont fortgehend, zählt. Die Häuser folgen der Reihe nach auseinander als das Haus des Lebens, des Glückes oder Reichtums, der Brüder, der Verwandtschaft, der Kinder, der Diener (nach andern der Gesundheit), der Ehe, das mit dem untergehenden Punkte der Ekliptik aufhört, des Todes, der Religion, der Würden, das mit dem zur Zeit der Geburt eines Menschen kulminierenden Punkte der Ekliptik anfängt, der Freundschaft und der Feindschaft. Das erste Haus ist direkt oder genau östlich gestellt, und die übrigen folgen in fortschreitender Ordnung nach S., W., N. bis wieder zum O., gleich der Bewegung der Planeten. Sind die zwölf Häuser für die Zeit der Geburt des fraglichen Menschen gefunden, so sucht der Astrolog dann den Ort der Planeten in jedem Haus und bemerkt die gegenseitige Lage oder die Aspekten, aus denen er dann seine Vorhersagung zieht. Die aus der Blütezeit der A. herrührenden, noch jetzt in den Kalendern vorkommenden Regenten des Jahres findet man durch die mit 7 dividierte Jahreszahl, wo dann der Rest der Division 1,2,3,4,5,6 oder 0 in gleicher Ordnung anzeigt, daß Sonne, Venus, Merkur, Mond, Saturn, Jupiter oder Mars das Regiment des Jahres führe. Außerdem sind der Kopf und der Schwanz des Drachen oder die Knoten, in denen die Ekliptik durch die Planetenkreise geschnitten wird, und die Region des Glückes (der Fortuna) oder die Entfernung der Ebene des Mondes von der Sonne noch zwei für die A. wichtige Himmelsräume, die, wenn sie innerhalb der einem Menschen gehörigen Konstellation liegen, den Grad seiner Macht etc. erhöhen. Das übrige der Kunst besteht hauptsächlich in einer genauen Ausfüllung des obigen Schemas durch Beobachtung und Berechnung, um daraus eine weissagende Antwort zu bilden. Vgl. Maury, La magie et l'astrologie dans l'antiquité et au moyenâge (4. Aufl., Par. 1877); Mensinga, Über ältere und neuere A. (Berl. 1872); Lenormant, Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer (deutsch, Jena 1878); Mayer, Handbuch der A. (das. 1891); Thompson, The reports of the Magicians and Astrologers of Nineveh and Babylon in the British Museum (Lond. 1900, 2 Bde.); Bouché-Leclereq, L'astrologie grecque (Par. 1899).
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