[648] Savonarōla, Girolamo (Hieronymus), berühmter ital. Reformator, geb. 21. Sept. 1452 in Ferrara, gest. 22. Mai 1498 in Florenz, studierte Theologie und Philosophie und trat, von dem weltlichen Treiben in seiner Vaterstadt abgestoßen, 1475 in das Dominikanerkloster in Bologna. Hier wandte er seine Aufmerksamkeit den Schäden der Kirche zu, die er in dem Gedichte »De ruina ecclesiae« behandelte, und predigte seit 1482 in Florenz, Brescia und andern Städten. 1490 als Lektor in das Kloster San Marco in Florenz berufen, wurde er 1491 dessen Prior und entfaltete nunmehr als Schriftsteller, Lehrer und Prediger eine außerordentliche Tätigkeit, die auf Hebung wahrer Religiosität und Sittlichkeit im scharfen Kampfe gegen die Gebrechen in Staat und Kirche abzielte. Mit besonderer Vorliebe weilte er bei den strafenden Gesichten der Offenbarung Johannis, deren nahe bevorstehende Erfüllung ihm das Erscheinen Karls VIII. von Frankreich in Italien und die Vertreibung der Medici aus Florenz (1494) gewährleistete. Nunmehr griff er selbst in die Politik ein. Geistliches und Weltliches verknüpfend, bewirkte er, daß anfangs 1495 in Florenz in schroffem Gegensatz gegen die mediceische Weltfreudigkeit eine Republik auf theokratischer Grundlage entstand, in der er zwar keine amtliche Stellung einnahm, aber durch seine Predigten ausschlaggebenden Einfluß übte, dem Florenz mannigfache Gesetze zur Hebung von Zucht und Sitte, Bestrafung öffentlicher Laster zu danken hatte. Zum Karneval 1495 wurden die Zeichen weltlicher Lust aus der ganzen Stadt zusammengeschleppt und verbrannt. Die Hinrichtung mediceischer Parteigänger hat S. nicht gehindert. In heftigem Streit standen sich die Parteien gegenüber: die Anhänger Savonarolas (Frateschi, d.h. »Mönchische«, oder Piagnoni, d.h. »Wimmerer« oder »Heuler«) und seine Gegner (Arrabbiati, die über das »Narrenregiment« des Mönches »Wütenden«). Diese Gegner, hinter denen die Macht der Medici und des durch Savonarolas schonungslose Angriffe gereizten Papstes Alexander VI. stand, der den Mönch vergeblich nach Rom zu locken suchte, erhielten binnen kurzem die Oberhand. Vor allem regte sich die Opposition der auf Savonarolas moralisches Ansehen eifersüchtigen Franziskaner. Schon 4. Mai 1497 kam es gelegentlich einer Predigt des Dominikaners zu heftigen, mit Lebensgefahr für S. verbundenen Tumulten. Am 12. Mai exkommunizierte ihn der Papst, und der Bann übte auch in Florenz seine Wirkung. Erst gegen Ende 1497 gestatteten die Behörden dem Gebannten wieder einige geistliche Handlungen; seit Februar 1498 predigte er von neuem und schonungsloser als je gegen die Verderbtheit der Kirche und ihres Hauptes. Um seine Lehren als göttlich zu erweisen, erboten sich die Dominikaner von San Marco zur Feuerprobe, und die Franziskaner stellten sich dem Gericht, dessen Abhaltung am 7. April die Behörde genehmigte, das aber nicht zur Ausführung kam, weil die Gegner es durch allerhand Machenschaften zu verhindern wußten. Den Nachteil hatte S., da die zusammengeströmte Volksmasse nunmehr in seinen Prophetenberuf verstärkte Zweifel setzte. Tags darauf wurde San Marco gestürmt, S. vor die Signoria geführt und einem parteiisch zusammengesetzten Gerichtshof übergeben. Der Papst sandte zur Leitung des Prozesses zwei Delegierte. In langen Verhandlungen, bei denen die Folter nicht gespart wurde, suchte man S. mürbe zu machen. Er blieb fest und starb schweigend den Feuertod. Seine Asche wurde in den Arno geworfen. Fra Bartolommeo aber ging in seine Werkstatt und zog um das Bild des Freundes einen goldenen Reif, und noch heute streben die Dominikaner Savonarolas Heiligsprechung an. 1875 wurde ihm in Ferrara ein Denkmal (von Galotti) errichtet, 1881 eine Kolossalstatue (von Passaglio) im Palazzo pubblico in Florenz. Die Jahrhundertfeier 1898 bewies, daß sein Andenken noch immer Gegenstand leidenschaftlicher Erörterung ist. Eine Sammlung von Werken Savonarolas erschien zu Lyon 163340 in 6 Bänden; »Opere inedite«, anonym herausgegeben von N. Tommaseo, 1835. Eine Sammlung der wichtigsten Predigten und andre Schriften gaben Villari und Casanova heraus (»Un saggio delle prediche e degli scritti di G. S.« Flor. 1898). Den reichsten Bestand an S.-Drucken weist die in der Nationalbibliothek zu Florenz aufgestellte Guicciardinische Bibliothek auf. Zahlreiche Neudrucke einzelner Schriften wurden gelegentlich der Jahrhundertfeier veranstaltet, darunter deutsch: »Der Triumph des Kreuzes« (hrsg. von Seltmann, Bresl. 1898). »Erweckliche Schriften« übersetzte Rapp (Stuttgart 1839); »Auserwählte Predigten« W. v. Langsdorff (Leipz. 1890) und Schottmüller (Berl. 1901). Vgl. Rudelbach, Hieronymus S. und seine Zeit (Hamb. 1835); Fr. K. Meier, G. S. (Berl. 1836); [648] Hase, Neue Propheten (Leipz. 1851, 3. Aufl. 1893); Villari, La storia di G. S. (2. Aufl., Flor. 1887, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1868, 2 Bde.); Glossner, S. als Apologet und Philosoph (Paderb. 1898); Ranke, Historisch-biographische Studien (Werke, Bd. 40 u. 41, Leipz. 1877); Luotto, Il vero S. eil S. di L. Pastor (Flor. 1897); Pastor, Zur Beurteilung Savonarolas (Freib. 1898) und Geschichte der Päpste, Bd. 3 (4. Aufl., das. 1899); Lucas, Fra Girolamo S. (Lond. 1899, 2. Aufl. 1906); Schnitzer, Quellen und Forschungen zur Geschichte Savonarolas (Münch. 190204, Heft 13); Maria Brie, S. in der deutschen Literatur (Bresl. 1903). Poetisch verherrlicht wurde S. durch Nikolaus Lenau (1837), George Eliot (»Romola«, Roman), Karl Hepp (»Der Prior von San Marco«, Drama, in Meyers Volksbüchern, Leipz. 1899), den Grafen Gobineau (»Die Renaissance«; deutsch von Schemann, Straßb. 1904) und N. Howard (»S., a city's tragedy«, Lond. 1904).