[94] Aufnahme, topographische (Aufnehmen), die Anfertigung des Bildes eines Teiles der Erdoberfläche in Bezug auf ihre Gestaltung und alle mit ihr in Verbindung stehenden Natur- und Kulturgegenstände zum Zwecke der Kartierung. Im Gegensatze zur geometrischen Feldmeßkunst, der Katasteraufnahme und der Aufnahme für spezielle Bauunternehmungen, deren Endresultate in Zahlen ausgedrückt werden sollen, kann bei der topographischen Aufnahme die zeitraubende direkte Längenmessung mit Maßstäben oder Bandmaß fast ganz vermieden werden. Die Aufnahme eines Landstriches, wenn derselbe nicht ganz klein ist, geschieht im Anschluß an eine trigonometrische Netzlegung und erfolgt an Ort und Stelle auf dem Papier mit Hilfe des Meßtisches, oder indem die Aufnahme in Zahlen durch ein Tachymeter gewonnen, in ein Feldbuch (Manual) eingetragen und, vervollständigt durch einen Handriß, im Zimmer in das Kartenblatt eingetragen wird, endlich mit Hilfe der Photographie durch den Phototheodolithen im Feld und Ausmessung und Übertragung der photographischen Platten auf das Kartenblatt gleichfalls im Zimmer. Die Aufnahme im Detail auf dem einzelnen Kartenblatt geschieht nach dem Gesetz der orthographischen Horizontalprojektion (vgl. Projektion), wonach jede horizontale Linie, im Bild projiziert, genau in Länge und Gestalt wiedergegeben wird, während eine geneigte Linie nach Maßgabe ihres Böschungs- (Elevations-, Neigungs-) Winkels verkürzt erscheint (und zwar nach der Formel P [Projektion] = L [wahre Länge × cosinus α [Böschungswinkel]).
Die Meßtischplatte (s. Meßtisch), auf der das Originalkartenblatt befestigt wird, bildet die horizontale und sehr fest und stabil aufzustellende Projektionsebene, über der die Kippregel und in neuerer Zeit auch der Schiebetachymeter (beide mit Fernrohr versehen) angebracht sind, als die eigentlichen Apparate zum Absehen (Visieren) eines aufzunehmenden Punktes im Terrain nach seiner Richtung, Entfernung und Höhenlage und endlich zum Projizieren derselben auf das Kartenblatt (Meßtischaufnahme, Kippregelaufnahme). Der Maßstab für die im Felde zu erzielende Originalaufnahme beträgt bei allgemeinen Landesaufnahmen meist 1:25,000, d. h. 1 km Weg = 4 cm Papier. Ist eine trigonometrische Netzlegung[94] vorhanden (in Preußen über 10 Punkte auf 1 Quadratmeile), so dienen die im Positions- und Höhenverzeichnis angegebenen und im Terrain durch Steinpfeiler- oder Holzpyramidensignale weit sichtbar gemachten Netzpunkte dem Topographen als Orientierungs- u. Kontrollpunkte. Die Stationsarbeit beginnt damit, daß man den Meßtisch horizontal aufstellt, die Platte durch Drehung unter Beobachtung einer mit Hilfe der Netzpunkte vorher eingetragenen Linie orientiert und den Stationspunkt auf der Meßtischplatte festlegt. Die Operation, eigentliches Stationieren, muß, wenn der Standpunkt nicht gerade auf einem Netzpunkt liegt, gewöhnlich mittels Rückwärtseinschneidens nach drei Netzpunkten (unter Zugrundelegung der geometrischen Pothenotschen Aufgabe) und Korrektur der Orientierung vor sich gehen. Fehlt die trigonometrische Netzlegung, und erstreckt sich das aufzunehmende Gebiet nur über den Erdraum eines Meßtischblattes, so muß der Topograph zur geometrischen oder graphischen Triangullierung oder Netzlegung schreiten: es wird zuerst eine Standlinie markiert (durch Flaggen, Jalons oder Fluchtstäbe) und, mit Maßstäben oder dem Stahlmeßband gemessen, verjüngt eingezeichnet; dann beginnt die Netzlegung, indem man durch Vorwärtsabschneiden eine Anzahl für die Aufnahme wichtiger, gut sichtbarer, bez. markierter Orientierungspunkte festlegt, die auch eine Ausstellung des Meßtisches zum Stationieren zulassen müssen. Dies geschieht durch Visierlinienziehen von den beiden Endpunkten und einem dritten Kontrollpunkte der Basis (Standlinie) aus.
Zur Aufnahme der Umgegend der Station wird die Distanzlatte verwendet; jeder Punkt von Wichtigkeit wird nach Richtung und Entfernung abgemessen und aufgezeichnet. Sind genügend Lattenpunkte eingetragen, so verbindet der Aufnehmer diese zu Geländelinien, als Wegen, Bächen, Gräben, Dorf-, Waldgrenzen, und erhält so einen Grundriß der Situation in Blei. Mit der Situationsaufnahme tuird die Höhenaufnahme verbunden, indem von jedem wissenswerten Punkte mittels der Meßapparate auch die Höhe gemessen wird. Hierzu bedient man sich der Formel h = e tang α, d. h. Höhenunterschied zwischen der Stationshöhe und dem anvisierten Punkt ist gleich projizierter Entfernung beider mal tang des Visierwinkels. Die Höhe der Station muß bekannt sein oder wird auf Grund der bekannten Netzpunkthöhen nach ähnlicher Formel ermittelt. Bei weiterer Entfernung der Punkte von der Situation wird die Refraktion oder atmosphärische Strahlenbrechung sowie die Erdkrümmung in Rechnung gezogen. Als Hilfstafel für die Höhenberechnung (Kotierung) benutzt der Aufnehmer eine hypsometrische Tabelle (Kotentafel, Höhentafel); bei Benutzung von Pullers Schnellmesser (Schiebetachymeter) liest man die Höhen direkt ab. Sind genug Punkte (namentlich Kuppen, Schluchtlinien, Terrassenränder, Kessel, Einsattelungen, Talfurchen u. dgl.) nach ihrer Höhe bestimmt, wozu die Distanzplatte mit benutzt wird, so geht der Aufnehmer an die Einzeichnung der Höhenformation. Diese geschieht meist in Niveaulinien (Linien gleichen Niveaus, d. h. gleichen Höhenabstandes von einer bestimmten Niveaufläche, z. B. einem Meeresspiegel; in Deutschland ist seit 1879 ein Punkt an der Berliner Sternwarte als Normalnullpunkt bestimmt worden). Die Niveaulinien werden zur Darstellung der Höhenformen auf Grund folgender Vorstellung benutzt: Ist ein Bergkegel in gleichen Abständen (Äquidistanzen) von Niveauflächen durchschnitten, und werden die sich daraus an der Außenfläche des Berges ergebenden Schnittlinien auf die unterste Nullniveaufläche nun als Niveaulinien projiziert, so ergibt sich in der Zeichnung, daß jede höhere Niveaulinie von der nächstniedrigen umschlossen wird, sowie daß die Niveaulinien da enger aneinander liegen, wo die Böschung des Bergabhanges steiler ist. Der Verlauf der Niveaulinien läßt hiernach auf die Höhengestaltung schließen. Normalschichthöhe für preußische Aufnahmen: 5 m. Der Topograph kann durch Abkommen oder direkte Messung zwischen immer je zwei der von ihm festgelegten Höhenpunkte (Koten) den Durchgangspunkt einer Niveaulinie (von je 5 oder weniger Metern) ermitteln und nun unter fachgemäßer eigner Anschauung der Höhenformation den Zug der Niveaulinien (oder Horizontalen, auch Isohypsen, Höhenschichtenlinien) entwerfen, oder er benutzt zur Interpolation einen Schichtensucher (Strahlen- oder Parallelen-Diagramm, Metrostroph, Interpolationsmaßstab,-Quadrant,-Schere,-Zirkel,-Dreieck) verschiedenartigster Konstruktion.
Als Hilfsarbeit im Detail dient auch bei der korrekten Meßtischaufnahme vielfach das Krokieren, indem man unter Zugrundelegung von bereits gemessenen Geländelinien die in der nächsten Nähe derselben liegenden Gegenstände, wie z. B. Häuser, Umfassungen, Tümpel, Bäume, Wegweiser u. dgl., durch Abschreiten oder Abschätzen erst in einem Brouillon (Skizze oder Kroki) auszeichnet und dann auf die Meßtischplatte überträgt. Vielfach stehen hierbei dem Topographen auch andre Hilfsmittel zu Gebote, wie Ortschaftspläne, Gemarkungskarten etc. (vgl. Landesaufnahme).
Das am Tage Aufgenommene wird in Tusche festgelegt. Das fertig aufgenommene Meßtischblatt wird zum Schluß ausgezeichnet, entweder nur in schwarzer Tusche oder mit Wasserfarben. Normen für den Modus der Auszeichnung geben die amtlichen Signaturvorschriften (in Österreich Zeichenschlüssel). Die Niveaulinien sind gleichfalls je nach Wichtigkeit zu markieren. Soll die Höhengestaltung deutlich und lesbar erscheinen, so ist die Auszeichnung in Bergstrichen erforderlich, die in stets senkrecht auf die Niveaulinien gezogenen, je nach dem Böschungsgrad mehr oder weniger dicken, schwarzen oder braunen Schraffen bestehen (nach Lehmannscher Manier geradlinig, nach Müsslingscher Manier je nach dem Böschungsgrad verschieden gestaltet, geschlängelt, gestrichelt etc.); oder die Boschung wird mittels Pinsels in Tusche oder Sepia geschummert, laviert aufgetragen. Das Aufnahmeblatt wird dann mit allen Namen und Zahlen ausgewiesen und die Endausstattung des fertigen Planes durch Titel, Nummer, Längen- und Breitenangaben, Maßstab, Nordnadel (Linie, mit Norden und Süden bezeichnet), Datum der Anfertigung, Namen des Aufnehmers, Revisionsbemerkung des kontrollierenden Beamten ausgeführt (s. Landesaufnahme). Über das photogrammetrische Aufnahmeverfahren vgl. Meßbildverfahren. Vgl. v. Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (7. Aufl., Stuttg. 1890); »Anweisung für das Verfahren bei den Vermessungen zur Fortschreibung der Grundsteuerbücher und Karten« (das. 1896); »Vorschrift für die topographische Abteilung der Landesaufnahme« (das. 1898, 2 Hefte); Jordan, Handbuch der Vermessungskunde (4. u. 5, Aufl., Stuttg. 189597, 3 Bde.).
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