Feldmeßkunst

[399] Feldmeßkunst (Landmessung), derjenige Teil der Vermessungskunst (Geodäsie, s.d.), bei der wegen der engern Begrenzung ihrer Arbeitsräume die Erdoberfläche gewöhnlich als eben betrachtet wird. Die feldmesserischen Arbeiten werden im Staate durch geprüfte und konzessionierte Landmesser (Feldmesser, Geometer) ausgeübt, deren Befugnisse und Arbeitsform durch besondere Feldmesserreglements und Instruktionen geregelt sind. Der Landmesser wird für Richtigkeit seiner Instrumente und für richtige Arbeit nach den Anweisungen der Behörde verantwortlich gemacht; Maßstäbe für herzustellende Pläne sind je nach dem Zweck und dem Objekte der Vermessung verschieden. Die Grenzen für die Arbeits- und Berechnungsfehler sind reglementsmäßig festgestellt. Die [399] Revision der Arbeit durch Katasterkontrolleure, -Inspektoren, -Revisoren ist staatlich geregelt. Die Aufgaben des Landmessers sind im allgemeinen folgende:

a) Die Flurvermessung (eigentliche Feldmessung) geschieht in technischer Hinsicht: 1) durch Längenmessungen (Linearkonstruktionsmethode) mittels Kette, Stahlband, Tachymeter, indem nach geometrischen Gesetzen jedes Dreieck durch die drei Seiten bestimmt, jede unregelmäßige Figur aber in Dreiecke (durch Festlegung eines Dreiecksnetzes) zerlegbar ist; einen Punkt durch Längenmessungen bestimmen nennt man einbinden; 2) durch Längenmessung nebst Fällen von Senkrechten (Koordinatenmethode); Instrument hierzu oft der Winkelspiegel; 3) durch Theodolitaufnahme, Winkelbestimmung (Polygonalsystem), entsprechend der Triangulierung der höhern Geodäsie (s.d.); 4) mit Meßtischaufnahme (als Polar-, Abschneide-, Umfangs-, Koordinaten- und Triangulierungsmethode). Hauptgrundsatz bei der Flurvermessung ist Arbeiten aus dem Großen ins Kleine, d. h. Festlegen von Hauptpunkten (Benutzung der Triangulation des Landes), Aufnahme der Einzelheiten, Parzellen (als Bau-, Weg-, Fluß-, Teich-, Feld-, Wiesen-, Acker-, Hutungs-, Waldparzellen). In der daraus sich ergebenden Flur-, Feld-, Gemarkungs-, auch wohl Gemeindekarte müssen die Grenzlinien genau eingezeichnet, die Parzellen numeriert, mit Buchstaben oder Signaturen versehen sein, im Gelände selbst werden die Parzellen abgepflockt. Während der Abpflockung wird ein Handriß angefertigt, mit Bindelinien zur Kontrolle der Entfernungen (Diagonalen) versehen. b) Die Flächenberechnung geschieht entweder arithmetisch, jede krumme Linie gilt als gebrochen, oder geometrisch, mittels Teilung der Fläche in Dreiecke (wobei der Eingang des Papiers zu berücksichtigen). Kombiniertes Verfahren: durch Abgreifen der Längen aus der Gemarkungskarte und Messen der Breiten (Flurbreiten) auf dem Feld. Rein mechanisches Verfahren: von der Karte aus mittels Planimeter (s.d.). Die Resultate werden tabellarisch in ein Vermessungsregister (Fundbuch, Lagerbuch, Flurbuch, Salbuch, Grundbuch) eingetragen: Grundstück, Nummer, Besitzer, Kulturart, Fläche. Etwas verschieden davon ist das besonders (eventuell durch andre Behörden) zu verfertigende Kataster, in welchem außer obigem noch die Besteuerung eingetragen wird. c) Die Teilung von Grundstücken geschieht geometrisch oder algebraisch in mannigfaltigen Aufgaben, je nach den Wünschen der Besitzer, die dabei alle möglichen Rücksichten und Gesichtspunkte vorwalten lassen; ist bei Grenzregulierungen wichtig, wo die Bonität (Ertragsfähigkeit des Bodens) in Rechnung gezogen wird.

Das erste Feldmesserreglement datiert in Preußen von 1813; es regelte die Formen für Ausübung des Vermessungswesens, stellte die Winkeleinteilung und das Maß (Feldmesserrute, Decempeda [zehnteilig], nach Direktorialbefehl vom 28. Nov. 1773 = 1669,56 Par. Linien = 1 rheinländische Rute, der »Morgen« = 180 QRuten) sowie die Bezahlung fest. Im übrigen aber wurde das Feldmessen mehr oder weniger gewerbeartig und handwerksmäßig betrieben. Die Einführung der Eisenbahnen, die Benutzung der Dampfkraft auch in der Landwirtschaft und deren Aufschwung erheischten besondere Vermessungsgeschäfte. Auf das Reglement von 1813 folgten die von 1831, 1857, 1871 und 1885.

Neuere landwirtschaftliche Vermessungsarbeiten (vgl. O. Koch, Aufsatz in Jordan und Steppes': »Das deutsche Vermessungswesen«, s. unten) sind 1) die der Landesauseinandersetzung, wobei der Landmesser unter der Landes-Ökonomiekommission und für dieselbe eine Karte und den Nachweis der Parzelleninhalte nach Fläche und Bonitierung (Vermessungsbonitierungsregister) zu schaffen, demnächst eine Neuteilung der Gemarkung, Ausweisung neuer Grenzen (sogen. Planberechnung) zu besorgen, resp. vorzubereiten, endlich die Übertragung dieser Grenzen aus der Karte auf die Örtlichkeit durch Planabsteckung und Versteinung vorzunehmen hat. 2) Vermessungen zur Bodenmelioration, die oft mit Flußregulierungen verbunden, Drainierung und Bewässerung; daher genaues Nivellement erforderlich.

Die Forstvermessung geschieht gewöhnlich durch besondere Forstbeamte, die das Landmesserexamen absolviert haben.

Die Feldmesserarbeiten im Interesse des Eisenbahnbaues bestehen a) für Herstellung des generellen Projekts in Beschaffung von Situations- und Nivellementsplänen (1:10,000), unter Benutzung der Landesaufnahme; b) für das spezielle Projekt in Messung und Berechnung eines Polygonzugs, Bestimmung von Höhenpunkten, Konstruktion von Querprofilen, Einzeichnung von Höhenkurven, Herstellung eines Schichtenplans, auf dem der Ingenieur dann die Trasse feststellt. Dann folgen im Gelände das Abstecken und Messen der geraden Linien (Tangenten) und Winkel, Kurven, Nivellement. Anfertigung des dem Ministerium einzureichenden (Muster-) Plans. Nach Feststellung des Projekts: Parzellenaufnahme 1:500, 1:2000, für Ankauf der Grundstücke, Anfertigung von Grunderwerbskarten, Flächenberechnungen, Vermessungsregister (unter Benutzung der Katasterkarten). In diese Karte werden die Bahnbreiten, Namen der Grundeigentümer nebst Katasterbezeichnungen, Nummern der Flurkarten und Parzellen eingetragen. Dann wird die Schlußvermessung der fertigen Bahn, die Darstellung derselben und die Flächenberechnung der benutzten Grundstücke beschafft. Allgemein folgende Arbeiten sind endlich Verwaltung der Pläne, Reparaturvermessungen etc. (vgl. Winckel, bei Jordan und Steppes, s. unten).

Vgl. außer den Werken über Kartenprojektion (s. Landkarten): Barfuß, Handbuch der Feldmeßkunde (4. Aufl. von Jeep, Weimar 1888); Streffleur, Allgemeine Terrainlehre (Wien 1876); Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (7. Aufl., Stuttg. 1890); Jordan, Handbuch der Vermessungskunde (Bd. 1, 5. Aufl., Stuttg. 1903; Bd. 2, 5. Aufl. 1897; Bd. 3, 4. Aufl. 1896); Jordan u. Steppes, Das deutsche Vermessungswesen (das. 1880, 2 Bde.); Bohn, Die Landmessung (das. 1886, 2 Bde.); Wüst, Leichtfaßliche Anleitung zum Feldmessen und Nivellieren für praktische Landwirte (5. Aufl., Berl. 1901); Wörmann und Godemann, Das praktische Feldmessen und seine Anwendung in der Gärtnerei und Landwirtschaft (2. Aufl., Leipz. 1894); »Die Landmesser in Preußen, ihre Ausbildung, Prüfung und Bestallung« (2. Aufl., Berl. 1895); »Ausbildung und Prüfung der preußischen Landmesser und Kulturtechniker« (im Auftrag des Ministeriums der Landwirtschaft, 2. Aufl., das. 1893); Pietsch, Katechismus der F. (7. Aufl., Leipz. 1903); Baule, Lehrbuch der Vermessungskunde (2. Aufl., das. 1901); Goerth, Gärt nerische Feldmeßkunde (Proskau 1899); Friedersdorff, Anleitung für Landmesserzöglinge (Berl. 1900); Miller, Die Vermessungskunde (2. Aufl.,[400] Hannov. 1903); Abendroth, Der Landmesser im Städtebau (Berl. 1901); Zajiček, Lehrbuch der praktischen Meßkunst (2. Aufl., das. 1901); »Zeitschrift für Vermessungswesen« (hrsg. von Reinhertz und Steppes, Stuttg., seit 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 399-401.
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