Bruno, Giordano

[505] Bruno, Giordano (Jordanus Brunus), berühmter Philosoph, geb. 1548 zu Nola im Neapolitanischen (daher B. Nolanus), gest. 17. Febr. 1600 in Rom, verließ seiner freimütigen Ansichten wegen das Dominikanerkloster zu Neapel, dem er seit seinem 15. Jahr etwa angehört hatte, und floh 1576 nach kurzem Aufenthalt in Rom von da und gelangte auf mancherlei Umwegen nach Genf, von wo er wegen der Unduldsamkeit der dortigen Calvinisten weiter nach Lyon und Toulouse ging. Hier blieb er 21/2 Jahre und hielt über verschiedene Teile der Philosophie Vorlesungen. 1581 endlich begab er sich nach Paris, wo er über Philosophie mit Beifall vortrug, auch von dem König Heinrich III. Gunst erfuhr. Hier gab er seine an komischen, oft cynischen Zügen reiche Komödie »Candelajo« (»Der Lichtzieher«) heraus sowie einige philosophische Schriften. Bedrängt von den Aristotelikern, mit denen er in Streit geraten war, begab er sich 1583 nach London, wo er von dem französischen Gesandten Michel de Castelnau, Herrn de la Mauvisière, wohlwollend aufgenommen wurde, auch mit diesem öfter an den Hof der Königin Elisabeth kam. Dort schrieb er seinen »Spaccio della bestia trionfante« (Par. 1584), drei Gespräche, in denen die Tugenden durch die Laster, beide als himmlische Konstellationen dargestellt, vom Firmament verjagt werden, mit satirischen Anspielungen auf die Hierarchie; »La cena delle ceneri«, in der er als Verteidiger des kopernikanischen Weltsystems auftrat, und seine wichtigsten Werke: »Della causa, principio ed uno« (Vened. 1584; deutsch von Lasson, 3. Aufl., Leipz. 1902) und »Del infinito universo e mondi« (Vened. 1584). 1585 ging er wieder nach Paris, wo er »Gli eroici furori« veröffentlichte, dann 1586 nach Wittenberg, 1588 nach Prag, wo er »De specierum scrutinio et lauripode combinatoria Raym. Lulli« herausgab. Hierauf wandte er sich nach Helmstedt, wo er wichtige lateinische Lehrgedichte entwarf, weiter nach Frankfurt a. M. (1590), Padua (1591) und endlich nach Venedig, wo er 1592 von der Inquisition ergriffen und 1593 nach Rom ausgeliefert ward. Wegen Abfalls und hartnäckiger Ketzerei zum Tode verurteilt, ward er in Rom auf dem Campo dei Fiori lebendig verbrannt. Seinen Richtern rief er zu, sie fällten mit größerer Furcht das Urteil, als er es empfange. Das befreite Italien errichte le ihm als Märtyrer der freien Überzeugung eine Statue zu Neapel. Auch auf dem Campo dei Fiori wurde 9. Juni 1889 sein Standbild enthüllt.

In seiner Philosophie ist B. durchaus Gegner des scholastischen Aristoteles. Seine Logik ging auf die »große Kunst« des Lullus zurück, die er als unfehlbare Methode sowohl zum Finden als zum Behalten der Wahrheit pries. Seine Weltanschauung ist eine pantheistische, indem er die Theorie des Nikolaus von Cusa (s.d.) von der Entstehung des Endlichen durch Selbsteinschränkung des Unendlichen mit dem kopernikanischen Weltsystem in phantastisch-poetisch er Weise verschmolz, dabei vielfach die Alten, namentlich Platon, die Neuplatoniker, die Stoiker, aber auch Epikur benutzte. Er war voller Sehnsucht nach dem Ideal der Schönheit, zugleich ein leidenschaftlicher Verehrer der Na kur oder des Unendlichen, lobte zwar den neuen, durch Telesius eingeschlagenen Weg, vom Einzelnen zum Höchsten aufzusteigen, ohne ihn aber selbst streng einzuhalten, so daß seine Lehre an vielen Unklarheiten, Inkonsequenzen und mystischem Dunkel leidet. Der Philosoph muß nach ihm ein Dichter sein, wie er auch selbst, namentlich in seinem Dialog: »Eroici furori« (heroischer Enthusiasmus), viele Gedichte einwob und seine Lehre z. T. in lateinischen Versen veröffentlichte. Grund und Ursache von allem ist nach ihm das Eine, in dem Alles und das selbst in Allem ist, beseelt und beseelend, natura naturans und natura naturata. Kleinstes, weil es im Kleinsten, und Größtes, weil alles Kleinere in ihm ist, das ins Unendliche sich ausdehnende, raumzeitliche Universum. Eines Gottes im Sinn der peripatetischen Scholastiker, eines extramundanen Bewegers, bedarf es nicht. Form, bewegende Ursache und Zweck sind mit der Materie eins, da der unendliche Äther alle Einzeldinge im Keime in sich birgt und sie nach bestimmten Gesetzen aus sich hervorgehen läßt. Das Endliche ist dem Unendlichen wie dieses jenem innerlich verwandt und daher das Ganze ebenso in jedem Teil wirkend wieder Mensch als Teil des Universums im Ganzen letztern »erkennend« gegenwärtig. Dem unzerreißbaren Zusammenhang zwischen dem Größten und Kleinsten im Realen entspricht das ununterbrochene Aufsteigen vom Kleinsten zum Größten, vom Nächsten zum Fernsten (vom Menschen zur Gottheit) im Idealen. Während das Ganze als Ganzes stets unverändert bleibt, sind die Teile desselben in steter Wandlung begriffen. Die Welt ist ihrem Wesen nach Harmonie, als Ganzes durchaus vollkommen, weil Gott in ihr lebt bis ins einzelnste. In Brunos Philosophie finden sich Keime mancher spätern philosophischen Systeme, so des Spinozistischen, Leibnizschen, auch neuerer pantheistischer; doch ist ihre Bedeutung mehrfach überschätzt worden. Sie wurde von Jacobi im Anhang zu dessen »Spinoza« (Werke, IV, Abt. 1), dann von Schelling im »Bruno« (Berl. 1802) und Steffens (»Nachgelassene Schriften«, das. 1816) der Vergessenheit entrissen. Die italienischen Schriften sind von Wagner (Leipz. 1830, 2 Bde.) mit Einleitung herausgegeben, einen neuen Druck besorgte[505] P. de Lagarde (Götting. 1888–89, 2 Bde.); die lateinischen wurden ediert von Fiorentino (Neap. 1880–91, 2 Bde. in 3 Teilen). Die Schrift »De umbris idearum« (Par. 1582) hat S. Tugini (Berl. 1868) herausgegeben. Eine Übersetzung der philosophischen Werke ins Deutsche hat Kuhlenbeck begonnen (»Reformation des Himmels«, Leipz. 1890; »Vom Unendlichen, dem All und den Welten«, Berl. 1893; »Eroici furori oder Zwiegespräche zwischen Helden und Schwärmer«, das. 1898), der auch »Lichtstrahlen aus G. Brunos Werken« (Leipz. 1891) veröffentlichte. Von den sehr vielen Schriften über G. B. seien nur folgende angeführt: Bartholmeß, Jordano B. (Par. 1846, 2 Bde.); Carriere, Die philosophische Weltanschauung der Reformationszeit (2. Aufl., Leipz. 1887); Berti, Giordano B., la vita e sue dottrine (2. Ausg., Turin 1889); Sigwart, Die Lebensgeschichte G. Brunos (Tübing. 1880); Brunnhofer, G. Brunos Weltanschauung und Verhängnis (Leipz. 1883); Plumptree, Life and works of Giordano B. (Lond. 1884, 2 Bde.); A. Riehl, Giordano B. (Leipz. 1900); Louis, Giordano B. (Berl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 505-506.
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